»Monsieur«, wandte sich jetzt Adolphe an Charles und versuchte, eine unbefangene Miene aufzusetzen, »ich weiß nicht, ob Sie sich meiner noch erinnern; ich hatte das Vergnügen, auf einem Ball beim Baron de Nucingen Ihr Gegenüber zu sein, und …«
»O gewiß, Monsieur, gewiß!« erwiderte Charles, verwundert, der Gegenstand so übertriebener Aufmerksamkeit zu sein. »Monsieur ist Ihr Sohn?« wandte er sich jetzt fragend an Madame des Grassins.
Der Abbé sah boshaft auf die Mutter.
»Ja, Monsieur«, sagte diese.
»Demnach waren Sie schon ziemlich früh – ich meine jung – in Paris?« bemerkte Charles nun zu Adolphe.
»Ja, ja!« sagte der Abbé. »Wir schicken sie nach Babylon, sobald sie entwöhnt sind.« Madame des Grassins warf dem Abbé einen langen verwunderten Blick zu.
»Ja, man muß zu uns in die Provinz kommen«, fuhr er fort, »um Frauen in den Dreißigern, deren Söhne vor dem Doktorexamen stehen, von solcher Frische zu finden, wie Madame es ist. Ich glaube noch immer die Zeit zu sehen, Madame, wo die jungen Leute bei den Ballfesten auf die Stühle stiegen, um Sie tanzen zu sehen«, fügte der Abbé hinzu, indem er sich an seine Gegnerin wandte. »Für mich sind Ihre Eroberungen von gestern . . .«
›Oh, der alte Teufel!‹ dachte Madame des Grassins, ›errät er meine Absichten?‹
›Es scheint, ich werde in Saumur eine bedeutende Rolle spielen‹, sagte sich Charles. Und er knöpfte seinen Rock auf, schob die Hand in die Weste und ließ den Blick ins Weite schweifen. Es war dies die Pose, die Chantrey seinem Lord Byron gegeben hat.
Die Zerstreutheit Vater Grandets, oder besser gesagt, sein völliges Aufgehen in der Lektüre seines Briefes entging weder dem Notar noch dem Präsidenten, die versuchten, aus den vom Kerzenlicht hell bestrahlten Mienen des Biedermanns den Inhalt des Schreibens zu erraten. Der Weinbauer hatte Mühe, seinem Gesicht den gewohnten Ausdruck zu geben. Übrigens kann man sich leicht ein Bild machen, wie sehr die Ruhe dieses Mannes bei dem Lesen des folgenden Briefes erschüttert werden mußte: