Ein Pariser, nur ein Pariser aus den allerersten Kreisen konnte sich so herausstaffieren, ohne lächerlich zu erscheinen und allen diesen Nichtigkeiten eine alberne Einheitlichkeit zu geben. Im übrigen machte Charles einen selbstbewußten Eindruck, den Eindruck eines jungen Mannes, der schöne Pistolen, eine sichere Hand und – eine Annette besitzt.
Wer also die Überraschung sowohl der Saumuraner als des jungen Parisers ganz verstehen, das grelle Licht, das die übertriebene Eleganz des Fremden auf die grauen Schatten des Saales und der Anwesenden warf, recht deutlich sehen will, der versuche einmal, sich die Cruchots vorzustellen. Alle drei schnupften Tabak, und es fiel ihnen schon seit langem nicht mehr ein, die Nasentropfen abzuwischen oder die schwarzen Krümelchen zu entfernen, mit denen der Brustteil ihrer schmutziggrauen Hemden und ihre zerdrückten Kragen übersät waren. Ihre dünnen Krawatten umwanden ihren Hals wie Stricke. Ihr ungeheurer Wäschevorrat, der ihnen gestattete, nur zweimal im Jahre waschen zu lassen, hatte zur Folge, daß selbst die saubere Wäsche durch langes Lagern alt und grau aussah. Sie hatten alle drei einen banalen Geschmack und viel Greisenhaftes. Ihre Gesichter waren ebenso verfleckt wie ihre verschnupften Gewänder, ebenso verdrückt wie ihre Hosen; sie erschienen zusammengeschrumpft und fratzenhaft. Die allgemeine Vernachlässigung der anderen Kleidungsstücke, alle waren abgetragen und paßten nicht zueinander, wie das in der Provinz so ist, wo man unmerklich dahin gelangt, daß die einen sich nicht mehr für die anderen kleiden und auf den Preis eines Paars Handschuhe achten, stimmte mit der Gleichgültigkeit der Cruchots überein. Der Abscheu vor der Mode war der einzige Punkt, in dem die Grassinisten und die Cruchotaner einander vollkommen verstanden.
Führte der Pariser sein Glas ans Auge, um die einzelnen Einrichtungsgegenstände des Saales in Augenschein zu nehmen: die Balken der Decke, die braune Holzverkleidung der Wände oder die Punkte, welche die Fliegen darauf hinterlassen hatten und deren Zahl sicherlich ausgereicht hätte, um die ›Encyclopédie méthodique‹ und den ›Moniteur‹ zu punktieren – sogleich erhoben die Lottospieler die Nase und betrachteten ihn ihrerseits mit ebensoviel Neugier, als ob sie eine Giraffe vor sich hätten.
Übrigens konnten sich alle der Betrachtung Charles' hingeben, ohne Besorgnis, dem Herrn des Hauses zu mißfallen. Grandet war in die Lektüre eines langen Briefes vertieft, zu welchem Zweck er sich rücksichtslos der einzigen Kerze bemächtigt hatte.
Eugénie, die noch nie im Leben einen so reizenden Menschen, eine so prächtige Kleidung gesehen hatte, glaubte in ihrem Cousin ein höheres Wesen zu erblicken. Sie sog mit Entzücken den Duft ein, der seinen lieblich gelockten Haaren entströmte. Sie hätte gar zu gern das seidenweiche Leder seiner feinen Handschuhe berührt. Sie beneidete Charles um seine kleinen Hände, um die Frische und Zartheit seines Teints. Es war ganz selbstverständlich, daß der junge Élégant auf Eugénies schlichtes Gemüt einen so tiefen Eindruck machte. Ihr Leben hatte sich hier unter den dunklen Deckenbalken abgespielt, im ewigen Einerlei der Arbeit. Tagein, tagaus stopfte sie Strümpfe, flickte sie die Anzüge ihres Vaters und hatte als einzige Ablenkung die Aussicht auf die stumme Straße, ohne doch in der Stunde mehr als einen Vorübergehenden zu erblicken. Der Anblick ihres Cousins erweckte in ihr etwa dieselben Entzückungen, die einem jungen Mann die traumhaften Frauengestalten Westalls bereiten, die so fein gestochen sind, daß man fürchtet, ein starker Atemzug könnte die himmlischen Wesen fortblasen.