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欧也妮葛朗台-Eugénie Grandet 16
日期:2018-08-03 09:34  点击:215
Ihr Mann gab ihr nie mehr als sechs Francs auf einmal für ihre kleinen Ausgaben. Wenn schon diese Frau Monsieur Grandet als Mitgift und als Erbe mehr als dreihunderttausend Francs eingebracht hatte, verbot ihr ihre Sanftmut doch, sich gegen die demütigende Abhängigkeit aufzulehnen, in der Grandet sie erhielt. Sie brachte es nicht fertig, auch nur einen Sou zu verlangen, und hatte nie ein Wort der Ablehnung, wenn der Notar Cruchot ihr allerlei Akten zur Unterschrift vorlegte. Dieser geheime Edelsinn, ihr von Grandet beständig verkannter und verletzter Seelenadel beherrschte ihr ganzes Wesen.
 
Madame Grandet trug stets ein Kleid aus grünlicher Levantine, das Jahr für Jahr durch ein neues ersetzt wurde, ferner ein großes weißes Brusttuch, einen derben Strohhut und fast immer eine Schürze aus schwarzem Taft. Da sie selten ausging, brauchte sie wenig Schuhwerk. Kurz, sie brauchte nie irgend etwas für sich. Es kam wohl vor, daß Grandet Gewissensbisse spürte, wenn ihm einfiel, daß es schon lange her sei, seit er seiner Frau die letzten sechs Francs gegeben habe; dann stiftete er ihr ein Nadelgeld vom Erlös seiner Jahresernte. Die vier oder fünf Louisdors des Holländers oder Belgiers, der Grandets Weinlese kaufte, bildeten die hauptsächlichsten Einkünfte von Madame Grandet. Aber oft, wenn sie ihre fünf Louis erhalten hatte, sagte ihr Gatte – so, als ob sie gemeinsame Kasse führten: »Kannst du mir ein paar Sous leihen?« Und die arme Frau war glücklich, einem Mann gefällig sein zu können, den ihr Beichtvater als Herrn und Meister über sie gesetzt hatte, und im Laufe des Winters gab sie ihm von ihrem Nadelgeld so manchen Taler wieder heraus.
 
Wenn Grandet das Hundertsousstück aus der Tasche zog, das er seiner Tochter monatlich für kleine Privatausgaben, wie Garn und Nadeln und ähnliches, ausgesetzt hatte, so versäumte er nie, sich an seine Frau zu wenden: »Und du, die Mutter, willst du irgend etwas?« »Lieber Mann«, erwiderte Madame Grandet mit mütterlicher Würde, »das wird sich gelegentlich ergeben.« Verschwendeter Zartsinn! Grandet hielt sich für sehr nobel seiner Frau gegenüber.
 
Haben sie da nicht recht, die Philosophen, die solch einer Nanon oder Eugénie oder Madame Grandet begegnen – haben sie nicht recht, wenn sie sagen, daß die Ironie der grundlegendste Charakterzug der Vorsehung sei?
 
Nachdem dieses Abendessen, wo zum erstenmal von Eugénies Heiratsfähigkeit die Rede gewesen, beendet war, holte Nanon aus Monsieur Grandets Zimmer eine Flasche Johannisbeerlikör und hatte das Mißgeschick, beim Heruntersteigen der Treppe auszugleiten und hinzufallen.
 
»Du Schaf«, rief ihr Herr ihr zu, »stolperst du auch schon wie die andern, wie?«
 
»Das ist immer die eine Stufe, Monsieur – da, wo das Brett locker ist.« 

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