Wenn ich einem Werk, das vor nun bald dreizehn Jahren begonnen wurde, den Titel der »Menschlichen Komödie« gebe, so wird es nötig sein, daß ich seine Idee angebe, von seiner Entstehung berichte und in Kürze seinen Plan auseinandersetze; und zwar muß ich versuchen, von diesen Dingen zu sprechen, als sei ich an ihnen ganz unbeteiligt. Das ist nicht so schwierig, wie der Leser vielleicht glaubt. Ein Werk, auf das wenig Arbeit verwandt wurde, leistet oft der Eitelkeit Vorschub, andauernde Arbeit aber macht unendlich bescheiden. Diese Beobachtung erklärt die Durchprüfung, der Corneille, Molière und andere große Autoren ihre Werke unterzogen: wenn es unmöglich ist, ihnen in ihren schönen Eingebungen gleichzukommen, so kann man sich wenigstens in dieser Empfindung mit ihnen berühren.
Die erste Idee der »Menschlichen Komödie« tauchte mir wie ein Traum auf, wie einer jener ungeheuren Pläne, denen man liebevoll nachhängt und die man entfliegen läßt; wie eine Schimäre, die lächelt, die ihr Frauengesicht zeigt, und die alsbald ihre Flügel entfaltet, um in einen phantastischen Himmel zurückzukehren. Aber die Schimäre wandelt sich wie viele Schimären zur Wirklichkeit; sie übt eine Herrschaft und eine Tyrannei aus, der man gehorchen muß. Die vorliegende Idee entsprang einem Vergleich zwischen dem Menschlichen und dem Tierischen. Es wäre ein Irrtum, wollte man glauben, der große Streit, der sich vor einiger Zeit zwischen Cuvier und Geoffroy Saint-Hilaire entspann, habe auf einer neuen wissenschaftlichen Entdeckung beruht. Der Gedanke der ›Einheit in der Vielheit‹ hatte unter anderen Namen schon die größten Geister der beiden vorhergehenden Jahrhunderte beschäftigt. Wenn man die so außerordentlichen Werke der mystischen Schriftsteller durchliest, die sich mit den Wissenschaften in ihren Beziehungen zum Unendlichen befassen, wie etwa Swedenborg, Saint-Martin und andere, und ferner die Schriften der großen naturwissenschaftlichen Genies, wie die eines Leibniz, eines Buffon, eines Charles Bo
nnet usw., so findet man in den Mo
naden des Leibniz, in den organischen Molekülen Buffons, in der vegetativen Kraft Needhams, in der ›Einschachtelung‹ der ähnlichen Teile bei Charles Bonnet, der kühn genug war, schon 1760 zu schreiben: »Das Tier vegetiert wie die Pflanze«: dort, sage ich, findet man die Keime des schönen Gesetzes vom Selbst an und für sich, auf dem die »Einheit in der Vielheit« beruht. Es gibt nur ein Tier. Der Schöpfer hat sich für alle organischen Wesen nur eines einzigen Musters bedient. Das Tier ist ein Grundwesen, das seine äußere Gestalt oder, genauer, die Unterschiede seiner Gestalt in den Umgebungen annimmt, in denen es sich zu entwickeln berufen wird. Aus diesen Unterschieden ergeben sich die zoologischen Arten. Dieses System, das übrigens mit unseren Begriffen von der göttlichen Macht im Einklang steht, verkündet und vertreten zu haben, wird ewig ein Ehrentitel Geoffroy Saint-Hilaires bleiben, der in dieser Streitfrage der Wissenschaft über Cuvier siegte und dessen Triumph durch den letzten Aufsatz begrüßt wurde, den der große Goethe schrieb.
分享到: