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Master Humphrey's Wanduhr. Erster Band-32
日期:2018-01-05 15:03  点击:278
Der Raritätenladen. Dreiundzwanzigstes Kapitel
Als Herr Richard Swiveller aus der Wildniß (denn so hieß Herrn Quilps auserlesenes Schlupfwinkelchen) seiner Heimath zusteuerte – freilich in einer etwas krummen und korkzieherartigen Weise, nebst vielem Anprallen und Stolpern, bei welchen Gelegenheiten er plötzlich Halt machte und um sich stierte, dann aber eben so plötzlich um ein paar Schritte vorwärts stürzte, um wieder Halt zu machen und den Kopf zu schütteln – lauter Bewegungen, die ruckweise und ohne Vorbedacht geschahen: – als Herr Richard Swiveller seiner Heimath in der eben genannten Weise zusteuerte, welche von Uebelgesinnten als ein Symbol der Trunkenheit betrachtet wird, ohne daß solche Personen jenen Zustand tiefer Weisheit und Betrachtung darin zu erkennen vermögen, dessen sich doch die handelnde Person so innig bewußt ist – begann er an die Möglichkeit zu denken, daß er sein Vertrauen am unrechten Platze angebracht habe; und daß der Zwerg doch nicht gerade die Person sei, welcher man ein so zartes und wichtiges Geheimniß eröffnen durfte. Und durch diesen quälenden Gedanken in einen Zustand verlockt, welchen die genannte böswillige Menschenklasse den des trunkenen Elends nennen würde, überkam Herrn Swiveller die Anwandlung, seinen Hut auf den Boden zu werfen, worauf er zu ächzen anfing und laut ausrief, er sei eine unglückliche Waise, und wenn er nicht eine unglückliche Waise wäre, so hätten die Dinge unmöglich soweit kommen können.
»In meinem frühesten Alter als ein hilfloses Kind von meinen Eltern zurückgelassen,« sagte Herr Swiveller, sein hartes Geschick beweinend, »in meiner zartesten Lebensperiode in die Welt hinaus gestoßen und der Discretion eines trügerischen Zwerges preisgegeben, der sich nur wundern kann über meine Schwäche! Ihr seht da eine unglückliche Waise – ja,« fügte Herr Swiveller bei, indem er seine Stimme zu ihrer höchsten Höhe steigerte und schläfrig umherblickte, »eine unglückliche Waise!«
»Nun,« entgegnete Jemand hart nebenan,« so will ich Ihr Vater sein.«
Herr Swiveller schwang sich hin und her, um das Gleichgewicht zu bewahren, und in dem Nebel, der ihn zu umgeben schien, bemerkte er endlich zwei trübe zwinkernde Augen, die sich, wie er später entdeckte, in der Nähe eines Mundes und einer Nase befanden. Dann gab er seinen Blicken jene Richtung, welche in der Regel von dem Gesicht eines Mannes zu dessen Beinen führt – eine Procedur, welche ihn gewahren ließ, daß diesem Gesichte auch ein Körper angeheftet war; und bei sorgfältigerer Betrachtung überzeugte er sich, daß die Person Herr Quilp war, welcher in der Thal die ganze Zeit über seinen Gefährten begleitet hatte, obgleich es dem Letzteren wie in einem Hochlichte vorkam, er habe den gedachten Ehrenmann eine oder zwei Meilen weiter oben verlassen.
»Du hast eine Waise betrogen, Mensch,« sagte Herr Swiveller feierlich.
»Ich? Ich will Ihnen ja ein zweiter Vater sein,« versetzte Quilp.
»Sie mein Vater, Sir?« entgegnete Dick. »Bei mir ist Alles richtig, Sir, und ich muß daher bitten, daß man mich allein läßt – augenblicklich, Sir.«
»Was Sie nicht für ein spaßhafter Geselle sind!« rief Quilp.
»Geht, Sir,« erwiederte Dick, indem er sich gegen einen Abweichstein lehnte und mit seiner Hand winkte. »Geh', du Betrüger, geh'! Vielleicht wirst einstens du erwachen aus deinem Wonnetraume zu dem Weh, das dir der Waise Flüche thun vermachen. Wollt Ihr machen, daß Ihr fortkommt, Musjeh?«
Da der Zwerg von dieser Beschwörung keine Notiz nahm, so rückte Herr Swiveller vor, in der Absicht, ihm die verdiente Züchtigung angedeihen zu lassen. Er vergaß jedoch dieses Vorhabens, oder änderte wenigstens seinen Sinn, ehe er Quilp nahe genug war, um dasselbe in Thätlichkeiten übergehen lassen zu können, und ergriff jetzt dessen Hand, schwur ihm ewige Freundschaft zu, und erklärte mit einer liebenswürdigen Freimüthigkeit, daß sie von Stund an in Allem, das persönliche Aeußere ausgenommen, Brüder wären. Dann erzählte er noch einmal sein ganzes Geheimniß, und wurde bei dieser Gelegenheit sehr pathetisch hinsichtlich der Miß Wackles, welche, wie Herrn Quilp zu verstehen gegeben wurde, die einzige Veranlassung einer allenfallsigen Zusammenhangslosigkeit wäre, die sich vielleicht zur Zeit in seinen Worten bemerken ließe und ausschließlich der Kraft der Leidenschaft, keineswegs aber dem rosigen Weine oder einem andern geistigen Getränke zuzuschreiben wäre. Und dann gingen sie, brüderlich die Arme verschlungen, mit einander weiter.
»Ich bin so scharf,« sagte Quilp beim Scheiden zu seinem Gefährten, »so scharf, als ein Frettchen, und so schlau, als ein Wiesel. Bringen Sie Trent zu mir; versichern Sie ihn, daß ich sein Freund bin, obgleich ich fürchte, daß er mir ein Bischen mißtraut (warum? weiß ich nicht, denn ich bin mir nicht bewußt, es verdient zu haben); und Ihr Beide habt Euer Glück gemacht – in der Perspektive.«
»Das ist eben das Schlimme an der Sache,« entgegnete Dick. »Dieses Glück in der Perspektive ist so gar weit abgelegen.«
»Eben deßhalb sieht es kleiner aus, als es wirklich ist,« sagte Quilp, indem er seinen Arm drückte. »Sie können sich gar keinen Begriff von dem Werth ihrer Prise machen, bis Sie dieselbe eingethan haben. Merken Sie sich das.«
»Meinen Sie wirklich?« fragte Dick.
»Freilich; und was noch besser ist, ich bin meiner Sache gewiß,« erwiederte der Zwerg. »Sie werden Trent zu mir bringen. Sagen Sie ihm, ich sei sein Freund und der Ihrige – warum sollte ich's nicht sein?«
»Es ist natürlich kein Grund vorhanden, warum Sie's nicht sein sollten,« versetzte Dick; »vielleicht aber recht viele für das Gegentheil – wenigstens läge nichts Sonderbares in Ihrem Wunsche, mein Freund zu sein, wenn sie ein schöner Geist wären; aber Sie wissen ja selbst, daß dieß bei Ihnen nicht der Fall ist.«
»Ich bin kein schöner Geist?« rief Quilp.
»Zum Teufel – nein, Sir,« erwiederte Dick. »Ein Mann von Ihrem Aeußeren kann es nie sein. Wenn Sie überhaupt ein Geist sind, so sind Sie ein böser. Schöne Geister,« fügte Dick bei, indem er sich in die Brust warf, »sehen ganz anders aus, darauf können Sie schwören, Sir.«
Quilp blickte auf seinen freimüthigen Freund mit einem aus List und Aerger gemischten Ausdrucke, und erklärte, indem er sich zu gleicher Zeit die Hände rieb, Herr Swiveller sei ein ungewöhnlicher Charakter, der seine wärmste Hochachtung besäße.
Unter solchen Aeußerungen trennten sie sich, Herr Swiveller, um auf dem nächsten Weg nach Hause zu gehen und seinen Rausch auszuschlafen, und Quilp, um über die gemachte Entdeckung nachzudenken und in der Aussicht auf das reiche Feld von Genuß und Wiedervergeltung, das sich vor seinen Augen aufthat, zu jubiliren.
Nicht ohne große Unlust und einiges Bedenken verfügte sich am andern Morgen Herr Swiveller, dessen Kopf noch von den Dämpfen des renommirten Schiedams eingenommen war, zu der Wohnung seines Freundes Trent, einem Dachstübchen in einem alten gespenstischen Wirthshause, und rückte allmälig mit dem, was gestern zwischen ihm und Quilp stattgefunden hatte, heraus. Auch wurde diese Erzählung von Seite seines Freundes nicht ohne große Ueberraschung und ernstliches Meditiren über Quilp's wahrscheinliche Gründe hingenommen, wie denn auch Trent nicht verfehlte, Dick Swiveller's Thorheit bitter zu rügen.
»Ich will nichts zu meiner Entschuldigung sagen, Fritz,« sagte der reuige Richard; »aber der Kerl hat eine so eigene Weise an sich und ist ein so verschlagener Schuft, daß er mich zuerst auf den Gedanken brachte, was denn eigentlich Schlimmes daran sei, wenn ich es ihm sagte, und während ich noch hierüber nachsann, zapfte er mich ab. Wenn du ihn hättest trinken und rauchen sehen, wie es bei mir der Fall war, so würdest du gleichfalls nichts vor ihm zurückbehalten haben. Du mußt wissen, daß er ein Salamander ist – ja, das ist er.«
Ohne sich auf die Frage einzulassen, ob Salamander auch nothwendig gute und zuverlässige Agenten wären, oder ob es in der Natur der Sache liege, daß ein feuerfester Mann um dieses Umstandes willen auch Zutrauen verdiene, warf sich Friedrich Trent in einen Stuhl, begrub den Kopf in seine Hände und mühte sich, die Gründe zu erforschen, welche Quilp veranlaßt haben mochten, sich in Richard Swiveller's Vertrauen einzuschleichen: denn daß es dem Ersteren um einen Aufschluß zu thun war, welchen Dick nicht freiwillig gegeben haben würde, ließ sich deutlich aus dem Umstande entnehmen, daß Quilp Herrn Swiveller's Gesellschaft aufgesucht und denselben weggelockt hatte.
Der Zwerg war ihm zweimal begegnet, und zwar jedesmal bei Gelegenheit von Dick's Bemühungen, über die Flüchtlinge Nachricht einzuziehen. Dieß reichte vielleicht zu, Argwohn in der Brust eines von Natur so eifersüchtigen und mißtrauischen Wesens zu erwecken, mochte dasselbe zuvor auch noch so wenig Bekümmerniß um das Schicksal der Entwichenen an den Tag gelegt haben, und möglicherweise durfte auch noch die Neugierde, welche durch Dick's unvorsichtiges Benehmen veranlaßt wurde, mit in Betracht kommen. Da er aber jetzt den Entwurf der beiden Freunde kannte – was mochte ihn veranlassen, denselben zu unterstützen? Diese Frage war schwieriger zu lösen: – da sich jedoch Spitzbuben gewöhnlich dadurch überbieten, daß sie ihre eigenen Entwürfe den andern unterschieben, so lag der Gedanke nahe, daß zwischen Quilp und dem alten Manne Streitigkeiten obwalteten, die in ihrem geheimen Verkehr die Grundlage haben und vielleicht mit dem plötzlichen Verschwinden des Letzteren in Verbindung stehen mochten. Eine solche Sachlage konnte wohl den Zwerg zur Rache anspornen und den Wunsch in ihm erregen, den einzigen Gegenstand der Liebe und Besorgniß des alten Mannes in eine Verbindung zu verstricken, welche dieser bekanntlich fürchtete und haßte. Da Friedrich Trent, ohne auf seine Schwester auch nur die mindeste Rücksicht zu nehmen, sein Projekt wegen der Hoffnung auf Gewinn eifrig betrieb, so schien ihm nichts wahrscheinlicher, als daß in den gedachten Motiven die Haupttriebfeder zu Quilp's Handlungsweise liege, und im Glauben, der Zwerg ermunterte sie aus selbstsüchtigen Absichten, weil ihm nämlich ihre Pläne gelegen wären, kam er leicht so weit, seine Mitwirkung in der Sache für redlich und aufrichtig zu nehmen. Zudem war nicht zu verkennen, daß von einer solchen Seite aus mächtige und werthvolle Beihülfe zu erwarten stünde, weßhalb Trent beschloß, Quilp's Einladung anzunehmen und ihn noch diesen Abend zu besuchen: derselbe sollte sodann, wenn sich aus seinen Worten eine Bestätigung der Voraussetzungen entnehmen ließe, an ihrem Plane mitarbeiten, ohne jedoch einen Theil an dem Gewinne zu haben.
Nachdem sich der edle Bruder die Sachlage in dieser Weise überlegt und zu einem Entschlüsse gekommen war, theilte er das, was ihm passend dünkte, Herrn Swiveller, der sich sogar mit noch weniger zufrieden gegeben haben würde, mit, ließ ihm einen Tag Zeit, sich von seinem gestrigen Salamandern zu erholen, und begleitete ihn am Abend nach Herrn Quilp's Wohnung.
Herr Quilp war ungemein erfreut, die beiden Freunde bei sich zu sehen, oder schien es wenigstens zu sein; auch benahm er sich schrecklich höflich gegen Frau Quilp und Frau Jiniwin, obgleich er einen sehr scharfen Blick auf sein Weib warf, um den Eindruck zu beobachten, welchen das Wiederkennen des jungen Trent auf sie übte. Frau Quilp bekundete ebensowenig als ihre Mutter irgend eine schmerzliche oder angenehme Erregung bei dem Anblicke des jungen Mannes; da aber das Auge ihres Gatten sie dermaßen einschüchterte und verwirrte, daß sie durchaus nicht wußte, was sie thun sollte, oder was von ihr verlangt wurde, so ermangelte Herr Quilp nicht, ihre Verlegenheit der von ihm geträumten Ursache beizumessen, und während er über seinen Scharfblick entzückt war, raste er im Geheim vor Eifersucht.
Demungeachtet ließ sich aber Herr Quilp durchaus nichts anmerken, denn er war im Gegentheil die Leutseligkeit und Gesprächigkeit selbst, und präsidirte bei der Rumflasche mit außerordentlicher Offenherzigkeit.
»Lassen Sie mich einmal sehen,« sagte Quilp. »Es muß um die zwei Jahre herum sein, daß wir zum erstenmale mit einander bekannt wurden?«
»Nahe an drei, glaube ich,« versetzte Trent.
»Nahe an drei?« rief Quilp. »Wie schnell doch die Zeit entflieht! Kömmt es dir auch schon so lange vor, Frau Quilp?«
»Ja, ich glaube, es sind volle drei Jahre, Quilp,« lautete die unglückliche Antwort.
»Aha, Madame,« dachte Quilp; »Sie haben sich seitdem wohl recht abgehärmt – nicht wahr? Ganz gut, Madame.«
»Kömmt es mir doch fast wie gestern vor, als Sie in der Mary Anne nach Demarara fuhren,« fügte Herr Quilp laut bei; »ich versichere Sie – erst wie gestern. Nun, ich liebe ein Bischen Wildheit. Ich war selbst einmal ein Wildfang.«
Herr Quilp begleitete dieses Zugeständniß mit einem so entsetzlichen Blinzeln, welches von alten losen Streichen und lockeren Liebesabenteuern Kunde geben sollte, daß sich Frau Jiniwin höchlich darüber vernahm und nicht umhin konnte, leise zu bemerken, er möchte wenigstens seine Beichte so lange aufschieben, bis seine Frau nicht im Zimmer wäre, für welchen Akt der Kühnheit und Insubordination Herr Quilp sie anfangs in einer Weise anstierte, daß sie ganz außer Fassung gerieth, worauf er mit großer Förmlichkeit ihre Gesundheit trank.
»Ich dachte mir's wohl, daß Sie schnell wieder zurückkommen würden, Herr Fritz – ich dachte mir's immer,« sagte Quilp, sein Glas niedersetzend. »Und als die Mary Anne mit Ihnen an Bord wieder zurückkehrte, statt einen Brief mitzunehmen, welcher von der Zerknirschung Ihres Herzens und von dem Glücke Ihrer neuen Lage sprechen sollte – ja, ja, ich amüsirte mich damals; ich amüsirte mich außerordentlich. Ha! ha! ha!«
Der junge Mann lächelte, aber nicht als ob das Thema das angenehmste wäre, welches für seine Unterhaltung hätte ausgewählt werden können; und gerade aus diesem Grunde fuhr Herr Quilp damit fort.
»Nein, ich lasse mir's nicht nehmen,« sagte er; »ein reicher Verwandter, der zwei junge, von ihm abhängige Leute hat – gleichviel ob Brüder oder Schwestern, oder Bruder und Schwester – thut Unrecht, wenn er seine Liebe ausschließlich dem einen zuwendet und das andere verstößt.«
Der junge Mann machte eine ungeduldige Bewegung, aber Quilp machte so ruhig fort, als ob sich's um irgend eine ganz abstrakte Frage handle, bei welcher Niemand von den Anwesenden persönlich betheiligt wäre.
Es ist allerdings wahr,« sagte Quilp, »daß Ihr Großvater wiederholte Vergehung, Undankbarkeit, Schlemmerei, Verschwendung und dergleichen Dinge gegen Sie geltend machte; ich bedeutete ihm aber, daß dieß ganz gewöhnliche Fehler wären. ›Aber er ist ein Schurke,‹ sagte er. – ›Angenommen, es wäre der Fall,‹ sagte ich, natürlich nur um der Argumentation willen, ›viele junge Edelleute und Gentlemen sind auch Schurken!‹ Aber er wollte sich nicht überzeugen lassen.«
»Das nimmt mich in der That sehr Wunder, Herr Quilp,« versetzte der junge Mann sarkastisch.
»Nun, mir ging's damals nicht anders,« entgegnete Quilp; »aber er war immer starrköpfig. Wir standen in freundschaftlichen Beziehungen, aber er erwies sich immer eigensinnig und querköpfig. Die kleine Nell ist ein hübsches Mädchen, ein bezauberndes Mädchen, aber Sie sind ihr Bruder, Herr Friedrich. Sie sind im Grunde doch ihr Bruder, wie Sie ihm dieß auch bei Ihrer letzten Zusammenkunft zu verstehen gegeben haben. Diese Thatsache kann er nicht ändern.«
»Er würde es, wenn er es könnte! Die Pest über ihn für diese, wie auch für seine übrigen wohlwollenden Gesinnungen gegen mich!« rief der junge Mann ungeduldig. »Aber wozu das jetzt? Lassen Sie es daher in's Teufels Namen beruhen.«
»Zugegeben,« entgegnete Quilp; »von meiner Seite bereitwillig zugegeben. Was hat mich doch auch drauf gebracht? Richtig, Herr Friedrich – sehen Sie, ich wollte Ihnen nur zeigen, daß ich mich immer als Ihren Freund erwiesen habe. Sie wußten freilich wenig, wer Ihnen Feind, oder wer ihr Freund war – oder wußten Sie es? Sie hielten mich für ihren Gegner, und als Folge davon ist eine Kälte zwischen uns eingetreten; aber die Schuld lag ganz an Ihnen – durchaus nur an Ihnen. Geben wir uns wieder die Hände, Herr Friedrich.«
Mit fast in die Schultern verstecktem Kopfe und einem grauenhaften Grinsen, das sein Gesicht überflog, stand der Zwerg auf und streckte seinen kurzen Arm über den Tisch. Nach einem augenblicklichen Zögern streckte der junge Mann den seinigen gleichfalls aus, und Quilp packte seine Finger so fest, daß vorübergehend der Strom des Blutes darin erstarrte; dann drückte er die andere Hand auf seine Lippen, runzelte gegen den nichtsahnenden Richard die Stirne, ließ dann Trent los und setzte sich nieder.
Diese Geberde war für Trent nicht verloren, weil er daraus entnahm, daß der Zwerg ihre gegenseitige Verbindung wohl zu würdigen wußte und den Charakter seines Freundes vollkommen durchschaute, denn Dick Swiveller sollte ja nur ein Werkzeug in seinen Händen sein und von seinen Plänen nicht weiter erfahren, als er ihm mitzutheilen für passend erachtete. Es ist etwas Schönes darum, Anerkennung zu finden, und wäre es auch nur um der Schurkerei willen. Diese stumme Huldigung, welche seinen überlegenen Fähigkeiten gezollt wurde, in Vereinigung mit dem Gefühle einer Obmacht, womit des Zwergs rasche Auffassungsgabe ihn bereits ausgestattet hatte, stimmte den jungen Mann günstig gegen diesen ehrenwerthen Kobold und bewog ihn, von seiner Beihülfe Nutzen zu ziehen.
Quilp's Rolle forderte es jetzt, so schnell als thunlich den Gegenstand der Unterhaltung zu wechseln, damit Richard Swiveller in seiner Kopflosigkeit nicht etwas enthülle, was die Weiber nicht zu wissen brauchten, weßhalb er eine Partie Cribbage zu Vieren vorschlug. Die Spielcompagnonschaft wurde ausgeschieden, und es traf sich, daß Frau Quilp mit Friedrich Trent und Dick mit Quilp zusammen kam. So sehr Frau Jiniwin auch eine Freundin von Kartenspiel war, so schloß sie doch ihr Schwiegersohn von aller Theilnahme gänzlich aus, indem er ihr das Geschäft zuwies, von Zeit zu Zeit aus der Flasche die Gläser aufzufüllen; dabei ließ sie von nun an Herr Quilp keinen Augenblick aus dem Gesichte, damit sie nicht allenfalls nebenzu sich selbst bediene – eine Maßregel, wodurch er die unglückliche alte Dame, welche der Rumflasche ebenso zugethan war als den Karten, auf eine doppelte und höchst sinnreiche Weise empfindlich quälte.
Doch war Frau Jiniwin nicht der ausschließliche Gegenstand von Herrn Quilp's Aufmerksamkeit, da noch verschiedene andere Gegenstände ihn veranlaßten, beständig auf der Hut zu sein. Zu seinen excentrischen Gewohnheiten gehörte auch die gemüthliche Laune, stets beim Spielen zu betrügen, wodurch es seinerseits nöthig wurde, nicht nur sehr auf das Spiel Acht zu haben und im Zählen und Marquiren seine Kunstgriffe anzuwenden, sondern er mußte auch ohne Unterlaß durch Blicke, Stirnerunzeln und Fußtritte unter dem Tische Richard Swiveller corrigiren, der, ganz verblüfft über die Geschwindigkeit, womit seine Karten gezählt wurden und die Stifte auf dem Brette hinunter wanderten, sich nicht entbrechen konnte, bisweilen seine Ueberraschung und seinen Unglauben auszudrücken. Außerdem war Frau Quilp die Spieltheilhaberin des jungen Trent, und für jeden Blick, der zwischen ihnen gewechselt wurde, für jedes Wort, das sie sprachen, und für jede Karte, die sie ausspielten, hatte der Zwerg Augen und Ohren. Er kümmerte sich nicht nur um das, was über dem Tisch vorging, sondern auch um die Zeichen, die möglicherweise unter demselben gewechselt werden konnten, und legte daher alle Arten von Fallstricken, um dieselben zu entdecken, indem er namentlich öfters seiner Frau auf die Zehen trat, um zu sehen, ob sie schrie oder sich ruhig verhielt, in welch' letzterem Fall es ihm natürlich ganz klar gewesen sein würde, daß Trent schon vorher sie auf die Zehen getreten hatte.
Obgleich nun von allen Seiten in Anspruch genommen, verwandte er doch das eine Auge nie von der alten Dame, und wenn sie auch noch so verstohlen einem benachbarten Glase den Theelöffel näherte (was oft geschah, um nur einige Tropfen des süßen Inhalts für sich abzufangen), so störte sie Quilp's Hand im Augenblicke des Triumphs durch ein Anstoßen gegen den Löffel, und Quilps höhnende Stimme bat sie, ihre kostbare Gesundheit in Acht zu nehmen. Und in keiner dieser vielen Obliegenheiten erlahmte oder verfehlte sich Quilp vom Anfange an bis zum letzten Augenblicke.
Das Spiel dauerte lange fort und der Flasche wurde kräftig zugesprochen, bis endlich Herr Quilp seine Dame erinnerte, daß es Zeit sei, sich zur Ruhe zu begeben. Die unterwürfige Gattin gehorchte, und die entrüstete Mutter folgte ihr, während Herr Swiveller bald einschlummerte. Der Zwerg winkte seinem noch wachenden Gefährten nach dem andern Ende des Gemachs, und hielt mit ihm eine kurze, leise Zwiesprache.
Es wird gut sein, unserem Freunde nicht mehr, als unumgänglich nöthig ist, mitzutheilen,« sagte Herr Quilp, gegen den schlummernden Freund eine Fratze schneidend. »Gilt es zwischen uns, Fritz? Soll er wirklich die kleine rosige Nell heirathen?
»Sie haben natürlich bei Stellung dieser Frage Ihre eigenen Zwecke im Auge?« entgegnete der Andere.
»Natürlich habe ich dieß, mein bester Herr Fritz,« sagte Quilp und grinste, als er bedachte, wie wenig der Andere seinen wahren Zweck verrieth. »'s ist vielleicht Rache – vielleicht Grille. Ich habe Einfluß, die Sache zu unterstützen oder sie zu verhindern, Herr Fritz. Welchen Weg soll ich einschlagen? Es sind zwei Waagschalen da und ich handle nur für eine.«
»So werfen Sie Ihren Einfluß in die meinige,« erwiederte Trent.
»Es ist geschehen, Herr Fritz,« versetzte Quilp, indem er seine geballte Hand ausstreckte und sie öffnete, als lasse er daraus ein Gewicht niederfallen. »Er liegt von Stunde an in Ihrer Schale und gibt ihr den Ausschlag, Herr Fritz. Vergessen Sie das nicht.«
»Wo sind sie hin?« fragte Trent.
Quilp schüttelte den Kopf und sagte, dieser Punkt bleibe noch zu ermitteln, was aber wahrscheinlich keine Schwierigkeiten veranlassen werde; sei man einmal so weit im Reinen, so könne man die vorläufigen Schritte einleiten. Er wolle den alten Mann besuchen, oder auch Richard Swiveller könne dieß thun und durch Zurschaustellung einer tiefen Besorgniß um seinetwillen, indem er ihn zugleich anflehe, sich eine würdige Heimath zu wählen, auf das Kind einen solchen Eindruck machen, daß sie sich seiner mit Dankbarkeit und Wohlwollen erinnere. Habe Dick es einmal so weit gebracht, meinte Quilp, so sei es ein Leichtes, sie in einem oder zwei Jährchen zu gewinnen, denn sie halte den alten Mann für arm, da er mit vielen andern Geizhälsen die eifersüchtige Politik theile, gegen seine Umgebung sich arm zu stellen.
»Er hat in der letzten Zeit diesen Kunstgriff oft genug gegen mich in Anwendung gebracht,« sagte Trent.
»O! Und auch gegen mich!« versetzte der Zwerg. »Ist das nicht noch merkwürdiger, da ich doch weiß, wie reich er wirklich ist?«
»Sie sollten es, meine ich, wissen können,« entgegnete Trent.
»Das denke ich selber auch,« erwiederte der Zwerg; und hierin wenigstens sprach er die Wahrheit.
Sie flüsterten noch eine Weile und kehrten dann nach dem Tische zurück, worauf der junge Mann Richard Swiveller weckte und ihm eröffnete, daß sie aufbrechen müßten. Dieß war Dick, welcher augenblicklich auf den Beinen war, eine willkommene Neuigkeit. Nachdem noch einige Worte im Vertrauen über den wahrscheinlichen Erfolg gewechselt waren, wünschten sie dem grinsenden Quilp gute Nacht.
Als sie auf die Straße traten, schlich sich Quilp an das Fenster, um zu horchen. Trent erging sich eben in Lobsprüchen über Frau Quilp, und beide konnten sich nicht genug wundern, durch welche Hexerei sie so weit gebracht worden wäre, einen so ungestalteten Wicht zu heirathen. Der Zwerg sah den sich entfernenden Schatten mit einer noch grimmigeren Gesichtsverzerrung nach und schlich sich leise in der Dunkelheit zu Bette.
Bei Ausbrütung ihres Planes dachte weder Trent noch Quilp auch nur mit einem einzigen Gedanken an das Glück oder Unglück der armen unschuldigen Nell. Auch wäre es in der That ein Wunder gewesen, wenn der sorglose Wüstling, der Beiden als Zielscheibe dienen mußte, sich durch irgend eine solche Rücksicht hätte beunruhigen lassen, denn die hohe Meinung von seinen eigenen Verdiensten ließ ihm das Project eher in einem lobenswerthen als in einem anderen Licht erscheinen, und wenn er je von einem so ungewohnten Gast, als das Nachdenken war, heimgesucht worden wäre, so würde er – da er nur roh in Befriedigung seiner Begierden war – sein Gewissen mit dem Vorwand beschwichtigt haben, daß er ja nicht im Sinne habe, sein Weib zu schlagen oder umzubringen, und daher nach allem Gesagten und Geschehenen durchschnittlich einen ganz erträglichen Ehemann abgeben dürfte. 

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