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狄更斯小说:小杜丽-Achtundzwanzigstes Kapitel. Niemands Verschwinden.
日期:2017-11-13 10:53  点击:242
Nicht zufrieden mit seinen Bemühungen, wieder zu seiner verlorenen Pflegbefohlenen zu kommen, richtete Mr. Meagles einen Brief voll der freundlichsten Vorstellungen nicht nur an sie, sondern auch an Miß Wade. Als keine Antwort auf diese Briefe und auf einen andern kam, der von der Hand ihrer ehemaligen jungen Herrin an das starrköpfige Mädchen gerichtet war, und der sie hätte vor Rührung vergehen machen müssen, wenn irgend etwas das noch vermocht hätte (alle drei Briefe kamen einige Wochen später, als an der Haustür abgewiesen, zurück), veranlaßte er Mrs. Meagles, den Versuch einer persönlichen Unterredung zu machen. Als diese würdige Dame außerstande war, eine solche zu erhalten, und die Zulassung hartnäckig verweigert wurde, bat Mr. Meagels Arthur, noch einmal zu versuchen, was er tun könne. Das ganze Resultat der Erfüllung dieses Wunsches war, daß er entdeckte, daß das leere Haus der Obhut der alten Frau anvertraut worden, daß Miß Wade fort war, daß das Gewirr und Durcheinander von Möbeln fort war, und daß die alte Frau jede Summe von halben Kronen annehme und dem Geber freundlich danke, aber nicht die geringste weitere Auskunft als Ersatz für diese Münze zu geben vermochte, als daß sie beständig ein Verzeichnis von nagelfestem Hausgerät zur Schau bot, das der Schreiber des Hausvermieters in dem Flur gelassen.
Da Mr. Meagles trotz dieser Niederlage nicht auf die Undankbare verzichten und sie der Hoffnungslosigkeit preisgeben wollte, im Fall daß ihre besseren Gesinnungen die Oberhand über die dunklere Seite ihres Charakters gewännen, ließ er sechs Tage hintereinander eine sehr zart andeutende Anzeige in die Morgenzeitungen einrücken, die besagte, daß, wenn eine gewisse junge Person, die kürzlich unüberlegterweise die Heimat verlassen, sich irgendwann an seine Adresse in Twickenham wenden wollte, alles wieder wie früher sein würde und sie keine Vorwürfe zu erwarten hätte. Die unerwarteten Folgen dieser Anzeige belehrten den erschrockenen Mr. Meagles zum ersten Male, daß täglich einige hundert junger Leute ihre Heimat unüberlegterweise verlassen. Es kamen nämlich Haufen von ungeratenen jungen Leuten nach Twickenham, die, als sie sich nicht mit Enthusiasmus aufgenommen sahen, gewöhnlich eine Entschädigung außer der Wagenmiete für hin und zurück verlangten. Und dies waren nicht mal die einzigen uneingeladenen Klienten, die die Anzeige herbeiführte. Der Schwarm von Bettelbriefschreibern, die immer gierig nach jedem Haken, er mag noch so klein sein, suchen, um einen Brief daran aufzuhängen, machte ihm die schriftliche Mitteilung, daß sie nach Lesung der Anzeige sich veranlaßt sähen, mit Zuversicht um verschiedene Summen, von zehn Schillingen an bis zu zehn Pfund, nachzusuchen, nicht weil sie irgend etwas von der jungen Person wüßten, sondern weil sie fühlten, daß es das Gefühl dessen, der die Anzeige eingerückt, erleichtern würde, wenn er sich von diesen Gaben trennte. Verschiedene Erfinder benutzten gleichfalls die Gelegenheit, mit Mr. Meagles zu korrespondieren, um ihn zum Beispiel davon in Kenntnis zu setzen, daß sie von einem Freunde auf die Anzeige aufmerksam gemacht worden wären. Sie wollten ihm versichern, sie würden, wenn sie etwas von der jungen Person erfahren, nichts unterlassen, das ihm augenblicklich kundzutun. Wenn er sie in der Zwischenzeit mit dem nötigen Scheck zur Vollendung einer gewissen gänzlich neuen Art von Brunnenpumpen unterstützen wollte, so würde dies die glücklichsten Resultate für die ganze Menschheit haben.
Mr. Meagles und seine Familie hatten bei diesen sich häufenden Entmutigungen mit Widerstreben begonnen, Tattycoram als unwiederbringlich verloren zu betrachten, als die neue tätige Firma von Doyce und Clennam in ihrer Privateigenschaft als Freunde sich eines Samstags hinausbegab, um bis zum Montag auf dem Landhaus zu verweilen. Der ältere Geschäftsteilhaber nahm einen Wagen, und der jüngere Geschäftsteilhaber nahm seinen Spazierstock.
Ein ruhiger Sommersonnenuntergang beleuchtete die Gegend, als er sich dem Ende seines Weges näherte und am Ufer hin durch die Wiesen ging. Er hatte das Gefühl des Friedens und der Freiheit von Sorgen, die das ruhige Land in der Brust der Stadtbewohner erweckt. Alles, was sein Blick umfaßte, war anmutig und freundlich. Das volle Laub der Bäume, das üppige Gras mit der bunten Abwechslung von wilden Blumen, die kleinen grünen Inseln im Flusse; die Beete von Schilf, die Wasserlilien, die auf der Oberfläche des Stromes schwammen, die fernen Stimmen in den Booten, die, bis sie durch das Rauschen des Wassers und die Abendluft zu ihm drangen, etwas Harmonisches bekamen. Alles drückte Ruhe aus. In dem zufälligen Sprung eines Fisches oder dem Brüllen einer Kuh, in allen diesen Tönen sprach sich der vorherrschende Atem der Ruhe aus, die in jedem Duft wiederzukehren schien, der die üppige Luft durchwürzte. Die langen Linien von Rot und Gold in den Wolken und die herrliche Bahn der untergehenden Sonne waren alle göttlich ruhig. Auf den purpurnen Baumwipfeln in der Ferne und auf der grünen Höhe in der Nähe, an der die Schatten langsam hinzogen, herrschte eine ähnliche Stille. Zwischen der wirklichen Landschaft und ihrem Schatten im Wasser war kein Unterschied. Beide waren so unbewegt und klar, so voll des feierlichen Geheimnisses von Leben und Tod und doch so hoffnungsvoll beruhigend für des Beschauers besänftigtes Herz, weil so sanft und gnadenvoll schön!
Clennam war nicht einmal, sondern oftmals stehengeblieben, um sich umzuschauen und die Eindrücke der Umgebung in seiner Seele tief aufzunehmen, wie die Schatten, auf die seine Blicke fielen, immer tiefer und tiefer in das Wasser zu sinken schienen. Er setzte eben langsam seinen Weg fort, als er eine Gestalt auf dem Pfade vor sich sah, die sich ihm vielleicht bereits mit dem Abend und seinen Eindrücken vermischt hatte.
Minnie war da, allein. Sie hatte einige Rosen in ihrer Hand und schien stehengeblieben zu sein, als sie ihn sah, um auf ihn zu warten. Ihr Gesicht war ihm zugewandt, und sie schien von der entgegengesetzten Richtung her zu kommen. Es war etwas Unruhiges in ihrem Wesen, das Clennam nie zuvor bemerkt hatte; und als er ihr nahe kam, stieg plötzlich der Gedanke in ihm auf, daß sie in der Absicht hier sei, um mit ihm zu sprechen.
Sie gab ihm ihre Hand und sagte: »Sie wundern sich, daß Sie mich hier ganz allein sehen? Aber der Abend ist so angenehm, daß ich weiter fortgeschlendert bin, als ich anfangs im Sinne hatte. Ich hielt es für wahrscheinlich, daß ich Ihnen begegnen würde, und das machte mich zuversichtlicher. Sie kommen doch immer diesen Weg, nicht wahr?«
Als Clennam sagte, es sei sein Lieblingsweg, fühlte er ihre Hand auf seinem Arme erbeben und sah die Rosen zittern.
»Wollen Sie mir erlauben, daß ich Ihnen eine gebe, Mr. Clennam? Ich sammelte sie, als ich aus dem Garten kam. Wahrhaftig, ich sammelte sie für Sie, da ich es für sehr wahrscheinlich hielt, daß ich Ihnen begegnen würde. Mr. Doyce ist vor mehr als einer Stunde angekommen und sagte uns, Sie seien auf dem Weg hierher.«
Seine eigne Hand zitterte, als er eine oder zwei Rosen von ihr empfing und ihr dankte. Sie waren nun bei einer Baumallee. Ob sie auf seine oder ihre Veranlassung hin in dieselbe einbogen, hat wenig zu sagen. Er wußte nie, wie das kam.
»Es ist sehr dunkel hier«, sagte Clennam, »aber sehr angenehm zu dieser Stunde. Wenn wir durch diesen tiefen Schatten gehen und durch den Lichtbogen am andern Ende hinausschreiten, so kommen wir, glaube ich, auf dem besten Weg zu der Fähre und dem Landhaus.«
In ihrem einfachen Gartenhut und ihrem leichten Sommerkleid, mit ihrem reichen braunen Haar, das in natürlichen Locken herabrollte, und die wundervollen Augen für einen Augenblick zu den seinen erhoben, mit einem Blick, in dem Achtung vor ihm und Zutrauen zu ihm auffallend mit einer Art ängstlicher Besorgtheit für ihn verbunden waren, erschien sie so schön, daß es gut für seinen Frieden war – oder schlimm für seinen Frieden, er wußte selbst nicht genau, was –, daß er jenen entscheidenden Entschluß gefaßt hatte, über den er so oft nachgedacht.
Sie brach ein momentanes Schweigen, indem sie fragte, ob er wisse, daß Papa wieder an eine Reise ins Ausland gedacht habe? Er sagte, er habe davon sprechen hören. Sie brach ein abermaliges momentanes Schweigen, indem sie mit einigem Zögern hinzufügte, daß Papa die Idee aufgegeben hätte.
Er dachte sogleich, »sie werden sich also heiraten.«
»Mr. Clennam«, sagte sie, noch ängstlicher zögernd und so leise sprechend, daß er seinen Kopf herabbeugte, um sie zu hören. »Ich möchte Ihnen sehr gern mein Vertrauen schenken, wenn Sie die Güte haben wollten, es anzunehmen. Ich hätte es Ihnen schon längst gern geschenkt, weil – ich fühlte, daß Sie unser aufrichtiger Freund sind.«
»Wie kann ich je anders als stolz darauf sein! Bitte, schenken Sie es mir. Bitte, vertrauen Sie mir.«
»Ich hätte nie Anstand genommen, Ihnen zu vertrauen«, versetzte sie und erhob ihre Augen offen zu ihm. »Ich glaube, ich hätte es schon längst getan, wenn ich gewußt, wie. Und ich weiß selbst kaum jetzt, wie.«
»Mr. Gowan«, sagte Arthur Clennam, »hat Grund, sehr glücklich zu sein. Gott segne sein Weib und ihn!«
Sie weinte, als sie ihm zu danken versuchte. Er beruhigte sie, ergriff ihre Hand, die mit den zitternden Rosen darin auf seinem Arme lag, nahm die übrigen Rosen aus derselben und brachte sie an seine Lippen. In diesem Augenblick war es ihm, als ob er jetzt ganz auf die schwindende Hoffnung verzichtete, die in Niemandes Herz geflackert, so sehr zu seiner Pein und Qual; und von dieser Zeit an wurde er in seinen Augen, in bezug auf jede ähnliche Hoffnung oder Aussicht, ein sehr viel älterer Mann, der mit diesem Teil des Lebens abgeschlossen.
Er steckte die Rosen an seine Brust, und sie gingen kurze Zeit langsam und schweigend unter den schattigen Bäumen weiter. Dann fragte er sie mit einer Stimme voll inniger Freundlichkeit: ob sie ihm, als ihrem Freund und ihres Vaters Freund, der manches Jahr älter als sie sei, noch etwas mitzuteilen habe; ob sie auf irgend etwas in ihm ihr Vertrauen setzen wolle, ob er ihr irgendeinen Dienst zu leisten, irgendeine kleine Unterstützung zu ihrem Glück zu bieten imstande wäre; sie würde ihm ein dauerndes Vergnügen bereiten, wenn er glauben dürfte, daß irgend etwas davon in seiner Macht stünde?
Sie war im Begriff zu antworten, als sie durch irgendeinen kleinen verborgenen Kummer oder ein Mitleid – was konnte es sein? – so gerührt wurde, daß sie in Tränen ausbrechend wieder sagte: »Oh, Mr. Clennam! guter, edler Mr. Clennam, bitte, sagen Sie mir, daß Sie mich nicht tadeln.«
»Ich Sie tadeln?« sagte Clennam. »Mein liebstes Kind, ich Sie tadeln? Nein.«
Nachdem sie ihre beiden Hände auf seinem Arme gefaltet und vertrauensvoll zu ihm aufgeblickt hatte, während sie in einigen raschen Worten sagte, daß sie ihm von Herzen danke (wie sie es wirklich tat), beruhigte sie sich nach und nach. Er sprach nun dann und wann ein Wort der Ermutigung, während sie langsam und beinahe schweigend unter den dunkelnden Bäumen hinschritten.
»Und nun, Minnie Gowan«, sagte Clennam endlich lächelnd, »wollen Sie mich nicht um etwas bitten?«
»Oh, ich habe sehr viel von Ihnen zu bitten.«
»Das ist gut. Ich hoffte es; ich bin nicht enttäuscht.«
»Sie wissen, wie man mich zu Hause liebt und wie ich meine Familie liebe. Sie können es sich vielleicht kaum denken, lieber Mr. Clennam«, sagte sie in sehr bewegtem Ton, »wenn sie mich aus freiem Willen aus demselben scheiden sehen, aber ich liebe sie doch so herzlich.« »Ich bin davon überzeugt«, sagte Clennam. »Können Sie glauben, ich zweifle daran?«
»Nein, nein. Aber es ist seltsam, und es erscheint mir selbst so, daß, während ich meine Familie so sehr liebe und so sehr von ihr geliebt werde, ich es über mich vermag, sie von mir zu stoßen. Es erscheint so hart, so undankbar.«
»Nein, liebes Kind«, sagte Clennam, »es liegt das in dem natürlichen Gang und Wechsel der Zeit. Alle Heimat muß man endlich verlassen.«
»Ja, ich weiß; aber nicht in jeder Familie bleibt eine solche Lücke wie in der meinen, wenn ich fort bin. Nicht, daß es an weit besseren, weit liebenswerteren und weit vollkommeneren Mädchen, als ich es bin, mangelte; nicht, daß ich etwas Bedeutendes bin; aber sie haben sich so ungemein an mich angeschlossen.«
Pets liebevolles Herz war von Gefühlen überwältigt, und sie schluchzte, während sie sich ausmalte, was geschehen würde.
»Ich weiß, welche Veränderung Papa anfangs fühlen wird, und ich weiß, daß ich anfangs ihm nichts von dem sein kann, was ich ihm seit vielen Jahren gewesen. Deshalb bitte und ersuche ich Sie jetzt, Mr. Clennam, jetzt mehr als je, seiner zu gedenken und ihm bisweilen Gesellschaft zu leisten, wenn Sie sich etwas Zeit absparen können, und ihm zu sagen, Sie wüßten, ich habe ihn noch mehr lieb, seitdem ich fort sei, als je in meinem ganzen Leben. Denn niemanden – er sagte es mir selbst, als er noch heute mit mir sprach – niemandem hat er so lieb wie Sie, und auf niemand setzt er so großes Vertrauen wie auf Sie.«
Ein Schlüssel zu dem, was zwischen Vater und Tochter vorgegangen, fiel wie ein schwerer Stein in den Born von Clennams Herz und trieb das Wasser in seine Augen. Er sagte heiter, aber nicht so heiter, wie es in seiner Absicht lag, daß das geschehen solle, und daß er ihr sein feierliches Versprechen gebe.
»Wenn ich nicht von Mama spreche«, sagte Pet bewegter und stolzer auf ihren unschuldigen Kummer, als daß Clennam selbst jetzt noch daran zu denken sich gestatten konnte, – aus welchem Grunde er die Bäume zwischen ihnen zählte, derer durch das verschwindende Licht langsam immer weniger wurden – »so geschieht es, weil Mama mich bei dieser Handlung besser verstehen und meinen Verlust auf eine andere Weise fühlen und auf andere Art in die Zukunft blicken wird. Aber Sie wissen, welch eine liebe, hingebende Mutter sie ist, und Sie werden auch ihrer gedenken, nicht wahr?«
Minnie möge ihm vertrauen, sagte Clennam; Minnie möge zuversichtlich hoffen, daß er alles tun werde, was sie wünsche.
»Und, mein lieber Mr. Clennam«, sagte Minnie, »weil Papa und jemand, den ich nicht zu nennen brauche, sich noch nicht ganz zu schätzen und zu verstehen vermögen, wie dies nach und nach geschehen wird; und weil es die Pflicht und der Stolz und die Freude meines neuen Lebens sein wird, ein besseres Verständnis zwischen ihnen anzubahnen, damit sie glücklich durch einander werden, und stolz auf einander seien und einander lieben, da sie beide mich so innig lieben; oh, so suchen Sie, als gütiger, redlicher Mann, wenn ich erst von Hause weg bin (ich gehe weit fort), Papa etwas mehr mit ihm zu versöhnen und Ihren großen Einfluß aufzuwenden, um ihn Papa frei von Vorurteil und in seiner wahren Gestalt zu zeigen. Wollen Sie das als edelmütiger Freund für mich tun?«
Arme Pet! Betrogenes, getäuschtes Kind! Wann wurde je eine solche Veränderung in den natürlichen Beziehungen von Menschen zueinander, wann je eine solche Versöhnung tief innerlicher Gegensätze zustande gebracht! Es ist schon oft von andern Töchtern versucht worden, Minnie; und niemals ist es gelungen; Fehlschläge waren immer die Folge.
So dachte Clennam. Er sagte es aber nicht; es war zu spät. Er verpflichtete sich, alles zu tun, was sie verlangte, und sie war überzeugt, daß er es tun werde.
Sie waren jetzt bei dem letzten Baume der Allee angekommen. Sie blieb stehen und entzog ihm ihren Arm. Die Augen zu ihm erhoben und mit der Hand, die noch kürzlich auf seinem Arme geruht, zitternd eine von den Rosen an seiner Brust als Verstärkung der Bitte berührend, sagte sie:
»Lieber Mr. Clennam, in meinem Glück – denn ich bin glücklich, obgleich Sie mich haben weinen sehen – kann ich keine Wolke zwischen uns schweben sehen. Wenn Sie mir irgend etwas zu vergeben haben – nicht etwas, was ich mit Absicht getan, sondern irgendein Leid, das ich Ihnen ohne meinen Willen zugefügt habe oder dem abzuhelfen in meiner Macht stand, so vergeben Sie mir heute abend aus der Fülle Ihres edlen Herzens.«
Er beugte sich, um in das schuldlose Gesicht zu blicken, das ihn ohne Scheu ansah. Er küßte es und antwortete, der Himmel wisse, daß er nichts zu vergeben habe. Als er sich herabbeugte, um noch einmal in das unschuldige Gesicht zu blicken, flüsterte sie: »Leben Sie wohl!« und er wiederholte es. Es war ein Abschiednehmen von allen seinen alten Hoffnungen – allen alten ruhelosen Zweifeln jenes Niemand. Sie traten im nächsten Augenblick Arm in Arm aus der Allee, wie sie darin eingetreten waren; und die Bäume schienen sich hinter ihnen in der Dunkelheit zu schließen, wie ihr eigener Ausblick auf die Vergangenheit.
Die Stimmen von Mr. und Mrs. Meagles und Doyce wurden alsbald hörbar, da sie in der Nähe der Gartentür sprachen. Als er Pets Namen unter ihnen nennen hörte, rief Clennam: »Sie ist hier, bei mir.« Man wunderte sich und lachte, bis sie näher kamen; aber sobald sie alle beisammen waren, hörte das Lachen auf, und Pet schlüpfte weg.
Mr. Meagles, Doyce und Clennam gingen, ohne zu sprechen, am Ufer des Flusses im Lichte des aufsteigenden Mondes einige Minuten auf und ab; dann blieb Doyce zurück und ging in das Haus. Mr. Meagles und Clennam gingen zusammen noch einige Minuten, ohne zu sprechen, auf und ab, bis endlich der erstere sein Schweigen brach.
»Arthur«, sagte er, indem er zum ersten Male seit ihrer Bekanntschaft diese vertrauliche Anrede gebrauchte, »erinnern Sie sich, daß ich, als wir an einem heißen Morgen über den Hafen von Marseille hinblickend auf und ab gingen, zu Ihnen sagte: es sei Mutter und mir, als ob Pets Zwillingsschwester, die gestorben, gewachsen, wie diese gewachsen, und sich verändert hätte, wie diese sich verändert?«
»Allerdings.«
»Sie erinnern sich, daß ich Ihnen gesagt, wir hätten die Zwillingsschwestern in unsren Gedanken nie trennen können, und in unsrer Phantasie sei, was Pet war, die andere immer auch?«
»Ja, ganz richtig.«
»Arthur«, sagte Mr. Meagles sehr gebeugt, »ich spinne diese Phantasie heute abend weiter. Mir ist es heute abend, mein lieber Freund, als ob Sie mein teures Kind zärtlich geliebt und es verloren hätten, als es so alt war, wie Pet jetzt ist.«
»Ich danke Ihnen«, murmelte Clennam, »danke Ihnen!« Dabei drückte er ihm die Hand.
»Wollen Sie hereinkommen?« sagte Mr. Meagles darauf.
»Bald, sehr bald.«
Mr. Meagles ging, und er war allein. Als er ungefähr eine halbe Stunde im friedlichen Mondlicht am Ufer des Flusses auf und ab gegangen, steckte er die Hand in seine Brust und nahm sanft die Handvoll Rosen heraus. Vielleicht drückte er sie an sein Herz, vielleicht brachte er sie an seine Lippen, gewiß ist nur, daß er sich über das Ufer hinabbeugte und sie langsam in den Fluß fallen ließ. Bleich und nebelhaft im Schein des Mondlichtes führte sie der Fluß mit sich fort.
Die Lichter brannten hell, als er in das Haus trat, und die Gesichter, auf die sie schienen, das seinige nicht ausgenommen, waren bald ruhig und heiter. Sie sprachen von mancherlei Dingen; sein Geschäftsteilhaber hatte noch nie einen solchen Vorrat von Geschichten gehabt, aus dem man nur schöpfen durfte, um die Zeit angenehm zu verbringen. Dann ging es zu Bett und in die Arme des Schlafes. Indessen schwammen die Blumen bleich und nebelhaft in dem Mondlicht auf dem Flusse fort. So schwimmen noch größere Dinge, die einst unsrer Brust und unsrem Herzen nahe waren, von uns auf das Meer der Ewigkeit hinaus. 

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11/25 03:03