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狄更斯小说:董贝父子1 Siebzehntes Kapitel.
日期:2017-10-31 13:16  点击:205
Kapitän Cuttle macht ein kleines Geschäft für die jungen Leute.
Um jenes überraschende Talent für tief angelegte und unergründliche Pläne, mit dem nicht selten Leute von sehr augenfälliger Einfachheit allen Ernstes von Natur aus begabt zu sein wähnen, in Anwendung zu bringen, war Kapitän Cuttle an jenem ereignisvollen Sonntag nach Mr. Dombeys Haus gegangen. Unterwegs blinzelte er stets, um dem überströmenden Scharfsinn einen Abfluß zu gestatten, und so kam es denn, daß er sich bald in der vollen Herrlichkeit seiner Gamaschen Towlinson vorstellen konnte. Zu seinem großen Leidwesen mußte er übrigens von diesem Individuum erfahren, welch ein Unglück bevorstand, und sein Zartgefühl bewog ihn, ganz verdutzt und unverrichteter Dinge wieder abzuschweben. Indes ließ er doch als kleinen Beweis seiner Aufmerksamkeit den Blumenstrauß zurück und der Familie im allgemeinen seine achtungsvollen Komplimente vermelden, die er mit der Kundgebung seiner Hoffnung begleitete, sie möchten unter obwaltenden Umständen ihre Schnäbel gut an den Wind legen. Zugleich fügte er die freundschaftliche Andeutung bei, daß er morgen wieder vorsprechen wolle.
Auf die Komplimente des Kapitäns hatte niemand geachtet und sein Blumenstrauß war, nachdem er die Nacht über in der Halle gelegen, am andern Morgen in den Kehrichtwinkel geworfen worden. So konnte also die schlaue Einleitung des Kapitäns, an die er so große Hoffnungen und Entwürfe geknüpft hatte, als eine völlig vergebliche Mühe betrachtet werden. In ähnlicher Weise leiden Zweige und Büsche mit den zugrunde gehenden Blumen, wenn eine Lawine auf einen Gebirgswald niederstürzt.
Als Walter am Sonntagabend von seinem langen Spaziergang und dessen denkwürdigen Schluß nach Hause zurückkehrte, sah er sich anfangs von der Nachricht, die er zu überbringen hatte, und von den Erregungen, die die durchgemachte Szene zu wecken imstande war, dermaßen in Anspruch genommen, daß er weder bemerkte, sein onkel sei augenscheinlich von der Kunde, die der Kapitän zu überbringen sich anheischig gemacht hatte, nicht unterrichtet, noch die Signale verstand, die Mr. Cuttle mit seinem Haken machte, um ihn vor einer Berührung des Gegenstandes zu warnen. Allerdings waren auch letztere, wie aufmerksam man auch auf sie achten mochte, nicht sonderlich einleuchtend, denn gleich jenen chinesischen Weisen, die der Sage nach bei ihren Zusammenkünften gewisse völlig unaussprechbare gelehrte Worte in die Luft schreiben, machte der gute Mann solche Schnörkel und Winkelzüge, daß ihn niemand begreifen konnte, wenn man nicht schon zum voraus in sein Geheimnis eingeweiht war.
Als jedoch Kapitän Cuttle erfuhr, was vorgefallen war, gab er seine Versuche auf, denn er bemerkte wohl, daß er kaum darauf rechnen durfte, vor der Zeit von Walters Abreise den Gegenstand mit Mr. Dombey gemütlich besprechen zu können. Trotzdem er sich aber mit großer Niedergeschlagenheit klarmachen mußte, wie die Angelegenheit einmal stand, ohne im voraus aufgeklärt und durch die Behandlung eines weisen Freundes ins gleiche gebracht zu sein, müsse Sol Gills davon unterrichtet werden und Walter sich für den Aufbruch gefaßt halten, entschlug er sich doch nicht der edlen Selbstzuversicht, er, Ned Cuttle, sei der Mann für Dombey, und es gehöre nichts dazu, als daß sie beide zusammenkämen, um Walter glücklich zu machen. Er konnte nämlich nicht vergessen, wie gut er in Brighton mit Mr. Dombey zurechtgekommen war, mit welcher Feinheit jeder von ihnen das nötige Wörtlein eingeflochten habe, wie genau sie sich gegenseitig das Maß genommen und wie Ned Cuttle derjenige gewesen, der in der äußersten Not jenes Zufluchtsmittel getroffen und die Verhandlung zu einem erwünschten Schluß gebracht habe. Aus allen diesen Gründen beschwichtigte sich der Kapitän mit dem Gedanken, obgleich für die Gegenwart der Beistand Ned Cuttles durch den Drang der Ereignisse fast nutzlos werde, könne er doch in guter Zeit ein feuchtes Segel aufholen und triumphierend die Angelegenheit in Ordnung bringen.
Unter dem Einfluß dieser wohlgemeinten Selbsttäuschung ging Kapitän Cuttle, während ihm bei Walters Erzählung eine Träne auf den Hemdkragen niederträufelte, in seinem Innern sogar mit dem Gedanken um, ob es sich nicht ebensogut mit Höflichkeit als mit der Politik vertrage, Mr. Dombey auf einen beliebigen Tag zu einer Hammelkeule nach Brig-Place einzuladen und die Frage über die Aussichten seines jungen Freundes bei einem geselligen Glase zu besprechen. Aber das unsichere Temperament der Mrs. Mac Stinger und die Möglichkeit, sie könnte sich während einer solchen Unterhaltung auf dem Flur aufpflanzen und daselbst allerlei derbe Worte ausstoßen, legten dem gastfreundlichen Gedanken des Kapitäns einen kräftigen Zügel an, so daß er für seinen Entschluß nicht den gehörigen Mut aufbringen konnte.
Als Walter gedankenvoll über seinem unberührten Mittagessen saß und mit seiner Einbildungskraft bei den Vorgängen des Abends weilte, wurde dem Kapitän wenigstens eine Tatsache klar – daß nämlich der Neffe seines Freundes, wie sehr auch die Bescheidenheit desselben sich dagegen verwahren mochte, doch sozusagen als ein Mitglied von Mr. Dombeys Familie betrachtet werden konnte. Er war selbst in Beziehung gekommen zu dem Ereignis, das er so ergreifend zu schildern vermochte; sein Name war dabei berührt und empfohlen worden, sein Glück mußte also für seinen Prinzipal ein besonderes Interesse haben. Wie sehr übrigens der Kapitän auch einige von seinen eigenen Schlußfolgerungen bezweifeln mochte, kam ihm doch darüber nicht der mindeste Zweifel, daß sie vollkommen gut für den inneren Frieden des Instrumentenmachers seien. Er benützte daher einen günstigen Augenblick, um seinem alten Freund die Reise nach Westindien als ein Zeichen außerordentlicher Bevorzugung darzustellen, indem er erklärte, er für seinen Teil gäbe, wenn er's hätte, für das, was Walter im Laufe der Zeit gewinnen müsse, gern hunderttausend Pfund, und solch ein Kapital müsse natürlich schöne Renten abwerfen.
Solomon Gills war im Anfang völlig betäubt von dieser Kunde, die gleich einem Donnerschlag, der den heimischen Herd aufwühlte, in das kleine Hinterstübchen niederfiel. Aber der Kapitän wußte so schöne goldene Berge vor seinen düsteren Blicken zu entfalten, deutete so geheimnisvoll auf Whittingtonsche Folgen hin, legte so großen Nachdruck auf das, was Walter eben erzählt hatte, und berief sich so zuversichtlich darauf, als auf eine Bekräftigung seiner Prophezeiungen und einen großen Vorschub für die Verwirklichung der romantischen Legende von der lieblichen Peg, daß der alte Mann völlig verwirrt wurde. Walter erkünstelte für seinen Teil eine Fülle von Hoffnung und Freude, indem er im Ton der größten Zuversichtlichkeit seine Überzeugung aussprach, daß er bald wieder nach Haus zurückkehren werde; auch unterstützte er den Kapitän mit einem so ausdrucksvollen Nicken des Kopfes und Händereiben, daß Solomon, der anfangs ihn und dann seinen alten Freund ansah, wirklich zu glauben begann, auch er sollte vor Freude ganz außer sich sein.
»Aber Ihr begreift wohl, ich habe mich verspätet«, bemerkte er entschuldigend, indem er mit zitternder Hand über die lange Reihe blanker Knöpfe seines Rocks hinunter und dann wieder herauf fuhr, als wären es die Perlen eines Rosenkranzes, deren Paternoster er zweimal herbeten wollte, »und ich möchte weit lieber, daß mein lieber Junge hier bliebe. Ich will zwar glauben, daß dies Vorurteil ein altmodisches ist. Er hat immer so viel auf die See gehalten und ist« – er sah dabei mit einer Schmerzensmiene nach Walter hin – »er ist froh, daß er fortkommt.«
»onkel Sol«, rief Walter hastig, »wenn du so sagst, so werde ich nicht gehen. Nein, Kapitän Cuttle, in diesem Fall gehe ich nicht. Wenn mein onkel glaubt, ich könne froh sein, ihn zu verlassen, und handelte sich's auch darum, Gouverneur aller Inseln Westindiens zu werden, so genügt das vollständig. Ich bleibe.
»Wal'r, mein Junge«, sagte der Kapitän. »Gemach! Sol Gills, macht eine Observation auf Euren Neffen.«
Mit den Augen der majestätischen Gebärde von Cuttles Haken folgend, blickte der alte Mann auf Walter.
»Hier ist ein gewisses Fahrzeug«, fuhr der Kapitän in großartigem Gefühl der Allegorie, in der er sich aufschwang, fort: »es soll ausziehen auf eine gewisse Reise. Welcher Name ist unauslöschlich auf dieses Fahrzeug geschrieben? Ist es der Gay – oder«, fügte er hinzu, indem er seine Stimme erhob, als wollte er auf diesen Punkt hauptsächlich aufmerksam machen, »ist es der Gills?«
»Ned«, entgegnete der alte Mann, indem er Walter an seine Seite zog und dessen Arm zärtlich in den seinen nahm, »ich weiß, ich weiß. Es ist mir natürlich nicht unbekannt, daß Wally stets mehr Rücksicht auf mich als auf sich selbst nimmt. Ich vergesse es nie, und wenn ich sage, er freue sich auf das Fortkommen, so drücke ich damit bloß meine Hoffnung aus, daß es so sein möge. Ist's nicht so? Ihr müßt wissen, Ned, und auch du mußt es wissen, mein lieber Wally, daß mir diese Kunde neu und unerwartet kommt; ich fürchte, der Umstand, daß ich so weit hinter der Zeit zurück und daß ich arm bin, ist daran schuld. Ihr sagt mir, er könne wirklich sein Glück finden?« fuhr der alte Mann fort, indem er ängstlich von dem einen auf den andern blickte. »Ist's auch wirklich wahr und wahrhaftig? Ich kann mich fast in alles finden, was Wally vorwärts bringt, aber dies könnte ich nicht ertragen, daß Wally um meinetwillen Nachteil hätte oder mir irgend etwas vorenthielte. Ihr, Ned Cuttle« – sagte der Greis, den Kapitän anfassend, daß dieser Diplomat in die augenfälligste Verwirrung geriet – »geht Ihr auch ehrlich um mit Eurem alten Freunde? Sprecht Euch aus, Ned Cuttle, steckt nichts dahinter? Muß er gehen? Wie und warum erfahrt Ihr es zuerst?«
Da sich's nunmehr um einen Wettstreit der Liebe und Selbstverleugnung handelte, so ergriff jetzt Walter zu des Kapitäns unendlicher Erleichterung mit bestem Erfolg das Wort, und der alte Sol Gills gewöhnte sich allmählich an den Gedanken, indem man ihn lang und breit besprach; oder vielmehr der Greis wurde darüber so verwirrt, daß sich nichts, nicht einmal der Schmerz der Trennung, seiner Seele mit Bestimmtheit vergegenwärtigte.
Er hatte nicht viel Zeit, die Sache zu erwägen, denn schon am andern Tage erhielt Walter von Mr. Carker, dem Geschäftsführer, die nötigen Briefschaften für seine Fahrt und Ausstattung, zugleich mit der Nachricht, daß der »Sohn und Erbe« in vierzehn oder spätestens sechzehn Tagen absegeln werde. In der Hast der Vorbereitungen, welche Walter absichtlich möglichst steigerte, verlor der alte Mann das bißchen Fassung, das er sonst hatte, vollends, und so kam die Zeit der Abreise schnell heran.
Der Kapitän, der nicht ermangelte, durch tägliche Erkundigungen bei Walter sich von allen Vorgängen zu unterrichten, fand, daß die Zeit bis zur Abfahrt noch immer nicht reiche, obschon sich nie eine Gelegenheit bot oder darzubieten schien, um ihm über die Sachlage eine klarere Einsicht zu geben. Dieser Umstand quälte ihn sehr, und nachdem er über die unglücklichen Verwicklungen reiflich nachgedacht hatte, tauchte ihm plötzlich eine glorreiche Idee auf. Wenn er nun einen Besuch bei Mr. Carker machte und aus diesem herauszulocken suchte, was eigentlich vorlag? Dieser Einfall erschien Kapitän Cuttle ganz herrlich. Er war ihm aufgestiegen in einem Augenblick der Begeisterung, als er eben in Brig-Place nach dem Frühstück seine Morgenpfeife rauchte, und man muß sagen, daß die Idee dem Tabak Ehre machte. Hierdurch konnte er sein ehrliches Gewissen beruhigen, denn das, was ihm Walter vertraut und Sol Gills ihm gesagt hatte, wirkte doch etwas unheimlich auf ihn, und wenn er so handelte, beging er nur einen tief angelegten, verschmitzten Akt der Freundschaft. Er wollte Mr. Carker sorgfältig ausholen und viel oder wenig sagen, je nach dem Charakter des Gentleman und je nach den Umständen, ob diese nun gut oder nicht gut verliefen. Demgemäß legte Kapitän Cuttle, ohne von Walter etwas zu befürchten zu haben, da dieser, wie er wußte, zu Hause mit dem Packen beschäftigt war, seine Gamaschen und den Trauerhalstuchring wieder an, um den zweiten Versuch anzutreten. Diesmal kaufte er unterwegs keinen begütigenden Blumenstrauß, steckte aber eine kleine Sonnenblume in sein Knopfloch, um sich selbst einen lieblichen ländlichen Anflug zu geben, und so ging er denn, den Knotenstock in der Hand und den Glanzhut auf dem Kopf, schnurstracks auf das Geschäftslokal von Dombey und Sohn zu. Nachdem er zur Sammlung seiner Gedanken in einer nahe gelegenen Schenke ein Glas warmen Rums und Wassers genommen hatte, stürzte er, damit die guten Wirkungen nicht verdunsten möchten, auf den Hof los und zeigte sich plötzlich vor Mr. Perchs nichtsahnenden Augen.
»Kam'rad«, begann der Kapitän im Tone der Überredung, »nicht wahr, einer von Euren Herren heißt Carker?«
Mr. Perch räumte dies ein, machte ihm aber zugleich die pflichtliche Mitteilung, daß die Herren insgesamt beschäftigt seien und sich nicht wollten stören lassen.
»Na, so hört, Kam'rad«, sagte ihm der Kapitän ins Ohr: »mein Name ist Kap'tn Cuttle.«
Der Kapitän wollte Perch mit seinem Haken sanft zu sich heranziehen – ein Versuch, welchen Mr. Perch zu vereiteln wußte, nicht so absichtlich, sondern vielmehr bei dem plötzlichen Gedanken erschreckend, daß eine solche Waffe, plötzlich der Mrs. Perch vorgeführt, den Hoffnungen dieser Dame bei ihren dermaligen Umständen verderblich werden könnte.
»Wenn Ihr könntet und die Güte haben wolltet, nur zu melden, daß Kap'tn Cuttle hier ist«, sagte der Kapitän, »so will ich warten.«
Mit diesen Worten nahm der Kapitän auf Mr. Perchs Sitzbrett Platz, holte sein Schnupftuch aus der Krone des Glanzhutes, den er ohne Beschädigung der Form, weil ihn nichts Menschliches zu zerdrücken vermochte, zwischen seine Knie geklemmt hatte, rieb sich den ganzen Kopf und schien dann völlig erfrischt zu sein. Dann ordnete er sich das Haar mit seinem Haken, ließ seine Blicke durch das Bureau laufen und betrachtete sich die Handlungsdiener mit ruhigem Respekt. Der Gleichmut des Kapitäns war so unzerstörbar, er selbst aber durch und durch ein so geheimnisvolles Wesen, daß der beauftragte Perch eingeschüchtert wurde.
»Wie ist der Name, den Ihr mir genannt habt?« fragte Mr. Perch, indem er sich zu ihm nach dem Sitz niederbeugte.
»Kap'tn«, versetzte der andere in tiefem, heiserem Flüsterton.
»Ja«, versetzte Mr. Perch, mit seinem Kopfe nickend.
»Cuttle.«
»O«, entgegnete Mr. Perch in dem gleichen Tone, denn er hatte die eindrucksvolle Diplomatik de« Kapitäns notwendig begreifen müssen. »Ich will sehen, ob er jetzt freie Zeit hat. Ob's so gut ist, weiß ich nicht; aber vielleicht könnte er doch eine Minute erübrigen.«
»Ja, ja, mein Junge – ich will ihn nicht länger als eine Minute in Anspruch nehmen«, erwiderte der Kapitän mit einem Kopfnicken, in welchem er die ganze Wichtigkeit, die er in sich fühlte, ausdrückte. Perch kehrte bald zurück und meldete:
»Will Kapitän Cuttle mit mir kommen?«
Mr. Carter, der Geschäftsführer, stand vor dem leeren Kamin, der mit einem großen Pappendeckel eingefaßt war, und blickte den hereinkommenden Kapitän nicht sehr ermutigend an.
»Mr. Carter?« fragte Kapitän Cuttle.
»Jawohl«, sagte Mr. Carter, alle seine Zähne zeigend.
Die Antwort, die von einem Lächeln begleitet war, gefiel dem Kapitän, denn daraus ließ sich etwas hoffen.
»Ihr seht«, begann der Kapitän, die Augen langsam durch das kleine Gemach gleiten lassend und so viel davon in sich ziehend, als sein Hemdkragen gestattete, »ich bin selbst ein seefahrender Mann, Mr. Carker, und Wal'r, der hier mit Buchführung beschäftigt war, könnte ich fast meinen Sohn nennen.«
»Walter Gay?« fragte Mr. Carter, aufs neue alle seine Zähne zeigend.
»Ja, Wal'r Gay – ganz richtig«, versetzte der Kapitän in einer Weise, als freue er sich höchlich über Mr. Carters rasche Auffassungsgabe. »Ich bin ein vertrauter Freund von ihm und seinem Onkel. Vielleicht« – fuhr der Kapitän fort – »habt Ihr Euer« Prinzipal schon meinen Namen nennen hören – Kapitän Cuttle?«
»Nein«, entgegnete Mr. Carter mit einer noch grinsenderen Demonstration als zuvor.
»Nun, ich erfreue mich des Vergnügens, von ihm gekannt zu sein«, versetzte der Kapitän. »Ich machte ihm an der Sussexküste drunten mit einem jungen Freunde meine Aufwartung, als – kurz, als sich's um eine kleine Vermittlung handelte.« Der Kapitän nickte mit einer Miene, die sich ebenso behaglich, als gelassen und nachdrucksvoll ausnahm. »Vermutlich werdet Ihr Euch erinnern.«
»Ich glaube, ich hatte die Ehre, das Geschäft zu erledigen«, sagte Mr. Carker.
»Jawohl«, entgegnete der Kapitän, »wieder vollkommen richtig! Ihr wart es. Nun habe ich mir die Freiheit genommen, hier vorzusprechen« –
»Wollt Ihr nicht Platz nehmen?« fragte Mr. Carker lächelnd.
»Danke schön«, erwiderte der Kapitän, sich den Wink zunutze machend. »Man kommt vielleicht in der Unterhaltung nur um so besser fort, wenn man sitzt. Wollt Ihr nicht auch einen Stuhl nehmen?«
»Nein, ich danke«, sagte der Geschäftsführer, vielleicht infolge der Wintergewohnheit stets den Rücken dem Kamin zukehrend und auf den Kapitän niederschauend, als hätte er in jedem Zahn ein Auge. »Ihr wolltet sagen, Ihr habet Euch die Freiheit genommen – obschon hier von einer besonderen Freiheit gerade nicht die Rede ist« –
»Danke herzlich, mein Junge«, versetzte der Kapitän – »um meines Freunde« willen, Walter, hierher zu kommen. Sein onkel Sol Gills ist ein Mann von Wissenschaft, und in dieser Beziehung kann man von ihm sagen, daß er ein Ausbund von Tüchtigkeit sei; aber er ist nicht das, was ich überhaupt einen tüchtigen Seemann nennen möchte – kein Mann von Praxis. Wal'r ist ein so schmuckes Bürschlein, wie nur je eins in der Welt war; aber in einer Beziehung trägt er den Kopf viel zu niedrig – ich meine, er ist zu bescheiden. Was ich nun Euch mitzuteilen wünsche«, fuhr der Kapitän mit gedämpfter Stimme und in einer Art vertraulichen Grunzens fort – »natürlich ganz zwischen Euch und mir in freundlicher Weise, bis Euer Prinzipal ein bißchen herumgekriegt ist und ich bei ihm neben Bord kommen kann – besteht darin: ist hier alles recht und komfortabel und segelt Wal'r aus mit vollkommen günstigem Wind?«
»Da möchte ich Eure Meinung hören, Kapitän Cuttle«, sagte Carker, seine Rockschöße unter die Arme nehmend und in dieser Stellung verbleibend. »Ihr seid ein praktischer Mann – was haltet Ihr davon?«
Der verschmitzte bedeutsame Blick im Auge des Kapitäns, als er es zu Erwiderung blinzelte, wäre höchstens durch die früher erwähnten unaussprechlichen chinesischen Worte zu schildern.
»Na, was sagt Ihr?« fuhr der Kapitän höchlich ermutigt fort, »habe ich recht oder unrecht?«
Durch Mr. Carkers lächelnde Leutseligkeit ermutigt und angespornt, hatte der Kapitän so viel mit seinem Auge ausgedrückt, daß er zu einer derartigen Frage vollkommen befugt zu sein glaubte, als hätte er seine Meinung in schönsten Worten angebracht.
»Ihr habt recht«, sagte Mr. Carker: »ich zweifle nicht daran.«
»Also eine Fahrt mit günstigem Wetter?« rief Kapitän Cuttle.
Mr. Carker lächelte zustimmend.
»Den Wind voll im Stern und in gehöriger Menge!« fuhr Kapitän Cuttle fort.
Mr. Carker lächelte abermals beipflichtend.
»Schön, schön!« sagte der Kapitän Cuttle in froher Beruhigung. »Ich wußte ja, wie es stand, und sagte es auch Walter. Danke, danke.«
»Gay hat glänzende Aussichten«, bemerkte Mr. Carker, seinen Mund noch weiter auseinanderziehend: »die ganze Welt liegt vor ihm.«
»Die ganze Welt, und da bleibt das Weib nicht aus, wie es im Sprichwort heißt«, entgegnete der entzückte Kapitän.
Bei dem Worte »Weib«, welches ganz unabsichtlich ausgesprochen worden, hielt der Kapitän inne und blinzelte wieder mit dem Auge; dann setzte er den Glanzhut auf seinen Knotenstock, ließ ihn wirbelnd herumtanzen und schaute seitwärts nach seinem stets lächelnden Freund.
»Ich wette eine Maß alten Jamaika«, sagte der Kapitän, ihn aufmerksam beobachtend, »daß ich weiß, über was Ihr lächelt.«
Mr. Carker griff dieses Schlagwort auf und lächelte um so mehr.
»Es geht nicht weiter?« bemerkte der Kapitän, mit dem Knotenstock gegen die Tür hinstoßend, um sich zu überzeugen, daß sie geschlossen sei.
»Nicht um einen Zoll«, sagte Mr. Carker.
»Ihr denkt vielleicht an ein großes F?« meinte der Kapitän.
Mr. Carker stellte es nicht in Abrede.
»Vielleicht auch an ein L oder an ein O,«
Mr. Carker lächelte noch immer.
»Habe ich wieder recht?« fragte der Kapitän flüsternd, und der Scharlachring um seine Stirne vertiefte sich im Triumph der Freude.
Da Mr. Carker zur Erwiderung noch immer lächelte und jetzt zustimmend mit dem Kopf nickte, erhob sich Kapitän Cuttle, drückte ihm die Hand und gab ihm die warme Zusicherung, sie seien beide auf demselben Wege, und was ihn (Cuttle) betreffe, so habe er stets auf diesen Kurs angelegt. »Zum erstenmal hat er sie in einer sehr ungewöhnlichen Weise kennengelernt«, sagte er mit der ganzen Geheimnisfülle und Wichtigkeit, welche der Gegenstand erforderte. – »Ihr erinnert Euch, wie er sie, noch als kleines Kind, auf der Straße fand! sie ist seitdem immer sein Augapfel gewesen, und auch sie hatte ihn so gern, wie es bei zwei so jungen Leutchen nur möglich ist. Wir haben immer gesagt, Sol Gills und ich, sie seien für einander gemacht.«
Eine Katze, ein Affe, eine Hyäne oder ein Totenkopf hätten auf einmal dem Kapitän nicht mehr Zähne zeigen können, als Mr. Carker bei dieser Höhe der Unterhaltung blicken ließ.
»Ihr seht, alles findet sich zusammen«, bemerkte der überglückliche Kapitän. »Wind und Wasser schlagen in dieselbe Richtung. Wenn ich nur denke, daß er letzthin auch mit anwesend war.«
»Sehr günstig für seine Hoffnungen«, sagte Mr. Carker.
»Daß er an selbigem Tage auch ins Kielwasser getaut wurde«, fuhr der Kapitän fort. »Was kann ich jetzt triftig kappen?«
»Nichts«, versetzte Mr. Carker.
»Ihr habt abermals recht«, erwiderte der Kapitän mit einem weiteren Händedruck. »Nichts. Also nur fest ausgehalten. Ein Sohn ist dahin, das liebe kleine Geschöpf: ist's nicht so?«
»Ja, ein Sohn ist dahin«, stimmte Mr. Carker mit ein.
»So laßt nur den Ruf erschallen, und Ihr habt einen andern zur Hand«, bemerkte der Kapitän; »den Neffen eines wissenschaftlichen Onkels! den Neffen von Sol Gills, Wal'r, den Wal'r, der bereit in Eurem Geschäft ist, und« – fügte der Kapitän hinzu, indem er sich allmählich zu der Phrase aufschwang, die er als Schlußstein vorbereitet hatte – »der von Sol Gills aus täglich in den Schoß Eures Geschäftslebens kommt.«
Die Selbstgefälligkeit, mit welcher der Kapitän seine ebengenannten Sentenzen schloß und dabei Mr. Carter stets mit seinem Ellenbogen anstieß, konnte nur durch die Miene des Entzückens übertroffen werden, mit welcher er nach der glanzvollen Entfaltung seiner Beredsamkeit und seines Scharfsinns zurücktrat und den Geschäftsführer ins Auge faßte. Seine große blaue Weste klopfte unter den Geburtswehen eines solchen Meisterstücks, und aus derselben Ursache befand sich seine Nase im Zustande einer ungestümen Kongestion.
»Habe ich recht?« fragte der Kapitän.
»Kapitän Cuttle«, versetzte Mr. Carker, der sich in seltsamer Weise für einen Moment bis zu seinen Knien niederbeugte, als falle er zusammen, um sein ganzes Ich mit einem Male zu umarmen – »Eure Ansicht inbetreff Walter Gays ist durchaus und aufs Haar hin richtig. Ich nehme an, daß wir vollkommen im Vertrauen miteinander sprechen.«
»Auf Ehre«, erwiderte der Kapitän. »Nicht ein Wort.«
»Gegen ihn oder irgend jemand?« fügte der Geschäftsführer hinzu.
Kapitän Cuttle runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.
»Es geschieht bloß zu Eurer eigenen Beruhigung und damit Ihr Euch danach richten möget – natürlich könnt Ihr Euch danach richten«, wiederholte Mr. Carker, »und demgemäß Eure künftigen Schritte ordnen.«
»Ich bin Euch in der Tat sehr zu Dank verpflichtet«, sagte der Kapitän, der ganz Ohr war.
»Ich nehme keinen Anstand zu sagen, daß die Sache sich wirklich so verhält. Die Wahrscheinlichkeiten sind von Euch aufs genaueste erfaßt worden.«
»Und was Euern Prinzipal betrifft«, sagte der Kapitän, »ei, da liegt's wohl in der Natur der Sache, daß es zwischen uns zu einer Verständigung komme. Doch dafür ist noch immer Zeit.«
Mr. Carker wiederholte mit einem Munde, der von Ohr zu Ohr ging: »noch immer Zeit« – nicht gerade in artikulierten Worten, denn er beugte nur leutselig den Kopf und bildete den Satz mit der Zunge und den Lippen.
»Und da ich jetzt weiß – ich Habs auch immer gesagt – daß Wal'r auf dem Punkt ist, sein Glück zu machen –« sagte der Kapitän.
»Sein Glück zu machen«, wiederholte Mr, Carker in derselben stummen Weise.
»Und daß Walter diese Reise sozusagen in seinem Amte und als ein Teil seiner allgemeinen Aussichten hier antritt«, sagte der Kapitän.
»Seiner allgemeinen Aussichten hier«, pflichtete Mr. Carker ebenso lautlos wieder bei.
»Je nun, da ich dies weiß«, fuhr der Kapitän fort, »hat's keine Eile, und ich kann mich zufrieden geben.«
Mr. Carker fuhr fort, in derselben lautlosen Weise seinen geschmeidigen Beifall zu erkennen zu geben, und Kapitän Cuttle gewann die feste Überzeugung, der Geschäftsführer sei einer der angenehmsten Menschen, mit denen er je zusammengetroffen sei, denn selbst Mr. Dombey könne von einem solchen Musterbild noch lernen. Der Kapitän streckte daher mit großer Herzlichkeit abermals seine ungeheure Hand aus, die an Farbe einem alten Block nicht unähnlich war, und ließ auf dem weicheren Fleische seines neuen Freundes einen Abdruck von all den Spalten und Ritzen zurück, mit welchen besagtes Tastorgan des alten Seemanns freigebig tätowiert war.
»Lebt wohl«, sagte der Kapitän. »Ich bin kein Mann von vielen Worten, weiß es aber sehr zu schätzen, daß Ihr Euch so freundschaftlich und offen gegen mich benommen habt. Ihr werdet mir's zuguthalten, wenn ich überhaupt lästig gefallen bin?« fügte er bei.
»Durchaus nicht lästig«, entgegnete der andere.
»Danke schön. Meine Berth ist zwar nicht sehr geräumig«, sagte der Kapitän, indem er sich noch einmal umwandte, »aber doch leidlich geborgen, und wenn Ihr einmal in die Nähe von Brig-Place kommt, Nummer neun – wollt Ihr's Euch nicht aufzeichnen? – so werde ich mir's zu hoher Ehre anrechnen, wenn Ihr mich besuchen wollt. Ich wohne eine Treppe hoch, und Ihr müßt Euch nicht an das kehren, was etwa die Person an der Tür sagen mag.«
Mit dieser gastfreundlichen Einladung verabschiedete sich der Kapitän, verließ das Zimmer und drückte die Tür hinter sich zu, während Mr. Carker, noch immer an den Kaminsims gelehnt, zurückblieb. In der schlauen Miene und in dem lauernden Benehmen des letzteren, in seinem falschen Mund, der sich, ohne zu lachen, ausdehnte, in seiner schneeweißen Halsbinde und in seinem Backenbart, sogar in der Art, wie er mit der weichen Hand über seine weiße Leinwand und über sein glattes Gesicht fuhr, lag etwas verzweifelt Katzenartiges.
Der arglose Kapitän zog mit einem Triumphgefühl ab, das seinem weiten blauen Anzug einen ganz neuen Schnitt verlieh. »Ich muß dich loben, Ned!« sagte er zu sich selbst. »Du hast heute für die jungen Leute ein Geschäftchen geordnet, und dies macht dir Ehre, mein guter Bursche!«
In dem Entzücken seines Herzens und im Hinblick auf die gegenwärtige und zukünftige Beziehung zum Haus konnte sich der Kapitän, als er das äußere Bureau erreichte, nicht enthalten, Mr. Perch ein wenig zu necken und ihn zu fragen, ob er wohl noch immer glaube, daß keiner von seinen Herren etwas übrige Zeit finden könne. Da er übrigens einem Mann, der nur seine Pflicht erfüllt hatte, nicht wehe tun wollte, so flüsterte er ihm zu, wenn er Lust zu einem Gläschen Grog habe und ihm folgen wolle, so werde er sich glücklich schätzen, ihn damit zu traktieren.
Ehe der Kapitän das Bureau verließ, sah er sich, zum großen Erstaunen der Handlungsdiener, von einem Zentralteile des Gelasses um und musterte den Platz, der so wesentlich mit zu dem Projekte, das er für seinen jungen Freund ausgesponnen hatte, gehörte. Das Kassenzimmer erregte seine besondere Bewunderung; um übrigens nicht aufzufallen, begnügte er sich in dieser Beziehung nur mit einem beifälligen Blicke und ging sodann auf den Hof hinaus, nachdem er zuvor mit einer höflichen Gönnermiene sämtlichen Handlungsdienern seine Verbeugung gemacht hatte. Mr. Perch schloß sich ihm sogleich an, und er führte sofort diesen Gentleman nach der bewußten Schenke, wo er sein Versprechen erfüllte. Freilich mußte die Sache in größter Hast abgetan werden, da Perchs Zeit kostbar war.
»Ich will einen Toast ausbringen«, sagte der Kapitän. »Wal'r!«
»Wer?« fragte Mr. Perch.
»Wal'r!« wiederholte der Kapitän mit einer Donnerstimme.
Mr. Perch, der sich von seiner Jugend her zu erinnern schien, daß es einmal einen Poeten dieses Namens gegeben habe, erhob keine Einwendung, war aber doch sehr erstaunt, daß der Kapitän in die City kam, um die Gesundheit eines Dichters auszubringen. In der Tat, wenn er den Vorschlag gemacht hätte, die Statue irgendeines Musensohns – die Shakespeares zum Beispiel – an einer öffentlichen Straße aufzustellen, so hätte er kaum gegen Mr. Perchs Erfahrung mehr verstoßen können. Indes war der alte Gentleman ein so geheimnisvoller und unbegreiflicher Charakter, daß Mr. Perch den Entschluß faßte, seiner gegen Mrs. Perch in keiner Weise Erwähnung zu tun, damit nicht mißliebige Folgen daraus hervorgehen möchten.
Und richtig blieb der Kapitän in seinem lebhaften Gefühl, für die jungen Leute ein kleines Geschäft abgemacht zu haben, den ganzen Tag selbst gegen seine vertrautesten Freunde geheimnisvoll und unbegreiflich; hätte übrigens Walter nicht seinem Blinzeln, Grinsen und anderen pantomimischen Selbsterleichterungen im Interesse der unschuldigen Täuschung gegen Sol Gills nachgegeben, so würde er sich zuverlässig noch vor Abend verraten haben. Wie jedoch die Sachen standen, blieb er im Besitze seines Geheimnisses und verließ erst spät das Haus des Instrumentenmachers. Bei dieser Gelegenheit saß der Glanzhut so weit auf der einen Seite, und der Kapitän hatte einen so leuchtenden Ausdruck in seinem Auge, daß Mrs. Mac Stinger, eine wahrhaft römische Matrone, die recht gut in Doktor Blimbers Etablissement gepaßt hätte, beim ersten Anblick ihres Hausherrn sich hinter der offenen Straßentür verschanzte und zum Trost ihrer lieben Kindlein nicht wieder hervorkommen wollte, bis sie die Überzeugung gewonnen hatte, der alte Gentleman sei nun wohlbehalten in seinem eigenen Zimmer einquartiert. 

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