Auf einem Schloss lebte einst ein Graf namens Rudolf, dessen Gemahlin ein goldenes Kreuz auf der Stirn hatte. Ihre Tochter Adelheid hatte dasselbe Zeichen auf der Stirn. Als sie zwanzig Jahre alt war, starb plötzlich ihre Mutter, und die Trauer und der Schmerz des Grafen und seiner Tochter war nun grenzenlos. Nachdem die Mutter beerdigt war, verschlossen sie sich in ihre Gemächer und ließen selten jemanden zu sich.
Nach einem Monat ließ der Graf seine Tochter in sein Zimmer holen und sprach zu ihr: »Liebes Kind, du weißt, wie ich deine Mutter geliebt habe, deshalb ziehe ich in die weite Welt hinaus und suche eine Frau, die gleich deiner seligen Mutter ein goldenes Kreuz auf der Stirn hat. Finde ich binnen Jahr und Tag keine solche, so heirate ich dich.«
Als Adelheid diese Worte vernahm, war sie sehr bestürzt und entfernte sich schweigend. Graf Rudolf reiste aber am nächsten Morgen mit dem Versprechen ab, binnen Jahr und Tag wiederzukommen.
Als Adelheid allein war, sann sie nach, ob es möglich wäre, dass ihr Vater eine Frau mit dem bezeichneten Kreuz finden könne. Da erinnerte sie sich, dass ihre Mutter ihr einmal erzählt habe, dass außer ihr und Adelheid niemand auf der ganzen Erde solch ein Kreuz habe. Sie beschloss fortzureisen und sich lieber ihr Brot durch ihrer Hände Arbeit zu verdienen, als an ihres Vaters Tafel als dessen Gattin die leckersten Bissen zu verspeisen. Sie weihte einen ihr ergebenen Diener in ihren Plan ein und traf alle Vorbereitungen zur Abreise. Ihre Kostbarkeiten, ihren Schmuck, ihr Gold und ihre Kleider lud sie ganz im Geheimen auf mehrere große Wagen, ließ sie zur Nachtzeit vorfahren und entfernte sich mit ihrem Diener Gotthold und mehreren anderen, die ihr ergeben waren. Sie kamen in eine große Stadt, wo sie ein Haus mietete und es mit den Dienern bezog.
Adelheid hatte schon öfter geäußert, dass sie ihr Brot sich durch ihrer Hände Arbeit verdienen wolle. Deshalb suchte Gotthold in der Stadt einen Dienst für seine Herrin. Er erfuhr auch, dass im Schloss des Fürsten Adolf die Stelle eines Küchenmädchens frei sei. Deshalb ging er zum Küchenmeister und fragte ihn, ob er wohl geneigt wäre, seine Nichte, so nannte er die Gräfin, in den Dienst zu nehmen. Als Gotthold den Küchenmeister näher betrachtete, erkannte er in ihm einen Freund, den er schon viele Jahre nicht gesehen hatte. Er erzählte ihm jetzt, dass sein Bruder gestorben sei und ihm seine Tochter zurückgelassen habe, die er nun versorgen wolle. Der Küchenmeister willigte ein, und erfreut entfernte sich der treue Diener der Gräfin und blieb in dem gemieteten Haus.
Adelheid färbte sich Gesicht, Hals und Hände braun, verbarg ihr goldenes Kreuz und das Haar unter einem großen Kopftuch, zog statt ihrer prachtvollen Gewänder alte, schmutzige, zerrissene Kleider an und ging zum Küchenmeister. Sie erhielt eine kleine Kammer, in welcher sie schlief und ihre Sachen aufbewahrte. Allmählich gewöhnte sie sich an den Dienst, obgleich sie durch die schwere Arbeit stark mitgenommen wurde.
Bis jetzt hatte sie den Fürsten noch nicht gesehen. Eines Tages ließ er alle seine Freunde und Bekannten zu einem großen Ball einladen. Am Morgen des Balltags kehrte Adelheid die Stiege, als der Fürst, ohne von ihr bemerkt zu werden, heraufkam und das Gefäß, in dem der Kehricht war, umwarf, so dass seine Stiefel ganz beschmutzt wurden. Zornig riss er der Entfliehenden den Besen aus der Hand und warf ihn ihr nach.
Als sich abends die Säle allmählich mit Menschen füllten, ging die junge Gräfin zum Küchenmeister und bat ihn, er möge ihr gestatten, dem Ball beizuwohnen.
Der aber erwiderte: »Nein, nein, das kann ich dir nicht erlauben. Wenn das der Fürst erführe!« Adelheid hörte aber nicht auf zu bitten, bis er endlich sagte: »So geh. Aber komm nicht zu spät, und wenn du etwas erhältst, so bring mir auch was mit.« Sie ging nun in Gottholds Wohnung, kleidete sich um, wusch die Farbe weg und ließ eine prächtige Kutsche vorfahren, in welcher sie sich zum Fürsten begab.
Als die Gäste von weitem den prächtigen Wagen sahen, eilten sie alle hinab und riefen: »Eine fremde Dame, eine schöne Dame!« Der Fürst eilte ihr entgegen, hob sie aus dem Wagen und geleitete sie die Treppe hinauf. Den ganzen Abend musste sie mit ihm tanzen und an der Tafel neben ihm sitzen. Nach dem Essen fragte er sie, wie sie heiße und wo sie her sei.
»Adelheid heiße ich und bin aus Besenwurf«, entgegnete die Gräfin. Um zwölf Uhr entfernte sie sich und mit ihr die Mehrzahl der Gäste.
Zu Hause angekommen, zog sie sich schnell aus, färbte sich braun, nahm drei Goldstücke und gab diese dem Küchenmeister mit dem Bemerken, dass sie hinter einer Tür gestanden sei und von einer alten Frau das Gold erhalten habe.
Am nächsten Morgen suchte der Fürst auf seinen Landkarten Besenwurf, fand es aber nicht. Er wollte sie nun nochmals um ihren Geburtsort fragen; da er aber nicht wusste, wo sie wohnte, so ließ er seine Freunde zu einem zweiten Ball einladen. Am Morgen des zweiten Balltages bürstete Adelheid eben ihre Kleider, als der Fürst unbemerkt die Treppe heraufkam. Sie drehte sich um, und da entfiel die Bürste ihrer Hand und dem Fürsten auf die Füße. Zornig darüber nahm Adolf die Bürste und warf sie der bestürzten Gräfin an den Kopf.
Abends erlaubte ihr der Küchenmeister wieder, zum Ball zu gehen, und sie machte von seiner Erlaubnis auch Gebrauch. Dort sagte ihr nun Fürst Adolf, dass er Besenwurf nicht gefunden habe, und sie erwiderte: »Wie könnt Ihr Besenwurf suchen, ich sagte ja Bürstenwurf.« Sie tanzten nun wieder miteinander, und gegen Mitternacht ging sie nach Hause und brachte dem Küchenmeister einen goldenen Reif mit dem Bemerken, dass sie ihn als Geschenk bekommen habe.
Am nächsten Morgen suchte der Fürst Bürstenwurf, fand es aber nicht. Er lud dann seine Freunde und Bekannten zu einem dritten Ball ein, der noch viel glänzender als die beiden ersten sein sollte.
Am Ballabend, kurz vor dem Beginn des Festes, kämmte sich Adelheid gegen ihre Gewohnheit im Schloss die Haare. Der Fürst, missmutig, dass die fremde Dame so lange nicht kam, ging eben zur Treppe hinunter, als die Gräfin den Kamm fallen ließ. Der Fürst Adolf hob ihn auf und warf ihn dem Küchenmädchen an den Kopf. Schnell entfernte sie sich, kleidete sich um und eilte zum Ball.
Bei der Tafel sagte der Fürst, dass er Bürstenwurf nirgends gefunden habe. »Das glaube ich schon«, sagte sie, »ich nannte ja den Ort Kammwurf.« Er wollte es nicht glauben; sie stritt aber so lange mit ihm, bis er nachgab. Bevor sie fort ging, steckte er ihr einen Ring an den Finger, ohne dass sie es merkte.
Am anderen Morgen war dem Fürsten unwohl, so dass er dem Küchenmeister befahl, ihm eine Brühe zu kochen. Dieser sagte es in der Küche, und Adelheid bat ihn um die Erlaubnis, die Brühe kochen zu dürfen.
Er aber sagte: »Wenn du etwas hineinbringst, was nicht in die Brühe gehört, so habe ich die Strafe zu leiden.«
Sie entgegnete: »Ich werde nichts Unrechtes hineinbringen«, und kochte die Brühe, warf aber unbemerkt den Ring des Fürsten hinein.
Als sich der Fürst die Brühe auf einen Teller goss, hörte er dabei etwas klirren. Er rührte herum und fischte den Ring heraus. Da fragte er verwundert, wer die Brühe gekocht habe.
»Das Küchenmädchen«, war die Antwort.
»Hol sie herein«, befahl Adolf dem Diener.
In aller Eile zog nun Adelheid das Kleid an, das sie am letzten Abend getragen hatte, und als der Fürst sie erblickte, erkannte er seine Tänzerin. Diese musste ihm nun haarklein ihren Lebenslauf erzählen, und er nahm sie bald darauf zur Gemahlin. Ihr Vater war unterdes heimgekehrt, und als er vernahm, dass seine Tochter schon geheiratet habe, musste er sich in sein Schicksal fügen.