In einem Städtchen wohnte vor Zeiten ein armer Mann. Die Arbeit ging ihm aus, und er geriet dadurch ins äußerste Elend. Eines Tages ging er in einen nahe gelegenen Wald und wollte sich erkundigen, ob ihn der Jäger nicht als Holzfäller brauchen könne. Doch er bekam eine abschlägige Antwort und wollte eben trostlos heimkehren, als ihm ein Weidmann begegnete, der ganz grün gekleidet war, und fragte, warum er so traurig sei. Da klagte ihm der Mann seine Not.
Der Jäger erwiderte: »Wenn du mir gestattest, das in neun Jahren zu holen, was du heute zu Hause finden wirst, so gebe ich dir ein Säckchen voller Goldstücke.«
Der Mann ging den Handel ein und musste auch sein Versprechen schriftlich geben, wogegen er Goldstücke erhielt. In der Stadt angekommen, hörte er, sein Weib habe einen Sohn bekommen, und nun erst erkannte er das Sündhafte seines Versprechens.
Die neun Jahre vergingen, und am Schluss des letzten stellte sich der grüne Jäger ein, welcher den unterdessen schön herangewachsenen Knaben namens Ferdinand mit sich fort nahm, ohne den Eltern zu sagen, wohin er ihn führen wolle. Darüber gerieten sie in große Angst.
Der Jäger brachte den Knaben in ein fremdes Land, wo er einen Palast hatte, den ein schöner Garten umgab. Sobald sie dort angelangt waren, zeigte der Grüne seinem Schützling alle schönen Sachen in Schloss und Garten und sagte zu ihm: »Überall darfst du hingehen, nur nicht an den Teich, der dort vom Gesträuch umgeben ist.«
Der Knabe merkte sich die ihm bezeichnete Stelle recht gut. Einige Tage darauf verließ ihn sein Pfleger, indem er vorgab, zu verreisen. Dem Jungen ging nichts ab, da die Dienstleute für ihn sorgten. Er ging durch Schloss und Garten, bis er einmal zufälligerweise in die Nähe des bezeichneten Teichs kam. Von Neugierde geplagt, schlüpfte er durchs Gebüsch und bemerkte in dem vor ihm liegenden Wasser viele tausend Goldfische. Er wollte einen von diesen fangen, aber kaum hatte der eine Finger die Flut berührt, so war er ganz vergoldet. Er versuchte, das Gold herunter zu kratzen, doch alles war vergebens. Da umwickelte er das vergoldete Glied seiner Hand mit einem Tuch. So lief er zurück und begegnete seinem Pflegevater, der sogleich den verbundenen Finger bemerkte. Der riss die Hülle weg, peitschte Ferdinand zur Strafe für sein Vergehen und klopfte mit einem kleinen Hammer auf den Finger, worauf sich das Gold loslöste.
Nach einiger Zeit verreiste der grüne Jäger wieder und verbot dem Knaben, das letzte Zimmer im Schloss zu betreten. Kaum war er einige Zeit fort, so ging Ferdinand neugierig hinein. Hier traf er einen Mann, den er als seinen Großvater erkannte und der ihm eine Bürste, einen Kamm und einen gläsernen Krug mit den Worten gab: »Nimm diese drei Dinge mit, sie werden dir einst, wenn du in Not bist, von Nutzen sein.« Ferner sagte er ihm: »Geh in den Stall, dort wirst du einen fleckenlosen Schimmel sehen; zu dem sage: 'Schimmel, mit uns ist's aus', und darauf wird er dir antworten.«
Ferdinand tat, wie ihm befohlen war. Als er zu dem Pferd jene Worte sprach, erwiderte es: »Setz dich auf!«
Ferdinand schwang sich auf dessen Rücken, und pfeilschnell setzte das Ross über die Gartenmauer und eilte mit ihm fort. In ununterbrochenem Lauf trug das Tier seinen Reiter, und als dieser schon mehrere Stunden lang über Berg und Tal geritten war, sagte der Schimmel zu ihm: »Schau dich um, ob er uns schon erreicht hat.«
Ferdinand sah sich um und gewahrte den ihnen nacheilenden grünen Jäger. Das teilte er dem Pferd mit, welches erwiderte: »Wirf deine Bürste weg!«
Er tat es, und sogleich erhob sich hinter ihnen ein dichter Wald, welcher dem Verfolger den ebenen Weg versperrte.
Wiederum trug das Ross seinen Reiter einige Stunden im schnellsten Lauf fort und ermahnte ihn dann abermals, sich umzudrehen. Da gewahrte er wieder von weitem den Nachsetzenden. Das Pferd forderte ihn nun auf, den Kamm wegzuwerfen. Nachdem er dies getan hatte, entstand hinter ihnen ein großer Teich, und der Verfolger musste sich erst um ein Fahrzeug umsehen, während Ferdinand auf seinem braven Tier schnell fort ritt.
Nach einer Weile musste er sich zum dritten Mal umsehen und jetzt, da der grüne Jäger schon sehr nahe war, den gläsernen Krug wegwerfen, worauf ein gläserner Berg entstand, über welchen der Verfolger nicht mehr gelangen konnte.
Gegen Abend kamen sie in einem Dorf an, in dessen Nähe sich das Lustschloss des Königs befand. Als Ferdinand abstieg, sagte sein Pferd zu ihm: »Du bist nun einen Tag geritten und hast während dieser Zeit zehn Jahre deines Lebens zurückgelegt.«
Ferdinand stellte das Ross in einen Stall. Es gab ihm dann Geld und ein Kleid, auf welchem silberne Sterne gestickt waren, und sprach zu ihm: »Verdinge dich beim Gärtner jenes Schlosses, aber unter dem Vorbehalt, dass du nur des Nachts zu arbeiten brauchst.«
Das tat Ferdinand auch. Man nahm ihn auf, und sobald es dunkel wurde, zog er sein Sternengewand an und arbeitete mit leichter Mühe. Alles, was er pflanzte, gedieh am besten, und er wurde darum auch öfter von seinem Herrn gelobt. Am Tag fand er sich in der Schenke ein, um das treue Tier zu sehen und mit ihm zu sprechen. Abends kehrte er ins Schloss zurück, um seinem Geschäft nachzugehen, bei dessen Verrichtung er gewöhnlich muntere Lieder sang.
Die Königstochter hörte ihm immer zu, und der schöne Jüngling machte auf ihr Herz einen großen Eindruck. Eines Tages geschah es, dass alle Ärzte des Landes zusammengerufen wurden, da der König schwer erkrankt war. Keiner von ihnen kannte ein Heilmittel für den König, da erklärte endlich ein alter Mann, durch den Genuss von Wolfs-, Bären- und Hirschenmilch könne der Kranke genesen. Der alte Mann war am andern Tag verschwunden, ohne die Arznei zu bringen, und der König schickte seine Jäger aus, diese Milcharten zu suchen. Aber alle kehrten unverrichteter Sache zurück. Da versprach der König, demjenigen seine Tochter zu geben, der ihm das Verlangte bringe. Ferdinand und zwei andere Gärtnerburschen, welche im Dienst waren, beschlossen auszuziehen, um die drei Milcharten zu bringen.
Ferdinand besprach sich mit seinem Schimmel darüber; dieser trug ihn in den Wald, wo sich sogleich eine Wölfin einstellte und von ihm melken ließ. Auf dem Heimweg begegneten ihm seine beiden Dienstgenossen, welche trostlos waren, da sie ihren Weg umsonst gemacht hatten; sie baten, er möchte ihnen einen Teil seiner Milch geben. Anfangs weigerte er sich und sah fragend seinen Schimmel an. Da dieser aber bejahend mit dem Kopf nickte, so gab er jedem ein Drittel.
Am andern Morgen zogen die drei Burschen abermals aus, und Ferdinand erlangte wieder die Bärenmilch; welche er auch mit ihnen teilte. Dasselbe geschah am dritten Morgen mit der Hirschenmilch.
Nun gerieten sie aber in Streit, welcher von ihnen dem König die Arznei bringen solle. Ferdinand, welchem der Schimmel geraten hatte, sagte: »Wir wollen losen.« Dabei fiel ihm das kleinste Los zu, und er war demnach der letzte.
Er murrte zwar darüber, allein sein Herd tröstete ihn und sprach: »Der erste Überbringer der drei Milcharten wird den König so wenig heilen wie der zweite.«
So geschah es auch; die beiden Gärtnerburschen wurden, da der Fürst nach dem Genuss ihres gebrachten Gemenges nicht genas, nacheinander ins Gefängnis geworfen.
Da übergab Ferdinand sein Milchgemisch, und der Landesherr wurde in kurzer Zeit gesund. Nun wollte aber der Genesene sein Versprechen nicht halten und Ferdinand mit Geld abspeisen. Das nahm er aber nicht an. Als endlich die Prinzessin ihren Vater selbst bestürmte, gab dieser nach, und Ferdinand heiratete sie.
Die Festlichkeit dauerte vier Tage, während welcher Zeit der Bräutigam seinen Schimmel nicht besuchte. Als er wieder hinab kam, bat ihn derselbe, ihm den Kopf abzuhauen, was Ferdinand nicht tun wollte. Endlich überredete ihn dennoch das treue Tier, und er hieb ihm mit seinem Schwert, das er jetzt immer bei sich trug, den Kopf ab. Der Schimmel fiel zusammen, und aus seinem Rumpf flog eine weiße Taube, welche in wenigen Augenblicken verschwunden war.