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德语故事:Ein alter Zopf
日期:2016-07-18 13:23  点击:300
Das würde sie nie schaffen! Nita fuhr sich durch die kurzen silbrigen Haare, wischte die Spinnweben fort, die zusammen mit neuen Zweifeln immer wieder aus den dunklen Kellerecken in ihre Ohren gerieten und an ihrer Stirn kleben blieben. Wie kam sie nur dazu, ihr bisheriges Leben zusammen mit diesen Kartons zu entsorgen und woanders einen Traum zu beginnen? Und das, obwohl sie selbst entsorgt worden war, in den Vorruhestand geschickt weil es keinen Platz mehr für sie gab.
 
Sollte sie nicht doch die Kündigung der Wohnung zurücknehmen, das Vorkaufsrecht für das winzige Haus an der fernen Küste ebenso, und alles lassen wie es war? In den Kartons, die zum Teil aus dem Haus ihrer längst verstorbenen Eltern stammten und inzwischen nach den alternden Kartoffeln im Nachbarkeller rochen, schien sich von einer Brieföffnersammlung bis hin zu Schuhlöffeln alles zu befinden - außer dem Mut, den sie gebraucht hätte.
 
Unter einer Zigarrenkiste voller Papierflugzeuge stieß sie auf eine längliche Schachtel mit Goldaufdruck. "Juwelier Huber, Fontanestraße" stand darauf. "Eine Perlenkette?", dachte Nita, die sich dunkel daran erinnerte, wie ihre Mutter an Festtagen eine solche andächtig aus einer ähnlichen Schachtel gehoben hatte. Sie öffnete den Deckel. Zwischen raschelndem Seidenpapier ruhte etwas Längliches, das sie im Dämmerlicht nicht gleich erkannte. Nita nahm es in die Hand. Seidig fühlte es sich an, weich und fest zugleich, leicht und schwer, fremd und vertraut. Erschütternd vertraut! Sie schloss die Augen und stand von einem Atemzug zum anderen barfuß im Sommergras.
 
Der Wind weht ihr neues Kleid um ihre Knie, ein Kleid federleicht und ausgelassen wie Schmetterlingsflügel, ein Kleid mit Rüschen und einer Wiese aus Mohnblüten und Kornblumen darauf, ein Kleid aus Träumen und Zukunft, das Kleid einer Prinzessin. Und Prinzessin ist sie, fünfjährig: die Welt liegt ihr zu Füßen, reicht bis an den weinüberwucherten Gartenzaun und unendlich weit darüber hinaus bis zu sämtlichen Geheimnissen, die das Leben kennt, nur Nita noch nicht. Sie ist sicher, dass sie mit den Schwalben sprechen könnte, die über ihr in das gewaltige Blau des Himmels pfeilschnelle Kringel zeichnen, wenn nicht heute, dann morgen, denn sie weiß, sie sind seelenverwandt. Der Klee duftet nach Honig zwischen ihren Zehen, und sie muss nur darauf achten, den Bienen aus dem Weg zu gehen. Die Bienen können stechen, doch sonst wartet alles auf sie, nur auf sie, gehört ihr, ist Teil von ihr, von den Ameisen, die ihr winzige abenteuerliche Wege zeigen, bis zu den Wipfeln der schiefen Weide, in der die Windgeister flüstern, nach ihr rufen, bis sie zu ihnen hinaufklettert und atemlos auf der rauen Rinde hockt, hoch über der regenfeuchten Erde, der großartigen, schimmernden, bewegten, flüsternden, singenden endlosen Welt. Die himmelblaue Schleife bleibt an einem Zweig hängen. Ihre Haare lösen sich aus ihrem Zopf, mischen sich unter die Windgeister, fliegen und flüstern mit ihnen. Lang sind sie, so lang, dass Nita darauf sitzen kann, kindlich weich noch wie Pusteblumensamen, hell wie Sand und Honig, sonnenwarm. Haare, die nach Seife und nach Kindheit duften und den Wundern, um die Erwachsene nicht mehr wissen, Haare wie sie einer Prinzessin gebühren, die nicht auf den Gedanken kommt, dass man sich vor dem Leben fürchten könnte.
 
Eine Stimme ruft nach ihr. Unter der Weide steht ihr Vater, den kein Wind beugt, groß, fängt sie auf, sie weiß, dass er sie auffängt, springt ohne Zögern. Auf seinen Schultern darf sie ins Haus reiten, schlingt ihm ihre Haarsträhnen um die Ohren, eine rechts, eine links: das sind die Zügel, mit denen sie ihn steuert, auch wenn er es nicht bemerkt, denn seine Gedanken sind woanders, nicht in ihrer Welt. Sie ist nahe am Himmel auf Vaters Schultern, näher als in der Weide, die doch viel höher ist. Vater kennt sich aus mit dem Himmel. Manchmal, wenn die Sommernächte so warm sind, dass sie sich wie Tage anfühlen, holt er Nita aus dem Bett, aus ihrem Traum heraus in einen anderen. Sie trägt einen kurzen Schlafanzug und ihre offenen Haare, und er hält sie im Arm, bringt sie auf den Balkon, auf den der Mond einen Glanz wirft und ihr davon abgibt. Wie eine der Wolken fühlt sie sich, die er silbern macht, denn ihr Haar sieht genauso aus in seinem Licht und auch das Funkeln der Sterne fängt sich darin, bestimmt, sie spürt es. Vater hält sie hoch, so dass sie durch sein Fernrohr sehen kann, und Nitas Blick trifft den Planeten Saturn, der einen Ring trägt, und dann sieht sie dem Mond, auf dem es wasserlose Meere aus Dunkelheit gibt, direkt ins Gesicht. Das Schwarz in dem langen Rohr würde sie einsaugen und geradewegs in die Nacht schießen, wenn Vater sie nicht so festhielte.
 
Manchmal darf sie auch noch Partygäste begrüßen, ehe sie ins Bett muss. Dann tanzt ein Mann in einem feierlichen Anzug und Rasierwasserduft ein paar Schritte mit ihr, und es macht nichts, dass sie so klein ist, denn ihre Haare sind lang und fliegen um sie herum, und sie ist Prinzessin in ihrer Mitte und die Zukunft voller Versprechen.
 
Außer mit dem Gras und der Weide und dem Mond und dem Saturn und den Schwalben ist Nita auch mit dem Kirschbaum befreundet. Wenn er blüht, steht sie darunter und es schneit weiße Flocken Frühling auf ihr Haar, die darin hängen bleiben, so dass der Duft ihr folgt. Diese Flocken schmelzen nicht. Darum wird der Frühling ewig dauern.
 
Und doch: auf die Kirschblüte folgen Erdbeeren und reife Äpfel und Kastanien, schließlich sind es goldene Blätter, die sich in Nitas Haar verfangen; und bevor wieder Frühling ist, geschehen drei Dinge: Der Kirschbaum wird gefällt, man schneidet Nitas Zopf aus praktischen Gründen ab, und sie kommt in die Schule.
 
Dass der Zopf ab ist, findet Nita nicht schlimm. Es ist tatsächlich praktischer. Das Haar fesselt sie nicht mehr im Schlaf, keine Bürste beißt sich mehr hartnäckig darin fest, und kein Nachbarsjunge hängt es mehr in den Teich zu den Wasserkäfern. Außerdem ist die Schule ein Abenteuer, das die Wochen verschluckt, schneller als sie denken kann.
 
Nur als Prinzessin hat sie sich nie mehr gefühlt, wagte nie wieder, sich für schön zu halten.
 
Beinahe vielleicht, Jahrzehnte später, während ihrer Zeit mit Lucas. Mit ihm war Leben zwar nicht Frühling gewesen, doch Sommer: warmer, tiefer Sommer, und Nita fühlte sich wohl mit ihren kurzen, strubbeligen Haaren, in denen sich auf ihren glücklichen gemeinsamen Streifzügen die glänzenden Fäden des Altweibersommers niederließen als wären sie dort zuhause. Lucas aber war nun Teil der Erde unter der ausladenden Buche, die von ähnlichen Wesen war wie er und vom Friedhofshügel aus die Stadt überblickte, so wie Lucas stets den Überblick gehabt hatte.
 
Oben klingelte das Telefon. Nita zuckte zusammen, schob die Kartons zurück in ihre Ecken und lief die Treppe hinauf. Den Zopf hatte sie noch in der Hand, während sie mit der Unzugsfirma verhandelte. Danach saß sie auf dem Balkon und gönnte sich eine Tasse Kaffee. Ihre Finger strichen über das Kinderhaar, das oben und unten fest mit den alten blauen Schleifen zusammengebunden war und nichts von seiner Sonnenfarbe verloren hatte.
 
Sie sah sich unter der altmodischen Frisierhaube sitzen, die in ihren Ohren rauschte. War vielleicht daraus ihre Sehnsucht nach dem Meer entstanden - aus dem Rauschen, das bedeutete, dass man sie eine kleine Ewigkeit in Frieden und allein mit ihren Träumen ließ, während ihre langen Haare trockneten? Ganze Welten dachte sie sich aus im Schutz der Haube, unter der sie keinen Ruf hören und kaum etwas sehen konnte. Niemand rief sie solange zum Aufräumen, Essen, Zähneputzen oder Übungen machen. Diese Zeit gehörte ihr allein und der überwältigenden Menge ihrer Gedanken.
 
Als ihre Haare kurz waren, gab man ihr einen Fön. Nun hatte sie den Wind in der Hand. Mit ihm konnte man Gardinen fliegen lassen und Wassertropfen bewegen, und ihre Haare wurden zum Weizenfeld, das sich im Sturm mal nach Norden, mal nach Süden duckte und wieder aufrichtete. Wenn sie das Waschbecken vollaufen ließ, war sie Herrin über die Wellen.
 
Nun, ein halbes Jahrhundert später, würde sie dem Meer für immer nahe sein. Wenn sie es doch schaffte, endlich dorthin zu ziehen, hätte sie zum ersten Mal Mut bewiesen. Wie Nele, damals.
 
Denn Nele, ihre große Schwester, war anders gewesen. Sie behielt ihre langen dunklen Haare, die nicht ein einziges Mal in einen Zopf gesperrt wurden, sondern ein Zelt waren und eine trotzige Fahne zugleich. Nele kämpfte damit gegen den starken Willen ihres Vaters. Oft stand sie hungrig vom Tisch auf, weil der Vater sich weigerte, sie mit offenen Haaren dort sitzen zu lassen, mit Haaren, die in die Suppe hingen und Neles Gesicht verbargen, so dass niemand sehen konnte, was sie dachte. Nita fand Nele wunderschön, doch nie wäre sie auf die Idee gekommen, um etwas dermaßen zu kämpfen, wie Nele um ihre Haare. An dem Tag, als Nele erwachsen wurde, verschwand sie und ließ zehn Jahre lang nichts von sich hören. Als Nita danach ihre fremd gewordene Schwester auf der anderen Seite der Welt besuchte, stellte sie fest, dass sich an Neles Haaren nichts geändert hatte. Die Hippiezeit war da schon vorbei, doch Nele und ihre Wohngefährten Rory und Simon waren ein trotziges Echo davon geblieben.
 
Rory und Simon trugen beide lange Haare, als krönten sie sich selbst für ihren Mut, anders zu sein. Rory half abends in einem vegetarischen Restaurant, wenn er Geld brauchte, doch in Wahrheit war er Künstler, der aus allem, was ihm begegnete, Skulpturen schuf. Aus Holz und Lehm erwuchsen sie unter seinen riesigen Händen, aus Stein und Kunststoff, Draht und Blech, Glas und Gummi. Die meisten waren wunderbar abstrakt, bunt und exotisch, meistens hatten sie irgendwo diverse Augen, die einen seltsam tief und beunruhigend ansahen, und niemand wollte sie kaufen. So sammelten sie sich zu einem grandiosen Volk an, das den Garten übernahm, das Haus enterte und sich auf dem Autodach im Fahrtwind behauptete. Simon dagegen jobbte in einer Buchhandlung und schrieb mit leidenschaftlicher Entrücktheit Gedichte und einem Roman, den niemand je zu Gesicht bekam.
 
Einmal machten sie einen Ausflug auf einen Spielplatz für Erwachsene. Wahrscheinlich konnte es so etwas nur in San Francisco geben. Alles war wie Nita es kannte, Schaukeln, Kletterseile, Karussells, Gerüste, nur eben in Erwachsenengröße. Rory, schwerfällig, und Simon, als wöge er nichts, tobten mit einer zerbrechlichen Ausgelassenheit und rührenden Ernst darauf herum, der Nita eine Gänsehaut den Rücken hinauf und Tränen in die Augen trieb. Die beiden behandelten diesen und alle anderen Tage mit einer wehmütigen Zärtlichkeit und Sorgfalt, als wäre kein einziger davon selbstverständlich sondern jeder eine erschreckend kostbare Welt für sich. Wie damals Nitas Prinzessinentage. Mit Rory und Simon war die Gegenwart wieder unendlich und einen Gedanken lang glaubte sie zu spüren, wie lange, seidige Haare um ihre Schultern flogen.
 
Nita erinnerte sich an diesen Tag als sei er ein Gemälde: wie sie auf dem Rückweg mit einer kleinen Fähre die Bucht überquerten und Rory und Simon auf dem leuchtend weißen Schiff standen, mit einem stillen Lächeln an die Reling geklammert. So unwahrscheinlich und triumphierend sich im Hintergrund die lange rote Brücke über das Wasser hin in den ungewissen Nebel über der Stadt spannte, so unerschütterlich hatten sie ihre Welt gegen alle Widerstände festgehalten. Wie umgekehrte Bäume waren sie, dachte Nita, als sie die langen Mähnen der beiden Männer vor den Wolken im Wind flattern sah, Bäume die ihre Wurzeln gar nicht erst in die Erde, in das Leben getrieben hatten, sondern gleich in den Himmel. Rory und Simon, die die alltägliche Welt kaum zur Kenntnis nahmen, blieben für die Zeit, die sie hatten, ewige und doch so verletzliche Prinzen unter einem immer blühenden Kirschbaum. An ihren Haaren erkannte man sie als solche, und dass die Menschen mit den Fingern auf sie zeigten, änderte für sie nichts.
 
Nita schrieb ihnen noch drei Jahre nach ihrem Besuch bei Nele Briefe, bekam seltsame und aufwühlende und wunderschöne Zeichnungen von Rory geschickt und kaum leserliche Bruchstücke aus Simons Romanentwurf. Bis sie die Nachricht erhielt, das Rory achtunddreißigjährig im Garten neben einer einbeinigen und geflügelten Skulptur sitzend an einem Herzfehler gestorben war, von dem niemand gewusst hatte. Simon, der außer Kaffee und Zigaretten nie viel zu sich genommen hatte, wurde sechs Monate später von seinem Krebsleiden ausgelöscht, dass er wie so vieles bis dahin nicht zur Kenntnis genommen hatte. Einer wäre ohne den anderen auch undenkbar gewesen; sie waren zwei Seiten ein und desselben Traums, derselben Wahrheit. Wo immer sie sich jetzt aufhielten, dachte Nita, ihre eigenartige unbeholfene Würde, die sie im Leben nicht aufgegeben hatten, würde ihnen auch der Tod nicht genommen haben, und bestimmt hatten sie sich seinetwegen auch nicht die Haare geschnitten.
 
Nach Rory und Simon gab es jahrelang niemanden, den Nita lieben konnte, bis sie, viel später, Lukas kennen lernte, der ganz von dieser Welt war und seine Wurzeln dort hatte, wo Wurzeln hingehören. Diese reichten sogar für Nita mit, und sie liebte ihn, doch nie rührte er sie so tief bis in ihr vergessenes Innerstes wie jene beiden.
 
Als Nita dann mit Lukas zusammen einmal Nele besuchte, hatte die sich gerade in den ordentlichen Geschäftsführer einer Supermarktkette verliebt und sich die Haare zum ersten Mal in ihrem Leben ganz kurz geschnitten, als bräuchte sie nun ihren Mut nicht mehr.
 
Nita hingegen, die immer noch mit ihrem Zopf in der Hand auf dem Balkon in der klaren Herbstdämmerung saß, hatte jetzt ihren Mut auf einmal ganz deutlich wiedergefunden. Der Zopf hatte ihr die Vergangenheit zurückgebracht, als wäre sie dort hinein geflochten gewesen. Nun begann die Zukunft. Es war ihr uralter Traum, die Heimat zu verlassen und am anderen Ende des Landes den Rest ihrer Zeit am Meer zu verbringen. Als Rory und Simon ihre Träume lebten, war sie selbst nicht dazu fähig gewesen. Nun war es an ihr, zu tun, was die beiden sie gelehrt hatten.
 
Zwei Wochen später schloss sie die Haustür hinter sich und folgte dem Umzugswagen.
 
Der Wind kam von der See. Er fuhr den Dünen durch ihren gräsernen Schopf, beugte die herbstlichen Silberpappeln und verwirrte den Tanz der Mücken, ehe er sich am Deich brach. Sanfter strich er danach hierhin und dorthin durch das abendliche Land, über septembermüde Wiesen und Reetdächer, deren Schwalbennester jetzt leer standen.
 
Nita stand im Giebel am weit geöffneten Fenster. Behutsam löste sie die alten blauen Schleifen. Weich öffnete sich der Zopf in ihrer Hand, gab die feinen Fäden frei, an welchen die Zeit keine Spuren hinterlassen hatte.
 
Die Windgeister kamen vom Meer, von Westen. Sie waren nicht älter geworden. Sie kannten keine Zeit. Doch sie trugen flüsternd Erinnerungen mit sich; Erinnerungen daran wie sie einmal durch die langen Strähnen zweier Männer gefahren waren, die wie moderne Piraten trotzig an einer Reling gestanden hatten und deren schwer erkämpfte Beute in einer für sie unwirtlichen Welt ihr Lebensmut war. Sie erinnerten sich auch an ein bezopftes Kind in einer Weide, das sich als beglückte Gefährtin unzähliger Wunder fühlte und als Kapitän auf einem endlosen Meer aus Tagen. Sie erkannten die Haare wieder, mit denen sie damals gespielt hatten, und sie hoben sie auf und trugen sie fort in alle Richtungen. Die Haare verfingen sich im Glänzen der Silberpappeln und in den Sanddornbüschen, die leuchtende Beeren trugen; sie senkten sich auf den Waldboden zwischen die vergilbten Farne, die sich im April als erstes Hellgrün wieder aus der Erde erheben würden. Ein Haar verfing sich auf dem Friedhof in der zweihundertjährigen Schnitzerei eines Schiffs, die den Grabstein eines Kapitäns zierte. Ein anderes holte sich ein Eichhörnchen in seinen Kobel, den es auf die Novemberkälte vorbereitete. Auch über den Dünensand trieb eines und hinterließ feine, flüchtige Spuren.
 
Nita lässt das letzte los. Nun ist sie in diesem Land zuhause, in jedem Winkel davon, mit dem was am tiefsten sie selbst ist und was sie gerade erst wiedergefunden hat. Sie gehört hierher wie niemals zuvor irgendwohin.
 
Die Welt, der Himmel und die Tage sind wieder für sie da, die Windgeister und die Sterne sind näher denn je, denn nun hat sie Leben hinter sich und weiß mehr von ihren Geheimnissen. Sie wird in den kleinen Garten unter dem Fenster einen Kirschbaum pflanzen. Das raue Wetter wird ihn beugen wie es die Pappeln und den Sanddorn gebeugt hat, und er wird keine Früchte tragen, doch er wird blühen, und weiße Flocken werden fallen, die nicht schmelzen.
 
Auch wenn die Segelschiffe am Horizont bald vom schweren Winterhimmel verschluckt werden, Nitas Königreich ist weit und kühl und voller Morgen.
 
Nita schließt das Fenster. Draußen jagt der Nebel die Herbstnacht auf das Festland. Der Wind atmet ein, dreht und fegt nun von den Wiesen über das Meer. Er duckt den Löwenzahn, der hier bis November blüht, und löst ein sommerfarbenes Kinderhaar daraus. Es treibt hinaus auf das Wasser und senkt sich mit der Dunkelheit in die kalte Flut, die es in der Strömung wiegt, bis die Kronen der Wellen es heben und im Mondlicht weiße Zeilen aus gefrorenem Schaum auf den Strand schreiben. 

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