Herzog. Ich denke, in vollem Ernst, eine solche Erzählung würde meine eigne Tochter noch oben drein behexen – – Guter Brabantio, seht diese Sache, da sie nun nicht mehr zu ändern ist, von der besten Seite an. Die Leute brauchen im Nothfall immer lieber ihre zerbrochne Waffen, als die blosse Hand.
Brabantio. Ich bitte euch, laßt sie reden. Bekennt sie, daß sie seinen Liebes-Bewerbungen auf halben Weg entgegen gegangen sey, so falle Verderben auf mein Haupt, wenn ich ihn einen Augenblik länger tadle. Kommt näher, angenehmes Frauenzimmer; empfindet ihr, wem in dieser ganzen edeln Versammlung ihr am meisten Gehorsam schuldig seyd?
Desdemona. Mein edler Vater, ich empfinde daß meine Pflicht hier getheilt ist: Euch bin ich für mein Leben und für meine Erziehung verbunden, und beydes lehrt mich die Ehrfurcht die ich euch schuldig bin. Ihr seyd Herr über meinen Gehorsam, in so fern ich eure Tochter bin. Aber hier ist mein Gemahl; und soviel Ergebenheit, als meine Mutter gegen euch zeigte, da sie ihren Vater verließ um euch anzuhängen, so viel bin ich hoffentlich befugt zu bekennen, daß ich dem Mohren, meinem Gemahl, schuldig sey.
Brabantio. Gott gesegne dir's; ich habe nichts mehr zu sagen. Gefällt's eurer Durchlaucht, so wollen wir nun von den Staats-Angelegenheiten reden. Ich wollte lieber ein Kind angenommen als gezeugt haben. Komm hieher, Mohr; hier geb ich dir von ganzem Herzen, was ich, wenn du's nicht schon hättest, von ganzem Herzen vor dir verwahren wollte. Um euertwillen, Kleinod, bin ich in der Seele froh daß ich keine andre Kinder habe – – Denn der Streich, den du mir gespielt hast, würde mich tyrannisch genug machen, ihnen Klöze anzuhängen. Ich bin fertig, Gnädigster Herr.
Herzog. Laßt mich nun in meinem eignen Character, in der Person eines allgemeinen Vaters reden, und ein Urtheil fällen, das diesen Liebenden zu einer Stuffe diene, sie wieder in eure Gunst zu heben. [Fußnote] Sobald nicht mehr zu helfen ist, so hat man das Aergste gesehen, und Klagen sind nicht nur fruchtlos, sondern der nächste Weg ein geschehenes Unglük mit einem neuen zu häuffen. Wenn die Klugheit die Streiche des Glüks nicht allemal verhindern kan, so kan doch Geduld einen Scherz aus seinen Beleidigungen machen. Der Beraubte, der dazu lächelt, stiehlt dem Räuber etwas, und der beraubt sich selbst, der sich in vergeblichem Kummer verzehrt.
Brabantio. Wenn das ist, so laßt die Türken uns immer Cypern wegnehmen; wir verliehren's nicht, so lange wir dazu lachen können – – Ich erkenne, Gnädigster Herr, die Weisheit euers Raths – – Aber Worte sind doch nur Worte, und ein verwundetes Herz ist noch nie durch die Ohren geheilt worden – – Ich bitte euch, zu den Staats-Geschäften.
Herzog. Die Türken machen furchtbare Zurüstungen, Cypern anzugreiffen: Othello, dir ist am besten bekannt, in was für einem Vertheidigungs-Stand der Plaz ist. Wir haben zwar einen Befehlshaber von bekannter Tüchtigkeit daselbst: Allein die allgemeine Meynung, die unumschränkte Königin der Welt, verspricht sich von euch eine noch grössere Sicherheit; laßt's euch also gefallen, über die Glasur euers neuen Glüks hinweg zu schlüpfen, und die Freuden der Liebe mit den Beschwerden dieser hartnäkigen und Gefahr-vollen Unternehmung zu vertauschen.
Othello. Die tyrannische Gewohnheit, erlauchte Senatoren, hat das steinharte und stählerne Lager des Kriegs mir längst zum weichsten Pflaum-Bette gemacht. Die rauhe Arbeit des Kriegs ist für mich ein Lustspiel, dem meine Seele mit angebohrner, flatternder Freudigkeit entgegen eilt. Ich unterziehe mich also dem gegenwärtigen Krieg mit den Ottomannen; und alles, warum ich die Durchlauchtigste Republik mit gebognen Knien bitte, ist, meine Gemahlin in ihren unmittelbaren Schuz zu nehmen, und darauf bedacht zu seyn, daß sie an einem anständigen Ort, und mit allem dem Glanz und Ansehen, so sich für ihre Geburt schikt, unterhalten werde.
Herzog. Also, in ihres Vaters Hause.
Brabantio. Das will ich nicht.
Othello. Ich noch weniger.
Desdemona. Auch ich wollte nicht dort wohnen, und meinen Vater zu ungeduldigen Gedanken reizen, wenn ich immer in seinen Augen wäre. Gnädigster Herr, leihet meiner Bitte ein geneigtes Ohr, und unterstüzet sie mit eurer Stimme.
Herzog. Was verlangt ihr, Desdemona?
Desdemona. Daß ich den Mohren liebte, um mit ihm zu leben, mag die Entschlossenheit, womit ich so vielen Vorurtheilen Gewalt angethan habe, durch die ganze Welt austrompeten. Mein Herz und meine Person sind von meinem Gemahl unzertrennlich. Ich sah Othello's Gesicht in der Schönheit seines Gemüthes, und seinen Verdiensten und heldenmässigen Eigenschaften hab ich meine Seele und mein ganzes Glük gewiedmet. So daß, theureste Herren, wenn ich zurükgelassen werde, und er in den Krieg geht, ich des Rechts, seine Gefahren mit ihm zu theilen, des Rechts, um deswillen ich ihn liebe, verlustig, und in seiner schmerzlichen Abwesenheit zu einem verdrießlichen Interim verurtheilt wäre. Laßt mich also mit ihm gehen.
Othello. Eure Genehmigung, Gnädige Herren! Ich bitte euch, laßt sie ihren Willen haben. Ich bitt' es nicht aus Rüksicht auf den Vortheil meines eignen Vergnügens, nicht aus Gefälligkeit gegen die Hize junger Begierden, die der erste Genuß mehr gereizt als befriedigt hat; – – sondern dem Edelmuth ihres Herzens seinen freyen Lauff zu lassen. Der Himmel verhüte, daß ihr mich fähig haltet, eure ernsthaften und grossen Angelegenheiten zu vernachläßigen, wenn sie bey mir ist – – Nein! Wenn jemals die kindischen Puppen-Spiele des befiederten Cupido die Werkzeuge meines Verstands und meiner Thätigkeit in üppige Trägheit senken, und meine Ergözungen meinen Arbeiten schädlich sind; dann laßt Haus-Weiber eine Brey-Pfanne aus meinem Helm machen, und die unwürdigsten, schmählichsten Wiederwärtigkeiten sich zum Untergang meines Ruhms verschwören.
Herzog. Ihr Gehen oder Bleiben soll eurer eignen Willkühr überlassen seyn – – Die Geschäfte fordern die hastigste Eilfertigkeit. Ihr müßt diese Nacht noch fort.
Desdemona. Diese Nacht, gnädigster Herr?
Herzog. Diese Nacht.
Othello. Von Herzen gerne.
Herzog. Morgen um neun Uhr wollen wir hier wieder zusammen kommen. Othello, laßt einen Officier zurük, durch den wir euch euer Patent, und eure Instruction nachschiken können.
Othello. Wenn es Eu. Durchlaucht nicht entgegen ist, so ist hier mein Fähndrich, ein Mann von Ehre und Redlichkeit, dem ich die Begleitung meines Weibs anvertrauen will, und durch den mir zugleich alles andre nachgeschikt werden kan, was Eu. Durchlaucht für nöthig hält.
Herzog. Ich bin's zufrieden. Gute Nacht allerseits – – (Zu Brabantio.) Und, edler Signor, wenn Tugend die glänzendste Schönheit ist, so ist euer Tochtermann mehr weiß als schwarz.
Senator. Adieu, tapfrer Mohr, begegne Desdemonen wol.
Brabantio. Sieh fleissig zu ihr, Mohr, wenn du Augen hast; sie hat ihren Vater betrogen, und wird dir's vielleicht nicht besser machen.
(Der Herzog und die Senatoren gehen ab.)
Othello. Ich stehe mit meinem Leben für ihre Treue – – Ehrlicher Jago, dir muß ich meine Desdemona hinterlassen; ich bitte dich, gieb ihr deine Frau zur Gesellschaft, und bringe sie mit der besten Gelegenheit nach. Komm, Desdemona, ich habe nur eine Stunde, die ich der Liebe und unsern Angelegenheiten schenken kan. Wir müssen der Zeit gehorchen.
(Sie gehen ab.)