(Ein Hof-Bedienter zu den Vorigen.)
König. Wo sind meine Schweizer? Laßt sie die Thüre bewachen – – Was willst du?
Hofbedienter Rettet euch, Gnädigster Herr. Der über seine Ufer schwellende Ocean frißt nicht mit reissenderm Ungestüm die Furten und Sandbänke weg, als der junge Laertes, an der Spize eines aufrührischen Hauffens eure Wachen zu Boden wirft; das Lumpenvolk nennt ihn Lord, und nicht anders als ob die Welt erst izt anfienge, und Geseze, Gebrauch und alles was die Bande der Gesellschaft befestiget, auf einmal vergessen wären, ruffen sie: Machen wir den Laertes zu unserm König! Kappen, Hände und Zungen geben ihren Beyfall bis in die Wolken; alles schreyt: »Laertes soll unser König seyn, Laertes König.«
Königin. (Man hört das Getümmel näher)
Wie sie schreyen! Mit welcher Wuth von Freude! O, das sind nur Rechen-Pfenninge, ihr falschen Dänischen Hunde – –
(Laertes tritt auf, mit einer Partey vor der Thüre.)
König. Die Thüren sind erbrochen.
Laertes. Wo ist dieser König? – – Ihr Herren! Bleibt ihr alle draussen stehen.
Alle. Nein, wir wollen auch hinein.
Laertes. Ich bitte euch, laßt mich gewähren.
Alle. Wir wollen, wir wollen.
(Sie gehen ab.)
Laertes. Ich danke euch; bewachet die Thüre. O du schändlicher König, schaffe mir meinen Vater her.
Königin. Ruhiger, guter Laertes.
Laertes. Der Tropfe Bluts, der ruhig in mir ist, ruft mich zum Bastart aus; nennt meinen Vater einen Hahnreyh; und brennt die Hure hier, hier mitten zwischen die keusche und unbeflekte Augbraunen meiner ehrlichen Mutter.
König. Was ist die Ursache, Laertes, daß deine Empörung sich dieses Riesenmässige Ansehen giebt? Laßt ihn gehen, Gertrude; besorget nichts für eure Person; es ist etwas so Göttliches um einen König hergezäunt, daß Verrätherey zu dem was sie gerne wollte, durch die Vergitterung nur hineinguken kan; ohne die Kraft zu haben ihren Willen ins Werk zu sezen. Sagt mir, Laertes, warum seyd ihr so aufgebracht? Laßt ihn gehen, Gertrude – – Redet, Mann!
Laertes. Wo ist mein Vater?
König. Todt ist er.
Königin. Aber nicht durch seine Schuld.
König. Laßt ihn fragen, bis er genug hat.
Laertes. Warum ist er todt? Wie gieng es zu, daß er todt ist? Ich werde mich nicht durch Ausflüchte abweisen lassen! Zur Hölle, Lehens-Pflicht! Zum schwärzesten Teufel, du Eyd, den ich schwur! Gewissen und Religion selbst in den tiefsten Brunnen! Ich troze der Verdammniß; auf dem Punkt wo ich stehe, sind beyde Welten nichts in meinen Augen; laß kommen was kommt; ich will Rache haben, Rache für meinen Vater, volle überfliessende Rache!
König. Wer soll euch denn aufhalten?
Laertes. Nicht die ganze Welt; und was mein Vermögen betrift, so will ich so damit haushalten, daß ich mit wenigem weit kommen will.
König. Mein lieber Laertes, wenn ihr von dem Schiksal euers Vaters gewisse Nachricht einziehen wollt, ist es bey euch beschlossen, daß ihr beydes Freund und Feind, ohne Unterschied, eurer Rache aufopfern wollt?
Laertes. Niemand als seine Feinde.
König. Wollt ihr wissen wer sie sind?
Laertes. Seinen Freunden will ich mit ofnen Armen entgegen eilen, und sie gleich dem Pelican mit meinem eignen Blut erhalten.
König. Nun, das heißt wie ein gutes Kind und wie ein Edelmann gesprochen. Daß ich an euers Vaters Tod unschuldig bin, und daß ich aufs empfindlichste dadurch betrübt worden, das soll euerm Verstand so klar werden, als der Tag euerm Auge ist. (Man hört hinter der Scene ein Geschrey: Laßt sie hinein.)