(Musik von Hautbois. Die Pantomime tritt auf.)
(Ein Herzog und eine Herzogin mit Cronen auf den Häuptern, treten sehr liebreich mit einander auf; die Herzogin umarmt ihn, und er sie; sie kniet nieder, er hebt sie auf und neigt seinen Kopf auf ihren Hals; er legt sich auf einen Blumenbank hin; sie sieht daß er eingeschlafen ist, und verläßt ihn. Darauf kommt ein Kerl hervor, nimmt seine Crone weg, küßt sie, schüttet dem Herzog Gift ins Ohr, und geht ab. Die Herzogin kommt zurük, und da sie den Herzog todt findet, gebehrdet sie sich gar kläglich. Der Vergifter kommt mit zween oder drey Stummen wieder, und stellt sich, als ob er mit ihr jammere. Der Leichnam wird weggetragen. Der Vergifter buhlt hierauf um die Herzogin, und bietet ihr Geschenke an; sie scheint eine Zeit lang unwillig, und unschlüssig; doch zulezt nimmt sie seine Liebe an.)
(Die Pantomime geht ab.)
Ophelia. Was soll das bedeuten?
Hamlet. Poz Stern, Fräulein, es bedeutet Unheil.
Ophelia. Vermuthlich wird es den Inhalt des Stüks vorstellen sollen?
(Der Vorredner tritt auf.)
Hamlet. Das werden wir von diesem Burschen hören: Die Comödianten können nichts Geheimes bey sich behalten; sie werden alles sagen.
Ophelia. Wird er uns sagen, was das stumme Schauspiel bedeutet?
Hamlet. Ja, oder irgend ein Schauspiel das ihr ihm zu schauen gebt. Schämt euch nicht, es ihn sehen zu lassen, so wird er sich nicht schämen, euch zu sagen was es bedeutet.
Ophelia. Ihr seyd unartig, sehr unartig; ich will auf die Comödie Acht geben.
Vorredner. Der Prologus tritt hier hervor
Und bittet eure Huld
Um ein nicht allzu-critisch Ohr
Und ziemlich viel Geduld.
(Sie gehen ab.)
Hamlet. Ist das ein Prologus, oder Poesie auf einen Ring?
Ophelia. Es war ziemlich kurz.
Hamlet. Wie Weiber-Treue.
(Der Herzog und die Herzogin des Schauspiels treten auf.)
Herzog. [Fußnote] Dreissig male schon hat Phöbus seinen glänzenden Lauf durch den Himmel vollbracht, und zwölfmal dreissigmal der Mond seinen Silber-Wagen um den Erdkreis getrieben, seit Amor unsre Herzen und Hymen unsre Hände durch das Band geheiligter Liebe vereinigt hat.
Herzogin. Und eben so viele Reisen möge Sonne und Mond uns noch zählen lassen, eh das unerbittliche Geschik dieses theure Band zertrennen dürfe. Aber ach! weh mir! ihr befindet euch Zeit her so übel, und eure Gesundheit hat einen so starken Abfall erlidten, daß ich nicht anders als zittern kan: Doch lasset euch meine zärtliche Besorgnisse nicht erschreken, liebster Gemahl: Weiber fürchten allezeit wie sie lieben, in beydem mit Uebermaaß. Wie weit meine Liebe geht, hat euch die Erfahrung gelehrt; und so wie meine Liebe, ist meine Furcht. Wo die Liebe groß ist, werden die kleinsten Zweifel zu ängstlichen Besorgnissen – –
Herzog. Deine Besorgnisse täuschen dich nicht, meine Liebe; ich werde dich verlassen müssen, und das bald: Ich fühle es, daß meine Lebens-Kräfte ihren Verrichtungen nicht mehr gewachsen sind; ich werde dich verlassen, und den Trost haben dich in dieser schönen Welt geehrt und geliebt zurük zu lassen; und vielleicht wirst du bald in den Armen eines eben so zärtlichen Ehegatten – –
Herzogin. O haltet ein, liebster Gemahl, vollendet den entsezlichen Gedanken nicht! Diese auf ewig eurer Liebe geheiligte Brust, ist keiner Verrätherey fähig. Der Fluch falle auf den Tag, der mich in die Arme eines andern Mannes legen wird! Nur diejenige heyrathet den zweyten Mann, die den ersten ermordet hat – –
Hamlet. Wurmsaamen, Wurmsaamen!
Herzogin. Die Betrachtungen, wodurch man sich zur zweyten Ehe bewegen läßt, sind niederträchtiges Interesse, niemals Liebe. Mir würde es seyn, ich stösse allemal den Dolch in meines ersten Mannes Herz, so oft mich der zweyte küßte.
Herzog. Ich zweifle nicht, daß alles was ihr izt sagt, euer wahrer Ernst ist: Aber wie oft brechen wir was wir uns selbst versprochen haben! Unsre Vorsäze sind den zu frühzeitigen Früchten gleich, die zwar eine Zeit lang fest am Baume steken, aber zulezt faulen, und dann ungeschüttelt fallen. Wir vergessen nichts leichter zu bezahlen, als was wir uns selbst schuldig sind; und es ist natürlich, daß Vorsäze, die wir aus Leidenschaft fassen, zugleich mit ihrer Ursache aufhören. Uebermaaß in Vergnügen und Schmerz reibt sich allezeit selber auf; und es ist billig, daß in einer Welt, die nicht für immer gemacht ist, Schmerz und Lust ihr Ziel haben. Es ist gar nichts befremdliches darinn, wenn unsre Liebe mit unsern Umständen sich ändert, und es ist noch immer eine unausgemachte Frage, ob die Liebe das Glük, oder das Glük die Liebe leite. Ihr seht, wenn ein Grosser fällt, so fliehen seine Günstlinge, und der Arme, der emporkommt, macht seine Feinde zu Freunden; wie hingegen derjenige, der in der Noth einen hohlen Freund auf die Probe sezen will, sich geradezu einen Feind macht. Um also zum Schluß dessen was ich angefangen habe zu kommen, so däucht mich, unsre Wünsche und unsre Umstände durchkreuzen einander so oft, daß unsre Vorsäze selten in unsrer Gewalt bleiben; unsre Gedanken sind unser, aber nicht ihre Ausführung. Denke also immer, meine Liebe, daß du keinen zweyten Gemahl nehmen wollest, aber laß diese Gedanken sterben, sobald dein erster Mann gestorben ist.
Herzogin. O! dann gebe mir weder die Erde Nahrung, noch der Himmel Licht! Dann komme bey Tag und bey Nacht weder Freude in mein Herz noch Ruhe auf meine Auglieder! Elender sey mein Leben als das Leben des büssenden Einsiedlers, ein fortdaurender Tod; jeder meiner Wünsche begegne dem was ihm am meisten entgegen ist, und ewige Qual verfolge mich hier und dort, wenn ich aus einer Wittwe, jemals wieder eine Vermählte werde.
Hamlet. Wenn sie diese Schwüre bricht – –
Herzog. Das sind grosse Schwüre! Meine Geliebteste, verlaß mich izt eine Weile; meine Geister werden matt; ich will versuchen, ob ich schlafen kan – –
(Er entschläft.)
Herzogin. Ruhe sanft, und niemals, niemals komme Unglük zwischen uns beyde!
(Sie geht ab.)
Hamlet (zur Königin.)
Gnädige Frau, wie gefällt euch dieses Stük?
Königin. Mich däucht, die Dame verspricht zu viel.
Hamlet. O, wir werden sehen, wie sie ihr Wort halten wird.
König. Kennt ihr den Inhalt des Stüks? Ist nichts anstössiges darinn?
Hamlet. Nein, gar nichts; es ist alles nur Spaß; sie vergiften nicht im Ernst; auf der Welt nichts anstössiges.
König. Wie nennt sich das Stük?
Hamlet. Die Maus-Falle; – – In der That, in einem figürlichen Verstande, vermuthlich – – Das Stük ist die Vorstellung eines Mords der in Wien begegnet ist; Gonzago ist des Herzogs Name, seine Gemahlin heißt Baptista; ihr werdet gleich sehen, daß es ein schelmisches Stük Arbeit ist; aber was thut das uns? Eure Majestät und andre, die ein gutes Gewissen haben, geht es nichts an; der mag sich krazen, den es jukt; wir haben eine glatte Haut.
(Lucianus tritt auf.)
Das ist einer, Namens Lucianus, ein Neffe des Herzogs.
Ophelia. Man kan den Chor mit euch ersparen, Gnädiger Herr.
Hamlet. [Fußnote] – – Nun, fang einmal an, Mörder. Hör auf, deine verteufelte Gesichter zu schneiden, und fang an. Komm, der krächzende Rabe schreyt um Rache.
Lucianus
Schwarze Gedanken; willige Hände; schnellwürkendes Gift, und gelegne Zeit – – Alles stimmt zusammen, und kein Mensch ist da, der mich sehen könnte. Ergiesse, du fatale Mixtur, aus mitternächtlichen Kräutern gezogen, und dreyfach mit Hecates Zauber-Fluch geschwängert, ergiesse deine verderbliche Natur und magische Eigenschaft, und mach' einem mir verhaßten Leben ein plözliches Ende!
((Er gießt dem schlaffenden Herzog das Gift in die Ohren.)
Hamlet (zum Könige.)
Er vergiftet ihn in seinem Garten, um Herr von seinem Vermögen zu werden; sein Nam' ist Gonzago; die Historie davon ist im Druk, sie ist im besten Toscanischen geschrieben. Sogleich werdet ihr sehen, wie der Mörder auch die Liebe von Gonzago's Gemahlin gewinnt – –
Ophelia. Der König steht auf.
Hamlet. Wie, von einem blinden Lermen erschrekt?
Königin. Was fehlt meinem Gemahl?
Polonius. Hört auf zu spielen!
König. Gebt mir Licht. Weg! weg!
Alle. Lichter, Lichter, Lichter!