(Der König und Polonius treten auf.)
König. Liebe, sagt ihr? Nein, sein Gemüth ist von ganz andern Dingen eingenommen, und was er sagte, ob es gleich ein wenig seltsam klang, war auch nicht Wahnwiz. Es liegt ihm etwas im Gemüth, worüber seine Melancholie brütend sizt, und ich besorge es möchte gefährlich seyn, es zeitig werden zu lassen. Es ist mir in der Geschwindigkeit ein Mittel beygefallen, wie diesem Uebel vorgebogen werden kan. Ich will ihn ohne Aufschub nach England schiken, um den Tribut zu fodern, der uns zurükgehalten wird: Vielleicht, daß die See-Luft, ein anders Land und andre Gegenstände, diese böse Materie zerstreuen mögen, die sich in seinem Herzen gesezt, und sein Gehirn mit schwarzen Vorstellungen angefüllt hat, denen er nachhängt, und darüber in diesen seltsamen Humor verfallen ist. Was denkt ihr davon?
Polonius. Es wird eine gute Wirkung thun. Und doch glaub ich noch immer, daß verachtete Liebe die erste Quelle und Ursach dieser Schwermuth gewesen – – Wie steht's, Ophelia? Ihr habt nicht nöthig uns zu erzählen, was Prinz Hamlet sagte; wir haben alles gehört – – (Ophelia geht ab.) Gnädigster Herr, handelt nach euerm Gefallen; wenn es euch aber nicht entgegen ist, so laßt die Königin seine Frau Mutter nach der Comödie in einer geheimen Unterredung einen Versuch machen, die Ursache seines Grams von ihm zu erfahren; laßt sie mit der Sprache gerad gegen ihn herausgehen; und ich will mich, wenn ihr's für gut anseht, an einen Ort stellen, wo ich alles was sie mit einander reden, hören kan. Will er sich nicht erklären, so schikt ihn nach England, oder verwahrt ihn sonst irgendwo; was eure Klugheit das rathsamste finden wird.
König. Wir wollen es so machen – – Wahnwiz ist an den Grossen allemal was verdächtiges das man nicht unbewacht lassen soll.
(Sie gehen ab.)
(Hamlet mit zween oder dreyen Schauspielern tritt auf.)
Hamlet. Sprecht eure Rede, ich bitte euch, so wie ich sie euch vorgesagt habe, mit dem natürlichen Ton und Accent, wie man im gemeinen Leben spricht. Denn wenn ihr das Maul so voll nehmen wolltet, wie manche von unsern Schauspielern zu thun pflegen, so wäre mir eben so lieb, wenn der Ausruffer meine Verse hersagte. Und sägt auch die Luft nicht so mit eurer Hand, sondern macht es manierlich; denn selbst in dem heftigsten Strom, Sturm und Wirbelwind einer Leidenschaft müßt ihr eure Bewegungen so gut in eurer Gewalt haben, daß sie etwas edels und anständiges behalten. O, es ist mir in der Seele zuwider, wenn ich einen breitschultrichten Lümmel in einer grossen Perüke vor mir sehe, der eine Leidenschaft zu Fezen zerreißt, und um pathetisch zu seyn, sich nicht anderst gebehrdet, als wie ein toller Mensch; aber gemeiniglich sind solche Gesellen auch nichts anders fähig als Lerm und seltsame unnatürliche Gesticulationen zu machen. Ich könnte einen solchen Burschen prügeln lassen, wenn er die Rolle eines Helden kriegt, und einen Dragoner in der Schenke daraus macht; Herodes selbst ist nur ein Kind dagegen. Ich bitte euch, nehmt euch davor in Acht.
Schauspieler. Dafür stehe ich Euer Gnaden.
Hamlet. Indessen müßt ihr auch nicht gar zu zahm seyn; in diesem Stüke muß eure Beurtheilungs-Kraft euer Lehrmeister seyn. Laßt die Action zu den Worten, und die Worte zur Action passen, mit der einzigen Vorsicht, daß ihr nie über die Grenzen des Natürlichen hinausgehst – – Denn alles Uebertriebne ist gegen den Endzwek der Schauspieler-Kunst, der zu allen Zeiten, von Anfang und izt, nichts anders war und ist, als der Natur gleichsam einen Spiegel vorzuhalten, der Tugend ihre eigne wahre Gestalt und Proportion zu zeigen, und die Sitten der Zeit, bis auf ihre kleinsten Züge und Schattierungen nach dem Leben gemahlt darzustellen. Wird hierinn etwas übertrieben, oder auch zu matt und unter dem wahren Leben gemacht, so kan es zwar die Unverständigen zum Lachen reizen; aber Vernünftigen wird es desto anstössiger seyn; und das Urtheil von diesen soll in euern Augen allemal ein ganzes Theater voll von jenen überwiegen. Ich kenne Schauspieler, und sie wurden von gewissen Leuten gelobt (so sehr man loben kan,) die ihre Rollen so abscheulich heulten, sich so ungebehrdig dazu spreißten, daß ich dachte, irgend einer von der Natur ihren Tagwerks-Jungen habe Menschen machen wollen, und sie seyen ihm nicht gerathen; so abscheulich-grotesk ahmten sie die menschliche Natur nach.
Schauspieler. Ich hoffe, wir haben diesen Unform so ziemlich bey uns abgeschaft.
Hamlet. O, schaft ihn durchaus ab. Und denen, die eure lustigen Bauren machen sollen, schärfet ein, daß sie nicht mehr sagen sollen, als in ihrer Rolle steht; denn es giebt einige unter ihnen, die sich selbst einen Spaß damit machen wollen, daß sie eine Anzahl alberner Zuschauer zum Lachen bringen können, wenn gleich in dem nemlichen Augenblik die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Stelle des Stüks geheftet seyn sollte: Das ist was infames, und zeigt eine erbärmliche Art von Ambition an dem Narren, der es so macht. Geht, macht euch fertig.