(Horatio, Bernardo und Marcellus treten auf.)
Horatio. Heil, Gnädigster Prinz!
Hamlet. Ich erfreue mich, euch wohl zu sehen – – Ihr seyd Horatio, oder ich vergesse mich selbst.
Horatio. Ich bin Horatio, Gnädiger Herr, und euer demüthiger Diener auf ewig.
Hamlet. Sir, mein guter Freund; das soll künftig das Verhältniß unter uns seyn. Und was führt euch von Wittenberg hieher, Horatio? – – Ist das nicht Marcellus? – –
Marcellus. Ja, Gnädigster Herr.
Hamlet. Ich bin erfreut euch zu sehen; guten Morgen, Sir (zu Bernardo) – – Aber, im Ernste, Horatio, was bringt euch von Wittenberg hieher?
Horatio. Ein Anstoß von Landstreicherey, mein Gnädigster Herr.
Hamlet. Das möchte ich euern Feind nicht sagen hören, auch sollt ihr meinen Ohren die Gewalt nicht anthun, sie zu Zeugen einer solchen Aussage gegen euch selbst zu machen. Ich weiß, ihr seyd kein Müssiggänger. Was ist euer Geschäfte in Elsinoor? Wir müssen euch trinken lehren, eh ihr wieder abreiset.
Horatio. Gnädigster Herr, ich kam, euers Vaters Leichenbegängniß zu sehen.
Hamlet. Ich bitte dich, spotte meiner nicht, Schul-Camerade: ich denke, du kamst vielmehr auf meiner Mutter Hochzeit.
Horatio. Die Wahrheit zu sagen, Gnädigster Herr, sie folgte schnell hinter drein.
Hamlet. Das war aus lauter Häuslichkeit, mein guter Horatio – – Um die Braten, die von dem Leichenmahl übrig geblieben, bey der Hochzeit kalt auftragen zu können – – O Horatio, lieber wollt' ich meinen ärgsten Feind im Himmel gesehen, als diesen Tag erlebt haben – – Mein Vater – – mich däucht, ich sehe meinen Vater – –
Horatio (lebhaft.)
Wo, Gnädiger Herr?
Hamlet. In den Augen meines Gemüths, Horatio.
Horatio. Ich sah ihn einmal; er war ein stattlicher Fürst.
Hamlet. Sag', er war ein Mann, in allen Betrachtungen ein Mann, so hast du alles gesagt; seines gleichen werd' ich niemal sehen.
Horatio. Gnädigster Herr, ich denke ich sah ihn verwichne Nacht.
Hamlet. Du sahest ihn? Wen?
Horatio. Den König, euern Vater.
Hamlet. Den König, meinen Vater?
Horatio. Mässiget eure Verwunderung nur so lange, und leihet mir ein aufmerksames Ohr, bis ich, auf das Zeugniß dieser wakern Männer hier, euch das Wunder erzählt haben werde.
Hamlet. Um des Himmels willen, laß mich's hören.
Horatio. Zwo Nächte auf einander haben diese beyden Officiers, Marcellus und Bernardo, auf der Wache, in der todten Stille der Mitternacht, diesen Zufall gehabt: Eine Gestalt, die euerm Vater glich, vom Kopf zu Fuß, Stük vor Stük bewaffnet, erscheint vor ihnen, und geht mit feyerlichem Gang, langsam und majestätisch bey ihnen vorbey; dreymal gieng er vor ihren von Furcht starrenden Augen, mit seinem langen Stok in der Hand, hin und her; indeß daß sie, von Schreken beynahe in Gallerte aufgelöst, ganz unbeweglich stuhnden, und den Muth nicht hatten ihn anzureden. Sie entdekten mir diesen Zufall in Geheim, und bewogen mich dadurch in vergangner Nacht mit ihnen auf die Wache zu ziehen; und hier sah ich um die nemliche Zeit, diese nemliche Erscheinung, von Wort zu Wort, wie sie mir selbige beschrieben hatten. Ich erkannte euern Vater: Diese Hände sind einander nicht ähnlicher.
Hamlet. Und wo geschahe das?
Horatio. Gnädiger Herr, auf der Terrasse, wo wir die Wache hatten.
Hamlet. Habt ihr es nicht angeredet?
Horatio. Ich that es, Gnädiger Herr, aber es gab mir keine Antwort; nur ein einziges mal kam mir's vor, es hebe den Kopf auf, und mache eine Bewegung als ob es reden wolle: Aber in dem nemlichen Augenblik krähte der Hahn, und da zittert' es plözlich weg, und verschwand aus unserm Gesicht.
Hamlet. Das ist was sehr Wunderbares!
Horatio. So wahr ich lebe, Gnädiger Herr, so ist es; und wir hielten es für unsre Schuldigkeit, euch Nachricht davon zu geben.
Hamlet. In der That, ihr Herren, ich muß es bekennen, ich bin unruhig hierüber. (Zu Marcellus und Bernardo.) Habt ihr die Wache diese Nacht?
Beyde. Ja, Gnädiger Herr.
Hamlet. Es war bewaffnet, sagt ihr?
Beyde. Bewaffnet, Gnädiger Herr.
Hamlet. Von Fuß zu Kopf?
Beyde. Ja, Gnädiger Herr.
Hamlet. So konntet ihr ja sein Gesicht nicht sehen?
Horatio. O ja, Gnädiger Herr; er trug sein Visier aufgezogen.
Hamlet. Sagt mir, sah er ungehalten aus?
Horatio. Seine Gebehrdung schien mehr Traurigkeit als Zorn auszudrüken.
Hamlet. Bleich oder roth?
Horatio. Sehr bleich.
Hamlet. Und sah er euch ins Gesicht?
Horatio. Sehr starr.
Hamlet. Ich wollte, daß ich dabey gewesen wäre.
Horatio. Es würde euch in kein geringes Schreken gesezt haben.
Hamlet. Sehr vermuthlich; blieb es lange?
Horatio. So lange man brauchte, um mit mässiger Geschwindigkeit Hundert zu zählen.
Beyde. Länger, Länger.
Horatio. Als ich es sah, nicht.
Hamlet. War sein Bart grau? Nein – –
Horatio. Das war er, so wie ich ihn in seinem Leben gesehen habe, silbergrau.
Hamlet. Ich will mit euch auf die Wache, diese Nacht; vielleicht geht es wieder.
Horatio. Ich bin euch gut dafür, das wird es.
Hamlet. Wenn es meines ehrwürdigen Vaters Gestalt annimmt, so will ich mit ihm reden, wenn gleich die Hölle selbst ihren Schlund aufreissen und mich schweigen heissen würde. Ich bitte euch, wofern ihr diese Erscheinung bisher geheim gehalten habet, so laßt es immer ein Geheimniß unter uns bleiben; es mag heute Nacht begegnen was da will, beobachtet es, aber schweigt. Ich will erkenntlich für eure Freundschaft seyn: Nun, gehabt euch wol. Zwischen eilf und zwölf Uhr, auf der Terrasse, will ich euch besuchen.
Alle. Eure demüthige Knechte, Gnädiger Herr – –
(Sie gehen ab.)
Hamlet. Meine Freunde, wie ich der eurige: Lebet wohl.
((Allein.)