"Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
2014 wird als ein Jahr in Erinnerung bleiben, das anders verlaufen ist, als wir uns das zu Silvester vor einem Jahr vorstellen konnten. Es war das Jahr, in dem wir in Europa in lange nicht gekannter Härte erfahren haben, was es bedeutet, wenn Grundlagen unserer europäischen Friedensordnung infrage gestellt werden - also die freie Selbstbestimmung der Völker. Genau das mutet Russland der Ukraine zu.
Es steht völlig außer Frage, dass wir Sicherheit in Europa gemeinsam mit Russland wollen, nicht gegen Russland. Aber ebenso steht völlig außer Frage, dass Europa ein angebliches Recht eines Stärkeren, der das Völkerrecht missachtet, nicht akzeptieren kann und nicht akzeptieren wird.
Deshalb war 2014 auch das Jahr, in dem Europa genau diese Herausforderung verstanden und gemeinsam mit seinen transatlantischen Partnern angenommen hat.
Europa hat sich entschlossen, sich nicht spalten zu lassen, sondern stärker denn je als Einheit zu handeln, um seine Friedensordnung und seine Werte zu verteidigen. Werte, die Europas Zukunft als Ganzes und die seiner Mitgliedstaaten politisch wie im Übrigen auch wirtschaftlich tragen.
Diese Einheit Europas ist kein Selbstzweck, aber sie ist der Schlüssel, um die Krise in der Ukraine zu überwinden und die Stärke des Rechts durchzusetzen.
2014 wird auch als das Jahr in Erinnerung bleiben, in dem die schreckliche Krankheit Ebola die Menschen Westafrikas in bislang nicht gekanntem Ausmaß heimsuchte. Ich danke allen, die einen Beitrag dazu leisten, diese Krankheit, die noch lange nicht besiegt ist, einzudämmen: den Ärzten, den Pflegern, den Helfern des Deutschen Roten Kreuzes und nicht zuletzt den Soldaten, die hier wie anderswo auf der Welt ihr Leben für uns einsetzen.
2014 mussten wir außerdem erleben, dass die Terrororganisation IS alle Menschen verfolgt und auf bestialische Weise ermordet, die sich ihrem Herrschaftswillen nicht unterwerfen. Diese Terrororganisation wütet ganz besonders in Syrien und im Nordirak, aber sie bedroht auch unsere Werte zu Hause. Die freie Welt stellt sich ihr entgegen. Dazu leisten auch wir Deutschen unseren Beitrag, denn das ist in unserem Interesse.
Eine Folge dieser Kriege und Krisen ist, dass es weltweit so viele Flüchtlinge gibt wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Viele sind buchstäblich dem Tod entronnen. Es ist selbstverständlich, dass wir ihnen helfen und Menschen aufnehmen, die bei uns Zuflucht suchen.
Kürzlich erzählte mir jemand von einem Kurden, der heute Deutscher ist. Vor vielen Jahren sei er aus dem Irak geflohen - unter sehr schwierigen Bedingungen. Unter Lebensgefahr. Er habe gesagt, das Wichtigste sei für ihn in Deutschland, dass seine Kinder hier ohne Furcht aufwachsen könnten.
Das ist vielleicht das größte Kompliment, das man unserem Land machen kann: dass die Kinder Verfolgter hier ohne Furcht groß werden können.
Und das war auch ein Motiv der vielen Menschen, die vor 25 Jahren in der DDR jeden Montag auf die Straße gingen. Hunderttausende demonstrierten 1989 für Demokratie und Freiheit und gegen eine Diktatur, die Kinder in Furcht aufwachsen ließ.
Heute rufen manche montags wieder "Wir sind das Volk". Aber tatsächlich meinen Sie: Ihr gehört nicht dazu - wegen Eurer Hautfarbe oder Eurer Religion.
Deshalb sage ich allen, die auf solche Demonstrationen gehen: Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen! Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen!
Und, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, welch großes Glück es ist, dass wir seit bald 25 Jahren in einem in Frieden und Freiheit geeinten Land leben können, das konnten wir trotz aller Anstrengungen und trotz aller Probleme auch unseres Alltags gerade auch in diesem Jahr spüren.
Wir spüren, welchen Wert es hat, wenn die Zahl der Menschen, die Arbeit haben, so hoch ist wie noch nie oder wenn wir im kommenden Jahr das erste Mal seit 46 Jahren keine neuen Schulden im Bund aufnehmen müssen und Schluss machen können mit dem Leben auf Pump.
Wir spüren, welchen Wert der Zusammenhalt in unserem Land hat. Er ist Grundlage unseres Erfolges.
Übrigens - es war auch der Zusammenhalt eines Teams, der uns beim Gewinn der Fußballweltmeisterschaft so unvergessliche Momente bescherte. Diesen Erfolg fasste ein englischer Fan wunderbar in Worte, als er sagte: "Deutschland hat eine Mannschaft."
Genau das war es, eine Mannschaft, die zusammenhielt, um das große Ziel zu erreichen.
Ich drücke natürlich auch unserer Frauen-Fußballnationalmannschaft ganz fest die Daumen, wenn sie im kommenden Jahr bei ihrer WM den Titel gewinnen will.
Es ist und bleibt der Zusammenhalt, mit dem wir auch in Zukunft die großen Herausforderungen meistern können:
Die digitale Revolution, die unser Leben fundamental verändert und ganz neue Möglichkeiten für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit bietet.
Die demografische Entwicklung, die nicht nur Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt hat, sondern unser gesamtes Leben erfasst, denken wir nur an die Pflege unserer Angehörigen.
Die Zuwanderung von Menschen, die ein Gewinn für uns alle ist.
Den Welthandel, bei dem es darum geht, große Wettbewerbschancen zu nutzen und gleichzeitig soziale und ökologische Standards zu behaupten.
Den Schutz des Klimas, für den es endlich gelingen muss, neue verbindliche Vereinbarungen zu beschließen. Und im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft will ich mich dafür in den nächsten Monaten mit aller Kraft einsetzen.
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Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
auch im kommenden Jahr sollten wir gemeinsam alles daran setzen, den Zusammenhalt unseres Landes zu stärken. Er macht unsere Gesellschaft menschlich und erfolgreich.
In diesem Sinne wünsche ich von Herzen denen, die am heutigen Abend Kummer haben oder um einen lieben Menschen trauern, Trost und Beistand, und uns allen gemeinsam Kraft, Gesundheit und Gottes Segen für das neue Jahr 2015."