Probleme bei der Sprachentwicklung von Kindern
Aerzte,Paedagogen und Erzieher sind alarmiert.Seit einigen Jahren beobachten sie eine erhebliche Zunahme von schweren Sprachentwicklungsstoerungen bei Kindern.Darunter versteht man,dass solche Kinder ihre Muttersprache nicht normal erlernen.Sie beginnen zum Beispiel zu spaet zu sprechen oder zeigen ueberhaupt Schwierigkeiten,Sprache zu verstehen,andere weisen einen lueckenhaften Wortschatz oder eine unzureichende Grammatik auf,oder sie haben eine undeutliche oder sogar unverstaendliche Aussprache.Lag der Anteil dieser Kinder 1982 noch bei etwa 4 Prozent,so ergaben Untersuchungen der Universitaet Mainz,dass heute Sprachentwicklungsstoerungen bei einem Viertel aller dreieinhalb-bis vierjaehrigen Kinder festzustellen sind.Wenn diese Stoerungen nicht in der sogenannten sensiblen Altersphase?vom zweiten bis dritten Lebensjahr erkannt und eventuell behandelt werden,drohen spaeter Stoerungen in der intellektuellen und psychosozialen Entwicklung.
Ein Beispiel ist der fuenfjaehrige Junge Paul,der wegen Sprach-und Verhaltensstoerungen an einem Heidelberger Institut fuer die Rehabilitation Behinderter untersucht und behandelt wurde.Pauls Kinderarzt hatte die Untersuchung durch eine Psychologin angeregt.Paul ist klein und zart,klammert scih an seine Mutter.Auf die Kontaktaufnahme reagiert er aengstlich.Seine Sprache ist fast unverstaendlich.Mit Hilfe einer speziellen Behandlungsmethode,die auch Gefuehle,Verhalten innerhalb der Familie und Bewaeltigung von Stress in der Eltern-und Kindbeziehung beruecksichtigt,bestaetigt sich bald die Hypothese,wonach die Mutter ihren Sohn ueberfordert.
Wenn der Junge sich Anforderungen verweigert,wird die Sorge der Mutter ,der Sohn koenne nicht genuegend lernen,verstaerkt.Dad verschaerft ihre Bemuehungen,und sie verlangt noch mehr von ihm.Das Kind aber ist dem Erwartungsdruck nicht gewachsen.So bleibt Paul schliesslich keine andere Wahl,als sich zurueckzuziehen.Auch zu seinem Vater gelingt es ihm nicht,eine normale Beziehung aufzubauen.Paul ist folglich ein einsames,zurueckgezogenes Kind.Dass er nicht gerne spricht,ist in diesem Zusammenhang nicht erstaunlich.Ziel des Gespraechs der Wissenschaftler mit den Eltern ist es,ein neues Erziehungsverhalten auszuprobieren und nicht,ihnen Vorwuerfe zu machen.Paul wurde in den folgenden Wochen spieltherapeutisch begleitet,sein Selbstvertrauen wurde gefoerdert,und er wurde ermuntert,auchdie aktive Rolle in seinem Leben zu uebernehmen.Schon nach kurzer eit besserte sich sein Zustand,und er machte sprachliche Fortschritte.
Das Heidelberger Institut ist interdisziplinaer besetzt:Aerzte,Paedagogen,Psychologen und andere Wissenschaftler arbeiten bei der Loesung der Probleme zusammen,denn oft ist die Kombination verschiedener Faktorn der Grund fuer Sprachentwicklungsstoerungen.So gibt es nciht nur organische Ursachen,sondern in erster Linie spielt das veraenderte Kommunikationsverhalten in der Familie eine Rolle.Beispielsweise koennen mehrstuendiges taegliches Fernsehen,fehlende Geschwister,Vereinsamung der Kinder durch die Berufstaetigkeit beider Eltern sowie einschneidende Trennungs-oder Verlusterfahrungen fuer die Probleme verantwortlich sein.
Ohne die Hilfe von Experten ist es fuer die Familie oft problematisch zu entscheiden,ob ihr Kind an einer ernstzunehmenden Sprachstoerung leidet:Denn entweder fehlt der Vergleich zu anderen Kindern,oder das Kind kann in anderen Situationen so gut und normal?reagieren,dass die Stoerung im Sprachverstaendnis laenger unentdeckt bleibt.Bei rechtzeitiger Erkennung der Stoerung ist die Prognose jedoch ausgesprochen gut.Zunaechst einmal muss abgeklaert werden,ob es sich um ein rein medizinisches Problem handelt,ob als eine Hoerstoerung oder organische Probleme in der Stimme vorliegen.
Eine richtige aerztlijhe oder sprachtherapeutische Behandlung brauchen jedoch nur rund ein Drittel der betroffenen Kinder.In den allermeisten Faellen genuegt eine gruendliche Beratung der Eltern und gezielte Sprachfoerderung daheim mit Mutter oder Vater als Co-Therapeuten.Wichtig aber ist es,rechtzeitig zu beginnen,denn nur so kann sich die Kommunikationsfaehigkeit noch moeglichst normal entwickeln.