Die Mäuse hielten einmal eine Volksversammlung, um sich zu beraten, wie sie den Nachstellungen der Katzen entgehen sollten. Da war aber guter Rat teuer, und vergebens rief der Vorsitzer die erfahrensten Mäuse der Gemeinde auf, bis endlich ein junger Mäuserich zwei Finger emporstreckte und um Erlaubnis bat zu sprechen.
Als diesem nun das Wort gegeben ward, hub er an und sprach: »Ich habe lange darüber nachgedacht, warum uns die Katzen so gefährlich sind. Das liegt nicht sowohl an ihrer Geschwindigkeit, wovon so viel Wesens gemacht wird; würden wir sie zur rechten Zeit gewahr, so wären wir wohl behende genug, in unser Loch zu entspringen, ehe sie uns etwas anhaben könnten. Ihre Überlegenheit liegt vielmehr in ihren samtenen Pfoten, unter welchen sie ihre grausamen Krallen so lange zu verbergen wissen, bis sie uns in den Tatzen haben. Denn da wir den Schall des Katzentritts nicht vernehmen, so tanzen und springen wir noch unbesorgt über Tische und Bänke, wenn der Todfeind schon heranschleicht und den Buckel zum Sprunge krümmt, uns zu haschen und zu erwürgen. Darum ist meine Meinung, man müsse den Katzen eine Schelle anhängen, damit ihr Schall ihre Nähe verkünde, bevor es zu spät ist.«
Dieser Vorschlag fand so großen Anklang, daß er alsbald zum Beschluß erhoben ward. Es fragte sich jetzt nur noch, wer es übernehmen solle, der Katze die Schelle anzuhängen. Der Vorsitzer meinte, hierzu werde niemand geeigneter sein als derjenige, der so schlauen Rat erdacht habe.
Da geriet der junge Mäuserich in Verlegenheit und stotterte die Entschuldigung heraus, hierzu sei er zu jung, er kenne die Katze nicht genug; sein Großvater, der sie besser kenne, werde dazu geschickter sein. Dieser erklärte aber, eben weil er die Katze zu gut kenne, werde er sich wohl hüten, einen solchen Auftrag zu übernehmen. Auch sonst wollte sich niemand hierzu verstehen, und so blieb der Beschluß unausgeführt und die Herrschaft der Katzen über die Mäuse ungebrochen.