Ungleich frischer und erkennbarer hat sich die persönlichkeit der jahrszeiten, welche wie tag und nacht von nähe oder ferne der sonne abhängen, erhalten. ihr langsamer wechsel erfolgt feierlich, während der häufige des tags und der nacht bald das andenken an die alten götter verwischte.
Tag und nacht gleichen dem sommer und winter auch darin, daß den anbruch des tags (s. 626) und den eintritt des sommers die vögel mit freudigem gesang begrüßen, nachts und winters aber still trauern. daher die eddischen kenningar gleđi fugla (laetitia volucrum) für sommer, sût ok strîđ fugla (dolor et angor avium) für winter. dies naturgefühl spricht sich in den liedern unsrer minnesänger unzähligemal aus [Fußnote].
Das alterthum scheint anfänglich nur zwei zeiten im jahr, dann aber drei, endlich vier unterschieden zu haben. davon zeugen schon die namen. unser jahr, goth. jêr, ahd. jâr, mnl. jaer, alts. gêr, ags. gear, engl. year, altn. âr ist deutlich das poln. iar, iaro, böhm. gar, garo, die frühling bezeichnen [Fußnote]. ebenso ist das slav. leto, lato, ljeto, eigentlich sommer, und wie mir scheint unserm lenz, ahd. lenzo, lengiz, mhd. lenze, lengez, ags. lencten, lengten verwandt, allmälich auf das ganze jahr erstreckt worden. beide also, jâr und leto, drücken die warme zeit (frühjahr oder sommer) aus und nach ihnen rechneten südliche völker, nördliche nach wintern.
Ulfilas verdeutscht έτος durch jêr, eniautóV durch aþn Gal. 4, 10 oder ataþni Joh. 18, 13; in den goth. eigennamen Athanagildus, Athanaricus (Aþnagilds, Aþnareiks) haftet noch das sonst in unsrer sprache verschollne wort, dessen wurzel an έτος gemahnt, vielleicht an das slav. god, godina, welches Russen und Serben annus bedeutet, während poln. god, böhm. hod, hodine allgemeiner zeit ausdrückt. das verhältnis zwischen έτος und ενιαυτός bleibt unsicher, denn nach Od. 1, 16 έτος η̃λθε περιπλομένων ενιαυτω̃ν sind die ενιαυτοί abschnitte des jahrs, aber nach andern angaben soll ein ενιαυτός drei έτη enthalten. in ενιαυτός liegt das einfache έτος = lat. annus [Fußnote] [Fußnote].
Dem jahr wird ein kreis, ring (orbis, circulus) beigelegt: jâres umbihring, jârhring, umbihuurft; mhd. jâres umbeganc, umberinc, umbevart, umbetrit; und die wiederkehr oder erneuerung dieses kreises veranlaßte schon im hohen alterthum feierliche feste. Eligius predigte: ›nullus in kal. jan. nefanda aut ridiculosa, vetulos aut cervulos aut joticos faciat, neque mensas super noctem componat neque strenas aut bibitiones superfluas exerceat‹. das mag celtischer und römischer brauch gewesen sein, die strenae ineunte anno werden von Sueton (Cal. 42. Aug. 57) erwähnt, und bekannt ist das aguilanneuf, ein freudenschrei, zum pflücken der heiligen mistel auffordernd. dergleichen scheint in Deutschland unerhört, bemerkenswerth sind aber die neujahrslieder und wünsche, wie sie noch das buch der Clara Hätzlerin aus dem 14 jh. mittheilt (57b 77a, zumal 196–201 der ausg. von Haltaus): das jahr wird hier als neugebornes kind, neugeborner gott dargestellt, der die wünsche der sterblichen erfülle; das muß zunächst auf weihnachten und die geburt des heilands bezogen werden, an den orten, wo man neujahr mit diesem tag begann. es mögen sich aber noch heidnische sitten darunter gemengt haben, und ich übersehe nicht, daß das bloße adj. neu, ohne beifügung von jar oder kind in diesen liedern gebraucht steht, wie in der bezeichnung des neulichts bei dem mond (nŷ, niuwi s. 592) [Fußnote].
Den begrif des ganzen jahrs (vgl. das räthsel s. 615) finde ich sonst kaum persönlich hervorgehoben, außer in betheuerungen, segen und verwünschungen. ›sam mir daz heilec jar!‹ Ls. 1, 287. Haupts zeitschr. 7, 104. die beiden folgenden meinen aber wieder das anhebende, neue: ›ein sœlec jâr gang dich an!‹ Ls. 3, 111. und ›daz dich ein veigez jâr müez ane komen!‹ Ls. 1, 317. ags. ođ þät ođer com gear in geardas. Beov. 2260 [Fußnote].
Aber bereits in frühster zeit sonderten sich hälften des jahrs, wofür uns die ags. und altn. sprache den ausdruck missere, misseri darbietet und die ags. gedichte scheinen vorzugsweise darnach zu rechnen. es heißt missera vorn Cædm. 71, 10; fela missera Cædm. 180, 23. Beov. 306; hund missera Beov. 2996. 3536 = 50 winter 4413; misserum frôd, missarum frôd Cædm. 104, 30. 141, 16 (wie sonst gearum, dägrîme, fyrndagum frôd, gramm. 1, 750). in der edda lese ich nur 212a. b ›ein misseri‹ (per unum annum) und ›sams misseris‹ (eodem anno), aber auch die Grâgâs hat misseri (semestrium). die ableitung dieses wortes ist nicht leicht, man sollte darin die begriffe halb (medius, dimidius) und jahr erwarten, doch der kurze vocal der penultima widerstreitet dem altn. âr und dem ags. gear; auch scheint es masc. (einn misseri, nicht eitt misseri) und das altn. misæri (misjahr, annonae caritas, neutr.) ist ganz etwas anderes. warum wäre auch hier das d des ags. midde (goth. midja, ahd. mitti) in ss übergetreten? doch ist einzugestehn, daß im verhältnis des lat. medius zum goth. midja schon störung der lautverschiebung kund wird, misseri könnte aus so hohem alter übernommen und fortgeführt worden sein, daß es jene verwandtschaften scheinbar verleugnend, dennoch bekennen müste, und das miss sich verhielte wie im gr. μέσος, μέσσος, vgl. sanskr. madhjas und βυσσός = βυθός. Ahd. denkmäler gewähren kein misseri, missiri, die verlornen heldenlieder mögen es gekannt haben, weil noch spätere fassungen nach semestern rechnen; wenn es im Hild. heißt: ›ih wallôta sumaro enti wintro sehstic ur lante‹, so sind nur 60 misseri (30 sommer und 30 winter) gemeint, die den 30 ganzen jahren des jüngeren volkslieds entsprechen; ja man dürfte mutmaßen, daß Nib. 1082, und 1327, 2 die dreizehn und sieben jahre, welche Chriemhild allzu alt machen, im älteren epos von semestern gemeint sind. aber im Norden, wo der winter überwog, zählte man nach wintern als ganzen jahren, und tôlf vetra gamall bezeichnet einen zwölfjährigen. Daß ahd. und noch mhd. sommer und winter die wesentliche jahrseintheilung abgeben, folgre ich selbst aus den üblichen adverbien sumerlanc und winterlanc woneben kein lengezlanc noch herbestlanc gehört wird; den altn. sumarlângr, vetrlângr steht auch ein haustlângr zur seite.
Das griech. jahr hat nur drei theile έαρ, θέρος, χειμών und da fehlt der herbst. unsre beiden großen jahresfeste sommer und wintersonnenwende schieden zwei theile, die erntefeier am schluß sept. oder das einholen des sommers kann den dritten oder vierten theil begründen. von der zweitheilung zeugen auch die ags. ausdrücke midsumor und midvinter, altn. miđsumar, miđvetr, welche jenen gipfel der sonnenwende ausdrückten, und denen kein midhearfest zur seite stand; ein ags. midlencten (engl. midlent) begegnet, und gleicht etwa unserm mitfasten. Wie verhielt sich zu midsumor und midvinter das missere? auch der tag (von 24 stunden) zerfiel in zwei hälften, ags. dôgor, altn. dægr genannt, jede von 12 stunden und dôgor verhält sich zu däg, wie missere zu gear. den ahd. denkmälern mangelt neben tac ein tuogar, aber ein goth. dôgr neben dags schließe ich aus fidurdôgs und ahtáudôgs bei Ulfilas [Fußnote].
Nachdem Tacitus gesagt hat, daß die Germanen bloß getraide bauen, weder wiesen noch gärten hegen, fügt er hinzu: unde annum quoque ipsum non in totidem digerunt species: hiems, et ver, et aestas intellectum ac vocabula habent; auctumni perindo nomen ac bona ignorantur. Deutlich wird hier auctumnus auf obst und nachheu (grummet) bezogen, der kornschnitt in den sommer, die aussaat in den frühling verlegt. Erwägt man aber, daß das nördliche Deutschland noch jetzt, bei gemildertem clima, getraide erst im august und september, wenn schon die sonne niedriger steht, einerntet, und daß august zwar der eigentliche erntemonat [Fußnote], september der herbstmonat, zuweilen aber september die augstin, october der herbstmonat genannt ist; so kann jene ansicht schon in ältester zeit nicht allgemein gültig gewesen sein. Auch scheint das ahd. herpist, herbist, ags. hearfest nicht gerade jünger als andere sehr alte wörter. Richtiger ist also das vorhin entwickelte verhältnis, daß je weiter nach Norden hin in Europa überhaupt zwei jahrszeiten, sommer und winter, vortreten, je weiter nach Süden drei, vier oder fünf [Fußnote] unterschieden werden können. Auch für mythische bezüge gelten nur jene zwei, obwol sie zuweilen durch frühling und winter, oder durch frühling und herbst ausgedrückt werden [Fußnote] [Fußnote].
Neben dem goth. vintrus (hiems) ist ein ganz ähnliches masc. sumrus anzunehmen, wiewol θέρος Marc. 13, 28 (und vermutlich auch Matth. 24, 32. Luc. 21, 30) durch asans (erntezeit) übertragen wurde. die declination folgt aus dem ahd. sumar = sumaru (weil goth. sumrs nach erster ein ahd. somar nach sich zöge) und aus dem dat. des ags. sumor, der sumera, nicht sumere lautet. das altn. neutrum sumar neben dem masc. vetr, ahd. wintar, ags. vinter scheint unorganisch, sicher war es früher männlich. die gramm. 2, 55 vermutete wurzel führt auf saat und ernte.
In der edda sind beide wesen nun gleich genealogisch eingeführt. Sumar ist ein sohn des Svâsuđr (Sæm. 34b Sn. 23. 127), welcher name von svâs (carus, proprius, domesticus), goth svês, ahd. suâs herstammt: dieser ist ein seeliger, freundlicher mann, nach dem alles frohe und liebliche heißt (svâslegt, blîtt). Der vater des Vetr hingegen führt den namen Vindlôni oder Vindsvalr (der windbringende, windkühle) und dessen vater hieß Vâsađr (Sæm. 34b Sn. 23. 127), der feuchte, nasse: ein grimmiges, kaltbrüstiges geschlecht. Beide stellen sich aber, wie zu erwarten ist, als riesen dar, Svâsuđr und Sumar von guter, freundlicher, Vâsađr, Vindsvalr, Vetr von böser art, so daß sich auch hier wieder die doppelte natur der riesen (s. 438) einleuchtend erweist. skâldskaparmâl verzeichnet sie unter den alten iötnar: 209b Somr (al. Sômir) ok Svâsuđr, 210a Vinđsvalr und Viđarr (l. Vetr). Noch jetzt sind uns Sommer und Winter häufige eigennamen, und vermutlich waren sie es von anfang an, eben weil sie sich mit ausdrücken urverwandter sprachen nicht berühren. schon eine urk. bei Neugart no. 373 (a. 958) führt uns zwei brüder Wintar und Sumar auf. den eigennamen Wintarolf mit der augmentativform, hat Graff 1, 631.
Nun will ich aber die deutlichen spuren ihres persönlichen verhältnisses, wie sie sich in redensarten des volks und in dichterischen wendungen lange erhalten haben, aufdecken. Wir sagen täglich: der Sommer, der Winter ist vor der thür, tritt ein, kehrt ein. H. Sachs IV. 3, 21a ›bis daß der Sommer einhertritt‹ [Fußnote]. Mhd. wird jener gewöhnlich lieb, dieser leid genannt: ›der liebe Sumer urloup genam‹ Ben. 344. ›urloup nam der Winder‹ Ben. 362. beiden gefolg und dienerschaft zugeschrieben: ›Sumer, dîne holden von den huoben sint gevarn‹ Ben. 304. ›Sumer dîn gesinde‹ Ben. 406. ›mîn sanc süle des Winters wâpen tragen‹ MS. 1, 178b. ›Winder ist mit sînen vriunden komen‹ Ben. 414, offenbar sind sie mit ihren leuten aufgezogen, weil sie sich verjagen und bekriegen wollen. ›der leide Winder hât den Sumer hin verjaget‹ Ben. 381. ›er (der Winter) ist dir gehaz, er enweiz niht umbe waz, selten er des ie vergaz, swenne er dînen stuol besaz, er enructe in vür baz, sin gewalt wol tûsend ellen vür den dînen gât‹. MsH. 3, 258a Ben. 303. ›Winter [Fußnote] hât ez hie gerûmet‹ Ben. 437. Weil aber der sommer mit dem mai beginnt, steht auch ein Mai als repräsentant des Sommers da, ganz auf gleiche weise in lebendiger persönlichkeit. alle bekommen den beinamen herr: ›min herre Winter!‹ MsH. 3, 267a; ›her Meie!‹ 3, 443b; ›her Meige!‹ Walth. 46, 30. der Mai hält seinen einzug. ›sô der Meige în gât‹ meist. Alex. 144b. ›sô der vil süeze Meige în gât‹ Trist. 537; ›Meige ist komen in diu lant‹ Ms. 1, 13b; ›der Meie sîn ingesinde hât‹ Ms. 1, 14b; ›der Meie ist in diu lant‹ Ben. 364. ›des Meien tür ist ûf getân‹. MsH. 3, 296a; ›der Mei ist in den landen hie‹ 3, 230a; ›sô der Meie sînen krâme schouwen lât unde în gât mit vil manigem liehten mâle‹. 30, 30b; ›vil maneger hande varwe hât in sînem krâme der Meige‹. MS. 1, 59a ›der Meie hât brieve für gesant, daß sie künden in diu lant sîne kunft den vruoten‹. Ben. 433, gleich einem könige, der nach langer abwesenheit siegreich heimzieht, kündigt er seine ankunft voraus durch briefe an. ›da ist der Meie und al sîn kraft. er und sîn geselleschafl diu (s. l.) ringent manige swære. Meie hat im (dem Winter) angesiget‹. Ben. 449. ›ich lobe dich Meie dîner kraft, du tuost Sumer sigehaft‹. MS. 2, 57a; ›ob der Meige ze velde lac‹. Ls. 1, 199. ›sô der Meige alrêrst în gât‹ Frauend. 14. ›der Mei hât sîn gezelt bestelt‹ MsH. 3, 303b; ›des Meien schilt‹ 3, 307a; ›Sumer der hât sîn gezelt nu gerihtet überal‹ Ms. 2, 57a; ›des Meien waldenære kündet an die sumerzît‹. MsH. 3, 230b; ›die (waldes ougenweide) hat der Meie für gesant, daz si künden in diu lant sîn kunft‹. 3, 227b; ›der Meie vüeret den walt an sîner hende‹ MS. 2, 81b, es werden ihm hände beigelegt (wie dem Wunsch s. 118). er wird von den menschen mit dank und neigen, gleich einem durchs land fahrenden gott (Freyr s. 176) oder einziehenden könig, verehrt, er hat gleich diesen seine straße: ›des Meigen strâze‹ Ben. 42; ›ûf des Meien strâzen‹ MS. 23a; ›Meie ich wil dir nîgen‹ Ben. 398. ›êrent den Meien‹. Ben. 184. MsH. 1, 147a. b. ›der Meie habe des danc!‹ Ben. 434 [Fußnote]. Mai und Sommer legen ihr grünlaubiges kleid an: ›der Meie ist ûf sîn grüenez zwî gesezzen‹. MS. 2, 75a. dem Mai wird geklagt, er gebietet seinen blumen. MS. 1, 3b; ›des Meigen vriunt, der grüene wase, der het ûz bluomen angeleit sô wüneclîche sumerkleit‹. Trist. 562; ›der Sumer sneit sîn kleit‹. Ben. 159. ›der Meie sendet dem walde kleider‹. Ben. 436. ›der Sumer gab diu selben kleit Abrelle maz, der Meie sneit‹. MS. 2, 94b; ›diu (kleider) het gegeben in der Meie zeiner niuwen wât‹. MsH. 3, 286b; ›Mei hât enprozzen berg und tal‹ 3, 188b; ›Sumer hât gesendet ûz sîn wunne, der Meie spreit ûf diu lant sin wât‹. 2, 291a [Fußnote]. der blüenden heide voget ist mit gewalt ûf uns gezoget, hœrt wier mit winde broget ûf walt und im gevilde. MsH. 1, 193a [Fußnote]
seht ir den boum, der dâ stât,
der loubes vil und bluomen hât,
ein got hât sich dâ nider gelân,
ân den môhte ez niht ergân,
ez ist binamen Tervigant. Geo. 2162 ff.
der dichter der warnung singt:
nu minnet bluomen unde gras,
niht in, der sîn meister was,
wîp unt vogelgesanc
unt die liehten tage lanc,
der sache iegelîche
nemt ze einem himelrîche. Haupts zeitschr. 1, 495.
und noch bestimmter:
einer anbetet daz vogelsanc
unt die liehten tage lanc,
darzuo bluomen unde gras,
daz ie des vihes spîse was:
diu rinder vrezzent den got. a. o. 1, 500.
Das grüne laub ist das kleid des Maien und Sommers. quoique le bois reprenne sa robe d'été. Villemarqué bardes bretons 215. sumerkleit hât er ir gesniten. MS. 2, 47b. der Sumer wil rîchen manigen boum mit loubes wât. MS. 2, 83a. heide und anger habent sich bereitet mit der schoensten wât, die in der Meie hât gesant. MS. 2, 83a. herbest, der des Meien wât vellet von den rîsen. MS. 2, 105a. vil rîcher wât, die Meie hât. MS. 1, 192a. sich hâte gevazzet der walt und schoeniu kleit gein dem sumer angeleit. Mauritius 1684. in meigeschem walde. Tit. 143, 1. solutis ver nivibus viridem monti reparavit amictum. Glaudian b. get. 168.
.
Vorzüglich aber muss man auf den gegensatz achten. Im gefolg des Winters ziehen Reif und Schnee, wiederum personificationen, und alte riesen (s. 440). sie künden dem Sommer krieg an: ›dir hât widerseit beidiu Rîf und Snê‹. Ben. 398. ›der Meie lôste bluomen ûz Rîfen bande‹. Ben. 437. ›manegen tac stark in sînen (des Winters) banden lac diu heide‹. uns was verirt der wunne hirt von des argen Winters nît. MsH. 1, 192a. der Winter und sîne knechte, daz ist der rîfe und der wint. Hartm. erstes büchl. 834. MsH. 3, 232a und wie der Sommer belaubt, entlaubt der Winter: ›über diu ôren [Fußnote] er dem wald sîn kleider brach‹ (a. s. o.); ›dâ das niuwe loup ê was entsprungen, des hâstu nu gevüllet dinen sac‹ 2, 386b, einem feinde oder räuber gleich, der den sack mit beute füllt (saccage). ›bluomen unde loup was des Rîfen erster roup, den er in die secke schoup, er enspielt in noch enkloup‹. Ben. 304. doch ›sunder Rîfen danc (dem riesen zum trotz) allez grüene in fröiden lît‹ MS. 1, 34b; unbesungen ist der walt, daz ist allez von des Rîfen ›ungenâden komen‹. Ben. 275. Wizlau ruft in einem liede: ›Winder dich vorhôte, der Sumer komt ze môte!‹ (zieht dir entgegen.) Amgb. 29a und Walther 39, 9: ›weizgot, er (der Winter) lât ouch dem Meien den strît‹; umgekehrt: ›der Sumer sînen strît dem Winder lât‹. warnung 2386. Das wichtigste ist, daß sich in einem liede [Fußnote] sogar der mythische name des reifriesen bewahrt hat: er heißt Aucholf, ganz mit der ableitung olf gebildet, die gleich dem olt für ungeheure, geisterhafte wesen dient [Fußnote]; die wurzel áuka, ahd. ouhhu drückt aus augeo, es kann also in Oucholf die bedeutung des übergroßen, riesenmäßigen liegen [Fußnote] [Fußnote].
Sommer und Winter stehn im kampf gegeneinander gerade wie Tag und Nacht (s. 627); Sommer und Tag erfreuen, Nacht und Winter betrüben die welt [Fußnote].
Die ankunft des Sommers, des Mais, oder wie wir jetzt sagen des Frühlings, wurde nun vor alters festlich begangen. das hieß im mittelalter: die zît empfâhen. MS. 1, 200a 2, 78b Ben. 453; die zît mit sange begên. misc. 2, 198; den Sumer empfâhen MSH. 3, 207a 211a 232a; ›Sumer wis empfangen von mir hundert tûsent stunt‹. Ben. 328; ›vrouwen und man empfiengen den Meien‹. MSH. 3, 185b; ›dâ wart der Mei empfangen wol‹. MSH. 3, 218b 219a; ›den Meigen enpfâhen und tanzen‹. MSH. 1,47b; ›nû wolûf grüezen wir den süezen!‹ MSH. 1, 60b; ›ich wil den Sumer grüezen‹ 3, 446b; ›helfent grüezen mir den Meien‹. MS. 1, 202b; si (diu vogellîn) wellent alle grüezen nu den Meien. MS. 2, 84b. ›willekome her Meige!‹ MS. 1, 57b; ›sît willekome her meie!‹ MS. 1, 59a; ›sô wol dir lieber Sumer daz dû komen bist!‹ MSH. 2. 316b. noch ein lied in Eschenburgs denkm. 458 hat den roiensang ›willkommen Maie!‹ [Fußnote]
In den Meien riden war wirkliche sitte. Soester fehde s. 660. die Mistelgauer bei Baireuth sandten boten nach Nürnberg, um den frühling zu holen. man gab ihnen in einer schachtel einen hummel (anm. 1786. 1792) mit, den sie bei neugieriger öffnung derselben fliegen ließen. da riefen sie ihm nach ›na Mistelgau‹, und nun gabs dort nach langem regen schön wetter. Panzer beitr. 2, 173. vgl. Herodot. 7, 162, wo einem lande der frühling aus dem jahr genommen wird.
Das eintreten des Sommers erfolgte aber nicht auf einen bestimmten tag des jahrs, sondern wurde nach zufälligen zeichen wahrgenommen, aufblühenden blumen oder anlangenden vögeln. das hieß den Sommer finden: ›ich hân den Sumer vunden‹. MSH. 3, 202b.
Wer ›den êrsten vîol‹ [Fußnote] schaute, zeigte es an; das ganze dorf lief hinzu, die bauern steckten die blume auf eine stange und tanzten darum. auch hiervon hat Nîthart lebendige lieder gedichtet, MSH. 3, 298a 299a. b; vgl. 202a (den êrsten vîol schouwen). dieselbe feier beschreibt H. Sachs IV. 3, 49 ff.; um die erste sommerblume wird getanzt und gesungen. ›den ersten bluomen vlehten‹ MS. 1, 41b [Fußnote].
Daß man auch den ersten maikäfer feierlich einholte wurde s. 577 dargethan, und noch heute wurzelt unverwüstlich unter den knaben die lust auf diese käfer jagd zu machen und mit ihnen zu spielen.
Ebenso wird die erste schwalbe, der erste storch als frühlingsbote (άγγελος έαρος) begrüßt und empfangen. der schwalbe rückkehr feierten schon Griechen und Römer. Athenaeus 8, 15 p. 360 theilt χελιδόνισμα mit [Fußnote], das auf Rhodos die kinder absangen, eine schwalbe herumtragend und eßwaren sammelnd. Noch heute lebt der gebrauch in Griechenland. am ersten merz lauft die jugend zusammen, durchzieht alle straßen und singt ein liebliches frühlingslied: die sänger tragen eine aus holz geschnitzte schwalbe, die auf einem cylinder stehend dabei umgedreht wird [Fußnote]. ›hirundine prima‹ sagt Horat. epist. I. 7, 13. Daß man auch bei uns schon im mittelalter auf die erste schwalbe achtete, lehrt die abergläubische gewohnheit (abergl. G und no. 217) bei ihrer erblickung kohlen aus der erde zu graben. das schwedische landvolk bewillkommt sie mit dreimaligem jubelruf [Fußnote]. Beide schwalbe und storch gelten für heilige, unverletzliche thiere. Wer den Griechen die einkehr des storchs zuerst ansagte empfieng botenlohn. Noch im vorigen jahrhundert waren die thürmer mancher städte Deutschlands angewiesen, den nahenden frühlingsherold anzublasen, wofür ihnen ein ehrentrunk aus dem rathskeller verabreicht wurde [Fußnote]. Ein epigramm von Joach. Olearius beginnt:
ver laetum rediit, rediitque ciconia grata,
aspera dum pulso frigore cessat hiems [Fußnote].
auch der kukuk kann als ansager des frühlings betrachtet werden (s. 563), wie ihn das altengl. lied auffordert: sumer in icumen in, lhude sing cucu! vgl. Hones daybook 1, 739 [Fußnote].
Diese sommerverkündigung durch gesänge der jugend findet noch jetzt oder fand wenigstens in den letzten jahrhunderten in deutschen und slavischen ländern fast allgemein statt und deutet auf uralten grund. was die minnesinger noch in zierlichen wendungen von dem alten stuhl und einzug, der straße, güte und ehre des königlichen oder göttlichen Sommers ahnen lassen, das wird in den haftenden sitten des volks, die auf die hauptsache gehn, roh und naiv vervollständigt und erläutert. die gebräuche und lieder sind manigfalt [Fußnote]. Oft wird bloß ein kranz, eine puppe, ein thier im korb herumgetragen und von haus zu haus die gabe eingefordert [Fußnote]. Hier tragen kinder einen hahn, dort eine krähe oder einen fuchs umher [Fußnote], wie man in Polen zur zeit der colęda d. h. neujahrs einen ausgestopften wolf geschenke sammelnd umträgt (Linde s. v. kolęda). das sind keine wanderthiere, und ich lasse unentschieden, mit welchem fug sie die schwalbe oder den storch vertreten, oder ob sie überhaupt etwas anders bedeuten sollen. des angehenden sommers ist nur in einigen worten und wendungen des lieds oder gar nicht gedacht.
Oft aber bildet die einsamlung der gaben nur den schluß einer vorausgehenden sinnvolleren handlung, woran auch jünglinge und jungfrauen theil nehmen. Ein vermumter Sommer und Winter, jener in epheu oder singrün, dieser in stroh oder moos gekleidet, treten auf und kämpfen solange mit einander, bis der Sommer siegt. dann wird dem zu boden geworfnen Winter seine hülle abgerissen, zerstreut, und ein sommerlicher kranz oder zweig umhergetragen. Hier ist also wieder die uralte idee eines kriegs oder streits zwischen beiden jahrsgewalten, aus dem der Sommer siegreich hervorgeht, in dem der Winter unterliegt: das volk gibt gleichsam den zuschauenden chorus ab und bricht in den preis des überwinders aus.
Die eben geschilderte sitte lebt hauptsächlich in gegenden des mittleren Rheins, jenseits in der Pfalz, diesseits zwischen Neckar und Main, im Odenwald. Aus den gesungenen liedern theile ich bloß die beziehungsvollen stellen mit:
trarira, der Sommer der ist da;
wir wollen hinaus in garten
und wollen des Sommers warten.
wir wollen hinter die hecken
und wollen den Sommer wecken.
der Winter hats verloren,
der Winter liegt gefangen,
und wer nicht dazu kommt
den schlagen wir mit stangen.
anderwärts:
jajaja, der Sommertag [Fußnote] ist da,
er kratzt dem Winter die augen aus
und jagt die bauern zur stube hinaus.
oder:
stab aus! dem Winter gehn die augen aus [Fußnote],
veilchen, rosenblumen,
holen wir den Sommer,
schicken den Winter übern Rhein,
bringt uns guten kühlen wein.
auch:
violen und die blumen
bringen uns den Sommer,
der Sommer ist so keck
und wirft den Winter in den dreck.
oder:
stab aus, stab aus,
blas dem Winter die augen aus!
Solche gesänge sind sicher durch lange jahrhunderte gegangen; was ich vorhin aus unsern dichtern des 13 jh. angeführt habe, setzt sie ihrem wesentlichen inhalt nach voraus. alles ist ganz heidnisch gedacht und gefaßt: der herbeigeholte, aus seinem schlaf geweckte, tapfere Sommer, der überwundne, in den koth niedergeworfne, in bande gelegte, mit stäben geschlagne, geblendete, ausgetriebne Winter sind halbgötter oder riesen des alterthums. Der veilchen wird erwähnt in deutlichem bezug auf den empfang des Sommers. An einigen orten ziehen die kinder mit weißen, geschälten stäben, hölzernen gabeln und degen aus, entweder in der absicht dem Sommer zu helfen und mit auf den feind loszuschlagen, oder es können auch die stabträger des Winters gefolge oder ingesinde darstellen sollen, weil nach altem gebrauch besiegte und gefangne mit weißen stäben entlassen werden (RA. 134). Einer aus dem haufen der knaben, ein erwachsner an ihrer spitze in stroh gehüllt stellt den Winter, ein andrer mit epheu verziert den Sommer vor. erst kämpfen beide mit ihren holzstangen, bald werden sie handgemein und ringen so lange bis der Winter niederliegt und ihm das strohkleid abgezogen wird. unter dem kampf singen die übrigen:
stab aus, stab aus,
stecht dem Winter die augen aus!
das ist völlig das rauba birahanen, hrusti giwinnan, caesos spoliare armis der heldenzeit; das grausame augausstechen tritt noch tiefer in das alterthum zurück [Fußnote]. das wecken des Sommers ist wie das wecken der Sælde.
Nach beendigtem kampf, wenn der Winter in der flucht ist, wird an einigen orten gesungen:
so treiben wir den Winter aus
durch unsre stadt zum thor hinaus,
hin und wieder die ganze handlung zusammengedrängt in das geschrei:
Sommer rein, Winter naus!
Jemehr man sich über den Odenwald zurück dem innern Franken, dem Spessart und der Rhön nähert, pflegen schon jene worte zu lauten:
stab aus, stab aus,
stecht dem Tod die augen aus!
und so heißt es:
wir haben den Tod hinausgetrieben,
den lieben Sommer bringen wir wieder,
den Sommer und den Meien
mit blümlein mancherleien.
Der Tod tritt an die stelle des Winters; man kann sagen, weil im winter die natur schlummert und ausgestorben scheint; vielleicht hat aber auch frühe schon ein heidnischer name des Winters der christlichen vorstellung von dem Tod weichen müssen.
In tief fränkischen liedern, z. b. dem Nürnberger, wird nun aber des Sommers gar geschwiegen und der gedanke des ausgetriebnen Todes desto stärker hervorgehoben [Fußnote]. landmädchen von sieben bis achtzehn jahren in ihrem größten putz durchziehen dort die straßen der ganzen stadt und vorstadt; auf oder unter dem linken arm tragen sie einen kleinen ofnen sarg, aus welchem ein leichentuch herabhängt, unter dem tuch liegt eine puppe. ärmere kinder tragen nichts als eine offene schachtel, worin ein grüner buchenzweig liegt mit in die höhe gerichtetem stiel, woran ein apfel statt des kopfs steckt. ihr eintöniges lied beginnt.
heut ist mitfasten,
wir tragen den Tod ins wasser, wol ist das.
unter anderm:
wir tragen den Tod ins wasser,
tragen ihn nein und wieder raus [Fußnote],
tragen ihn vor des biedermanns haus.
wollt ihr uns kein schmalz nicht geben,
lassen wir euch den Tod nicht sehen.
der Tod der hat ein panser an.
Ähnliche gebräuche und lieder herschten im übrigen Franken, in Thüringen, Meißen, Vogtland, Schlesien und Lausitz. der eingang des lieds wechselt:
nun treiben wir den Tod aus [Fußnote],
den alten weibern in das haus!
oder:
hinters alte hirtenhaus [Fußnote].
hernach:
hätten wir den Tod nicht ausgetrieben
wär er das jahr noch inne geblieben [Fußnote].
Gewöhnlich wurde eine puppe, ein ströhernes oder hölzernes bild herumgetragen, ins wasser, in einen tümpfel geworfen oder verbrannt; war die figur weiblich, so trug sie ein knabe, war sie männlich, trug sie ein mädchen. Man stritt darum, wo sie gemacht und gebunden werden sollte, aus welchem haus sie hervorgebracht wurde, in dem starb das jahr über niemand. Die den Tod weggeworfen hatten, liefen schnell davon, aus furcht, daß er sich wieder aufraffe, und hinter ihnen her komme; begegnete den heimkehrenden vieh, so schlugen sie es mit stäben, im glauben, daß es dadurch fruchtbar werde. In Schlesien wurde häufig ein bloßer tannenbaum mit strohketten, gleichsam gefesselt, umhergeschleppt. Hin und wieder trug ein starker mann, mitten unter kindern, einen maienbaum [Fußnote]. In der Altmark haben die Wendendörfer bei Salzwedel, zumal Seeben (wo auch noch jenes Hennil galt, s. 625) folgenden brauch bewahrt: knechte und mägde binden auf pfingsten von tannenzweigen, stroh und heu eine große puppe, der sie so viel als möglich menschliche gestalt geben. reich mit feldblumen bekränzt wird die puppe aufrecht sitzend auf der bunten kuh (wovon nachher) befestigt und ihr zuletzt eine aus ellernholz geschnitzte pfeife in den mund gesteckt. so führt man sie ins dorf, wo alle häuser ein und ausgang sperren und jeder die kuh aus seinem hof wegjagt, solange bis die puppe herabfällt oder in stücke geht [Fußnote].
Aus der Schweiz theilt uns Tobler 425. 426 ein volksspiel in reimen mit, die schwäbische herkunft verrathen, und ein kampflied zwischen Sommer und Winter enthalten. den Sommer stellt ein mann im bloßen hemd dar, in der einen hand einen mit bändern und früchten geschmückten baum, in der andern einen vielfach gespaltnen knüttel haltend. der Winter trägt warme kleider und einen gleichen knüttel, beide schlagen einander auf die schultern, daß es laut patscht, jeder rühmt sich und schilt den andern. zuletzt weicht der Winter und erkennt sich für besiegt. solches wettstreits gedenkt auch Schm. 3, 248 aus Baiern: der Winter ist in pelz gehüllt, der Sommer führt einen grünen zweig in der hand und der streit endet damit, daß der Sommer den Winter zur thür hinaus wirft. In Östreich finde ich den gebrauch nicht erwähnt, doch scheint er in Steier und dem angrenzenden kärntnischen gebirg bekannt: die bursche theilen sich in zwei haufen, einer trägt winterkleider und schneeballen, der andere grüne sommerhüte, gabeln und sensen. nachdem sie sich vor den häusern eine weile gestritten haben, singen sie zuletzt vereint den preis des siegenden sommers [Fußnote]. es geschieht im merz oder auf Mariä lichtmesse [Fußnote]
winder ist nidervalt.
winder du bist swer sam ein blî,
sumer du kanst den winder stillen.
im nl. streitlied zwischen Sommer und Winter (hor. belg. 6, 125–146) erscheint Venus und versöhnt sie als brüder. merkwürdig aber wird im schluss behauptet, der winter habe müssen erschlagen werden. das drückt den ausgang des älteren liedes aus. andere volksthümliche sommerlieder theilt Firmenich 2, 15. 34 mit. über den sommergewinn in Eisenach s. Wolfs zeitschr. f. myth. 3, 157 und Hones daybook 1, 339. vgl. den mai, den maijungen holen bei Lyncker s. 35. 36. den strohernen winter nagelt man auf ein rad, zündet es an und läßt es bergab laufen. ebenda 1, 340. die in Franken den tod austragenden mädchen heißen todtenmägdlein. Schm. 1, 464. in Jever kennt man das: meiboem setten. Strackerjan s. 75 [Fußnote].
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Einige der angegebnen landschaften haben im letzten jahrhundert das alte fest dieser sommerverkündigung durch besiegung Winters untergehen lassen, einige noch gegenwärtig erhalten. Frühere jahrhunderte mögen es in andern deutschen strichen gesehn haben, in welchen es selbst nicht historisch nachzuweisen ist, wahrscheinlich entgehn mir auch einzelne nachrichten. In Süddeutschland, Schwaben, Schweiz, Baiern, Östreich, Steier sind die gesänge noch länger und förmlicher, doch die sitte selbst weniger naiv und lebendig. in Niederhessen, Niedersachsen, Westfalen, Niederland, Friesland, also da, wo die osterfeuer im schwang blieben, habe ich die sommerankündigung fast gar nicht ermitteln können; dafür werden wir in Norddeutschland den mairitt und das maigrafenfest viel feierlicher entfaltet finden. ob die sommerankündigung sich über die Pfalz hinaus in das Triersche, Lothringische, nach Frankreich erstreckte, weiß ich nicht sicher [Fußnote]. Klar ist, daß weder die protestantische noch die catholische ansicht auf die längere fortdauer oder das frühere erlöschen der sitte einfloß. Allerdings fällt auf, daß sie sich am regsten gerade durch die mitte Deutschlands zieht und hinten an slavische länder lehnt, die ihr gleichfalls huldigen; daraus darf aber nicht gefolgert werden, daß sie slavischen ursprungs war und von Slaven bis über den Rhein hin eingeführt wurde. Wir müssen erst diese slavischen gebräuche näher betrachten.
In Böhmen ziehen die kinder mit einem strohmann, der den Tod vorstellen soll, ans ende des dorfs, und vorbrennen ihn, dazu singen sie:
giz nesem Smrt ze wsy,
nowe Leto do wsy;
witey Leto libezue,
obiljéko zelene!
d. h. schon tragen wir den Tod aus dem dorf, den neuen Sommer in das dorf; willkommen lieblicher Sommer, grünes getraidelein! Anderwärts singt man:
Smrt plyne po wodě,
nowe Leto k nám gede,
der Tod schwimmt auf dem wasser, der neue Sommer fährt zu uns [Fußnote]. oder:
Smrt gsme wám zanesly,
nowe Leto přinesly,
den Tod haben wir euch fortgetragen, den neuen Sommer gebracht; in Mähren aber:
nesem, nesem Mařenu,
wir tragen, tragen Marena. Andere Slaven singen:
wyneseme, wyneseme Mamuriendu;
wyniesli sme Murienu se wsi,
přineslisme Mag nowy do wsi,
wir wollen Mamurienda austragen; wir haben Muriena aus dem dorf und den jungen Mai ins dorf getragen [Fußnote].
Zu Bielsk in Podlachien ersäufen sie auf todtensonntag einen aus hanf oder halm geflochtnen götzen, nachdem er durch die stadt getragen ist, in einem nahen sumpf oder weiher und singen dazu mit klagender stimme:
Smierć wieie się po plotu,
szukaiąc klopotu,
der Tod weht am zaun, den strudel suchend. dann laufen sie eilends heim, und wer dabei fällt, muß das jahr über sterben [Fußnote]. Die Sorben in der Oberlausitz fertigen das bild aus stroh und hadern; die die letzte leiche gehabt, muß das hemde, die letzte braut aber den schleier und die übrigen lumpen dazu hergeben [Fußnote]; das scheusal wird auf eine hohe stange gesteckt und von der größten, stärksten dirne, in vollem lauf, fortgetragen. dabei singen alle:
lecz hore, lecz hore!
jatabate woko
pan dele, pan dele!
d. i. flieg hoch, flieg hoch, drehe dich um, fall nieder, fall nieder! Alle werfen mit steinen und stecken nach ihm, wer den Tod trift, stirbt das jahr über nicht. so wird das bild zum dorfe hinaus an ein wasser getragen und darin ersäuft. oft bringen sie auch den Tod bis zur grenze des nächsten dorfs und werfen ihn hinüber, jeder bricht sich ein grünes zweiglein, daß er auf dem heimweg fröhliches mutes trägt, bei erreichung des dorfs aber wieder von sich wirft. zuweilen lauft ihnen die jugend des benachbarten dorfs, über dessen grenze sie den Tod gebracht hatten, nach, und wirft ihn zurück, weil ihn niemand dulden will; hierum gerathen sie leicht in wortwechsel und schläge [Fußnote]. An andern lausitzischen orten sind bloß frauen mit dieser todaustreibung beschäftigt, und leiden dabei keine männer. alle gehn des tags in trauerschleiern und binden eine puppe aus stroh, der sie ein weißes hemd überziehen, in die eine hand einen besen, in die andere eine sense geben. diese puppe tragen sie singend und von steinwerfenden buben verfolgt, zur grenze des nächsten orts, wo sie sie zerreißen. darauf hauen sie im wald einen schönen baum, hängen das hemd daran, und tragen ihn heim unter gesängen [Fußnote]. Dieser baum ist ohne zweifel sinnbild des eingeführten Sommers statt des ausgetragnen Todes. Solch ein geschmückter baum wird auch sonst von knaben, nachdem sie den Tod fortgeschafft haben, im dorf herumgetragen und dabei sammeln sie gaben ein. Anderwärts tragen sie die puppe herum, geschenke fordernd. Hin und wieder lassen sie den strohmann den leuten in die fenster gucken (wie Berhta ins fenster schaut, s. 227): in einem solchen haus wird der Tod das jahr über jemand abholen, doch kann man sich mit geld lösen, und die vorbedeutung zeitig abwenden. In Königshain bei Görlitz zog das ganze dorf, jung und alt, mit strohfackeln auf einen nahen berg, der todtenstein genannt, wo sonst ein götzenbild gestanden haben soll, zündeten oben die fackeln an und kehrten singend heim, unter beständiger wiederholung der worte: den Tod haben wir ausgetrieben, den Sommer bringen wir wieder [Fußnote].
Also nicht überall stellte man sich unter diesem ausgetriebnen götzenbild den abstracten Winter oder Tod vor; zuweilen ist es noch die heidnische, dem christenthum weichende gottheit, welche das volk, in halber trauer, unter angestimmten klageliedern, von sich ausstößt. Dlugosz [Fußnote] und nach ihm andere berichten, auf könig Miecislaus geheiß seien alle götzen im land zerbrochen und verbrannt worden, zur erinnerung daran pflege man in mehrern polnischen örtern jährlich einmal bilder der Marzana und Ziewonia an stangen befestigt oder auf schleifen, traurige lieder singend, feierlich zum sumpf oder fluß zu führen und zu ersäufen [Fußnote]; gleichsam die letzte ihnen erwiesne huldigung. Dlugosz erklärung der Marzana durch erntegöttin scheint falsch, annehmlicher Frencels und Schaffariks todesgöttin; ich leite den namen vom poln. marznać, böhm. mrznauti, russ. merznut' frieren ab, und stelle ihr als wintergöttin die sommergöttin Wiosna, böhm. Wesna gegenüber. merkwürdig heißt es in der Königinhofer hs. s. 72: ›i iedinu družu nám imiét' po puti z Wesny po Moranu‹, eine gattin sollen wir haben auf der fahrt von der Wesna bis zur Morana, von sommer bis zu winter = jederzeit. Das werfen oder tauchen des götterbilds in die flut braucht aber nicht gerade aus verachtung von den Christen geschehen, sondern kann schon im heidnischen cultus selbst begründet gewesen sein, da der gegensatz zwischen winter und sommer und die erhebung dieses das sinken jenes zur folge haben muste [Fußnote]
tum quoque priscorum virgo simulacra virorum
mittere roboreo scirpea ponte solet.
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Tag des Todaustragens war die quarta dominica quadragesimae, d. h. der sonntag laetare, oder mittfasten, halbfasten, auf welchen es gerade auch in Polen (w nieziele środopostna), Böhmen, Schlesien und der Lausitz fällt. die Böhmen nennen den tag smrtedlna, samrtná neděle, die Sorben ßmerdniza, todtensonntag, er geht ostern drei wochen voraus, wird also fast immer im merz eintreten. einige verlegen ihn eine woche früher, auf oculi, andere (zumal in Böhmen) eine woche später auf judica, ja ein böhm. lied spricht von mag nowy (neuem mai). auch in der Rhein und Maingegend ist aber laetare tag der feier und heißt dort. sommertag.
Diese übereinkunft in der zeit des festes ist unabweisbar. den alten Slaven, welche ihr neues jahr im merz begannen, bezeichnete sie den anfang des jahrs, zugleich des sommerhalbjahrs, folglich ihres leto. den Deutschen die ankunft des sommers oder frühjahrs, im merz kehrt ihnen storch und schwalbe heim, blüht das erste veilchen. Allein die Slaven kennen keinen kampf ihres unpersönlichen leto mit dem Smrt, sondern dieser abgehende, ausgetriebene gott hat dabei die hauptrolle. unsern ahnen war eben der beiden riesen streit das wesentliche des festes, und nur der verlierende Winter gleicht jenem Smrt, der siegreiche Sommer steht ungleich lebendiger da. Außer dieser bedeutenden ungleichheit der slavischen feier mit der deutschen, wie sie am Rhein und Neckar statt hat, wäre auch schwer zu begreifen, wie sich eine slavische volkssitte bis in den Odenwald und in die überrheinische Pfalz hätte verbreiten sollen, so erklärlich sie an dem oberen Main, im Fuldischen, in Thüringen und Meißen sein würde. Noch entscheidender ist jedoch die wahrnehmung, daß sie auch nicht allen Slaven, sondern eben nur den Schlesiern, Lausitzern und Böhmen, mit bedeutender abweichung der Polen, hingegen gar nicht den Südslaven bekannt war, wahrscheinlich auch nicht den in Pommern, Meklenburg und Lüneburg ansäßigen. Wie den Baiern, Tirolern geht sie den Krainern, Steiermärkern, Slovaken ab; ebenso den Pommern und Niedersachsen [Fußnote]. Unter Slaven und Deutschen hat sie nur ein mittler strich des landes, ohne zweifel aus gleicher ursache, bewahrt. Ich leugne nicht, daß sie im höheren alterthum allen slavischen stämmen, wie allen deutschen gemein gewesen sein könne, ja für Deutschland ist es mir beinahe unzweifelhaft, einmal weil Nitharts und anderer ältere lieder schon für Östreich zeugen, dann aber, weil in Scandinavien, England und stellenweise in Norddeutschland die sitte des Mairitts erscheint, die sich vollkommen dem rheinischen sommertag im merz identificiert.
Olaus Magnus 15, 4 meldet: die Schweden und Gothen haben einen brauch, daß in den stätten die obrigkeit den ersten tag meiens zwei geschwader reuter von starken jungen gesellen und männern versammeln läßt, nicht anders als wolt man zu einer gewaltigen schlacht ziehen. das ein geschwader hat einen rittmeister, welcher unter dem namen des Winters mit vil pelzen und gefütterten kleidern angethan und mit einem winterspieß bewapnet ist: der reitet hoffertiglich hin und wieder, wirft schneeballen und eisschemel von sich, als wollte er die kelte erlängern, macht sich ganz unnütz. hergegen hat das ander geschwader auch einen rittmeister, den heißt man den Blumengraven, der ist von grünem gezweig, laub und blumen, bekleidet, auch mit andern sommerkleidern angethan und nicht fast werhaft, reitet mitsampt dem winterhauptmann in die stadt ein, doch ein jeder an seinem besondern ort und ordnung, halten alsdann ein offentlich stechen und turnier, in dem der Sommer den Winter überwindt und zuboden rennet. Der Winter und sein gefolge werfen um sich mit asche und funken, das sommerliche gesinde wehrt sich mit birkenmaien und ausgeschlagnen lindenruten; endlich wird dem Sommer von dem umstehenden volk der sieg zugesprochen.
Hier ist gar keine anspielung auf den Tod, alles wird nach deutscher weise bloß zwischen Sommer und Winter abgethan, nur hat sich der einfache aufzug unserer landleute mehr in ein turnierartiges gepränge des reicheren stadtlebens verwandelt; dafür nimmt sich dieses führen des Mais in die stadt (›hisset kommer Sivard Snarensvend [s. 308], han förer os sommer‹ oder ›och bär oss sommer i by‹. DV. 1, 14. Sv. forns. 1,44 ›bära maj i by‹ Dybeck runa 2, 67 und schonisch ›före somma i by‹) reinlicher, stattlicher aus, als der ärmliche aufzug bettelnder kinder, und ist in der that eine höchst poetische, das gemüt ergreifende vorstellung. Solcher maispiele gedenken altschwedische und dänische chroniken, stadtordnungen und urkunden öfter als einmal. Adel und könig nahmen nicht selten theil daran, es war eine große allgemeine volkslustbarkeit. der majgrefve (maigraf) zog blumenbekränzt unter mächtigem geleit durch straßen und dörfer, gastmale und reihentanz folgten. In Dänemark begann der zug auf Walburgistag, man nannte es: den Sommer in das land reiten, at ride Sommer i bye, die jungen männer ritten voran, dann der maigraf (floriger), mit zwei kränzen, über jede schulter, das übrige gefolge nur mit einem kranz; in dem ort wurden lieder gesungen, alle jungfrauen bilden einen kreis um den maigrafen und er wählt sich eine darunter zur majînde, indem er den kranz auf sie wirft. des Winters und seines streits mit dem Mai gedenken die schonischen und dänischen feste nicht mehr. in manchen städten hatten sich förmliche majgrevegilde gebildet [Fußnote]. Wie aber das maifeuer in Dänemark gadeild (gassenfeuer), so hieß auch der anführer des Maifestes gadebasse (gassenbär) und das ihm zugesellte mädchen gadelam (gassenlamm) oder gadinde; gadebasse und gadinde sind also gleichviel mit maigreve und maigrevinde [Fußnote]. merkwürdig ist die schilderung in Mundelstrups spec. gentilismi etiamnum superstitis, Hafn. 1684: qui ex junioribus rusticis contum stipulis accensis flammatum efficacius versus sidera tollere potuerit, praeses (gadebasse) incondito omnium clamore declaratur, nec non eodem tempore sua cuique ex rusticis puellis, quae tunc temporis vernacula appellantur gadelam, distribuitur, et quae praesidi adjicitur titulum hunc gadinde merebitur. hinc excipiunt convivia per universum illud tempus, quod inter arationem et foenisecium intercedit, quavis die dominica celebrari sueta, gadelamsgilder dicta, in quibus proceriorem circum arborem in antecessum humo immissam variisque corollis ac signis ornatam, corybantum more ad tympanorum stridentes sonitus bene poti saliunt.
Dieses maireiten, diese maigrafen waren nun auch in Niederdeutschland althergebracht; das scheint eben die ursache, warum dort jenes mitteldeutsche sommerankündigen auf laetare nicht im schwang gieng. in nördlichen gegenden konnte das erst mit anfang mais einkehrende frühjahr nicht schon im merz gefeiert werden. Vielleicht war auch die maifeier in älterer zeit allgemeiner in Deutschland, oder greift die unterscheidung bereits in den wechsel der merz und maiversamlungen des volks [Fußnote]? Des maigreven zu Greifswalde im j. 1528, auf ersten mai, erwähnt Sastrow in seiner lebensbeschreibung 1, 65. 66 beiläufig, einer den schülern zu Pasewalk gestatteten maigräfenfahrt ein kirchenvisitationsrecess von 1563 [Fußnote]; genauere nachrichten über die fortdauer des mairitts zu Hildesheim, wo der schöne brauch erst im 18 jh. erlosch, sind neulich gesammelt worden [Fußnote]. Sobald der maigreve, gegen pfingsten, erwählt war, hatten die holzerben in der Ilse aus sieben dörfern den maiwagen zu hauen: alles gehauene buschwerk muß aufgeladen, im walde dürfen nicht mehr als vier pferde vorgespannt werden. ein feierlicher zug aus der stadt holt den wagen ab, burgermeister und rath empfängt von den holzerben den maikranz und übergibt ihn dem maigreven. der wagen enthält 60–70 bunde mai, welche dem maigreven zukommen und dann weiter ausgetheilt werden. klöster und kirchen empfangen große bunde, auf alle thürme wird davon gesteckt, der boden der kirche ist mit geschornem buchsbaum und feldblumen bestreut. der maigreve bewirthet alle holzerben, muß ihnen aber nothwendig krebse vorsetzen. Überall ist hier nur von dem einholen des maiwagens aus dem wald in die stadt unter feierlichem geleite des maigrafen, nicht mehr die rede von dem kampf, den er gegen den winter zu bestehn hat. Wie sollte dieser kampf in älterer zeit gemangelt haben? gewis war er da, und erst allmälich ließ ihn die sitte weg. ja sie wurde noch genügsamer: in holsteinischen kirchspielen begeht man den anfang des mais so, daß man einen bursch und ein mädchen mit laub und blumen bekränzt und unter musik in ein wirtshaus geleitet, wo gezecht und getanzt wird: sie heißen maigrev und maigrön d. i. maigräfin (Schütze 3, 72). Das schleswigsche maygravenfest (festum frondicomans) beschreibt die schon s. 577 angezogne abhandlung Ulr. Petersens [Fußnote]. In Schwaben gehen die kinder mit sonnenaufgang in den wald, knaben seidne tücher an stäben, mädchen bänder an zweigen tragend; ihr führer ist maikönig, der sich eine königin wählen darf. in Gelderland pflanzte man maiabends bäume auf, die geschmückt und gleich weihnachtsbäumen mit kerzen behangen werden. dann folgte gesang und reihentanz [Fußnote]. Noch jetzt läßt man sich im übrigen Deutschland zu pfingsten maibüsche in die häuser tragen: man holt sie nicht selbst, noch geht man ihnen entgegen [Fußnote].
Auch England hatte bis in das 16. 17 jh. ähnliche maygames oder mayings. am ersten maitag zogen kurz nach mitternacht knaben und mädchen, jünglinge und jungfrauen, mit musik und hornbläsern, in einen nahen wald, wo sie äste von den bäumen brachen und sie mit sträußen und blumenkränzen schmückten. dann kehrten sie heim und pflanzten bei sonnenaufgang diese maibüsche in thüren und fenster der häuser. Vor allem aber brachten sie aus dem wald einen großen gehauenen maibaum, maiepole oder maipoll genannt, mit nach haus: zwanzig oder vierzig joche ochsen, jeder ochs mit einem blumenstrauß zwischen den hörnern, zogen ihn; dieser baum wurde im dorf aufgerichtet und um ihn herum getanzt. den vorsitz über das ganze fest führte ein eigens erwählter lord of the may, dem dann noch eine lady of the may beigegeben wurde [Fußnote]. Auch in England ward ein kampf zwischen sommer und winter aufgeführt. Hones daybook 1, 359 und der maipole ist ganz der niedersächsische maiwagen, der lord of the may der maigraf [Fußnote]. Ohne zweifel kennen auch einzelne gegenden Frankreichs ähnliche maifeste. Champollion (rech. sur les patois p. 183) führt aus dem Isèredepartement an: ›maïe, fête que les enfans célèbrent aux premiers jours du mois de mai, en parant un d'entre eux et lui donnant le titre de roi‹. einen rechtsstreit über das jus eundi prima die mensis maji ad majum colligendum in nemora bewahrt eine urk. von 1762. Guérard cart. de N. D. 2, 117 [Fußnote]
étrennez notre épousée!
voici le mois,
le joli mois de mai,
étrennez notre épousée
en bonne étrenne!
voici le mois,
le joli mois de mai,
qu'on vous amène.
in Bresse geht die mit bändern und blumen geschmückte maikönigin oder maibraut von einem jüngling geleitet voran, ein blühender maibaum wird vorausgetragen. das lied lautet:
voici venir le joli mois,
l'alouette plante le Mai,
voici venir le joli mois,
I'alouette l'a planté.
le coq prend sa volée
et la volaille chante.
s. Monnier culte des esprits dans la Sequanie. auch in Lothringen heißt er joli mâ.
In Italien wurden tänze zur frühlingsfeier aufgeführt. Dönniges Heinr. VII. 191. vgl. die schilderung des maifestes in Machiavelli st. fior. 1, 109. 149. in kriegsläuften oder sterbzeiten gelobten altitalische stämme ein ver sacrum d. h. alles im frühjahr geborne und erzeugte. Niebuhr 1, 102. die serbische pfingstkönigin heißt kralitza. Vuk s. v. kralitze.
. In den franz. und deutschen erzählenden gedichten des mittelalters werden die großen hofhaltungen der könige auf pfingsten und in die blühende maizeit gelegt, Rein. 41 ff. Iw. 33 ff. und Artus heißt bei Wolfram ›der meienbære man‹, Parz. 281, 16. vgl. pfingestlîcher küniges name Ms. 2, 128a.
Es sind also überhaupt vier verschiedene weisen des sommerempfangs, die wir können gelernt haben. in Schweden und Gothland kampf des Winters und Sommers, feierlicher einzug des letztern. in Schonen, Dänmark, Niedersachsen und England bloßer mairitt oder einholung des maiwagens. am Rhein bloßer kampf zwischen Winter und Sommer, ohne wassertauche [Fußnote], ohne den pomp des einreitens. bei Franken, Thüringern, Meißnern, Schlesiern, Böhmen bloßes austragen des winterlichen Tods, ohne kampf und feierliche einführung des Sommers [Fußnote]. Die erste und zweite feier fällt in den mai, die dritte und vierte in den merz. an beiden ersten nimmt das ganze volk theil, in ungeschwächter freude; an beiden letzten nur der geringe, arme stand. Die erste und dritte weise halten aber noch die volle idee des aufzugs, den wettstreit der jahrsgewalten fest, Während die zweite und vierte des gegensatzes entbehren. dem mairitt geht der Winter, dem todaustragen der Sommer ab, dort ist die feier zu fröhlich, hier zu traurig geworden. In allen drei ersten weisen wird aber das gefeierte höhere wesen durch lebendige personen, in der vierten durch eine puppe repräsentirt, doch gleich dieser sind jene fantastisch ausgeputzt.
Nun kann sich ein blick noch nach andern seiten hin aufthun.
Des kampfs zwischen Vetr und Sumar geschweigen altn. überlieferungen [Fußnote], wie manches andern, das unter dem volk fortlebte. die älteste mir bekannte spur eines wettkampfes der jahrszeiten unter uns ist jener conflictus hiemis et veris, der sich um den kukuk dreht (s. 563). Die idee des einziehenden, heilbringenden, alles neubelebenden sommergottes ist ganz im geist unseres frühsten alterthums: ebenso zieht Nerthus in das land (s. 208), Freyr (s. 176), Isis (s. 214), Hulda (s. 222), Berhta (s. 226), Fricg (s. 252), und andere gottheiten mehr, deren wagen, deren schif das freudige volk jubelnd einholt, wie den wagen des Mai, welchem von alters her, über die bloße personificierung hinaus, êre und strâze (s. 634) beigelegt wurde: es muß im heidenthum ein wirklicher dienst für ihn bestanden haben. Alle diese götter und göttinnen erschienen zu bestimmten zeiten des jahrs, eigenthümliche gaben verleihend; der vergötterte Sommer oder Mai darf mit einer der höchsten gottheiten, von denen die gabe der fruchtbarkeit abhängt, völlig zusammenfallen, mit Frô, Wuotan, Nerthus. denkt man aber dabei an göttinnen, so muß außer Nerthus vorzüglich Ostara in betracht kommen. zu dem s. 211 von ihr gesagten kann ich jetzt noch einiges bedeutsame fügen. die heidnische osterfeier berührt sich vielfach mit dem maifest und frühlingsempfang, wie zumal die angezündeten freudenfeuer darthun. nun scheinen unterm volk lange zeiten hindurch sogenannte osterspiele gehaftet zu haben, die selbst die kirche dulden muste, ich meine besonders die sitte der ostereier und des ostermärchens, das die prediger von der kanzel, an christliche erinnerungen geknüpft, zu erzählen pflegten, das volk zu erheitern. ›mînes herzen ôsterspil‹ oder ›ôstertac‹ ist den mhd. dichtern schmeichelwort für die geliebte, um die höchste wonne und freude auszudrücken (Ms. 2, 52b 37b Iw. 8120. Frib. Trist. 804), Conr. Troj. 19802 läßt aus der schönen auge den ›ôsterlichen tac mit lebender wunne spiln‹. Noch später gab es dramatische vorstellungen, unter dem namen ôsterspil (Wackern. lb. 1014, 30). eine hauptstelle gewährt aber das sommer und tanzlied des hern Goeli Ms. 2, 57a (Haupts Neidh. XXV): zur zeit als auen und werder grünen, treten Fridebolt und seine gesellen mit langen schwertern auf und erbieten sich zum ôsterspil, das ein von zwölfen aufgeführter schwerttanz gewesen zu sein scheint, wobei ein tänzer vortreten und den Sommer vorstellen mochte, der den Winter aus dem land schlug:
Fridebolt setze ûf den huot
wolgefriunt, und gang ez vor,
bint daz ôstersahs zer linken sînet,
bis dur Künzen hôchgemuot,
leite uns vür daz Tinkûftor,
lâ den tanz al ûf den wasen rîten!
das anbinden des ôstersahs, des ostermessers, läßt auf beibehalten eines besondern, alterthümlich geformten schwertes schließen; wie die osterfladen, ôsterstuopha (RA. 298) und ostermane in mondform (brem. wb.) ein backwerk, von heidnischen aussehen, andeuten. Das schwert kann der Ostara, wie sonst der Fricka (s. 252) zu ehren geschwungen worden sein. doch ist nicht Ôstersahs wie Beiersahs zu fassen? s. Haupts Neidh. XXV. 17. anm.
Darf nun Ostara der slav. frühlingsgöttin Wesna, dem litth. wasara (aestas), lett. wassara und dem lat. ver, gr. έαρ, nach der s. 629 erörterten form an die seite gestellt werden? freilich mangelt eine gegenüberstehende, der Marzana entsprechende göttin. aber schon sehr frühe muß bei unsern vorfahren die auffassung des widerstreits durch zwei männliche wesen, durch die riesen Sommer und Winter überwogen haben.
Griechen und Römern war die sache auch nicht fremd; in einer äsopischen fabel (Cor. 422. Fur. 380) hadern χειμών und έαρ untereinander [Fußnote]. Das ver der Römer begann schon mit dem 7 febr., die erste schwalbe traf ihnen ein den 26 febr., während sie bei uns gegen ende merz, in Schweden anfangs mai ankommt [Fußnote]. die florealien wurden vom 28 apr. bis zum 1 mai begangen, es waren gesänge, tänze, spiele, man trug blumen und kränze auf dem haupt, ein gegensatz des Winters scheint aber nicht dabei vorgestellt worden zu sein. Ich bin nicht unterrichtet, welche frühlingsgebräuche bis auf heute sich in Italien erhalten haben. Polyd. Vergilius (aus Urbino in Umbrien) erzählt (de invent. rer. 5, 2): est consuetudinis, ut juventus promiscui sexus laetabunda cal. maji exeat in agros, et cantitans inde virides reportet arborum ramos, eosque ante domorum fores ponat, et denique unusquisque eo die aliquid viridis ramusculi vel herbae ferat, quod non fecisse poena est, praesertim apud Italos, ut madefiat. also auch wassertauche, ein solches maifest kann dort kein einholen des frühlings sein, der früher im merz erscheint.
Viel merkwürdiger ist der italienische und spanische gebrauch, zu mittfasten, auf jene dominica laetare eine puppe zu binden, welche das älteste weib im dorfe vorstellt, von dem volk, zumal den kindern hinausgeführt und mitten entzwei gesägt wird. das heißt segare la vecchia. In Barcelona laufen an diesem tag die knaben zu dreißig oder vierzig durch alle straßen, einige mit sägen, andere mit scheitern, andere mit tüchern in welche man ihnen geschenke legt. sie singen in einem liede, daß sie die allerälteste frau der stadt suchen, um sie, zu ehren der mittfasten durch den leib entzwei zu sägen; sie thun endlich, als hätten sie die alte gefunden, und beginnen etwas entzweizusägen und hernach zu verbrennen [Fußnote]. Die nemliche gewohnheit findet sich aber auch bei den Südslaven. In der fastenzeit erzählen die Croaten ihren kindern, um die mittagsstunde zersäge man außen vor den thoren ein altes weib [Fußnote]; und in Krain heißt es wiederum, zu mittfasten werde ein altes weib aus dem dorf geführt und mitten durchsägt [Fußnote]. Die Nordslaven nennen es bábu rezati, das altmütterchen sägen, d. h. mittfasten feiern (Jungm. 1, 56). Dies zersägen und verbrennen der alten frau (wie des teufels s. 504) scheint nun offenbar identisch mit dem austragen und ersäufen des Tods, und wenn unter ihm der Winter, ein riese verstanden wurde, könnten sich romanische und südslavische völker die hiems, die zima, als göttin oder altes weib (slav. baba) gedacht haben [Fußnote]? Dazu kommt, daß auch in meißnischen, schlesischen dörfern das ausgetragne strohbild zuweilen die gestalt einer alten frau hat (s. 640) und darunter jene Marzana (s. 644) gemeint sein könnte? Es sollte mich nicht wundern, wenn in bairischen, tirolischen, schweizerischen gegenden ein ähnliches durchsägen der alten frau [Fußnote] nachgewiesen würde. Die schottischen Hochländer pflegen auf weihnachten die alte frau ins feuer zu werfen [Fußnote].
Aber auch in Niederdeutschland zeigt sich noch eine andere, nicht weniger zu beachtende, annäherung. oben s. 158 ist der Hildesheimer gewohnheit meldung geschehn, auf sonnabend nach laetare den sieg des christenthums über die heidnischen götter durch ein niederwerfen hölzerner klötze darzustellen. Schon die einstimmende zeit dieser feierlichkeit muß darauf leiten sie jener altpolnischen, und dann auch dem todaustragen an die seite zu setzen; man braucht gar nicht einmal die verdrängung der alten götter mit der vertreibung des Winters in berührung zu bringen. In des Geo. Torquatus (ungedruckten) annal. magdeb. et halberst. part. 3. libr. 1 cap. 9 wird erzählt, daß man zu Halberstadt, wie dort zu Hildesheim, alljährlich auf dem markt einen klotz hingestellt und ihm den kopf abgeworfen habe. einen besondern namen, wie der Hildesheimer Jupiter, führt der klotz nicht; es ist nicht unwahrscheinlich, daß in der richtung dieser beiden städte auch noch an andern orten gleiche sitte herschte. Zu Halberstadt dauerte sie bis auf den markgrafen Johan Albrecht; die älteste nachricht davon gibt der sogenannte pirnische mönch Joh. Lindner (Tilianus, † um 1530) in seinem onomasticon: ›an die stet des abgotstempel, der czu Halberstadt czurüddet, wart auch in gots und sant Steffans ehr ein thumkirche erbawet, des czum gedechtnis sollen daselbst die tumherren jung und alt auf montag letare alle jar einen holzern kegel an stat des abgots aufseczen und darnach allesamb werfen; auch soll der tumprobest in offentlicher procession herlichen soleniteten einen barz (l. baren) bei im lassen furen, so nicht, wirt im sein gewonliche presenz czu reichen geweigirt; auch tragt im ein knabe nach in der procession unterm arme ein schwert in der scheiden.‹ Das umführen des bären und verabreichen eines bärenbrots ist ein im mittelalter verbreiteter gebrauch, der auch in Mainz (weisth. 1, 533) und Straßburg (Schilter gloss. 102) galt.
Diese niedersächsische abwerfung, jene polnische abdankung der alten götter hängt also nicht nothwendig mit dem einbringen des sommers zusammen, so passend es sein würde, das eingeführte christenthum dem milderwärmenden sommer zu vergleichen. ich finde in dem polnischen gebrauch wenigstens keinen solchen bezug ausgesprochen. Dagegen war den Polen die vorstellung des eingebrachten sommers sonst nicht unbekannt. Eine cracauische sage enthält, daß Lel und Polel, zwei göttliche wesen des heidenthums, sich auf dem felde umjagen, und den Sommer bringen; von ihnen komme der fliegende sommer her [Fußnote]. man müste die ganze überlieferung genauer kennen, um ihr die rechte stelle anzuweisen. Lel und Polel werden gewöhnlich mit Castor und Pollux verglichen (Linde I. 2, 1250b), denen sie wenigstens darin ähnlich sind, daß ihre namen, schon in alten volksliedern, eine bloße interjection abgeben [Fußnote], wie den Römern jene halbgötter eine betheuerung. Fliegenden sommer, flugsommer, sommerflug, graswebe nennen wir die weißen faden, womit im beginn des frühlings, zumal des herbstes die felder bedeckt sind; das frühlingsgewebe heißt auch mädchensommer, Mariengarn, Marienfaden (s. 390), das herbstgewebe nachsommer, herbstgarn, alteweibersommer, doch gewöhnlich werden beide arten ohne unterschied mit einem oder dem andern namen belegt. niederd. slammetje (brem. wb. 4, 799) das schleppmädchen?; engl. gossamer (gottes schlepp, schleifendes kleid), auch bloß samar, simar (schlepp). schwed. dvärgsnät (zwergnetz) vgl. s. 390.; böhm. wlácka (die egge, weil die faden den grund wie eine egge durchstreifen?); poln. lato swieto marćinskie, d. h. Mariensommer. der heiligen jungfrau name scheint auch hier zum ersatz oder zur verdrängung heidnischer begriffe gewählt, und man sieht ein, wie die Slaven das gespinst von einem ihrer götter über die erde gebreitet glauben konnten. Zugleich aber heißt das herbstliche poln. babie lato, alter weiber sommer, böhm. babské leto, oder bloß babj, wobei man sich wieder jenes gegensatzes des alten weibs zum sommer (s. 652) erinnere. im winter herscht die alte, im sommer der gott [Fußnote]
spinneweppe daz sumers zît
im gras ûf grüenen wisen lît. Albr. v. Halb. 124b.
ein ags. räthsel im cod. exon. 417. 418? auf drei Marien (vgl. anm. 1024) wird nach einem italienischen sprichwort das frühlingsgewebe zurückgeführt: ›ve' quant' hanno filato questa notte le tre Marie!‹ vgl. im indiculus 19: de petendo (? pendulo) quod boni vocant sanctae Mariae. Nemnich s. v. fila divae virginis. Mättchensommer soll Matthiassommer sein, weil er auf Matthiastag erscheint. doch heißt es: de metten hebbt spunnen. Müllenhoff s. 583. Metje aber ist Mathilde vgl. brem. wb. so kommt denn auch Gobelinus de Rodenberg dictus Mechtildesumer vor. Seibertz 2, 286 (a. 1338). aus Matthidia in des Clemens recogn. macht die Ksrchr. 1245 Mehthild. im ind. wird der fliegende sommer maruddhvaġa, Mâruts fahne genannt. Haupts zeitschr. 5, 490.
. sollten sich auf das in der luft fliegende gewebe vielleicht die worte des s. 643 angeführten wendischen gesangs deuten lassen?
Ich hoffe alter und bedeutsamkeit der vorstellungen von Sommer und Winter gewiesen zu haben, und möchte nur noch eins näher ausführen. Das einkleiden der beiden vorkämpfer in laub und blumen, in stroh und moos, ihre wahrscheinlich geführten wechselreden, der zuschauende begleitende chor zeigen uns die ersten rohen behelfe dramatischer kunst, und von solchen aufzügen müste die geschichte des deutschen schauspiels beginnen. die laubhülle vertritt den kleiderschmuck und die larven späterer zeit. schon oben s. 493. 494 beim feierlichen umgang nach dem regen sahen wir solches laubkleid. Die volkssitte bietet eine menge abänderungen dar, hier hat sie ein stück, dort ein anderes des älteren ganzen bewahrt. In der niederhessischen grafschaft Ziegenhain, bei Willingshausen, wird ein knabe über und über mit laub bedeckt, grüne zweige sind ihm an den leib gebunden: andere knaben haben ihn am seil und lassen ihn als bären tanzen, dafür wird eine gabe gereicht; die mädchen tragen einen bügel mit blumen und bändern ausgeziert. merkwürdig, daß auch bei jenem kegelabwerfen zu Halberstadt (s. 653) ein bär und knabe mit schwert (vgl. oben s. 252) in procession erschien, Vildifer, ein held in bärenhaut verkleidet, wird von einem spielmann herumgeführt und tanzt zur harfe [Fußnote]. sicher eine uralte dramatische vorstellung, die wir besser beurtheilen könnten, wäre das mnl. gedicht von bere Wislau [Fußnote] erhalten, der name Vildifer scheint sich auf ein alts. Wildefor zu gründen, das aus ahd. Wildpero durch misverstand entsprang (pero ursus mit pêr aper verwechselnd), da hier nur ein tanzender bär, kein eber gemeint sein kann. der bär aber stimmt deutlich mit dem gadebasse des dän. maifestes (s. 647). Schmid (schwäb. wb. 518b) gedenkt des Augsburger wasservogels: ein junge, von kopf bis auf die füße mit schilfrohr umflochten, wird zur pfingstzeit von zwei andern, die birkenzweige in händen halten, durch die stadt geführt. wieder eine feier im mai, nicht im merz. daß dieser wasservogel in den bach oder fluß getaucht werden soll, zeigt sein name; ob aber hier der Sommer statt des Winters stehe, ob der schilfknabe den winter, ein andrer laubknabe vielleicht den Sommer bedeute, oder der verkleidete regen erwirken solle? lasse ich unentschieden. Auch thüringische bräuche weisen auf die pfingstzeit: dort wählen sich die dörfer am dritten festtag den grünen mann oder lattichkönig; ein junger bauer wird in den wald geleitet, in grüne büsche und zweige gehüllt, auf ein pferd gesetzt und jubelnd zurückgeführt. im dorf steht die gemeinde versammelt: der schulze muß dreimal rathen, wer in der grünen hülle verborgen sei? fehlt er, so hat er sich mit bier zu lösen [Fußnote]. Anderwärts wird schon am ersten pfingsttage der knecht, der sein vieh am spätesten zur weide treibt, in tannen und birkenzweige gehüllt und unter lautem geschrei ›pfingstschläfer, pfingstschläfer!‹ durch das dorf gepeitscht. abends folgen bierzechen und tänze. Im Erzgebirge klatscht der am ersten pfingsttag zuerst austreibende hirte mit der peitsche, der zuletzt erscheinende wird verlacht und ›pfingstlümmel‹ gescholten: so auch in jedem haus, der zuletzt im bette angetroffene. Das verschlafen der hehren festlichen zeit (vgl. s. 490. 495) und die damit verbundne strafe, den butzen zu agieren, der ins wasser getaucht wird, scheint mir nur nebensache, welche man, nachdem die hauptfeier untergegangen war, zulängst aufrecht hielt [Fußnote].
Sorgfältige kunde von den märkischen pfingstbräuchen hat uns neulich Kuhn s. 314–29 verschaft. in der Mittelmark werden die häuser mit maien geschmückt, in der Altmark ziehen knechte, pferdehirten und ochsenjungen auf den höfen um und tragen den bauern maikronen aus blumen und birkenzweigen gefertigt zu, die man an den häusern aufhieng und bis zum folgenden jahr hängen ließ. am pfingstmorgen werden kühe und pferde zuerst auf die brachweide ausgetrieben und es gilt, der erste dort zu sein. dem thier, das zuerst auf der weide anlangt, wird ein maienbusch an den schwanz gebunden und dieser busch heißt dausleipe [Fußnote], wessen thier aber zuletzt eintrift, das wird mit tannenreis, allerlei grün und feldbumen ausgeputzt, und heißt die bunte kuh oder das bunte pferd, der dazu gehörige junge der pingstkääm oder pingstkäärel. In Havelberg wurde die erste kuh abends beim heimtreiben mit der blumenkrone geschmückt und die letzte bekam die thauschleife, jetzt geschieht nur dieses [Fußnote]. einige altmärkische dörfer nennen den jungen, dessen pferd zuerst auf die weide kommt, thauschlepper, und der sein pferd zuletzt austreibende wird zum bunten jungen gemacht, d. h. vom kopf bis zu den füßen mit feldblumen behangen, mittags führen sie dann den bunten jungen im dorfe von hof zu hof und der thauschlepper spricht die reime. Anderwärts wird eine mit blumen und bändern geschmückte stange, die bammel oder der pingskääm geheißen, umgetragen, doch gewöhnlich bezeichnet letzteres den mit auftretenden in laub und blumen gehüllten knaben. zuweilen führen ihn zwei andere, welche hundebrösel heißen. in einigen theilen der Mittelmark heißt der verhüllte knabe das kaudernest. Am Drömling ziehen die jungen mit dem pingstkääm, die mädchen mit der maibraut um und sammeln gaben. Noch ausgebildeter ist der gebrauch in einigen dörfern auf der südseite des Drömlings. am weißen sonntag (14 tage vor ostern) ziehn die hirtenjungen mit weißen stöcken (oben s. 638) zur weide und stecken mit diesen einen fleck ab, auf den dann niemand bis zum pfingstfest sein vieh treiben darf [Fußnote]. nachdem dies geschehen ist, nennen nun die kleinern den größern ihre braut [Fußnote], und keiner darf den namen verrathen bis auf pfingsten, wo die abgesteckte weide wieder frei wird und jeder die namen der bräute sagen kann. am zweiten pfingsttage wird einer von den jungen verkleidet, und zwar so daß ihm zwei weiberröcke umgegeben werden, deren einen sie ihm über den kopf nehmen und zubinden, dann hüllen sie ihn in maien, hängen ihm blumenkränze um den hals und setzen ihm eine blumenkrone aufs haupt. dieser heißt der füstge mai (der zugerüstete, bereite mai) und mit ihm wird vor alle häuser gezogen, zu gleicher zeit aber führen die mädchen die maibraut um, die ganz bebändert ist, so daß ihr hinten das brautband zur erde herab hängt, auf dem kopfe trägt sie einen großen blumenstrauß und singt nun reime so lange bis ihr eine gabe verabreicht wird.
Andere dörfer halten auf den zweiten pfingsttag wettrennen zu pferde nach einem ausgesteckten kranz. wer diesen beidemale herunterreißt wird gekrönt und jubelnd als maikönig ins dorf geführt.
Eine im 13 jh. verfaßte schrift des Aegidius aureae vallis religiosus erzählt den niederländischen brauch eine pfingstkönigin zu wählen, zur zeit des bischof Albero von Lüttich († 1155): sacerdotes ceteraeque ecclesiasticae personae cum universo populo in solemnitatibus paschae et pentecostes aliquam ex sacerdotum concubinis purpuratam ac diademate renitentem in eminentiori solio constitutam et cortinis velatam reginam creabant, et coram ea assistentes in choreis tympanis et aliis musicalibus instrumentis tota die psallebant, et quasi idolatrae effecti ipsam tanquam idolum colebant. Chapeaville 2, 98. In Holland pflegen noch heute zur pfingstzeit arme weiber ein mädchen auf einem kleinen wagen sitzend umzuführen und geld zu betteln. dies mädchen mit blumen und bändern geziert, heißt pinxterbloem und gemahnt an die umziehende alte göttin. pinxterbloem ist auch name der um dieselbe zeit blühenden iris pseudacorus, und die schwertlilie ist, wie nach der Iris, noch sonst nach göttern benannt (perunika s. 153). Den zaterdag vor pfingsten gehn frühmorgens die knaben aus und wecken mit großem geschrei und lerm die faulen schläfer, denen sie ein gebund nesseln an die thür hängen. sowol der tag als der verschlafene heißt luilap oder luilak (faulenzer). wecken galt auch vom sommer (s. 638).
Aus allem geht hervor, daß der eintritt des sommers dem alterthum eine heilige zeit war, die durch opfer, feste und tänze bewillkommt wurde, das leben des volks manigfach regelte und erheiterte. von den osterfeuern, die mit den maifeuern nah zusammenhängen, ist berichtet, der feierlichen versamlungen in der mainacht soll noch im cap. von den hexen nähere meldung geschehn. bräute wurden um diese zeit erkoren und ausgerufen, dienste gewechselt und gemietete häuser bezogen.
Hiermit schließt die abhandlung des sommers und winters, d. h. der mythischen bezüge, welche die beiden hälften des jahrs gewähren. Auf erörterung der zwölf sonnenmonate oder dreizehn mondsmonate [Fußnote] kann ich jetzt nicht eingehn, sie würden übermäßig raum kosten und ich verspreche sie anderswo nachzuholen. nur das sei gesagt, daß auch ein guter theil unsrer monatsnamen mit den gottheiten des heidenthums in verbindung steht, wie aus der gleichstellung des Mai mit dem sommer folgt und in bezug auf Hrede (merz) und Eastre (april) schon s. 240 bemerkt wurde. Phol, der seinen Pholtag hatte (s. 511), scheint auch einen Pholmânôt (mai und september) zu beherschen, vgl. Diut. 1, 409. 432 und Scheffers Haltaus 36. die wochentage mögen unsre vorfahren nach römischem muster geordnet und genannt haben (s. 105); die namen der genannten drei monate sind von lateinischem einfluß unabhängig [Fußnote]. merkwürdig ist bei Deutschen und Slaven die anwendung eines namens auf zwei nacheinander folgende monate, so daß z. b. bei den Angelsachsen von einem ærra und äftera geola, ærra und äftera lîđa oder bei uns von einem großen und kleinen horn (jan. und febr.) die rede ist, ja neben dem ougest erscheint eine ougstin, neben dem gott eine göttin; ich traue selbst sprüchen, die sich unter dem volk von einzelnen monaten fortgepflanzt haben, mythischen gehalt zu, so heißt es von dem februar: ›die spörkelsin hat sieben kittel an, immer einen länger als den andern, die schüttelt sie‹, d. h. erregt wind damit. sporkel wird bekanntlich zurückgeführt auf die römischen spurcalien.