Da nach der ansicht des heidenthums die ganze natur für lebendig galt [Fußnote], den thieren sprache und verständnis menschlicher rede, den pflanzen empfindung zugegeben [Fußnote], unter allen geschöpfen aber vielfacher wechsel und übergang der gestalten geglaubt wurde; so folgt von selbst, daß einzelnen ein höherer werth beigelegt, ja dieser bis zur göttlichen verehrung gesteigert werden konnte. götter und menschen wandelten sich in bäume, pflanzen oder thiere, geister und elemente nahmen thierformen an; es lag nahe den cultus, dessen sie theilhaft waren, der abgeänderten besonderheit ihrer erscheinung nicht zu entziehen. unter diesen gesichtspunct gebracht hat eine verehrung der bäume oder thiere nichts befremdliches. roh geworden ist sie nur dann, wenn im bewustsein der menschen das höhere wesen hinter der angenommenen form schwand und diese nun allein es zu vertreten hatte.
Von göttlich verehrten gewächsen und geschöpfen zu unterscheiden sind aber solche, die heilig und hoch gehalten wurden, weil sie in näherem bezug zu göttern oder geistern standen. dahin gehören zum opfer dienende pflanzen oder thiere, bäume, unter denen höhere wesen wohnen, thiere, welche sie begleiten.
Beiderlei arten lassen sich kaum trennen, weil ungenaue, unvollständige nachrichten nicht zu erkennen geben, welche gemeint sei.
In wie hohem ansehn WÄLDER und BÄUME bei den heidnischen Deutschen standen hat schon das vierte cap. gezeigt. einzelnen gottheiten, vielleicht allen, waren haine, in dem hain vermutlich noch besondere bäume geweiht. ein solcher hain durfte nicht von profanen betreten, ein solcher baum nicht seines laubes, seiner zweige beraubt und nie umgehauen werden [Fußnote]
stat vetus et multos incaedua silva per annos,
credibile est illi numen inesse loco:
fons sacer in medio, speluncaque pumice pendens,
et latere ex omni dulce queruntur aves.
Lucan. phars. 3, 399: lucus erat longo nunquam violatus ab aevo. So der semnonische wald, das nemus der Nerthus, das slavische lucus Zutibure, der preussische hain Romowe. Bei den Ehsten gilt für ruchlos, im heiligen hain auch nur ein blatt abzubrechen: so weit sein schatten reicht (ut umbra pertingit. RA 57. 105) nehmen sie nicht einmal eine erdbeere weg; manche begraben heimlich ihre todten dahin (Petri Ehstland 2, 120). solche wälder nennen sie hio und davon heißt die insel Dagö ehstn. Hiomah, weil neben dem hof Hiohof nahe ein geweihter wald liegt. (Thom. Hiärn.)
. Auch einzelnen dämonen, elben, wald und hausgeistern sind bäume geheiligt (s. 421).
Nähere schilderungen, wenn sie auf uns gekommen wären, würden manches wissenswerthe von der hegung und unterhaltung heiliger wälder, von den darin begangnen opfern und festen mittheilen. Im indiculus paganiarum heißt es ›de sacris silvarum, quae nimidas vocant‹. der deutsche ausdruck scheint mir unverderbt, darum nicht leichter verständlich: es ist ein plur. masc. vom sg. nimid [Fußnote], wir müsten von sämtlichen bedeutungen unterrichtet sein, deren das einfache verbum neman vor alters fähig war, um den sinn des wortes zu treffen. ist das deutsche nimu, wie es allen anschein hat, einerlei mit νέμω, so mag sich auch nimid dem gr. νέμος und lat. nemus vergleichen: weidetrift, wald mark, sacrum silvae [Fußnote] (s. 55). urkunden von 1086 und 1150 geben einen ortsnamen Nimodon, Nimeden (Mösers osnabr. gesch. urk. no. 34. 56. 8, 57 84), diese analogie kann weiter leiten [Fußnote].
Unter einzelnen heiligen bäumen hat gewis eine zeitlang nach der bekehrung das volk fortgefahren lichter anzuzünden und kleine opfer darzubringen, wie es sie noch heute bekränzt, und reigen darunter führt (s. 47). das hieß in den kirchlichen verboten: ›vota ad arbores facere aut ibi candelam seu quodlibet munus deferre, arborem colere, votum ad arborem persolvere, arbores daemonibus consecratas colere, et in tanta veneratione habere, ut vulgus nec ramum nec surculum audeat amputare‹. das ist das ags. treovveorđung (cultus arborum), das altn. blôta lundinn. Landn. 3, 17. Die acta Bened. sec. 2. p. 841 berichten: ›adest quoque ibi (zu Lutosas, heute Leuze) non ignoti miraculi fagus, subter quam luminaria saepe cum accensa absque hominum accessu videmus, divini aliquid fore suspicamur‹. so nutzte die kirche den aberglauben für ihre wunder: an der stelle des baums wurde ein kloster gestiftet. Von den heutigen Ehsten wird in Rosenplänters beitr. 9, 12 erzählt: noch vor einigen jahren opferten sie im kirchspiel Harjel in der Georg, Johannis und Michaelisnacht unter einigen bäumen, d. h. sie schlachteten ein schwarzes huhn [Fußnote]. Von der heiligen eiche des donnergottes wurde s. 58. 59. 142. 153 berichtet, und gramm. 2, 997 der ahd. ausdruck scaldeih (ilex) den ags. pflanzennamen scaldhyfel, scaldþyfel und dem auch oben s. 77 angeführten scaldo verglichen. das alles ist noch unsicher und bedarf näheren aufschlusses.
Bei den Langobarden kommt die verehrung des sogenannten blutbaums oder heiligen baums vor (oben s. 90). genaueres davon meldet die vita sancti Barbati in den actis sanctor. vom 19 febr. p. 139. Der heilige (geb. um 602, † um 683) lebte zu Benevent, unter den königen Grimoald und Romuald, das langobardische volk war getauft, hieng aber noch an abergläubischen gebräuchen: quin etiam non longe a Beneventi moenibus devotissime sacrilegam colebant arborem, in qua suspenso corio cuncti qui aderant terga vertentes arbori celerius equitabant, calcaribus cruentantes equos, ut unus alterum posset praeire, atque in eodem cursu retroversis manibus in corium jaculabantur. sicque particulam modicam ex eo comedendam superstitiose accipiebant. et quia stulta illic persolvebant vota, ab actione illa nomen loco illi, sicut hactenus dicitur, votum imposuerunt. Barbatus predigt vergebens dawider: illi ferina coecati dementia nil aliud nisi sessorum meditantes usus, optimum esse fatebantur cultum legis majorum suorum, quos nominatim bellicosissimos asserebant. Als Romuald nach Neapel zieht, repente beatissimus Barbatus securim accipiens et ad votum pergens suis manibus nefandam arborem, in qua per tot temporis spatia Langobardi exiliaie sacrilegium perficiebant, defossa humo a radicibus incidit ac desuper terrae congeriem fecit, ut nec indicium ex ea quis postea valuerit reperire [Fußnote]. Diese nachricht vom niederhauen des baums klingt prahlerisch und unwahrscheinlich, die beschreibung des heidnischen gebrauchs mag aber getreu sein. ich habe s. 145 gewiesen, daß von Osseten und Circassiern stangen mit thierhäuten zu ehren göttlicher wesen aufgerichtet wurden, nach Jornandes bei den Gothen dem Mars ›exuviae truncis suspensae‹ (oben s. 62), daß überhaupt thiere an opferbäumen hiengen (s. 61. 63); vermutlich war auch dieser baum einem gotte durch opfer heilig d. h. durch votivopfer einzelner [Fußnote], der ganze ort hieß davon ›ad votum‹. Welche bedeutung der speerwurf durch die hängende haut hatte, ist noch nicht klar; auch im Norden pflegte man durch aufgehängte rohe ochsenhäute zu schießen (fornm. sög. 3, 18. 4, 61), es war zeichen von kunst oder stärke. daß es rückwärts geschah, erhöhte die schwierigkeit, und ist alterthümlich [Fußnote]. warum das herausgeworfene stückchen haut genossen wurde? ist schwer zu sagen; sollte dadurch verstattete theilnahme an dem opfer (s. 38) zu erkennen gegeben werden? [Fußnote]
Nicht bloß bäume unter welchen geopfert, an welchen haupt oder haut des geschlachteten thiers aufgehangen wurde, galten für heilige; auch stämme, die auf opferthieren erwuchsen. die satzweide auf dem todten füllen oder kalb soll nicht versehrt werden (abergl. 838); sind das nicht völlig des Adam von Bremen ›arbores ex morte vel tabo immolatorum divinae?‹ (oben s. 61) [Fußnote].
Unter den geheiligten bäumen (im späteren mittelalter sind sie gewöhnlich frau angeredet) steht oben an die eiche (s. 58–62), eine eiche oder buche ist die arbor frugifera beim loosen (Tac. Germ. 10). Nächst der eiche war die esche heilig, wie schon der mythus von erschaffung des menschen lehrt; von der esche Yggdrasill wird in cap. XXV zu handeln sein. der wolf, dessen begegnung sieg verheißt, steht unter eschästen. ›the common people believe, that tis very dangerous to break a bough from the ask, to this very day‹. Rob. Plots Staffordshire s. 207. eine abart der esche ist rountree, rowantree, den man für zauberhaft hält. (Brockett p. 177) [Fußnote]. (vgl. cap. XXXVII rönn.) Auch mit frau Hasel führen unsre volkslieder gespräche, und das alte gericht wie noch heute saatfelder zu hegen dienten haseln. RA. 810. nach Östgötalag (bygdab. 30) soll in gemeinem wald jeder hauen dürfen, ohne buße, außer eichen und haseln, die haben friede, d. h. können nicht gefällt werden. abergl. 972 wird gesagt, daß eiche und hasel widerwillen gegeneinander haben und sich nicht vertragen, sowenig als hagen und schlehe (weißdorn und schwarzdorn). Auch der hollunder (sambucus) ahd. holantar genoß ausgezeichneter verehrung, holan für sich bedeutet schon einen baum oder eine staude (ags. cneovholen, ruscus). in Niedersachsen heißt die sambucus nigra ellorn, ellhorn [Fußnote]: Arnkiel erzählt 1, 179 unverdächtig: ›also haben unsere vorfahren den ellhorn auch heilig gehalten, wo sie aber denselben unterhauen (die äste stutzen) musten, haben sie vorher pflegen dis gebet zu thun: »frau Ellhorn, gib mir was von deinem holz, dann will ich dir von meinem auch was geben, wann es wächst im walde«. welches theils mit gebeugten knieen, entblößtem haupte und gefaltenen händen zu thun gewohnt, so ich in meinen jungen jahren zum öftern beides gehört und gesehen‹. Dazu halte man, was von den hollunderstangen (abergl. 866), vom pflanzen des hollunders vor ställen (das. 169), vom gießen des wassers unter den hollunder (das. 864) und der hollundermutter (dän. abergl. 162) geradeso gemeldet wird [Fußnote]. Der wacholder spielt in dem märchen von machandelboom eine große rolle; im gedicht von des spiegels abenteuer bl. 38 folgende dunkle äußerung:
fraw Weckolter ich sich,
daz du ir [Fußnote] swester bist,
du kund ouch falsche list,
dô du daz kind verstalt.
in Südermannland war ein knecht eben im begrif einen schönen, schattenreichen wacholder abzuhauen, als eine stimme erscholl: ›hau den wacholder nicht!‹ er kehrte sich nicht an die warnung und wollte von neuem hauen, da rief es noch einmal: ›ich sage dir hau den baum nicht ab!‹ erschrocken entfernte sich jetzt der knecht [Fußnote]. Etwas ähnliches liegt dem kindermärchen no. 128 zum grund, nur daß er eine scherzhafte wendung empfangen hat; dem holzhauenden ruft eine stimme aus dem baum entgegen: ›wer haspelholz haut, der stirbt‹. Unter solch einem baum, der Klinta tall (Klinta fichte) in Westmanland, hauste eine hafsfru und zwar der fichte rå (s. 411); man sah schneeweißes vieh aus dem see über die wiesen zu dem baum treiben, niemand wagte seine äste anzurühren. Einzelnen eiben, waldgeistern und hausgeistern sind dergleichen bäume heilig, man nennt sie schwed. boträd, dän. boeträ (oben s. 421). unter der linde im heldenbuch haben die zwerge gern ihr wesen und fallen die helden in zauberschlaf. ihrer blüte süßer duft betäubt. D. Heldenb. 1871. 3, 14. 15. 135. [Fußnote]. Zumal aber werden den elben nicht bloß einzelne bäume beigelegt, sondern ganze baumgärten und haine, an deren pflege sie freude haben, wie Laurins durch einen seidenfaden gehegter rosengarten zeigt. in Schweden heißen diese gärten elfträdgårdar.
Das leben der griech. dryaden [Fußnote] und hamadryaden ist an bäume gebunden, mit dem verwelken und absterben der bäume nehmen sie ab und hören sie selbst auf; jede verletzung der äste und zweige empfinden sie als wunden, und gewaltsames umhauen macht ihnen plötzlich ein ende [Fußnote]. naht sich das frevelnde beil, so ertönt ihr wehvoller ruf. Eine schöne sage erzählt Ovid (met. 8, 742 ff.) von Erisichthon:
ille etiam cereale nemus violasse securi
dicitur et lucos ferro ternerasse vetustos.
stabat in his ingens annoso robore quercus,
saepe sub hac dryades festas duxere choreas. –
contremuit, gemitumque dedit deoia quercus
et pariter frondes pariter pallescere glandes
coepere, ac longi pallorem ducere rami.
Haut einer die erle, so blutet und weint sie, und hebt zu reden an (Meinerts kuhländch. 122). ein östr. märchen (Ziska 38–42) erzählt von der stolzen föhre, worin eine fee sitzt, welcher zwerge dienen, die unschuldige begabt, schuldige neckt. ein serbisches lied (Vuk no. 296) vom mädchen in der fichte, deren rinde der knabe mit goldnem und silbernem horn spaltet. zaubersprüche bannen in frau Fichte das kalte fieber [Fußnote].
Dieser glaube an geisterbewohnte bäume war nicht weniger unter Celten einheimisch. Sulpicius Severus (aus dem beginn des 5 jh.) meldet im leben des heil. Martinus ed. Amsterd. 1665 p. 457: dum in vico quodam templum antiquissimum diruisset, et arborem pinum, quae fano erat proxima, esset aggressus excidere, tum vero antistes illius luci ceteraque gentilium turba coepit obsistere. et cum iidem illi, dum templum evertitur, imperante domino quievissent, succidi arborem non patiebantur. ille eos sedulo commonere, nihil esse religionis in stipite, deum potius cui serviret ipse, sequerentur. arborem illam exscindi oportere, quia esset daemoni dedicata u. s. w. [Fußnote].
Von der heiligkeit einzelner pflanzen oder blumen wäre viel zu schreiben. entweder sind sie bestimmten göttern geweiht und nach ihnen benannt (vgl. Donners bart s. 152. Baldrs brâ s. 184. Forneotes folme s. 199. Lokkes havre s. 200. Freyju hâr, Friggjar gras s. 251) oder aus der verwandlung bedrängter, sterbender menschen entsprungen. fast alle solche gewächse haben kraft zu heilen oder zu schaden, sie müssen aber freilich gebrochen und gesammelt werden; das capitel von der zauberei wird beispiele liefern. gleich schützenden, heiligen thieren werden sie als zeichen in das wappen der länder, städte und helden gesetzt. So scheint den nordwestlichen Deutschen, namentlich Friesen und Seeländern von uralter zeit her das seeblatt (die nymphaea, nenuphar) gegenstand der verehrung. die Holländer nennen es plompe, die Friesen pompe, genau gesprochen heißen die breiten, auf der see schwimmenden blätter pompebledden, die weißen, inwendig goldgelben, duftenden blumen swanneblommen (flores cygnei), was an den s. 404 beigebrachten namen nixblume, näckblad, muhme und mummel (d. i. schwanjungfrau) erinnert. Die Friesen setzen sieben seeblätter (zeven plompenbladen) in ihren schild und glaubten unter diesem zeichen zu siegen [Fußnote]; das weiß schon unser Gudrunlied 1373, worin dem Herwîc von Sewen oder Sêlanden eine wolkenblaue fahne beigelegt wird: ›sêbleter swebent dar inne‹. diese seeblume ist der heilige lotus des alten Aegyptens, der auch in Indien verehrt wird und vor dem sich Tibetaner und Nepaleser neigen, er wird in tempeln aufgestellt, Brahma und Vischnu schwimmen auf seinem blatt, und gerade ein mnl. gedicht erwähnt noch des auf dem blatt schwimmenden däumlings (oben s. 373).
Noch reichlicher wird von heiligen THIEREN, die sich inniger an menschliche verhältnisse schließen, als die stumme natur, zu melden sein, ihr cultus aber auf zwei oder drei hauptursachen zurückgebracht werden dürfen. entweder standen sie in bezug zu einzelnen göttern, gewissermaßen in deren dienst, und so gehört der eber zu Fro, der wolf und rabe zu Wuotan; oder es liegen verwandlungen göttlicher wesen in thiergestalt zum grunde, derentwegen nun die ganze gattung in höherer ehre bleibt. so können einigemal bär, stier, kuh, schlange zu nehmen und uralte incarnationen vorauszusetzen sein, bis zu deren vollständiger kunde unsere mythologie längst nicht mehr aufsteigt. Nah an solche niederlassung des gottes in das thier grenzt die zur strafe erfolgende herabsetzung des menschen in ein thier, die alte lehre von der seelenwandrung, worin man eine dritte ursache der thierheiligung erblicken kann, obwol sie keinen eigentlichen cultus begründet. diese mythen, z. b. von dem kukuk, specht, der nachtigall u. s. w. gewähren eine fülle von schönen sagen, die oft in den heldencultus eingreift [Fußnote].
Unter allen thieren nenne ich zuerst die pferde, das edelste, klügste, vertrauteste hausthier, mit dem der held freundliche gespräche führt (s. 325), das seinen kummer mitfühlt und sich seiner siege miterfreut. Wie helden nach dem pferd heißen (Hengest, Hors), so erhält es auch vielfache eigennamen; in der nord. mythologie ist beinahe jedem gott sein besonderes, mit wunderkräften ausgestattetes pferd zugewiesen. Ođins ros hieß Sleipnir (s. 128), es war gleich riesen und helden achtfüßig [Fußnote]. Sæm 44a Sn. 18 werden die übrigen pferde der asen aufgezählt, ohne angabe, welchen sie zustanden. mehrere benennungen sind mit faxi (jubatus, comatus, ahd. vahso) gebildet, z. b. Skinfaxi (Sæm. 32. Sn. 11) Gullfaxi (Sn. 107. 110) Hrîmfaxi (Sæm. 32. 91. Sn. 11) Freyfaxi (Vatnsd. 140. 141). Gullfaxi (das goldmähnige) gehörte dem riesen Hrûngnir, Skinfaxi (das glanzmähnige) war das ros des Tags, Hrîmfaxi (das thaumähnige vgl. oben s. 533) der Nacht. Faxi ist aber auch für sich schon name von pferden, z. b. fornald. sög. 2, 168. 508. Arvakr (der frühwache) Alsviđr (der allkluge) rosse des sonnenwagens (Sæm. 45. Sn. 12); auf Arvakrs ohr, auf Alsvinns huf standen runen geschrieben. runen ›â Sleipnis tönnom‹ Sæm. 196a, wie auf des bären tatze und des wolfs klauen [Fußnote]. Svađilfari hieß das pferd des bauenden riesen (Sn. 46). Auch die heldensage überliefert uns viele namen berühmter rosse (s. 325). Bajart wird klug geschildert (wie Alsviđr), er soll noch im Ardennerwald leben, wo man ihn alljährlich auf Johannistag wiehern hört (quatre fils Aimon, 180c). die spur von Schimmings hufeisen steht im fels eingedrückt. Vilk. saga cap. 37 [Fußnote].
Jenes Freyfaxi der Vatnsdælasaga war im besitz eines mannes namens Brandr, von dem man sagte, daß er es göttlich verehrte (at hann hefđi âtrûnađ â Faxa) und der darum Faxabrandr hieß. Hrafnkell, dessen ungedruckte saga mir nur aus Müllers bibl. 1, 103 bekannt ist, hatte auch ein solches pferd Freyfaxi (Freirfara druckf.), und es zum halben theil an Freyr geschenkt, zugleich das gelübde gethan, den mann umzubringen, der es gegen seinen willen reiten würde. ich kann die stelle aus Joh. Erici de philippia apud priscos borcales, Lips. 1755 p. 122 mittheilen: Hrafnkell âtti þann grip î eigo sinni, er hânom þôtti betri enn annar, þat var hestr bleikalôttr at lit, er kann kalladi Freyfaxa, hann gaf Frey vin sînom (oben s. 76. 175) þenna hest hâlfann. â þessom hesti hafđi hann svâ mikla elsko, at hann strengdi þess heit, a hann skyldi þeim manni at bana verđa, er þeim hesti riđi ân hans vilja. Brands âtrûnađr bezog sich ohne zweifel eben darauf, daß das ros dem gott geheiligt und gelobt war. Ein merkwürdiges zeugnis dafür bietet Olafs Tr. sonar saga [Fußnote]: dem könig war verkündet worden, daß die Trændir (Drontheimer) sich wieder zu der verehrung Freys, dessen bildseule noch bei ihnen stehe, gewendet hätten. auf des königs geheiß dieses bild zu zerbrechen versetzten sie: ›ei munum ver briota lîkneski Freys, þvîat ver höfum leingi hönum þionat, ok hefr oss vel dûgat‹. Olafr berief sie zu einer versamlung und entschloß sich den götzen selbst zu zerstören, er schifte zu der küste hin, wo der tempel (hof) errichtet war; als er landete, weideten da des gottes pferde (þâ sâu hans menn stôđhross nokr viđ vegin, er þeir sögđu at hann Freyr ætti). der könig bestieg den hengst und ließ seine hofleute die stuten nehmen, so ritten sie zu dem tempel, Olaf trat vom pferd, gieng hinein, warf die götzen (gođin) um [Fußnote], nahm aber Freys bild mit sich weg. Als die Trændir ihre götzen geschändet, Freys bild fortgeführt fanden, merkten sie wol, daß es der könig gethan hätte, und giengen zur versamlung. der könig ließ das bild im þing aufstellen und fragte das volk: kennt ihr diesen mann? es ist Freyr unser gott, antworteten sie. wie hat er euch seine macht erwiesen? er hat oft mit uns geredet, das zukünftige geweissagt, frieden und fruchtbarkeit verliehen (veitti oss âr oc friđ). der teufel redete mit euch, sagte der könig, nahm eine axt und rief dem bild zu: hilf dir jetzt und wehre dich, wenn du kannst. Da Freyr fortwährend schwieg, hieb ihm Olafr beide hände ab, und predigte darauf dem volk, wie diese abgötterei aufgekommen sei. Die ganze erzählung trägt späteres gepräge an sich, ist aber doch aus der nord. tradition hervorgegangen und bestätigt uns, daß dem Freyr pferde geheiligt wurden, die man in dem geweihten umkreis seiner tempel unterhielt. Vermutlich hatten auch die tempel andrer götter solche pferde? die thiere, welche Wilibrort in Fosetes heiligthum weidend antraf (s. 190), waren schwerlich pferde, weil er sie sonst nicht zur speise hätte schlachten lassen; aber sitte, den göttern geweihtes vieh aufzuziehen, wird dadurch nichtsdestoweniger bezeugt. Einzelne thiere, scheint es, wurden außerdem von besonderen verehrern des gottes unterhalten.
Diese zucht reiner und geweihter rosse diente zu heiligen gebräuchen, namentlich zu opfern, weissagungen und für den umzug der götterwagen. Ihre mähnen wurden sorgsam genährt, gepflegt und geschmückt, wie die benennung Faxi anzeigt; vermutlich wand oder flocht man gold, silber und bänder in die locken (Gullfaxi, Skinfaxi); mön glôar (juba splendet) Sæm. 92a, lŷsir mön af mari (lucet juba ex equo) Sæm. 32b, wie das lat. jubar an juba erinnert, weil die mähne strahlt, das licht haarartige strahlen wirft [Fußnote]. Gulltopr, Silfrintoppr hießen rosse, deren schweif (toppr) mit gold oder silber bewunden war. Sn. 44. Gyllir und Gler (golden, glänzend) Sn. 44 können sie davon oder auch von dem goldnen beschlag ihrer hufe, von vergoldung des zaums und sattels genannt sein. Unter allen farben galt die weiße für die edelste, auch könige zogen auf weißen rossen ein und belehnten auf weißen rossen sitzend. des weißen pferdes gedenken die weisthümer oft (z. b. 3, 342. 857); wenn eine erbschaft ledig liegt, so soll der vogt auf einem weißen fohlen sitzen, einen mann vor, den andern hinter sich setzen und einen davon auf das erbe herablassen (3, 831 vgl. 2, 541). das fohlen galt für noch edler und reiner, als ein ros [Fußnote]
collo igitur molli dentes nectentur equini,
qui primi fuerint pullo crescente caduci. Serenus sam. 1040.
auch vom knabenzahn meint man: pueri qui primus ceciderit dens, ut terram non attingat, inclusus in armillam et assidue in brachio habitus. Plin. 28, 4. GDS. 154.
. [Fußnote].
Tacitus (Germ. 9. 10), nachdem er gesagt hat ›lucos ac nemora consecrant‹, fügt hinzu: ›proprium gentis, equorum quoque praesagia ac monitus experiri. publice aluntur, iisdem nemoribus ac lucis, candidi et nullo mortali opere contacti, quos pressos sacro curru sacerdos ac rex vel princeps civitatis comitantur, hinnitusque ac fremitus observant. nec ulli auspicio major fides non solum apud plebem, sed apud proceres, apud sacerdotes: se enim ministros deorum, illos conscios putant‹, diese heiligen thiere sind mitwisser der götter und können deren rathschläge offenbaren. Noch der indiculus paganiarum cap. xiii redet de auguriis equorum, ohne sie näher zu schildern; pferdegewieher ist heilbringendes zeichen (abergl. no. 239) [Fußnote]. kriegern galt das wiehern (ahd. hueiôn, mhd. weien, mnl. neien, altn. hneggja, schwed. gnägga) ein vorzeichen des siegs, und wenn sich die rosse ihrer freudigen, mutweckenden stimme enthielten, der niederlage; ein beispiel gewährt die flandr. reimchronik ed. Kausler 7152. bekannt ist die persische königswahl nach dem gewieher des hengsts. Herod. 3, 84. In dem norweg. märchen Grimsborken (Asb. og Moe no. 38) wird ein fohlen von zwölf stuten aufgesäugt und kluger rede theilhaftig [Fußnote].
Und wie in Mîmirs abgehauenem haupte seine klugheit fortdauerte (s. 314), scheint das heidenthum mit abgeschnittenen, aufgerichteten pferdehäuptern vielfachen zauber getrieben zu haben. in einem kindermärchen (no. 89) wird des treuen Falada haupt über das thor genagelt und die königstochter führt mit ihm gespräch. dieses abschneidens und aufstellens der pferdehäupter habe ich schon s. 38 erwähnt als einer uralten deutschen sitte. Plin. 19, 10 gedenkt als eines mittels gegen die raupen: si palo imponantur in hortis ossa capitis ex equino genere. In Scandinavien steckte man pferdehäupter auf stangen und richtete den mit hölzern aufgesperrten, gähnenden rachen [Fußnote] nach der gegend, woher der angefeindete mann, dem man schaden wollte, kommen muste. das hieß neidstange. Saxo gramm. p. 75: immolati diis equi abscissum caput conto excipiens subjectis stipitibus distentos faucium rictus aperuit, sperans se primos Erici conatus atrocis spectaculi formidine frustraturum. arbitrabatur enim ineptas barbarorum mentes oblatae cervicis terriculamento cessuras; et jam Ericus obvium illis iter agebat. qui prospecto eminus capite obscoenitatis apparatum intelligens, silere socios cautiusque se gerere jubet, nec quemquam temere praecipitare sermonem, ne incauto effamine ullum maleficiis instruerent locum, adjiciens si sermone opus incideret verba se pro omnibus habiturum. jamque medius illos amnis secreverat, cum magi, ut Ericum pontis aditu deturbarent, contum, quo equi caput refixerant, fluvio citimum locant. ille nihilominus pontem intrepide aggressus ›in latorem‹ inquit ›gestaminis sui fortuna recidat, nos melior consequatur eventus. male maleficis cedat, infaustae molis gerulum onus obruat, nobis potiora tribuant omina sospitatem!‹ Nec secus quam optabatur evenit: continuo namque excussa cervice ruens ferentem stipes oppressit. Egilssaga p. 389: Egill tôk î hönd ser heslis staung, ok geck â bergsnaus nockura, þâ er vissi til lands inn. þâ tôk hann hrosshöfuđ ok setti up â staungina. siđan veitti hann formâla ok mælti sva: ›her set ek upp niđstaung ok snŷ ek þessu nîđi â hönd Eirîki konûngi ok Gunnhildi drôttnîngu‹. hann sneri hrosshöfđinu inn â land. Andere mal wurde ein menschenhaupt (aus holz) geschnitzt, auf eine stange befestigt, diese aber in die brust eines geschlachteten pferdes gesteckt [Fußnote]. Vatnsd. p. 142: Iökul skar karls höfut â sûlu endann ok risti â rûnar med öllum þeim formâla sem fyrr var sagdr, sîđan drap Iökull mer eina, ok opunđu hana hia briostinu, færđu â sûluna, ok lêtu horfa heim â Borg [Fußnote]. Es ist aller beachtung werth, daß bis auf den heutigen tag in einem theile Niedersachsens (Lüneburg, Holstein, Meklenburg) die bauernhäuser auf dem giebel geschnitzte pferdeköpfe haben: man sieht es als bloße auszierung des dachgebälks an, die sitte mag aber weit hinauf reichen und mit dem heidnischen glauben zusammenhängen, daß durch die auswärts schauenden häupter von den häusern unheil abgehalten werde [Fußnote]. nach den jb. des mekl. vereins 2, 118 sind die pferdeköpfe an jedem giebel (kühlende) des dachs kreuzweise angenagelt, eine erinnerung an die heiligen rosse der alten. Heinr. Schreiber (taschenb. f. 1840 s. 240 ff.) hat diese gegen einander springenden pferde auch auf den giebeln der älteren häuser im romanischen Rhätien (nicht in der deutschen Schweiz, aber in Tirol. Zingerle sitten s. 55) wahrgenommen; offenbar zu voreilig erklärt er sie für ein celtisches symbol, denn wollte man sagen in Niedersachsen sei dieser brauch von früheren Celten her übrig, so verlöre die critik allen halt. mir scheint die sitte und der pferdecultus überhaupt auf gleiche weise Celten, Deutschen und Slaven eigen, welche einzelnen stämme unter diesen völkern ihm zumeist ergeben waren, wird sich künftigen forschungen allmälich enthüllen [Fußnote]. Praetorius (weltbeschr. 2, 162. 163) erzählt, die undeutschen leute (Wenden) pflegten zur abwehrung und tilgung der viehseuchen um ihre ställe herum häupter von tollen pferden und kühen auf zaunstaken zu stecken; auch ihren pferden, welche nachts vom mahr oder leeton matt und müde geritten würden, einen pferdekopf unter das futter in die krippe zu legen, das hemme die macht des geistes über das thier. Wahrscheinlich meint das abergläubische vergraben des todtenkopfs im stall (no. 815) den eines pferdes [Fußnote] (vgl. cap. XXXVIII nachtmar). in Holland hängt man einen pferdekopf über schweinställe (Westendorp p. 518), in Meklenburg wird er dem siechen unters kopfkissen gelegt (jb. 2, 128). Auch das werfen des pferdehaupts in die Johannisflamme (s. 514) sollte zauberhaft wirken [Fußnote].
Schon des Praetorius nachricht zeigt, daß die Slaven im pferdecultus mit den Deutschen übereinstimmten. es fehlt aber nicht an merkwürdigeren älteren zeugnissen. Dietmar von Merseburg (6, 17 p. 812) meldet von den Luitizern d. h. Wilzen: terram cum tremore infodiunt, quo sortibus emissis rerum certitudinem dubiarum perquirant. quibus finitis cespite viridi eas operientes, equum, qui maximus inter alios habetur, et ut sacer ab his veneratur, super fixas in terram duorum cuspides hastilium inter se transmissorum supplici obsequio ducunt, et praemissis sortibus, quibus id explicavere prius, per hunc quasi divinum denuo augurantur; et si in duabus his rebus par omen apparel, factis completur; sin autem, a tristibus populis hoc prorsus omittitur. Die vita beati Ottonis episcopi bambergensis, verfaßt von einem gleichzeitigen ungenannten (bei Canisius III. 2, 70) erzählt lib. 2 cap. 22 umständlicher von den Pommern, welche Otto im j. 1124 bekehrte: habebant caballum mirae magnitudinis, et pinguem, nigri coloris, et acrem valde. iste toto anni tempore vacabat, tantaeque fuit sanctitatis, ut nullum dignaretur sessorem; habuitque unum de quatuor sacerdotibus templorum custodem diligentissimum. Quando ergo itinere terrestri contra hostes aut praedatum ire cogitabant, eventum rei hoc modo solebant praediscere. hastae novem disponebantur humo, spatio unius cubiti ab invicem separatae. strato ergo caballo atque frenato sacerdos, ad quem pertinebat custodia illius, tentum freno per jacentes hastas transversum ducebat ter atque reducebat. quod si pedibus inoffensis hastisque indisturbatis equus transibat, signum habuere prosperitatis, et securi pergebant, sin autem, quiescebant. Hiernach wurde durch neun ellenweit von einander liegende speere, nach Dietmars älterer meldung über die spitzen zweier verschränkter speere das heilige ros geleitet; es kann aber bei den Lutizern damit verschieden gehalten worden sein als bei den Pommern. Saxo gramm. p. 321 erzählt die sache von den rügischen Slaven wieder anders; praeterea peculiarem albi coloris equum titulo possidebat (numen), cujus jubae aut caudae pilos convellere nefarium ducebatur. hunc soli sacerdoti pascendi insidendique jus erat, ne divini animalis usus quo frequentior hoc vilior haberetur. In hoc equo, opinione Rugiae, Svantovitus (id simulacro vocabulum erat) adversum sacrorum suorum hostes bella gerere credebatur. cujus rei praecipuum argumentum exstabat, quod is nocturno tempore stabulo insistens adeo plerumque mane sudore ac luto respersus videbatur [Fußnote], tanquam ab exercitatione veniendo magnorum itinerum spacia percurrisset. Auspicia quoque per eundem equum hujusmodi sumebantur. cum bellum adversum atiquam provinciam suscipi placuisset, ante fanum triplex hastarum ordo ministrorum opera disponi solebat, in quorum quolibet binae e traverso junctae, conversis in terram cuspidibus figebantur, aequali spaciorum magnitudine ordines disparante. ad quos equus ductandae expeditionis tempore solenni precatione praemissa a sacerdote e vestibulo cum loramentis productus, si propositos ordines ante dextro quam laevo pede transcenderet, faustum gerendi belli omen accipiebatur. sin laevum vel semel dextro praetulisset, petendae provinciae propositum mutabatur. Diese schilderung ist noch genauer, das heilige hier der gottheit selbst, die es zu nacht besteigt, beigelegte ros wird dreimal über zwei gekreuzt eingesteckte, also über sechs speere geführt, und muß jedesmal, wenn die bedeutung glücklich sein soll, mit dem rechten fuß zuerst vorschreiten: hat es nur in einer reihe den linken vor dem rechten erhoben, so steht unheil bevor. die farbe des rosses wird weiß, wie bei Tacitus, nicht schwarz, wie bei dem lebensbeschreiber Ottos angegeben.
Nach der chronica augustensis ad a. 1068 (bei Freher 1, 349) hatte der Halberstädter bischof Burcard (der Buko, welchen noch das heutige kinderspiel kennt) den Lutizern ihr heiliges pferd weggenommen und war selbst darauf nach Sachsen heim geritten: Burcardus halberstatensis episcopus Luiticiorum provinciam ingressus incendit, vastavit, avectoque equo, quem pro deo in Rheda [Fußnote] colebant, super eum sedens in Saxoniam rediit.
Darf man nun folgende vorstellung fassen: Dietmar und der Augsburger annalist meinen des Radigast zu Rhetra, Saxo und der autor der vita Ottonis des Svatovit zu Arkona heiliges pferd? jedem dieser götter [Fußnote] waren rosse geweiht und vielleicht noch andern. So mögen auch in Deutschland mehrern gottheiten rosse geheiligt und weissagungen unter ähnlichen gebräuchen damit gepflogen worden sein, namentlich dem Frouwo (s. 546. 547) und Wuotan (s. 128. 129).
Einige nachrichten von der verehrung heiliger pferde in Ditmarsen scheinen bedenklich. Der Rieswold oder Riesumwold an der grenze zwischen Norder und Süderditmarsen soll, der sage nach, ein heiliger wald gewesen sein, worin menschenopfer statt fanden, und weiße, den göttern geweihte pferde genährt wurden [Fußnote]. das ist nichts als unbefugte anwendung der tacitischen stelle auf eine bestimmte gegend. Eigenthümlicher klingt was Bolten 1, 262 dem verdächtigen Carsten nacherzählt, bei Windbergen habe ein dem Hesus (!) geheiligter hain gestanden, noch heute genannt Hese oder Heseholt [Fußnote]. in dem hain seien dem gott zwei weiße pferde, ein junges und ein altes, gefüttert worden, welche niemand besteigen durfte, aus deren gewieher und springen gute oder böse zeichen entnommen wurden. einige reden von zehn oder zwanzig rossen. ein priester des gottes steckte stäbe in die erde, führte das gezäumte ros heran, und ließ es durch gewisse gänge langsam über die stäbe springen. Joh. Aldolfi d. i. Neocorus, auf den sich dabei bezogen wird, hat nichts von allem dem. auch das verbot des besteigens stimmt zu jenen rossen der Slaven.
Für die heidnischen Liven aber läßt sich die slavische gewohnheit beglaubigen. das chronicon livonicum vetus meldet ad a. 1192 (bei Gruber p. 7): colligitur populus, voluntas deorum de immolatione (fratris Theoderici, cisterciensis) sorte inquiritur. ponitur lancea, calcat equus; pedem vitae deputatum (d. i. den rechten) nutu dei praeponit. orat frater ore, manu benedicit. ariolus deum Christianorum equi dorso insidere et pedem equi ad praeponendum movere asserit, et ob hoc equi dorsum tergendum, quo deus elabatur. quo facto, dum equus vitae pedem praeponit, ut prius, frater Theodoricus vitae reservatur. Hier traf heidnisches und christliches wunder zusammen.
Auch altpreußisch war dieser cultus: Prussorum aliqui equos nigros, quidam albi coloris, propter deos suos non audebant aliqualiter equitare. (Dusburg. 3, 5) [Fußnote] [Fußnote].
Der pferdeopfer und des davon unzertrennlichen pferdefleischessens geschah schon s. 38–40 erwähnung; Strabo berichtet, daß die Veneter dem Diomed ein weißes pferd opferten (V. 1, 9. Siebenk. 2, 111. Casaub. 215. Kramer 1, 339). Die Inder bringen mit feierlicher zurüstung große pferdeopfer. Merkwürdig scheint, was von den Kalmüken erzählt wird. bei ihnen sieht man eine menge aufgestellter gerüste mit pferdehäuten und köpfen, überbleibsel gebrachter opfer. die richtung des pferdekopfs nach osten oder westen bestimmt, ob das opfer einem guten oder bösen geist gebracht wurde [Fußnote]. es gemahnt einmal an jenes opfermäßige aufstecken der pferdehäupter in Deutschland in bestimmter richtung, das nach einführung des christenthums für boshaften zauber galt, dann an die pira equinis sellis constructa bei Jornandes und das ση̃μα der scythischen könige bei Herodot (RA. 676) [Fußnote] [Fußnote].
Von heilighaltung der rinder weiß ich weniger mitzutheilen, wiewol sie schon darum nicht zu bezweifeln ist, weil rinder geopfert wurden, stiere den fränkischen königswagen zogen (RA. 262). noch im spätern mittelalter behielten die kriegswagen rinder bei: capto ducis (lovaniensis) vexillo, dicto gallice standart, opere plumario a regina Angliae ei misso, quod fastu superbiae quadriga boum ferebat Chapeaville 2, 69 (a. 1129). eines mit vier weißen ochsen bespannten wagens in Lothringen gedenkt Scheffers Haltaus s. 251. Nach Plutarchs bekannter meldung im Marius (cap. 23) schwuren die Cimbern über einem ehernen stier, woraus man das stierhaupt im meklenburgischen wappen herleitet. (Mascov 1, 13). Zu Hvîtabær verehrten die leute ein rind (fornald. sög. 1, 253), zu Upsal eine kuh (das. 1, 254. 260. 266. 270. 272) [Fußnote].
Während von den pferden der hengst mehr als die stute verehrt wird, scheint unter den rindern die kuh den vorzug zu haben. kühe waren vor der Nerthus wagen. die edda gedenkt einer kuh namens Auđhumla, welche bei dem ersten menschengeschlecht eine große rolle spielt (s. 464), sicher für ein heiliges thier galt. Jenem glauben an pferde (s. 547) steht ein ›âtrûnađr â kû‹ zur seite. könig Eysteinn von Schweden glaubte an eine kuh, die Sîbilja hieß: ›hun var svâ miök blôtin, at menn mâttu eigi standast lât hennar‹, sie wurde mit in die schlacht geführt (fornald. sög. 1, 254. 260). könig Ögvaldr führte eine solche heilige kuh überall mit sich, zu wasser und zu land, und trank beständig ihre milch (fornm. sög. 2, 138. 10, 302) [Fußnote].
Wie die mähnen der pferde schmückte man die hörner der kühe mit gold: gullhyrndar kŷr (Sæm. 73a 141a) noch heute ziert der alpenhirt die hörner des rinds mit bändern und blumen. den opferrindern wird diese ausstattung nicht gemangelt haben.
Das sanskr. gaus (bos und vacca), thema gô, acc. gâm, pers. ghau, gho, entspricht dem lett. gohw, ahd. chuo, ags. cû, altn. kŷr. noch wichtiger ist, daß gô zugleich terra und plaga bedeutet (Bopp gramm. § 123 gloss. p. 108b), wodurch es sich an das gr. γα̃, γη̃ schließt. hierzu das auftreten jener Auđhumla in der nord. schöpfungsgeschichte genommen, läßt sich vielleicht rinta (die erde) und Rindr (s. 208) zu rind armentum halten, welches freilich in der alten form HR fordert (Graff 4, 1171) und nl. rund, ags. hryđer, hrođer lautet; wer weiß ob nicht auch rinde (cortex) ursprünglich aspiriert war? Ευρώπη, der name eines theils der erde wird zugleich erde (die weite ευρει̃α) ausdrücken, und s. 281 vermutete ich, daß Europa, mit der Zeus als stier buhlte, selbst als kuh, gleich der Io, gedacht worden sein mag; nicht die erde hat von ihr, vielmehr sie nach der erde den namen. Über die verehrung der kühe und rinder bei Indern, Aegyptern und Römern verweise ich auf A. W. Schlegels gelehrte abhandlung [Fußnote]. auch die Israeliten brachten das brandopfer einer rothen kuh (goth. kalbô), auf welche noch kein joch gekommen war. Mos. IV, 19. [Fußnote]
Eber und bock waren heilige opferthiere (s. 41. 42), der eber [Fußnote] dem Freyr (s. 176), böcke und ziegen dem Thôrr (s. 153) gewidmet, wie noch jetzt bock und ziege für teufelsgethier gelten [Fußnote]. Auf jenen göttlichen eber glaube ich noch das alte lied beziehen zu dürfen, aus dem uns Notker (der so selten vor fremder gelehrsamkeit dazu kommt was er vaterländisches wuste aufzuzeichnen) eine stelle behalten hat:
imo sint fuoze fuodermâze,
imo sint burste ebenhô forste,
unde zene sîne zuelifelnîge,
seine borsten ragen hoch wie der wald, seine hauer sind zwölf ellen lang. Einen grund der heilighaltung des ebers findet man darin, daß er die erde aufwühlt, und die menschen von ihm das pflügen gelernt haben. Auch die Slaven scheinen solche eber verehrt zu haben: ›testatur idem antiquitas, errore delusa vario, si quando his saeva, longae rebellionis asperitas immineat, ut e mari praedicto (nahe bei Riedergost) aper magnus et candido dente e spumis lucescente exeat, seque in volutabro delectatum terribili quassatione multis ostendat‹. Ditm. merseb. p. 812 [Fußnote].
Nur hausthiere waren opferbar, obgleich nicht alle, namentlich der hund nicht, der sich sonst oft zu dem herrn wie das pferd verhält; er ist treu und klug, daneben aber liegt etwas unedles, unreines in ihm, weshalb mit seinem namen gescholten wird. bemerkenswerth scheint, daß hunde geistersichtig sind (abergl. 1111) und den nahenden gott, wenn er noch menschlichem auge verborgen bleibt, erkennen. als Grîmnir bei Geirröđr eintrat, war ›eingi hundr svâ ôlmr, at â hann mundi hlaupa‹, der könig ließ den schwarzgemantelten fangen, ›er eigi vildo hundar ârâđa‹. Sæm. 39. 40. auch wenn Hel umgeht, merken sie die hunde. dazu stimmt genau der griech. glaube, niemand erschaut die nahende Athene, selbst nicht Telemachos, nur Odysseus und die hunde, Od. 16, 160:
ουδ' άρα Τηλέμαχος ίδεν αντίον, ουδ' ενόησεν,
ου γάρ πω πάντεσσι θεοὶ φαίνονται εναργει̃ς,
αλλ' Οδυσεύς τε κύνες τε ίδονκαί ρ' ουχ υλάοντο [Fußnote]
κνυζηθμω̃ δ' ετέρωσε διὰ σταθμοι̃ο φόβηθεν.
geheul der hunde ist vorbedeutsam (abergl. 493) und zeigt feuer an. dem Ođinn werden hunde beigelegt, Viđris grey Sæm. 151a, auch den nornen (s. 339): norna grey. Sæm. 273a. worauf gründet sich aber die sage des frühen mittelalters von dem h. Petrus und dem hund? der ags. Saturn und Salomon (bei Kemble s. 186) fragen: ›saga me hvilc man êrost være viđ hund sprecende?‹ und die antwort ist: ›ic þe secge, sanctus Petrus‹. Nialssaga cap. 158 p. 275 wird eine formel mitgetheilt, die aus der gewalt der wassergeister rette: ›runnit hefr hundr þinn, Petr postoli, til Rôms tysvar, ok mundi renna it þriđja sinn, ef þu leyfdir‹ [Fußnote].
Unter den wilden waldthieren gab es einige, die der mensch mit scheu betrachtete, denen er ehrerbietung bezeigte: vor allen bär, wolf und fuchs. ich habe dargethan, daß diesen dreien, nach weit und frühe in Europa verbreiteter sitte, ehrende namen beigelegt wurden [Fußnote], und daß unsern ahnen der bär für den könig der thiere galt [Fußnote]. Eine urk. von 1290 (Langs reg. 4, 467) liefert den beinamen ›Chuonrat der heiligbär‹, wozu man den eigennamen Ha lecbern (trad. corb. Wig. § 268) und altn. Hallbiörn, den älteren manns und frauennamen altn. Asbiörn, ags. Osbeorn, ahd. Anspero und altn. Asbirna, ahd. Anspirin (im Walth. Ospirn) und Ospirinberg MB. 28. 2, 123 halte; damals scheint noch unter dem volk sage von der heiligkeit des thiers im gang gewesen. Biörn war ein beiname des Thôrr, und nach der welschen sage wurde könig Artus als bär und gott dargestellt, was man nicht erst aus einer ähnlichkeit des namens mit άρκτος zu leiten hat: der bär am himmel spielt eine große rolle. ein eddischer beiname des bären war Vetrliđi (Sn. 179. 222) hiemem sustinens, weil er über winter schläft und der winter biarnarnôtt hieß, der eigenname gieng auf menschen über, fornm. sög. 2, 202 ein Vetrliđi skâld und 3, 107 ein Vetrliđi, in welchem sich der name seines vaters Asbiörn erneuerte [Fußnote], den mythus von dem weißen bär und dem wichtel habe ich s. 396 nachgewiesen. Es ist nicht zu übersehen, daß einzelne thierfabeln in menschliche mythen verwandelt werden oder umgekehrt, z. b. die rolle des bären oder fuchses auf einen riesen oder den teufel übergeht. so findet sich die ehstnische erzählung von dem mann der mit dem bären rüben und haber auf dem acker baut (Reinhart cclxxxviii) anderwärts von dem teufel. dies in einanderstreifen des thiermärchens und der übrigen traditionen ist neue gewähr für die epische natur jenes. Zwei wölfe, Geri und Freki, waren dem Ođinn heilig, ihnen gab er zu fressen was ihm von speise vorgesetzt wurde (Sn. 4), sie waren gleichsam des gottes hunde (Viđris grey). ich möchte wissen, woher H. Sachs den bedeutenden zug entnommen hat, daß gott der herr der wölfe, als seiner jagdhunde sich bediene [Fußnote]? Ein sohn des Loki, Fenrisûlfr, tritt in wolfgestalt unter den göttern auf; überhaupt kennt unser alterthum keine häufigere verwandlung als die der menschen in werwölfe. Bär und wolf sind sehr oft in wappen aufgenommen, mit ihnen ist eine menge von menschlichen eigennamen zusammengesetzt; keins von beiden findet statt bei dem fuchs. Daher sich auch kaum mit dem fuchs mythische vorstellungen verknüpfen; einige spuren sind Reinh. ccxcvi gewiesen [Fußnote], im kindermärchen (no. 38) werden ihm neun schwänze beigelegt, wie dem Sleipnir acht füße, oder helden und göttern vier arme.
Der Freyja wagen war mit zwei katzen (tveimr köttum) bespannt (s. 254); da altn. fres nicht bloß kater sondern auch bär bedeutet, hat man neulich gar nicht uneben behauptet, köttum könne aus fressum entsprungen, und ein bärengespann der göttin gemeint sein, wie Cybeles wagen löwen zogen (s. 211). vom stiefelkater s. 416. 421, das norweg. märchen in den folkeeventyr no. 29. katze und wiesel gelten für kluge zauberkundige thiere, die man zu schonen ursach hat (abergl. 292) [Fußnote].
Mit den vögeln lebte das alterthum noch vertrauter, und wegen ihrer größeren behendigkeit schienen sie geisterhafter als vierfüßige thiere. ich führe hier mehrere beispiele an, daß man die wilden vögel fütterte. Dietmar von Merseb. erzählt von Mahtildis, Otto I mutter (Pertz 5, 740): ›non solum pauperibus verum etiam avibus victum subministrabat‹, und ebenso heißt es in der vita Mahtild. (Pertz 6, 294): ›nec etiam oblita est volucrum aestivo tempore in arboribus resonantium, praecipiens ministris sub arbores proicere micas panis‹. In Norwegen setzte man julabends den sperlingen kornbüschel aus: juleaften at sette trende kornbaand paa stöer under aaben himmel ved laden og fäehuset til spurrens föde, at de näste aar ikke skal giöre skade paa ageren Hiorthöi Gulbrands dalen. Kb. 1785. 1, 130, es war ein den vögeln gebrachtes opfer, damit sie den fluren nicht schadeten. man entsinnt sich dabei des vermächtnisses für die vögel auf Walthers von der vogelweide grabstein, dessen namen schon pascua avium ausdrückt.
Götter und göttinnen pflegen sich in vögel zu verwandeln, aber auch den riesen war diese gabe eigen. Tarapita, der ehstnische gott, fliegt von einer stätte zu der andern (s. 62), die griechische vorstellung hat geflügelte götter, die jüdische geflügelte engel, die altdeutsche jungfrau mit schwanflügeln. Nordische götter und riesen legen ein adlerkleid, arnarham an (s. 526), göttinnen ein falkenkleid, valsham (s. 251). Der wind wird als riese und adler dargestellt (s. 527), und heilige adler schreien auf den bergen: örn gôl arla, arar gullo. Sæm. 142a 149a. Wolfram denkt sich die erde als einen vogel, wenn er sagt Wh. 308, 27:
sô diu erde ir gevidere rêrt
unde si der meie lêrt
ir mûze alsus volrecken [Fußnote].
Von opferdiensamen hausvögeln, namentlich dem hahn und der gans, sind mir wenig mythische bezüge bekannt. Das feuer wird als rother hahn geschildert (s. 500), H. Sachs sagt: ›den roten han aufs stadel setzen‹. ein dänisches sprichwort: ›den röde hane galer over taget‹ (der rothe hahn kräht auf dem dach, d. h. die flamme prasselt). rothe hähne musten vorzugsweise gezinst (vielleicht, früher geopfert) werden (RA. 376). Völuspâ 54 wird Fialarr aufgeführt, ›fagurrauđr hani‹, im walde singend, goldkammiger hahn erweckt die helden, dunkelfarbiger kräht in der unterwelt. bedeutsam krähen im dän. lied (1, 212) der rothe hahn und der schwarze hahn hintereinander; ein anderes lied (1, 208) fügt noch einen weißen dritten hinzu. Vîđofnir, ein andrer eddischer hahn sitzt auf Mîmameiđr (Sæm. 109a); Finn Magnusen (lex. myth. 824. 1090) vergleicht ihm den hahn, der auf maibäume gesteckt zu werden pflegt. Die Wenden errichteten kreuzbäume, brachten aber, heimlich noch heidnisch gesinnt, zu oberst auf der stange einen wetterhahn an [Fußnote]. In einem märchen (no. 108) sitzt Hansmeinigels hahn auf einem baum des waldes. Ich weiß nicht, wann die goldnen hähne auf kirchthürmen eingeführt wurden, bloße wetterfahnen sollten sie ursprünglich kaum sein. Guibertus in vita sua, lib. 1, cap. 22, gedenkt eines gallus super turri; im beginn des 12 jh. herschte also die sitte in Frankreich, aber schon zwei jahrhunderte vorher im südlichen Deutschland. Eckehard erzählt vom einbruch der Ungern: duo ex illis accendunt campanarium, cujus cacuminis gallum aureum putantes, deumque loci sic vocatum, non esse nisi carioris metalli materia fusum, lancea dum unus, ut eum revellat, se validus protendit, in atrium de alto cecidit et periit (Pertz 2, 105). den Ungern erscheint dieser hahn als gottheit des orts, worin vielleicht noch das zusammentreffen der namen des heiligen Gallus mit dem des vogels bestärkte; sie verlassen sogar aus scheu vor ihm hernach das kloster: monasterio, eo quod Gallus, deus ejus, ignipotens sit, tandem omisso (ibid. 106) [Fußnote]. Tit. 407: ›ûz golde ein ar gerœtet, gefiuret unde gefunkelt ûf ieglich kriuze gelœtet‹. Zwar ist der hahn symbol der wachsamkeit, und dem wächter, damit er alles überschaue, gebührt der höchste standpunkt [Fußnote]; möglich aber wäre, daß die bekehrer einen heidnischen brauch, hähne auf gipfeln heiliger bäume zu befestigen, schonend ihnen auch eine stelle auf kirchthürmen einräumten, und dem zeichen hernach nur allgemeinere deutung unterlegten [Fußnote]
ferunt vagantes daemonas
laetos tenebris noctium
gallo canente exterritos
sparsim timere et cedere. Prudentii hymnus ad galli cantum. 10.
rother und grauer hahn krähen dem geist. minstrelsy 3, 48, auch weißer und grauer. ebenda 2, 468. Eine schwarze henne wird den bergmännlein geopfert s. 843. 844. ein schwarzer, hinkend geborner hahn erlöst ein bezaubertes schloß. Müllenhoff s. 351. aus dem hahnenei wird ein lindwurm. Leoprechting 78. wer dem hahn von den längsten schwanzfedern die rechte auszieht, kann jedes schloß öfnen, das er damit berührt, unsichtbar hineingehn und alles gewahren. Luciani sonmium 28. 29. ein hahn mit weißen federn wird zertheilt und um den weinberg getragen, gegen den wind. Paus. II. 34, 3. heilige hähne erwähnt Athen. 3, 445. Der hahn auf dem thurm wird schon von den mystikern 1, 199 auf den heiligen geist gedeutet. arabisch heißt er abul-jak-sân, vater der wachsamkeit. Fel. Faber evagat. 2, 219 meint: Christiani crucem cum gallo ex institutione prima habent in culminibus suarum ecclesiarum. dagegen haben die Sarazenen: lunam cornutam vel supinam, quia gallus erecto collo et cauda stans speciem habet supinae lunae.
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An der spitze des wilden gevögels steht der adler als könig, und ist des Zeus bote. In unsern thierfabeln scheint der rabe die rolle beider, des wolfs und fuchses zu übernehmen, er besitzt die freßgier jenes neben der klugheit dieses. Gleich den zwei wölfen sind auch zwei raben, Huginn und Muninn, Ođins beständige begleiter (s. 122); ihre namen drücken denkkraft und erinnerung aus: sie tragen ihm nachricht von allen ereignissen zu [Fußnote]. man vergleiche den klugen sperling (spörr) des nord. königs Dag. (Yngl. saga 21), der ihm aus allen ländern nachricht zuträgt und dessen tod er durch heerzug rächt. verschiedentlich scheinen diese odinischen vögel in den sagen erwähnt, z. b. Olaf Tryggv. cap. 28 bezeugen schreiende raben, daß Ođinn das dargebrachte opfer annimmt. zwei raben fliegen mit einem mann den ganzen tag. Nialss. 119. ebenso geleiten den heil. Gregor drei fliegende raben (Paul. Diac. 1, 26). In den schönen mythus von könig Oswald greift der rabe, dem sein gefieder mit gold bewunden wird (vgl. den falken Ms. 1, 38b) wesentlich ein; er hat nichts von der bösen teuflischen natur, die hernach diesem vogel beigelegt wird. Characteristisch ist auch, daß der von Noah aus der arche gesandte rabe, von welchem es gen. 8, 7 bloß heißt καὶ εξελθὼν ουκ ανέστρεψεx, in der deutschen wiedererzählung sich auf einem as niederläßt. Cædm. 87, 11. Diut. 3, 60. König Artus, den wir vorhin als bären fanden, soll in einen raben verwandelt worden sein: ›que anda hasta ahora convertido en cuervo, y le esperan en su reyno por momentos‹. don Quixote 1, 49. In volksliedern versehen vögel gewöhnlich botendienst, sie bringen kunde von dem was vorgegangen ist und werden mit meldungen entsendet. böhm. sagt man: etwas vom vogel erfahren (dowěděti se po ptačku) [Fußnote].
In den sagen reden vögel untereinander von dem geschick der menschen und weissagen. raben verkündigen dem blinden das mittel, wodurch er wieder zu seinen augen gelangt (KM. no. 107), hausvögel besprechen sich von dem bevorstehenden untergang der burg (deutsche sag. 1, 202). Ein weiser vogel (fugl frôđhugađr) wird in der Helgaqviđa (Sæm. 140. 141) redend und weissagend eingeführt und er fordert, wenn er mehr aussagen solle, von dem menschen opfer und tempel. nach einer deutschen sage erwirbt sich der mensch das verständnis der vögelsprache durch den genuß einer weißen schlange (KM. no. 17). Sigurđr versteht sie, sobald des drachen Fafnir herzblut von den fingerspitzen auf seine zunge kommt: es sind schwalben (igđor), die ihm rathschlag ertheilen (Sæm. 190. 191). Schwalben zu tödten bringt unheil, nach abergl. 378 verursacht es vierwochenlangen regen; ihre nester an den häusern wagt niemand auszustoßen. aus Saxos (p. 327) bericht von der eichnen bildseule des Rugivit darf man schließen, daß die Slaven ruhig daran die schwalben nisten ließen [Fußnote].
Die mythische eigenheit des schwans bekundet die sage von den schwanfrauen (s. 354) und von des sterbenden thiers gesang [Fußnote]. Auch der storch galt für unverletzbar, gleich den schwalben ist er frühlingsbote; sein dichterischer name muß ins heidenthum zurückreichen, widerstrebt aber noch den deutungen. die ahd. glossen geben odebero (Graff 3, 155) udebero (sumerl. 12, 16) otivaro, odebore (fundgr. 1, 386) odeboro (gl. Troß); mhd. adebar (nur Diut. 3, 453); mnd. edebere (Bruns beitr. 47) adebar (Reinke 1777. 2207); mnl. odevare, hodevare (Rein. 2316. Clignett 191); nnl. ôyevâr; nnd. êber, äbêr, atjebar; im ags. und nord. nichts ähnliches. bero oder boro ist träger, aber das erste wort, solange man der quantität des vocals unsicher bleibt, läßt sich schwer erklären, zwischen glückbringer (von ôt opes) und kindbringer wäre die wahl, doch das letzte stimmt zu dem noch allgemein herschenden volksglauben, daß der storch die neugebornen kinder zutrage. neben dem alts. partic. ôdan genitus, ags. eáden, altn. auđinn müste sich ein subst. ôd, eád (proles) erweisen und alles wäre in ordnung. der prosaische ausdruck ahd. storah, ags. storc, altn. storkr mag gleich alt sein. nach fries. volksglauben treten wandlungen des storchs in mensch und des menschen in storch ein. ein lied Wolframs 5, 21 versichert, der storch schade den saaten nicht [Fußnote].
Altlat. völkern war der specht heilig, er galt für den vogel des Mars, ’Άρεος όρνις; den Sabinern weissagte ein auf hölzerner seule (επὶ κιόνος ξυλίνου) stehender specht im hain bei Matiena (oder Matiera Dion. hal. 1, 14. Reiske p. 40), einst hatte er sie den weg geführt, ώρμηνται οι Πικεντι̃νοι δρυοκολάπτου τὴν οδὸν ηγεσαμένου (Strabo V p. 240). für Romulus und Remus, als der wölfin milch nicht genügte, trug er andere nahrung herbei (Ovid. fast. 3, 37. 54 vgl. Niebuhr 1, 245). Nach Virg. Aen. 7, 189. Ovid. metam. 14, 321 war Picus sohn des Saturn, vater des Faunus [Fußnote], und wurde in den vogel verwandelt. Wie unsere dichtung von Beovulf (bienenwolf, d. i. specht) diesem Picus verwandt scheine ist s. 306 angedeutet. In Norwegen heißt der rothhaubichte schwarzspecht Gertrudsvogel und ein märchen bei Asbiörnsen und Moe (no. 2) erläutert seinen ursprung: als unser herrgott mit Petrus auf der erde wandelte, kamen sie zu einer frau, welche saß und buk, sie hieß Gertrud und trug eine rothe haube auf dem kopf. müde und hungrig von dem langen weg bat sie unser herr um ein stück kuchen. sie nahm ein wenig teig und setzte ihn auf, er wuchs so hoch, daß er die ganze pfanne füllte. da meinte sie, der kuchen sei für ein almosen zu groß, nahm weniger teig und begann zu backen, doch auch dieser kuchen erlangte dieselbe größe und sie weigerte ihn wiederum zu geben, nahm zum drittenmal noch weniger teig und da der kuchen dennoch ebenso groß aufschoß, sagte Gertrud, ›ihr müßt ohne almosen gehn, all mein gebäck wird zu groß für euch.‹ Da zürnte unser herr und sprach: ›weil du mir nichts gönnst, sollst du zur strafe ein kleiner vogel werden, dein dürres futter zwischen holz und rinde suchen und nicht öfter trinken, als wann es regnet‹. kaum waren diese worte ausgesprochen, so wandelte die frau sich in den Gertrudsvogel und flog den küchenschornstein hinaus, und noch heute sieht man sie mit ihrer rothen haube, ganz schwarz am übrigen leib, weil die ofenröhre sie schwärzte; beständig hackt sie in die baumrinde nach futter und pfeift gegen das regenwetter, denn sie dürstet immer und hoft zu trinken [Fußnote]. Der grünspecht heißt auch gießvogel, östr. gißvogel (Stelzhamers lieder s. 19. 177), goißvogel (Höfer 1, 306), niederd. gütvogel, gietvogel, gütfugel (Ehrentr. 1, 345.) engl. rainbird, rainfowl, weil sein geuß! gieß! giet! lautender ruf regenguß verkünden soll. von ihm ist eine merkwürdige sage verbreitet. als gott der herr, bei erschaffung der welt, durch die thiere einen großen brunnen (teich) graben ließ, enthielt sich dieser vogel aller arbeit, aus furcht sein schönes gefieder (seine gelben füße) zu besudeln. da bestimmte gott, er solle nun auch bis in ewigkeit aus keinem brunnen (teiche) saufen: deshalb sieht man ihn immer nur aus holen steinen oder wagenspuren, in denen sich regenwasser gesammelt hat, mühsam picken. wenn aber lange kein regen fiel und trockne zeit ist, dürstet ihn heftig und ununterbrochen hört man ihn sein ängstliches giet! schreien, und der liebe gott erbarmt sich und gießt regen. (Reusch in den preuß. provinz. bl. 26, 536 aus dem Samland.) Fählmann theilt in den Dorpater verhandl. 1, 42 einen esthnischen mythus mit: gott ließ den Embach graben (oben s. 498) und stellte alle thiere ans werk; der pfingstvogel aber flog unthätig von ast zu ast und pfif sein lied. da fragte ihn der herr: hast du sonst nichts zu thun, als dich zu zieren? ›die arbeit‹, antwortete der vogel, ›ist schmutzig, ich kann meinen goldgelben rock, meine silbernen hosen nicht preisgeben‹. ›du kleidernarr‹, rief der herr, ›von nun an sollst du schwarze hosen tragen und deinen durst nie aus dem bach löschen, sondern die tropfen von den blättern trinken und sollst dein lied nur anstimmen, wenn alle andern geschöpfe vor dem nahenden sich verkriechen.‹ Offenbar ist der norweg. Gertrudsvogel, der durstig den regen anpfeift, identisch, und andere erzählungen werden den gießvogel aus der verwandlung eines eiteln, trägen menschen deuten. Zuweilen wird unter gießvogel, gießer, wasservogel, pfingstvogel, regenpfeifer nicht der specht verstanden, sondern eine schnepfe (Höfer 1, 306. 341), deren ruf wiederum auf gewitter deutet (s. 153) oder der brachvogel (numenius arquata), franz. pluvier (pluviarius), böhm. koliha, poln. kulig, kullik, niederd. regenwolp, waterwolp (brem. wb. 5, 286). In unsern thierfabeln bleibt sonst der specht ohne rolle, nur in einer alles zusammenhangs entbehrenden erzählung (Reinh. 419) wird er mit dem wolf sich unterredend aufgeführt. Die Wotjaken erzeigen dem baumhackenden specht göttliche ehre, damit er ihren wäldern nicht schade [Fußnote]. den Serben heißt das geschrei des baumhackenden spechts (zhunja) [Fußnote] klitschi, kliknuti, kliktati, gleich dem der vila (oben s. 362). baumklopfende spechte zeigen den weg zum fluß (Igorlied 79); die alte sage vom specht und der springwurzel wird in cap. XXXII erörterung finden [Fußnote]. Die elster (pica) ist ein dem specht (picus) nahstehender vogel. ihr altn. name lautet skađi, nach Biörn masc., schwed. skata, dän. skade was mit der abstracten bedeutung damnum zusammengenommen werden darf, ahd. scado; zu eingang der Völsunga saga begegnet ein mann namens Skađi, welchen F. Magnusen (lex. 699) für die göttin Skađi erklärt. In der flandrischen thiersage hieß die elster ›ver Ave‹, frau Ave. In Poitou dauert noch eine spur des elstercultus fort, auf den gipfel eines hohen baums wird ein strauß von heide und lorbeer der elster zu ehren angebunden, weil sie den einwohnern durch ihr geschrei den nahenden wolf anzeigt: porter la crêpe à la pie. (mém. des antiq. 8, 451.)
In altböhmischen liedern ist der sperber (krahui, krahug) ein heiliger vogel und wird im götterhain gehegt (königinh. hs. 72. 80. 160). auf den ästen der eiche, die aus dem grabe des erschlagenen sprießt, sitzen heilige sperber, und verkünden geschehnen mord [Fußnote]
Die eule weissagt s. 950. sie war den Griechen heilig, als nächtlicher siegesvogel der Athene vogel. auch die Indianer verehrten sie. Klemm 2, 164. vgl. auch das esth. tharapila s. 62 ohreule. runen zeichnete man: â nefi uglo Sæm. 196a wie â arnar nefi. ebenda. über strix στρίγξ s. 873.
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Keinem andern vogel wird aber allgemeiner die gabe der weissagung beigelegt als dem kukuk [Fußnote], dessen laute, gemessene stimme im neubelaubten hain erschallt. Den beginn des lenzes drückt im altdeutschen recht die formel aus ›wann der gauch guket‹ (RA. 36), wie nach Hesiods hauslehren der rufende kukuk die zeit des fallenden saatregens verkündet. Zwei alte lieder schildern des frühlings und winters wettstreit über den kukuk, und der hirten klage um ihn: der frühling preist, die tarda hiems schilt den vogel, hirten stellen ihn als geraubt oder ersäuft dar, merkwürdig ist die zeile:
tempus adest veris, cuculus modo rumpe soporem [Fußnote].
Er kündigt durch seinen ruf die lieblichste zeit des jahres an, daß er den menschen weissage wird hier nicht gesagt. das jahr verkünden (jahr bieten) schreibt auch der ags. cod. exon 146, 27 diesem vogel zu: ›geácas gear budon‹, cuculi annum nuntiavere. Noch jetzt aber dauert der volksglaube, wer im frühling zum erstenmal das schreien des kukuks vernehme, könne von ihm die zahl seiner übrigen lebensjahre erfragen (abergl. 197. schwed. 119. dän. 128. 146). in der schweiz rufen die kinder ›gugger, wie lang lebi no?‹ in Niedersachsen:
kukuk vam häven,
wo lange sall ik leven?
und dann gibt man acht und zählt: wie vielmal der vogel nach der anfrage ruft, soviel jahre sind dem fragenden übrig zu leben (Schütze holst. idiot. 2, 363). In andern gegenden [Fußnote] lautet der spruch:
kukuk, beckenknecht,
sag mir recht,
wie viel jahr ich leben soll? [Fußnote]
der vogel, wird erzählt, sei ein verwünschter becker oder müllerknecht, und trage darum fahles, mehlbestaubtes gefieder. in theurer zeit habe er armen leuten von ihrem teig gestolen, und wenn gott den teig im ofen segnete, ihn herausgezogen, bezupft und jedesmal dabei gerufen ›gukuk!‹ (ei sieh!), darum strafte ihn gott der herr und verwandelte ihn in einen raubvogel, der unaufhörlich dieses geschrei wiederholt [Fußnote]. Gewis wurde die sage, die uralt sein mag und der vom specht (s. 561) gleicht, früher ganz anders erzählt. vgl. cap. XXII Plejaden. mit jener theuerung kann zusammenhängen, daß des kukuks ruf, wenn er noch nach Johannis vernommen wird, theuerung bedeute (abergl. 228).
In Schweden weissagt er ledigen mädchen, wie viel jahre sie unverheiratet bleiben sollen:
gök, gök, sitt på quist
säg mig vist,
hur många år
jag ogift går?
ruft er öfter als zehnmal, so sprechen sie, er sitze ›på galen quist‹, auf einem närrischen (verzauberten) zweige, und achten seiner prophezeiungen nicht. Auch soll auf die himmelsgegend viel ankommen, aus welcher man den kukuk zuerst hört. man muß im frühling genau acht geben: hört man ihn von norden (d. h. der unglücklichen seite), so wird man des jahrs trauer haben, von osten und westen bedeutet sein ruf glück, von süden her ist er der butterausrufer: ›östergök är tröstegök, vestergök är bästagök, norrgök är sorggök, sörgök är smörgök‹ [Fußnote].
In Goethes frühlingsorakel verkündet der prophetische vogel einem verliebten paar nahende hochzeit und zahl der kinder.
Auffallend genug, daß unsere liederdichter des 13 jh. den kukuk nicht wahrsagend einführen, die sache war ohne zweifel damals allgemein bekannt, denn auch im Renner heißt es 11340
daz weiz der gouch, der im für wâr
hât gegutzet hundert jâr.
Caesarius heisterbac. 5, 17: narravit nobis anno praeterito (? 1221) Theobaldus abbas eberbacensis, quod quidam conversus, cum nescio quo tenderet et avem, quae cuculus dicitur a voce nomen habens, crebrius cantantem audiret, vices interruptionis numeravit, et viginti duas inveniens, easque quasi pro omine accipiens pro annis totidem vices easdem sibi computavit: ›eia‹ inquit ›certe viginti duobus annis adhuc vivam, ut quid tanto tempore mortificem me in ordine? redibo ad seculum, et seculo deditus viginti annis fruar deliciis ejus, duobus annis, qui supersunt, poenitebo‹. Im couronnemens Renart vernimmt der fuchs des vogels stimme und legt ihm die frage vor:
a cest mot Renart le cucu
entent, si jeta un faus ris,
›jou te conjur‹, fait il ›de cris,
215 cucus, que me dies le voir,
quans ans jai à vivre? savoir
le veil‹ [Fußnote], cucu, en preu cucu,
et deus cucu, et trois cucu,
quatre cucu, et cinc cucu,
220 et sis cucu, et set cucu,
et uit cucu, et nuef cucu,
et dis cucu, onze cucu,
duze cucu, treize cucu.
atant se taist, que plus ne fu
225 li oisiaus illuec, ains s'envolle;
erfreut bringt Renart seiner frau die nachricht, daß ihm der vogel noch ›treize ans d'aé‹ zugesprochen habe [Fußnote].
Vielleicht ist der kukuk unter dem zîtvogel gemeint, von dem es Ms. 1, 88a heißt: ›diu vröide vlogzet gelîch dem zîtvogel in dein neste‹. wenigstens führt mich darauf eine stelle des Plinius, die überhaupt hieher gehört, im aequinoctium vernum soll der landmann alle verspäteten arbeiten schnell vornehmen: ›dum sciat inde natam exprobrationem foedam putantium vites per imitationem cantus alitis temporarii, quem cuculum vocant. dedecus enim habetur opprobriumque meritum, falcem ab illa volucre in vite deprehendi, ut ob id petulantiae sales etiam cum primo vere ludantur‹.
Die freude über des kukuks ersten ruf drückt ein schweizerischer spruch (Tobler 245b) so aus:
wenn der gugger chond gegugga ond s merzaföli lacht,
denn wötti gad goh lo, 'swit î koh möcht,
man wähnt, daß er nie vor dem dritten april und nie nach Johannis rufe:
am dretta abarella
moß der gugger grüena haer sbhcnella;
er könne aber nicht rufen, eh er ein vogelei gefressen habe. hat man, wenn sein ruf zuerst erschallt, geld im sack, so reicht man das ganze jahr gut aus, hat man aber keins im sack, so mangelt es das ganze jahr (abergl. 374), und war man nüchtern, muß man das ganze jahr hungern. wenn der kukuk dreimal satt kirschen gegessen hat, hört er auf zu singen. weil des kukuks ruf um Johannis verstummt, nimmt der volksglaube an, daß er sich nach dieser zeit in einen habicht wandle. Reusch n. pr. prov. bl. 5, 338. 339.
Den Polen heißt der vogel 'ze'zula, den Böhmen žežhule (beidemal fem.). in der altpoln. chronik des Prokosz [Fußnote], p. 113 der lat. ausg., findet sich folgende merkwürdige erzählung von dem cultus des slav. gottes Zywie: divinitati Zywie fanum exstructum erat in monte ab ejusdem nomine Zywiec dicto, ubi primis diebus mensis maji innumerus populus pie conveniens precabatur ab ea, quae vitae [Fußnote] auctor habebatur, longam et prosperam valetudinem. Praecipue tamen ei litabatur ab iis, qui primum cantum cuculi audivissent, ominantes superstitiose, tot annos se victuros, quoties vocem repetiisset. Opinabantur enim supremum hunc universi moderatorem transfigurari in cuculum, ut ipsis annuntiaret vitae tempora: unde crimini ducebatur, capitalique poena a magistratibus afficiebatur qui cuculum occidisset. Hier ist der weissagende vogel ein verwandelter gott, wie er in jenem sächsischen reim kukuk ›vam häven‹ hieß.
Den serbischen haiduken bedeutet es unheil, wenn die kukavitza früh erscheint und aus dem schwarzen walde ruft; aber glück, wenn sie aus grünem walde schreit (Vuk s. v.).
Im eddischen Grottasang wird den malmägden nicht länger ruhe und schlaf gestattet, als während der kukuk schweigt (enn gaukrinn þagđi).
Er kann glück und unglück weissagen; man soll sich gegen ihn (wie gegen andere zaubervögel, eule und elster) mit worten und fragen hüten, daß man sich nicht verstricke [Fußnote]. Ihn ohne ursach zu tödten bringt gefahr, sein anhang könnte es rächen. Er vermag die menschen zu necken, zu bethören, das nennt der schwedische aberglaube dåra, der dänische gante. In einem mhd. gedicht (fragm. 38b):
peterlîn und louch
hât begucket mit der gouch.
Sein erscheinen ist oft böser vorbedeutung. Paulus Diac. 6, 55 meldet von dem langobardischen könig Hildeprand: cui dum contum, sicut moris est, traderent, in ejus conti summitate cuculus avis volitando veniens insedit. tunc aliquibus prudentibus hoc portento visum est significari ejus principatum inutilem fore. [Fußnote]
The cuckoo's a fine bird,
she sings as she flies,
she brings us good tidings
and tells us no lies.
She sucks the small bird's eggs
to make her voice clear;
and the more she sings: ›Cuckoo!‹
the summer draws near.
The cuckoo comes in april,
stays the month of may,
sings a song at midsummer,
and then a goes away.
ein ukrain. lied vom kukuk bei Bodenstedt 57. nach einem deutschen liede des 16. jahrh. hat sich der kukuk zu tod gefallen von einer hohen weide. wie den Polen, war der kukuk auch den Neuseeländern ein gott (catua). Klemm 4, 371.
Wie jene slavische allernährende lebensgottheit gestalt des kukuks an sich nimmt, hat sich auch der griech. Zeus in ihn verwandelt, als er zuerst der Here naht. Der göttin sitzendes bild zeigt einen kukuk auf dem stab, ein die hochzeitsprocession des Zeus und der Here vorstellendes basrelief läßt auf des Zeus (wie auf jenes langobardischen königs) zepter einen kukuk sitzen [Fußnote]; dieser vogel ist also in die vorstellung der heiligsten ehefeier verflochten, man begreift, warum er verheiratung und ehesegen weissagt. Der berg aber, auf welchem Zeus und Here zusammenkamen, früher Θρόναξ (von θρόνος, sitz des donnerers? vgl. oben s. 152) oder Θόρναξ geheißen, erhielt nachher den namen όρος κοκκύγιον [Fußnote]. Kukuksberge haben wir nun auch in Deutschland, z. b. unweit Kreuznach liegt ein Gauchsberg (Widders Pfalz 4, 36), ebenso bei Durlach und Weinsberg (Mones anz. 6, 350), in der Schweiz ein Guggisberg (Joh. Müller, 1, 347. 2, 82 Tschachtlan p. 2), Göckerliberg (Km. no. 95); die benennung würde sich ganz natürlich aus dem rufen des vogels, das vom berg her vernommen wird, erklären, wenn nicht auch noch andere überlieferungen damit zusammenhiengen. Freidank 82, 8 und fast ebenso Bonerius 65, 55
wîsiu wort unt tumbiu werc
diu habent die von Gouchesberc;
hier werden die leute vom Gauchsberg als weise redend aber einfältig handelnd dargestellt, Gauchsberg ist gleichviel mit Narrenberg [Fußnote]. schon im zehnten jh. hat gouh die nebenbedeutung von narr (N. ps. 48, 11. 93, 8. urheizkouh N. Bth. 175, kriegsnarr), und so überall im dreizehnten (Walth. 22, 31. Trist. 8631. 18215), obgleich gewöhnlich noch ein adj. oder ein gen. pl. beigefügt steht: ich tumber gouch MS. 1, 65a tumber denn ein gouch Troj. 8126 tumber gouch Barl. 319, 25 gouch unwîse Barl. 228, 32 sinnelôser gouch 319, 38. der treit gouches houbet MsH. 3, 468g, rehter witze ein gouch MS. 2, 124b, der mære ein göichelîn Ben. 209, wo auch das augmentativ gouchgouolt. Altn. gaukr zugleich arrogans morio. H. Sachs verwendet einigemal Gauchberg [Fußnote] in gleichem sinn, II. 4, 110d (Kempten II. 4, 220a) ausz. von Göz 1, 52. Dennoch mag bei Gauchsberg ursprünglich an den vogel selbst in einer uns jetzt verdunkelten ominosen bedeutung gedacht worden sein [Fußnote] [Fußnote].
Der kukuk steht auch sonst in üblem ruf, er gilt für einen ehbrecher, der seine eier in fremde nester lege, weshalb den Römern cuculus gleichviel mit moechus war (Plautus, schlußscene der Asinaria, zweimal) und in unserer sprache vor alters gouch, göuchelîn unechtes kind, bastard ausdrückt (Nib. 810, 1. Aw. 1, 46). in der schweiz heißt gugsch ein ungebetener nebenbuhler bei der liebsten. Ja er erscheint als teuflisches thier oder als teufel selbst in den allgemein hergebrachten redensarten: daß weiß der kukuk! des kukuks werden, der kukuk hat ihn hergebracht, und ähnlichen, wo überall, mit gleicher bedeutung, teufel gesetzt werden könnte. Dies scheint mir auf alte, heidnische traditionen hinzuweisen, denen allmälich erst der teuflische anstrich gegeben wurde; dahin zähle ich auch die in Niedersachsen verbreitete formel ›der kukuk und sein küster‹. unter diesem küster wird, nach brem. wb. 2, 858, der wiedhopf gemeint, ein vogel, der gleichfalls durch verwandlung seine gestalt erhalten haben soll. näher vermag ich die fabel vom kukuk und wiedhopf nicht anzugeben, singt dieser jenem vor? nach Döbel I 1, 68 ist der wiedehopf des kukuks lakai, weil er im frühjahr mit ihm kommt und im herbst mit ihm geht [Fußnote]
sô der gouch daz êrste loup gesiht,
sô getar er sichs gesaten niht,
er vürht es im zerinne. Freid. 88, 3.
ausführlicher im welschen gast 114a. vgl. Freid. LXXXVII. Skr. heißt der kukuk: ab alio nutritus. Bopps gl. 209b. gothl. gaukpigä, en fågel som tros ligga ut gökens ägg. Almqv. 425b. er frißt der graßmücke eier und legt ihr seine ins nest. Freidanc 143, 21. 144, 1–10. diese annahme ist in der naturgeschichte begründet. Döbel 1, 60. Schuberts lehrb. p. m. 315. Eckermanns gespr. mit Göthe 3, 211–215. wenn er ausgewachsen ist, soll er seine (pfleg)eltern verschlucken; ebenda 208, und winters wird er ein raubvogel. schon in älteren redensarten erscheint er als teufel: kukuk hiure unde vert! Helbl. 4, 800. des wirt guot rât, kukuk! 8, 1234. die dienende stellung beim kukuk nimmt statt des wiedehopfs der drehhals ein, finn. käen piika, cuculi ancilla, nach Renvall jynx torquilla, nach Juslen curruca. der drehhals soll nach Nemnich s. v. jynx dem kukuk 14 tage voraus gehn. schwed. göktyta, welsch gwas y gog, diener des kukuks. Rohrdommel und wiedehopf waren vormals kuhhirten. Lisch meklenb. j. 5, 77. der kibitz, kivit, der im märchen vom machandelboom vorkommt, heißt bei Stalder 1, 448 giritz. im giritzeried fliegen verwandelte jungfrauen. sagen vom lapwing in Nares glossary s. v. Polytrichum comm. heißt finn. käen petkel (cuculi securis), gauchheil, das nicht bei Graff steht und sonst auch hünerdarm, morsus gallinae genannt wird, heißt mnl. guychelhoyl. Mone 6, 448.
. Von dem kibitz gehen ähnliche sagen und redensarten.
Der schaum auf weiden, den die cicada spumaria hervorbringt, heißt kukuksspeichel, schweiz. guggerspeu, engl. cuckowspit, cuckoospittle, dän. giögespyt, anderwärts hexenspeichel, norweg. troldkiäringspye [Fußnote], also auch hier berührung des vogels mit zauberischem wesen, man entsinnt sich dabei des vogelspeichels (fugls hrâki), der nach Sn. 34 mit zum band Gleipnir gebraucht wurde. Einige pflanzennamen versichern uns seiner mythischen natur. acetosa: ahd. gouchesampfera, schweiz. guggersauer, ags. geâcessûre, dän. giögemad, giögesyre, man glaubte, daß er sie gern fresse; nhd. kukuksbrot, gauchlauch, franz. pain de coucou, panis cuculi. wiesenkresse: kukuksblume, gauchblume, flos cuculi. anagallis: gauchheil u. s. w. guckgauchdorn Fischart geschichtskl. 269a.
Den Slaven hat der vogel, den sie stets weiblich vorstellen, nichts böses, nichts teuflisches. zezhulice klagt auf der eiche über des frühlings vergänglichkeit (königinh. hs. 174). Die serbische kukavitza war eine jungfrau, welche ihres bruders tod so lange beweinte, bis sie in den vogel verwandelt wurde; ›sinja kukavitza‹ (die graue) Vuk 3, 66; drei frauen in kukavitzen gewandelt, Vuk 1, no. 321. auch in kleinrussischen liedern vogel der trauer und schwermut, und russische volkssagen lassen wiederum ein junges mädchen durch eine zauberin verwandelt werden (Götzes serb. lieder s. 212).
Von den kleinen vögeln wurde der schwalbe schon s. 560 gedacht. an frau nachtigall erinnern die minnesänger oft, aber der mythus, daß sie ihre todtgebornen kinder lebendig singe, scheint nicht deutschen ursprungs. lerche und galander werden in der thiersage öfter aufgetreten sein, als wir jetzt wissen, vom zaunkönig, ags. vrenna, engl. wren, gehn schöne märchen. doch sind noch zwei vöglein anzuführen, die mir vor alters in hoher heiligkeit gestanden zu haben scheinen: rothkelchen und meise.
Dem rothkelchen (engl. little Robin redbreast) soll niemand sein nest stören, sonst schlägt das wetter ins haus; den blitz zieht das nest des rothschwänzchens heran. letzteres heißt in der Schweiz husrötheli, plagt oder nimmt man es aus, so geben die kühe rothe milch (Tobler 281). waren sie dem Donar heilig, dem rothbärtigen? und geht darauf die rothe farbe der kehle und des schweifs? man sagt, das rothkelchen trage blumen und blätter auf das gesicht eines erschlagenen, den es im walde finde. that es das im dienste eines gottes, der nicht litt, daß man ihm schaden zufüge?
Von der kleinen meise [Fußnote], die er gevatterin nennt, muß sogar Reinhart sich überlisten lassen. in welchem ansehn dieses waldvöglein stand lehren die weisthümer, welche auf seinen fang die höchste buße setzen: item si quis sibilando vel alio modo volucrem illum ceperit, qui vulgo meise nuncupatur, banni reus erit. jura archiep. trever. in Lacombl. arch. 326; si quis auceps hanc silvam intraverit, pro nullo genere volucrum componet, nisi capiat meisam que dicitur banmeisa, et pro illa componat 60 sol. tanquam pro cervo. ibid. 367; wer da sehet ein bermeisen, der sal geben ein koppechte hennen und zwelf hunkeln und sechzig schilling pfenning und einen helbeling. Dreieicher wildbann (weisth. 1, 499); wer eine kolmeise fienge mit limen ader mit slagegarn, der sal unserme herrn geben eine falbe henne mit sieben hünkeln. (Rheingauer w. 1, 535); wer ein sterzmeise fahet, der ist umb leib u. guet und in unsers herrn ungnad. Creuznacher w. (2, 153.) Der grund dieser gesetze entgeht uns, offenbar achtete man den vogel für heilig und unverletzlich. dazu stimmt aber vollkommen, daß noch die heutigen Letten dies von ihnen sihle [Fußnote] genannte vöglein für weissagend und glückbringend halten, und selbst ein wahrsager ihnen sihlnecks heißt [Fußnote]. auch die span. benennung der meise cid (d. i. herr) oder cid paxaro (herr sperling) ist zu erwägen. meise, zaunkönig und specht (bienenwolf) mengen sich im volksglauben, es gilt dem allerkleinsten, zierlichsten vogel [Fußnote].
Schlangen scheinen durch die schönheit ihrer form, die gefahr ihres bisses vor andern thieren scheu und ehrfurcht zu gebieten; eine menge sagen erzählt von vertauschung der gestalt zwischen menschen und schlangen: hierin liegt fast untriegliches zeichen des cultus. wesen, die aus menschlicher in thierische bildung übergegangen sind und den umständen nach in jene zurückkehren können, ist das heidenthum heilig zu halten geneigt, es verehrte gütige, wolthätige schlangen, während in der christlichen ansicht der begrif böser und teuflischer schlangen vorwaltet.
Dieselbe vita Barbati, der wir kunde des langobardischen baumcultus verdanken (s. 541), meldet zugleich von einer schlangenverehrung: bis vero diebus quamvis sacra baptismatis unda Langobardi abluerentur, tamen priscum gentilitatis ritum tenentes, sive bestiali mente degebant, bestiae simulachro, quae vulgo vipera nominatur, flectebant colla, quae debite suo debebant flectere creatori . . . . . . . . practerea Romuald ejusque sodales, prisco coecati errore, palam se solum deum colere fatebantur, et in abditis viperae simulachrum ad suam perniciem adorabant. Barbatus in des königs abwesenheit ersucht Theodorada, Romualds gemahlin, ihm das schlangenbild zu verschaffen. illaque respondit: ›si hoc perpetravero, pater, veraciter scio me morituram‹. er läßt aber nicht ab und bewegt sie endlich; sobald das bild in seinen händen ist, schmelzt er es ein und übergibt die masse goldschmieden, um schüssel und kelch daraus zu fertigen [Fußnote]. Aus diesen goldgefäßen wird dem könig nach seiner heimkehr das christliche sacrament gereicht, und Barbatus gesteht ihm, daß das kirchengeräth aus dem eingeschmolznen bild geschmiedet sei. repente unus ex circumstantibus ait: ›si mea uxor talia pepetrasset, nullo interposito momento abscinderem caput ejus‹. Aus der andern vita gehört noch diese stelle hierher: quin etiam viperam auri metallo formatam summi pro magnitudine dei supplici devotione venerari videbantur. unde usque hodie, sicut pro voto arboris votum, ita et locus ille census, devotiones [Fußnote] ubi viperae reddebantur, dignoscitur appellari. Über votum habe ich mich s. 542 erklärt, census drückt das goth. gild, gilstr, ahd. këlt, këlstar aus (oben s. 31 und RA. 358). beide wörter votum und census zeugen nicht wenig für die echtheit und das alter der lebensbeschreibung. Hier haben wir nun ein merkwürdiges beispiel eines aus gold geschmiedeten götzenbilds und wiederum das bestreben des bekehrers, den heiligen stof beizubehalten, aber in christliche form umzugestalten. Welches höhere wesen die Langobarden sich unter der schlange vorstellten? ist kaum sicher zu bestimmen, nicht die alles umschlingende weltschlange, den midgarđsormr, iörmungandr der nordischen mythologie, denn keine spur verräth, daß dieser im Norden selbst, geschweige anderswo, bildlich dargestellt und verehrt wurde. Ofnir und Svâfnir sind altn. schlangeneigennamen und Ođins beinamen (vgl. s. 119), unter dem summus deus der Langobarden wäre also an Wuotan zu denken? doch die eigenthümlichen verhältnisse ihres schlangencultus entgehn uns gänzlich. Wenn der ausdruck vipera, wie ich nicht zweifle, mit bedacht gewählt ist, kann nur eine kleinere schlangenart (coluber berus), ahd. natara, ags. nädre, altn. nađra (aber goth. nadrs, altn. nađr auch masc.) verstanden werden, wiewol das simulacrum, aus dessen gold sich schüssel und kelch schmieden ließen, falls es nicht wuchs, auf bedeutendere größe hinweist.
Die langobardische sage erzählt aber sonst noch von schlangen, und gerade von kleinen. im heldenbuch wird der kampf eines feuerspeienden thierleins am Gartensee (lago di Garda) mit einem löwen und Wolfdieterich, denen beiden es zu schaffen macht, geschildert:
nun hörent durch ein wunder, wie das tierlein ist genant:
es heißt zu welsch ein zunder, zu teusch ein saribant,
in Sittenland nach eren ist es ein vipper genant,
und weiter folgt, daß immer nur zwei solcher vipern leben, indem die jungen bald nach der geburt ihre eltern auffressen. dies stimmt nahe zu den angaben im physiologus (Diut. 3, 29. 30. Hoffm. fundgr. 28). zunder weiß ich aus keiner italienischen mundart zu erklären, saribant ist das mhd. serpant Trist. 8994. Sittenland halte ich für Walliserland, dessen hauptstadt Sitten, hier konnte leicht das romanische vipera im gebrauch bleiben (graubündn. vipra, vivra). Im Jura heißt eine geflügelte unsterbliche schlange mit diamantnem auge vouivre (vipera). mém. des antiq. 6, 217. diese schlange heißt in der Schweiz stollenwurm (Wyß reise ins Berner oberland s. 422), im Salzburgischen birgstutze (Schmeller 1, 196). [Fußnote]
Von hausschlangen und unken [Fußnote] gehen noch jetzt viel überlieferungen. Auf wiesen und weiden, auch in häusern kommen schlangen zu einsamen kindern, saufen mit ihnen milch aus der schüssel, tragen goldkronen, die sie beim milchtrinken vom haupt auf die erde niedersetzen, und manchmal beim weggehn vergessen; sie bewachen die kinder in der wiege und den größeren weisen sie schätze: sie zu tödten bringt unglück. jedes dorf weiß von eignen schlangen. so wird in Schwaben erzählt. hessische sagen sind kinderm. no. 105 gesammelt, eine östreichische steht in Ziskas volksmärchen (Wien 1822 p. 51), fast alle haben [Fußnote] den zug des milchtrinkens und der goldkrone. Überraschen nun die eltern die schlange bei dem kind und tödten sie, so beginnt des kind abzunehmen und bald zu sterben (Temmes pomm. sagen no. 257). Einmal war einer schlafenden schwangern frau die schlange in den ofnen mund gekrochen, als sie kindes genas, lag diesem die schlange fest um den hals und muste durch ein milchbad losgebracht werden; sie wich aber nicht von des kindes seite, lag bei ihm im bett und fraß aus seiner schüssel ohne ihm ein leid zu thun (Mones anz. 8, 530). Noch andere berichte erwähnen einer haus und hof anfüllenden menge von schlangen, deren könig sich durch eine schimmernde krone auf dem haupt auszeichnete. wenn er den hof verließ, begleiteten ihn alle übrigen, im stall, wo er wohnte, hausten sie so zahlreich, daß die fütternden mägde sie oft armvollweis aus der krippe nahmen. sie waren aber dem vieh und den leuten befreundet; als ein neuer hofbauer ihren könig erschoß, wichen sie alle und mit ihnen schwand segen und reichthum von dem gut (daselbst 6, 174) [Fußnote]. Hierher gehört auch die schlangenkönigin (deutsche sagen no. 220) und eine merkwürdige erzählung in den gestis Romanorum bei Keller s. 152. zu einem viehmädchen in Immeneich kam jeden morgen und abend zur melkzeit eine große schlange in den stall, auf dem kopf trug sie eine große krone. allemal gab ihr das mädchen warme kuhmilch zu saufen. als es wegen eines verdrusses plötzlich aus dem haus gekommen war, und die neue viehmagd das erstemal melken wollte, fand sie auf dem melkstuhl die goldkrone liegen, in der geschrieben stand: ›aus dankbarkeit‹. Sie brachte die krone der herschaft, welche sie dem abgekommenen mädchen gab, für das sie bestimmt war, und seitdem ist die schlange nicht wieder gesehen worden. Mones anz. 8, 537. das atternkrönlein macht jeden der es trägt unsichtbar (Schm. 2, 388) und dazu steinreich. Man erzählt auch in einigen gegenden, jedes haus habe zwei schlangen, ein männchen und weibchen, die sich aber nicht eher sehen lassen, als bis der hausvater oder die hausmutter stirbt, und dann ein gleiches loos erfahren. Dieser zug und noch andere, wie das hinstellen der milch, nähern die hausschlangen dem begrif guter hilfreicher hausgeister. [Fußnote]
Die schlange erscheint als ein heilbringendes, unverletzliches thier, und vollkommen für den heidnischen cultus geeignet. den stab des Asklepios umwand die schlange, und an heilbrunnen lagen schlangen (s. 488). Ihrem Potrimpos unterhielten die alten Preußen eine große schlange und die priester hüteten sie sorgsam, sie lag unter getraideähren und wurde mit milch genährt [Fußnote]. Den Letten heißen die schlangen milchmütter (peena mahtes); sie standen unter dem schutz einer höheren göttin Brehkina (die schreiende) genannt, welche den eintretenden zuschrie, man solle ihre peena mahtes ungestört im hause lassen [Fußnote]. es wird ihnen milch in näpfen hingestellt. Auch die Litthauer verehrten schlangen, hegten sie im haus, und brachten ihnen opfer [Fußnote]. ägyptischen schlangendienst bezeugte Herodot 2, 74. Nullus locus sine genio, qui per anguem plerumque ostenditur. Serv. ad. Aen. 5, 85.
Man brachte schlangen als zauber in schwertern und auf helmen an:
liggr međ eggjo ormr dreyrfâđr,
enn â valbösto verpr nađr hala. Sæm. 142b.
aus dem haft (helz, hialt) des schwerts, nahm man an, renne der ormr oder yrmlîngr in die spitze und wieder zurück (Kormakssaga s. 82. 84. Vilk. saga s. 101). Vitege hieß ›mit dem slangen‹ von seinem helmzeichen (heldensage p. 48). die helme erhielten dadurch festigkeit, die klingen kraft. Nicht unähnlich scheint, daß fuhrleute in ihre peitsche otterzungen flechten (abergl. 174) [Fußnote]
Gleich der schlange ist die kröte (gramm. 3, 364) ein giftiges zauberthier. sie trägt einen stein im kopf (s. 1020). sie sitzt auf schwämmen und pilzen. der schwamm heißt deswegen krötenstul, engl. toadstool, nnl. paddestoel, nd. paddenstol, ein pilz wird weißkrötling genannt. östr. namen sind außer krot hepping, braitling, nöting, brotze, auke. Höfer 2, 47. 175. in Baiern heißt das männchen braste, broz, bratz. Schmeller 1, 274, das weibchen höppin, heppin, auch muml. heppin wird auch verächtlich zu weibsleuten gesagt a. o. 2, 221. man spricht von wetterkröte, donnerkröte, blitzkröte.
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Die schlange kriecht oder ringelt sich auf dem boden, stehn ihr flügel zu gebot, so heißt sie drache, was ein undeutsches, aus dem lat. draco, gr. δράκων stammendes, schon früh eingeführtes wort ist, ahd. traccho, ags. draca, altn. dreki. die Sæm. edda hat nur einmal dreki, im jüngern Sôlarl. 127b, sonst steht dafür ormr, ags. vyrm, ahd. wurm, goth. vaúrms, welches allgemeiner auch die schlange mitbegreift. Als geflügelte schlange (serpens alatus) erscheint zumal die von Beovulf bestandne: nihtes fleogeđ 4541, sie fliegt nachts aus und heißt darum uhtsceađa 4536, nocturnus hostis, aggressor. lyftsceađa (aereus hostis) cod. exon. 329, 24. auch der drache, welcher Krimhild auf dem drachenstein gefangen hält, kommt durch die luft gefahren oder geflogen. Doch der andere, den Siegfried vom schmid ausgesandt früher tödtete, lag im wald bei einer linde, unfliegend, dies war der eddische Fâfnir, ein mensch, der wurmgestalt an sich genommen hatte, von ihm braucht die edda skrîda (repere, schreiten) Sæm. 186. Sn. 138; es ist der vyrm oder draca, den nach Beov. 1765. 1779 Siegemund und Fitela schlugen. Nib. 101, 2. 842, 2 heißt er lintrache, lintdrache, im Siegfriedslied 8, 2 lintwurm, welcher ausdruck auch Mar. 148, 28. En. 2947. Troj. 25199 zu lesen, und nicht aus linde (tilia), wie die spätere sage es misverstand, sondern aus dem ahd. lint zu erklären ist. mit diesem lint (goth. linþs, ags. liđ, altn. linn?) sind viele frauennamen gebildet (gramm. 2, 505) z. b. Sigilint, altn. Sigrlinn (oben s. 355), und es könnte den begrif von glanz oder schönheit enthalten, wie es für frauen oder schlangen gerecht ist, die abgeleitete altn. schwache form linni (masc.) bedeutet wiederum coluber, serpens. der häufige ortsname Limburg = Lintburg ist richtiger auf schlange als auf linde zu beziehen.
Von den drachen war nun die herschende vorstellung des alterthums: sie liegen auf dem gold und leuchten davon, das gold selbst hieß dichterisch wurmbett, altn. ormbeđr odcr ormbeđselđr, wurmbettsfeuer, und daran knüpft sich weiter, daß sie schätze bewachen und nachts durch die lüfte tragen. jener wurm, den Sigemund erlegte, heißt hordes hyrde Beov. 1767; den andern, mit welchem Beovulf kämpfte, bezeichnet das epithet: se hord beveotode 4420. Fafnir, ein alter riese, lag als wurm, mit dem Oegishialm über ererbtem gold (Sæm. 188b 189b), es heißt ›î lŷngvi‹ (von lŷng, heide) und der ort wird als Gnîtaheiđi bezeichnet; davon findet sich auch sonst der name lŷngvi, lŷngormr, heidewurm für drache. lŷngormr wird Vols. saga c. 17 von dreki unterschieden, jenes ist ein kleiner, dieses ein großer wurm. gleichviel mit lŷngvi mag also das ahd. heimo, alts. hêma, ags. hâma sein, wovon ich s. 321 redete; Vilk. saga c. 17 s. 31 heißt heima ausdrücklich allra orrna skemstr (omnium vermium minimus), da er aber giftig ist, darf er nicht die unschuldige cicade (ahd. muhheimo) bezeichnen. noch heute setzt der volksglaube glühende schätze auf einsame heiden, wo sie von drachen gehütet werden. hæden gold Beov. kann beides ausdrücken aurum tesquorum oder ethnicorum, denn die drachen galten gleich den riesen für alt und hochbejahrt, vgl. eald uhtsceađa Beov. 4536; vintrum frôd 4548; þreo hund vintra heold on hrusan 4550, zugleich aber sind sie geizig, neidisch, giftig und flammenspeiend: nîđdraca Beov. 4540, âttorsceađa 5673, fŷre befongen 4541; ongan glêdum spîvan 4619; deorcum nihtum rîcsian 4417. von Fâfnir wird Sæm. 186 gesagt: screiđ af gulli blês eitri, hristi sik ok barđi höfđi ok sporđi, schüttelte sich und schlug mit haupt und schwanz; daß die begriffe eit (feuer) und eiter (gift) einander berühren wurde s. 466 bemerkt. Hierzu halte man die schilderungen mhd. dichter, der trache hat seine heimwist in einem tal, wirft rauch, flamme und wind aus dem rachen (Trist. 8944. 8974); er hat fittiche und flügel, speit feuer und eiter (Troj. 9764. 9817) [Fußnote].
Amt der helden war es nun, wie die riesen so die gewissermaßen damit identischen drachen [Fußnote] auf der welt auszutilgen, Thôrr selbst bekämpfte den ungeheuren miđgarđsorm, und Siegmund, Siegfried, Beovulf stehen als tapferste drachenüberwinder da; ihnen gesellt sich eine menge anderer, wie sie nach zeit und ort allenthalben aus dem schoße lebensvoller sage erstehen. Frotho, ein andrer Siegfried, überwältigt einen giftigen auf schätzen ruhenden drachen. Saxo gramm. s. 20. Der schönen Thora Borgarhiörtr wurde ein kleiner lŷngormr geschenkt, den sie in ein kästchen, gold unter ihn legte: wie er wuchs, wuchs auch das gold, so daß die kiste zu eng wurde und der wurm sich im kreis um die kiste legte; bald war kein raum mehr in dem zimmer, er legte sich um das zimmer und nahm den schwanz in den mund, niemand ließ er in das gemach als den der ihm futter brachte, und zu jeder mahlzeit bedurfte er einen ochsen. nun wurde bekannt gemacht, wer ihn erlege, solle die jungfrau zur braut und soviel gold, als unter dem drachen lag, zur aussteuer empfangen. Diesen drachen überwand Ragnar Lodbrock (fornald. sög. 1, 237. 238). auffallend gemahnt der steigende wachsthum des wurms an den des fisches s. 479. Außer dem goldeshort aber, den die helden als beute davon tragen, entspringen noch andere vortheile: der genuß des drachenherzens bringt kunde der thiersprache zuwege und das bestreichen mit dem blut härtet die haut gegen alle verletzung. tief greift beides in Siegfrieds sage [Fußnote] ein [Fußnote]
gebeizet was sîn brunie
in eines wurmes bluote,
hurnen was siu veste. Diemer 209. Massm. 1300 ff.
ein andres in drachenblut gehärtetes schwert. DV. 1, 265. Sigurđr versteht, nachdem er Fafnirs herz gegessen hat, die sprache der vögel. auch Gudrun hatte noch davon gegessen und verstand sie. Sæm. 211. vgl. quin et inesse serpenti remedia multa creduntur – ut possint avium sermones intelligi. Plin. 29, 4. vgl. anm. 1770.
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Fast allem diesem begegnen die ansichten anderer völker. Wie die Römer gigas, so entlehnten sie auch draco von den Griechen, da für den begrif weder serpens noch vermis (wie bei uns slango und wurm) ausreichten. δράκων leitet sich aber ab von δέρκειν blicken, leuchten, sprühen, φάος δέδορκε gilt vom leuchtenden licht, daher möchte ich die versuchte deutung unseres lint und linni bestätigen. Ein grabender fuchs stieß endlich auf die höle eines goldhütenden drachen, ad draconis speluncam ultimam, custodiebat qui thesauros abditos. Phaedr. 4, 19. Die sage von den goldhegenden greifen schließt sich aber an, da sie gleich den drachen geflügelte ungeheuer sind.
Altslav. bezeichnen zmij (masc.) und zmija (fem.) schlange, jenes mehr den drachen, dieses die natter. böhm. ist zmek der feurige, geldhütende drache, zmije die natter; serb. zmaj drache, zmija natter. glimmer, den der zmaj von sich abschüttelt, heißt otresine zmajeve (abschüttelung des lindwurms) Vuk s. 534. alles führt wieder auf glanz, gold und feuer. das litth. smakas scheint den Slaven entliehen, ob das ags. snaca coluber verwandt sei? fragt sich. Nach Jungmann ist zmek außer drache auch ein geist, der sich in gestalt eines nassen vogels [Fußnote], meist eines hünleins darstellt und den leuten geld zuträgt; abergl. 143 heißt es, man dürfe erdhünchen oder hausotter nicht schädigen; Schm. 1, 104 erklärt erdhünlein von einem runden, hellen schein, in dessen mitte etwas dunkles liegt. vgl. geuhuon Helbl. 8, 858.
Das finnische mammelainen beschreibt Renvall: femina maligna, matrix serpentis, divitiarum subterranearum custos. Hier wird der hort einer weiblichen schlange überwiesen, während in unsern deutschen, und auch den slavischen sagen characteristisch der böse, teuflische drache den schatz hütet, die otter oder unke mehr die rolle eines gutmütigen hausgeistes spielt [Fußnote], und wie der drache aus einem menschen gewandelt war, erscheint sie als kronetragende jungfrau mit schlangenschweif (d. sagen no. 13) oder als fee. aber die goldkrone wird ihr so wenig erlassen, als dem drachen der bezug aufs gold, und der böhm. zmek ist zugleich drache und otter. sage vom otterkönig in Bechsteins Franken s. 290 [Fußnote].
Bei so mannigfachen berührungen muß das von den Langobarden gefeierte wesen zweifelhaft dahin gestellt und nur das darf angenommen werden, daß sie ihm eine heilsame, gütige natur beilegten.
Ich vermag spuren von käfercultus aufzudecken.
Es gibt zwei alte allgemeinere benennungen. ahd. chevor, cheviro, mhd. kever, kevere, nhd. käfer, nnl. kever, ags. ceafor, engl. chafer; man hat ohne fug das lat. caper (= ags. häfer, altn. hafr) verglichen, wurzel scheint das ags. ceaf, caf alacer, weil der käfer ein rühriges, munteres thier, noch jetzt heißt in Schwaben käfermäßig agilis, vivax (gramm. 2, 571. 1013). die Angelsachsen haben ceafortûn, cafertûn für atrium, vestibulum, gleichsam scarabaeorum oppidum, weil da käfer schwirren [Fußnote]? Der andere ausdruck ahd. wibil, webil, mhd. wibel, nhd. webel, wiebel, ags. vifel, vefel, engl. weevil stimmt zum litth. wabalas, wabalis, lett. wabbols, und ich führe ihn auf weben, im sinn von leben und weben, vigere, moveri zurück, wiebeln wird mit kriebeln verbunden und gilt von dem gewimmel der käfer [Fußnote].
Den Aegyptern war der käfer (scarabaeus, κάνθαρος, κάραβος) geheiligt, ein bild des innersten lebens und geheimnisvoller selbsterzeugung. sie glaubten, er gehe aus küglein hervor, die er zusammen balle und im mist vergrabe [Fußnote].
Die altn. sprache bietet uns keinen prosaischen, sondern gleich den dichterischen ausdruck iötunox, iötunoxi (riesenochs); wie jenem riesenmädchen pflüger, pflugrind und pflug kriebelnde käfer schienen (s. 447), finn. sontiainen, sondiainen (mistkäfer, von sonda fimus), kann umgedreht der wirkliche käfer die vorstellung eines iötunox erregen. das kleine dem großen thier zu vergleichen war natürlich.
Unsern größten käfer, den stattlichen horntragenden schröter nannten die Römer lucanus (Nigidius bei Plin. 11, 28), ich sollte meinen, damit hänge das bekannte luca bos, lucanus oder lucana bos zusammen, das vom gehörnten thier auf das gezähnte, den elephant, übertragen wurde (Varro 7, 39. 40. O. Müll. p. 135). der käfer aber heißt uns hirsch (franz. cerf volant), wol auch ochs und bock, die sämtlich hörner tragen, poln. ielonek (hirschlein), altslav. elenetz, böhm. rohač (corniger), östreich. hörnler, schwed. horntroll. lat. war taurus zugleich scarabaeus terrester (Plin. 30, 5. 12), was den lucanus bos oder cervus wieder bestätigt. das weibchen führt böhm. auch den namen babka (großmutter).
Einen bedeutsameren lernten wir s. 153 kennen: donnerguegi, donnerpuppe, in unverkennbarem bezug auf Donar, dessen heiligen baum der käfer am liebsten bewohnt, und damit scheint der in Scandinavien verbreitete ausdruck, westergötl. torbagge, schwed. tortyfvel, norweg. tordivel, jütländ. torr, torre, für käfer überhaupt zu stimmen. Zwar ist keine isl. geschweige altn. form, welche Thôrr darböte, aufzuzeigen, doch tor kann sich wie in torsdag (s. 104) und tordön (s. 138) verhalten; bagge bedeutet nach Ihre s. 122 juvenis, puer, des gottes diener, was sich später in dyfvel = diefvul, teufel wandelte. Afzelius (sagohäfder 1, 12. 13) versichert, dem Thor sei der torbagge heilig gewesen, seine larve heiße in Norrland mulloxe (erdochse, jenes schweiz. donnerpuppe? vgl. iötunoxi) und wer einen auf dem rücken (ofvältes) liegenden mistkäfer, der sich selbst nicht zu helfen vermag, wieder auf die füße legt, soll nach norrländischem volksglauben damit sieben sünden sühnen.
Das klingt sehr alterthümlich, und ich verwerfe die vorgetragene deutung von tordyfvel nicht vorschnell, so falsch sie scheint. denn das ags. tordvifel ist offenbar aus tord stercus (engl. turd) und jenem vifel zusammengefügt, auch dem dän. skarnbasse, skarntorre, mistkäfer analog, folglich verlangen tordyfvel, torbasse dieselbe deutung, obgleich allen nord. mundarten das einfache tord und vivel gebricht. die isländische hat tordivel in torfdifill, gleichsam torfteufel (von torf gleba) umgeändert. auch das nnl. tor, torre käfer, drektorre mistkäfer muß erwogen werden [Fußnote].
Wer hat aber selbst zappelnde käfer rücklings liegen sehn und nicht mitleidig umgestülpt? dem schröter, den es mit donner und feuer in bezug setzt, mag auch das deutsche volk besondre ehre angethan haben.
Gleich andern heiligen frühlingsboten (schwalbe und storch) holte man den ersten maikäfer [Fußnote] feierlich aus dem walde ein, es wird beglaubigt, daß dies noch im 17 jh. in schleswigschen gegenden von den spinnenden mädchen geschah [Fußnote].
Oberdeutsche volkssagen berichten: unerwachsne mädchen begaben sich sonntags in einen wüsten bergthurm, fanden die stiege mit sand bestreut und kamen zu einer früher nie gesehnen schönen stube, worin ein bett mit einem umhang stand. als sie diesen zurückschlugen, wimmelte das bett von goldkäfern und hüpfte von selbst auf und nieder. voll erstaunen sahen die mädchen eine weile zu, plötzlich überfiel sie schrecken, daß sie aus der stube und die stiege hinabflohen, während ihnen geheul und gepolter nachtönte. (Mones anz. 7, 477.) Auf dem schloßberg bei Wolfartsweiler sah ein kleines mädchen einen dreifüßigen kupferhafen stehn, der funkelneu und voll wimmelnder roskäfer war. sie sagte das gleich darauf ihren eltern, die wol merkten daß die käfer ein schatz seien und mit ihr auf den berg eilten, allein weder den hafen noch die käfer mehr fanden (daselbst 8, 305). Hier erscheinen die käfer als heilige, das gold bewachende, selbst goldne thiere.
In Schweden nennen sie den kleinen goldkäfer (skalkräk) jungfrau Mariens schlüsselmagd (jungfru Marie nyckelpiga) Dybeck runa 1844. s. 10; im frühjahr lassen ihn die mädchen auf der hand umkriechen und sagen: ›hon märker mig brudhandskar‹ (er bezeichnet mir die brauthandschuhe), fliegt er weg, so achten sie nach welcher seite hin, denn von da kommt der bräutigam. Der käfer scheint also bote der liebesgöttin; aber auch die zahl der schwarzen puncte auf seinen flügeln kommt in betracht: sind ihrer mehr als sieben, so wird das korn im jahr theuer, sind ihrer weniger, so ist eine reiche ernte zu erwarten [Fußnote].
Diese kleine coccinella septempunctata wird fast in allen unsern dialecten mythisch benannt: nhd. gotteskühlein, gotteskalb, herrgotteskalb, herrgottsthierchen, herrgotsvöglein, Marienvöglein, Marienkäfer, Marienkälblein; engl. ladycow, ladybird, ladyfly; dän. Marihöne; böhm. krawka, krawicka sommerkälblein. in Oberdeutschland versteht man den kleinen goldkäfer (chrysomela vulg.) unter frauachüeli (Tobler 204b), der liebe froue henje (Alb. Schott Deutsche in Piemont 297), im gegensatz zu herrachüeli, der coccinella (Tobler 265a), doch mag die benennung zwischen beiden käfern schwanken. Nach den übergängen bei andern pflanzen oder sternnamen scheint Maria für Freyja eingetreten, und Marihöne war vor alters Freyjuhœna, was noch wörtlich in Frauenhenne, Frauenkühlein liegt. und nur im franz. (wo die gemeinschaft mit der deutschen ansicht mehr durchdrang) finde ich bête à dieu, vache à dieu; span. und ital. nichts ähnliches. Auf allen fall muß das kinderlied: ›Marienkäferchen flieg aus! dein häuschen brennt, dein mütterchen flennt, dein väterchen sitzt auf der schwelle; flieg im himmel aus der hölle!‹ alt sein, da auch in England gesungen wird: ›ladybird, ladybird, fly away home, your house is on fire, your children will burn!‹ Die kinder setzen auch bei uns Marienkäferchen oder einen sonnenkäfer auf den finger und fragen ihn wie den kukuk: ›sunnekieken (sonnenküchlein, junges) ik frage di, wo lange schall ik leven?‹ ›een jaar, twee jaar‹ u. s. w., bis der käfer entfliegt, dessen heimat in der sonne oder im himmel ist. In der Schweiz halten die kinder den goldkäfer auf der hand und sprechen: ›cheferli, cheferli flüg us, i getter milech ond brocka ond e silberigs löffeli dezue‹. hier wird dem käfer, wie der schlange, milch und brocken geboten. der käfer muß dem alterthum für einen boten und vertrauten des gottes gegolten haben [Fußnote]
bottervågel sött di,
våder unn moder röpt di,
mul unn nese blött di!
oder:
midschonke, midschonke, sött di,
mul unn nese blött di!
in einem lübischen kinderliede heißt der schmetterling ketelböter, kesselflicker. Firmenich 3, 480.
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Endlich die biene, das einzige zähmbare, unter den menschen wohnende insect, dessen verständige lebensart ihnen vorleuchtet, läßt alte mythische bezüge erwarten. die biene soll noch aus dem goldnen zeitalter, aus dem verlornen paradies (cap. XXX) übrig geblieben sein, nirgend wird ihre tugend und reinheit schöner ausgesprochen als in dem serbischen lied vom reichen Gavan, wo gott drei heilige engel zur prüfung der menschen auserwählend sie vom himmel in die welt gehn heißt, ›wie die biene auf die blume‹, kao ptschela po tzvetu (Vuk 1, 128 ed. 2). der lautere, süße honig, den die bienen aus allen blüten saugen, ist hauptbestandtheil des göttertrankes (s. 265), die ηδει̃α εδωδή der götter. hymn. in Merc. 560, heiliger honig die erste speise, die des eingebornen kindes lippe berührt (RA. 457). wie nun mit Ođrœrisdreckr gabe der dichtkunst genau verbunden ist, wird sie dem schlafenden Pindar durch bienen zugetragen: μέλισσαι αυτω̃ καθεύδοντι προσεπέτοντό τε καὶ έπλασσον πρὸς τὰ χείλη του̃ κηρου̃· αρχὴ μὲν Πινδάρω ποιει̃ν άσματα εγένετο τοιαύτη. (Pausan. IX. 23, 2.) darum heißen sie auch musarum volucres (Varro de re rust. 3, 16). ein kindermärchen (no. 62) weiß von der bienenkönigin, die sich auf den mund ihres günstlings setzt [Fußnote]; an wen sie im schlafe fliegt, der gilt für ein glückskind.
Es liegt nahe diese geschäftigen geflügelten wesen dem stillen volk der elbe oder zwerge an die seite zu setzen, das gleich ihnen einer königin gehorcht. aus verwesendem fleisch des urriesen giengen als maden die zwerge hervor; gerade so sollen die bienen aus der fäulnis eines stierleibs entsprungen sein: apes nascuntur ex bubulo corpore putrefacto (Varro 2, 5), amissas reparari ventribus bubulis recentibus cum fimo obrutis (Plin. 11, 20) vgl. Virg. Georg. 4, 284–558 Ov. met. 15, 364. auf solches verhältnis hat man die gleichheit zwischen apis biene und Apis stier bezogen, wiewohl diesem langes a, jenem kurzes gebührt. wichtiger für uns scheint der berühmte fund eines goldnen stierhaupts unter vielen hundert goldnen bienen im grabe des fränkischen königs Childerich zu Doornik [Fußnote].
Die naturgeschichte lehrt, daß wolken von bienen auf den süßen saft der esche fallen, und von dem heiligen Yggdrasil läßt die edda thau triefen, der honigsfall heißt und die bienen nährt. Sn. 20 [Fußnote].
Yngl. saga cap. 14 meldet von könig Fiölnir (in der altschwed. chron. Siolm) Yngvifreys sohn, in ein faß meth gefallen sei er ertrunken, wie bei Saxo könig Hunding in süßen meth fällt und der griech. mythus den Glaukos in einem honigkrug, den leuchtenden im süßen, ertrinken läßt. Nach einer schweizerischen alpensage waren im goldnen zeitalter bäche und seen milcherfüllt, ein hirte schlug mit dem nachen um und ertrank; seinen lange gesuchten leichnam brachte, als man butterte, der schäumende rahm zum vorschein, und er ward in eine höle begraben, welche die bienen mit honigwaben groß wie stadtthore durchwirkt hatten [Fußnote]. bienen weben einen tempel aus wachs und federn. Schwenks gr. myth. s. 129. Herm. Müllers Griechenth. 455 und nach unserm kinderm. no. 107. s. 130. 131 ein schloß aus wachs und honig. das gemahnt an das schöne bild im Lohengrin s. 191 von Heinrich des zweiten grabstätte im dom zu Bamberg:
sus lit er dâ in siner stift,
dier het erbouwen, als diu bin ir wift
ûz maneger blüete würket, daz man honcseim nennet.
In den sprachen wird die arbeitende biene weiblich vorgestellt, ahd. pia, lat. apis, gr. μέλισσα, litth. bitte, im gegensatz zu dem männlichen fucus, ahd. treno, litth. tranas; aber auch das oberhaupt der bienen ist ein könig, weiser, mhd. wîsel, ahd. wîso, dux, bei Plinius rex apium, litth. bittinis, mlat. chosdrus (Ducange s. v.) doch ags. beomôdor, bienmutter, böhm. matka. das gr. εσσήν soll ursprünglich bienenkönig bezeichnet haben und gieng hernach in den begrif eines königs oder priesters über, so wie μέλισσα priesterin, zumal der Demeter und Artemis ausdrückte. Ja götter und göttinnen selbst werden durch das heilige thier dargestellt, Zeus (Aristaeus) als biene, Vischnu als blaue biene. eine römische Mellona (Arnob. 4, 131) oder Mellonia (August. de civ. dei 4, 24) war bienengöttin; den Litthauern hieß sie Austheia, neben Bybylus, einem bienengott. männlich gedacht war auch der lett. Uhsinsch, d. i. der gehoste in bezug auf die mit wachs bedeckten bienenschenkel [Fußnote]. Von diesen größtentheils ausländischen vorstellungen gelten schlüsse auf das verschollne deutsche alterthum; die sage vom Bienenwolf (s. 306. 561) und das mythische verhältnis des spechts (litth. melleta) zur biene müste uns genauer bekannt sein [Fußnote]
In Virgils Georg. 4, 68. 75. 106 heißt das oberhaupt der bienen rex, 4, 4. 88 dux, ductor. einen fürsten hânt bîen. MS. 1, 84a. volgheden alse haren coninc doen die bien. Maerl. 3, 343. alsam diu bin zuo den karn mit fröiden vallent, ob ir rehter wîsel (var. wîset) drinne sî. MS. 2, 3a. flandr. koning der bien. Haupts zeitschr. 7, 533. henneberg. der hädherr, der weisel. Brückner. tscherkess. heißt er pscheh fürst. Klemm 4, 18. die Samogiten hatten einen besondern gott der bienen Babilos und eine göttin Austheia. Lasicz 48. dagegen heißt es in der vita s. Galli (Pertz 2, 7): in modum parvissimae matris apis. vgl. mater aviorum s. 1037. bienenmutter. Haltrich 121. Ihr honig ist nicht überall süß: τὸ γὰρ μέλι εν άπασι τοι̃ς Τραπεζου̃ντος χωρίοις πικρὸν γίνεται. Procop 2, 464. μέλι ποντικὸν πικρόν εστι καὶ αηδές. Dio Chrysost. or. 9 (ed. Reiske 1, 289. 290).
Der teufel erscheint als fliege, wie Loki s. 834. Spinnen sind den zwergen verwandt s. 390. wie die biene aus allen kräutern süßes, saugt die spinne aus allem gift. sonst ist aber auch die spinne guter vorbedeutung, so kriecht die hilfreiche zauberin als spinne an die decke und fällt als frau wieder herab. Arnims märchen 1, 52. 57. vgl. die glücksspinne s. 951. spinnwebe an der decke flatternd bedeutet glück und hochzeit. Lisch 5, 88. vgl. das weissagende spinnenhaupt zu s. 314. schließlich erwäge man die sage von Minerva und Arachne.