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德国神话:CAP. XIII. GÖTTINNEN
日期:2014-05-06 14:03  点击:215
Bei den göttern konnte die vorschreitende untersuchung darauf ausgehn einzelne wesen zu sondern; alle göttinnen [Fußnote] scheint es rathsam vereint und getrennt zu betrachten, weil ihnen ein gemeinsamer begrif zum grunde liegt, der dann desto deutlicher hervortreten wird. Sie sind hauptsächlich gedacht als umziehende, einkehrende göttermütter, von denen das menschliche geschlecht die geschäfte und künste des haushalts wie des ackerbaus erlernt: spinnen, weben, hüten den herd, säen und ernten. diese arbeiten führen ruhe und frieden im lande mit sich, und das andenken daran haftet in lieblichen überlieferungen noch fester als an kriegen und schlachten, deren die meisten göttinen gleich den frauen sich entschlagen.
Wie aber auch einige göttinnen dem kriege hold sind, begünstigen ihrerseits götter den frieden und landbau, und es entspringt ein wechsel der namen oder verrichtungen zwischen beiden geschlechtern.
Fast in allen sprachen wird die Erde weiblich und, ein gegensatz zu dem sie umfangenden väterlichen himmel, als tragende, gebärende, fruchtbringende mutter aufgefaßt: goth. aírþa, ahd. ërada, ërda, ags. eorđe, altn. iörđ, gr. έρα (aus έραζε gefolgert); lat. terra, tellus, humus = slav. země, ziemia, zemlja, litth. zieme, griech. χαμή (nach χαμα̃ζε?), αι̃α, γαι̃α, γη̃, dae beigefügte mutter in Δημήτηρ, Zema mate kündet die göttin an. airþa, ërda (daneben herda) ist schon abgeleitet, das einfachere ahd. ero (im Wessobr. gebet: ero noh ûfhimil), hero (in einer glosse für solum, Graff 4, 999) könnte männlich (wie herd, solum, Graff 4, 1026) oder auch weiblich sein [Fußnote]. das goth. mulda, ahd. molta, ags. molde, altn. mold enthalten nur den materiellen begrif der erde, staub; eben so unpersönlich steht das alts. folda, ags. folde, altn. fold, vgl. feld (campus) finn. peldo (campus) ungr. föld (terra). Aber leiblich auf tritt die altn. Iörd, Ođins gemahlin zugleich und tochter; Thôrs mutter (Sn. 11. 39. 123), der oft Iarđar burr genannt wird. Verschieden von ihr war Rindr, Ođins andre gemahlin und mutter des Vali (Sæm. 91a 95a 97b), bei Saxo Rinda geheißen und roher aufgefaßt; ihr name ist das ahd. rinta, ags. rind = cortex, folglich crusta soli vel terrae, und mit crusta wird das ags. hruse (terra) genau verwandt sein; wie dem Norden diese wortbedeutung, mangelt in Deutschland der mythische bezug [Fußnote].
Doch weder in Iörđ noch in Rindr hat die edda ihre mütterliche eigenheit klar herausgehoben, nirgend ist diese reiner und einfacher ausgesprochen als in der ältesten nachricht, die wir über die göttin besitzen. nicht allen Germanen legt Tacitus die verehrung der Nerthus bei, nur den Langobarden, Reudignern, Avionen, Angeln, Varinen, Eudosen, Suardonen und Vuithonen: nec quicquam notabile in singulis, nisi quod in commune Nerthum [Fußnote], id est Terram matrem colunt, eamque intervenire rebus hominum, invehi populis, arbitrantur. Est in insula oceani castum nemus, dicatumque in eo vehiculum, veste contectum. attingere uni sacerdoti concessum. is adesse penetrali deam intelligit, vectamque bubus feminis multa cum veneratione prosequitur. Laeti tunc dies, festa loca, quaecunque adventu hospitioque dignatur. non bella ineunt, non arma sumunt; clausum omne ferrum; pax et quies tunc tantum nota, tunc tantum amata: donec idem sacerdos satiatam conversatione mortalium deam templo reddat. Mox vehiculum et vestes, et, si credere velis, numen ipsum secreto lacu abluitur. servi ministrant, quos statim idem lacus haurit [Fußnote]. arcanus hinc terror sanctaque ignorantia, quid sit illud, quod tantum perituri vident [Fußnote] [Fußnote].
Diese schöne erzählung verträgt sich mit dem, was andere berichte von dem cultus einer gottheit enthalten, der man friede und fruchtbarkeit beilegte. In Schweden war es Freyr, sohn des Niörđr, dessen verhüllter wagen im frühjahr durch das land zog, während das volk betete und feste feierte (s. 176), er steht seinem vater, dieser der ebennamigen Nerthus völlig gleich. tiefe wurzel in deutschem recht und landbrauch haben die lenzfrieden, herbstfrieden, pflugfrieden, wie sie für gewisse jahrszeiten und geräthschaften des ackerbaues festgesetzt waren. Auch Wuotan und Donar erscheinen auf ihren wagen, und werden um gedeihen der frucht und milden regen angerufen; ich habe s. 88 bei dem wagen eines gothischen gottes, dessen namen Sozomenus vorenthält, auf Nerthus gewiesen.
Den wechsel weiblicher und männlicher gottheiten muß hier willkommen ins licht setzen, daß die s. 128 ff. bei Wuotan als erntegott angeführten formeln und reime in andern niederdeutschen gegenden geradezu auf eine göttin übertragen werden. wenn die hausleute, heißt es, den roggen mähen, lassen sie etliche halme stehen, binden blumen dazwischen und nach vollendeter arbeit sammeln sie sich um die stehen gebliebenen büschel, fassen die roggenähren an, und heben dreimal an zu rufen:
fru Gaue, haltet ju fauer,
düt jar up den wagen,
dat ander jar up der kare! [Fußnote]
 
während dort dem Wode für dies jahr schlechtes futter, für das nächste besseres zugesagt ist, scheint hier frau Gauen eine künftige herabsetzung der dargebrachten gabe voraus angekündigt zu werden. durch beides finde ich die scheu der Christen über die beibehaltung des heidnischen opfers ausgedrückt: die alten götter sollen, wenigstens den worten nach, sich nunmehr gering und schlecht stehen.
In der umgegend von Hameln herschte die gewohnheit, daß, wenn ein schnitter beim binden eine garbe übergieng, oder sonst auf dem acker etwas stehen ließ, ihm spottweise zugerufen wurde: ›scholl düt dei gaue frue‹ oder ›de fru Gauen hebben?‹ [Fußnote]
In der Prignitz wird gesagt fru Gode, und der auf jedem acker stehn gelassene büschel ähren heißt vergodendeelsstrûß d. i. frau Godentheilsstrauß, der ihren theil ausmacht [Fußnote]. ver ist übliche kürzung von frau und die mundart, welche fauer für foer, foder gebraucht, wird auch Gaue für Gode, Guode nehmen. in diesem Guode könnte nun nichts anders stecken als Gwode, Wode, und fru aus dem älteren fro erklärt, würde fro Woden, fro Gaue (vgl. Gaunsdag s. 103 für Wonsdag) den herrn und gott, keine göttin bezeichnen, also die formel völlig mit der bei Wuotan gegebnen und dem anm. 387 beigebrachten fruh Wod übereintreffen [Fußnote]. Zieht man den wenigstens späterhin mit der benennung fru offenbar verbundnen begrif einer weiblichen gottheit vor, so ließe sich vielleicht an die altn. Gôi (Sn. 358. fornald. sög. 2, 17) eine mythische jungfrau denken, nach welcher der februar altn. benannt wird. die gr. Γαι̃α oder Γη̃ halte ich aus dem spiel.
In einem ags. formular zur herstellung der fruchtbarkeit solcher äcker, denen ein zauber angethan war, kommen zwei bemerkenswerthe anreden vor; einmal heißt es: ›erce, erce, erce, eorđan môdor‹ und es scheint damit nicht die erde selbst, vielmehr ihre mutter gemeint, aber der ausdruck ist noch räthselhaft. sollte in Erce (gen. Ercan) ein verdunkelter eigenname stecken, der sich mit dem ahd. adj. ërchan (simplex, genuinus, germanus) berührte? wäre doch genauer zu schreiben Eorce? und mag man sich an die in unserer heldensage berühmte frau Erche, Herkja, Herche, Helche erinnern? Bedeutsam sind in niedersächsischen gegenden die bestimmten spuren einer göttlichen frau namens Herke oder Harke. In Jessen, einem städtchen an der Elster unweit Wittenberg erzählt man von frau Herke, was an andern orten, wie gezeigt werden soll, von frau Freke, Berhta und Holda gilt. in der Mark heißt sie frau Harke, in den zwölften soll sie durchs land fliegen und die fülle irdischer güter verleihen, bis zum dreikönigstage müssen die mägde den flachs abspinnen, sonst zerkratzt sie frau Harke oder besudelt den rocken [Fußnote] [Fußnote]. Aber in älterer zeit galt der einfachere name, bei Gobelinus Persona (Meibom 1, 235) findet sich folgende meldung, die also über 1418 hinauf reicht: quod autem Hera colebatur a Saxonibus videtur ex eo, quod quidam vulgares recitant se audivisse ab antiquis, prout et ego audivi, quod inter festum nativitatis Christi ad festum epiphaniae domini domina Hera volat per aera, quoniam apud gentiles Junoni aer deputabatur. et quod Juno quandoque Hera appellabatur et depingebatur cum tintinnabulis et alis, dicebant vulgares praedicto tempore: vrowe Hera seu corrupto nomine vro Here de vlughet, et credebant illam sibi conferre rerum temporalium abundantiam. Haben wir hier noch das alte Ero, Έρα, Hero für erde? und gehört ‛Ήρα dazu? liegt aber im ags. Erce dasselbe, so muß auch der diminutivform Herke hohes alter gebühren.
Das anderemal wird in jener ags. formel der erde zugerufen: ›hâl ves thu folde, fira môdor!‹ heil sei du erde, der menschen mutter, was zu jenem auch von Tacitus ausgedrückten terra mater stimmt.
Die ausgebreitete verehrung der zeugenden, nährenden erde wird ohne zweifel auch unter unsern vorfahren mehrfache benennungen veranlaßt haben, wie sich der Gäadienst und ihrer tochter Rhea mit dem der Ops mater, der Ceres und Cybele mischten [Fußnote]. beachtenswerth scheint mir die ähnlichkeit zwischen dem cultus der Nerthus und dem der phrygischen göttermutter. Lucretius 2, 597–641 beschreibt den umzug der magna deum mater auf ihrem löwenbespannten wagen durch die länder der erde:
quo nunc insigni per magnas praedita terras
horrifice fertur divinae matris imago. –
ergo quom primum magnas invecta per urbeis
munificat tacita mortaleis muta salute,
aere atque argento sternunt iter omne viarum,
largifica stipe ditantes, ninguntque rosarum
floribus, umbrantes matrem comitumque catervam.
 
Den VI kal. apr. benannten die Römer lavatio matris deum und begiengen sie festlich. Ovid. fast. 4, 337:
est locus, in Tiberin qua lubricus influit Almo,
    et nomen magno perdit ab amne minor;
illic purpurea canus cum veste sacerdos
    Almonis dominam sacraque lavit aquis.
 
Ammian. Marcell. 23, 3, (Paris 1681. p. 355): ad Callinicum, – ubi ante diem sextum kal. quo Romae matri deorum pompae celebrantur annales, et carpentum, quo vehitur simulacrum, Almonis undis ablui perhibetur; vgl. Prudentius hymn. 10, 154:
nudari plantas ante carpentum scio
proceres togatos matris Idaeae sacris.
lapis nigellus evehendus essedo
muliebris oris clausus argento sedet,
quem dum ad lavacrum praeeundo ducitis
pedes remotis atterentes calceis
Almonis usque pervenitis rivulum.
 
Gerade so wird Nerthus, nachdem sie im land umhergezogen ist, in dem heiligen see, auf ihrem wagen, gebadet, und ich finde bemerkt, daß auch die indische Bhavani, Schivas gemahlin, an ihrem feiertag umher gefahren und von den Brahmanen in einem geheimen see gebadet werde [Fußnote] [Fußnote]
Für die insel des oceans hat man Rügen gehalten, in dessen mitte noch jetzt ein see liegt, der schwarze see, oder burgsee genannt. was als sage umgeht: vor alten zeiten sei dort der teufel angebetet, in seinem dienst eine jungfrau unterhalten, und wenn er ihrer überdrüßig geworden, im schwarzen see ersäuft worden [Fußnote], wird, so arg die entstellung ist, aus des Tacitus nachricht entsprungen sein, der die menschliches umgangs gesättigte göttin im see samt den dienern, verschwinden läßt. aber sonst geben andere örtlichkeiten gar keinen ausschlag [Fußnote] und die dänischen inseln der ostsee haben wenigstens gleichen anspruch darauf, ehmals der göttin heiliger sitz gewesen zu sein.
Es greifen aber noch andere altnordische und von den Römern zu entnehmende namen der erdgöttin in die untersuchung.
In skâldskaparmâl s. 178 heißt sie sowol Fiörgyn als Hlôđyn.
Fiörgyn ist schon s. 143 abgehandelt; wenn neben dieser göttin ein gott Fiörgynn und ein abstractes neutrum fairguni bestehn konnte, wenn der begrif von Thôrs mutter zugleich in den des donnergotts übergeht, so wird dadurch eine weibliche Nerthus (Naírþus, gen. Naírþâus) neben dem männlichen Niörđr (Nerthus) bestätigt, wie neben Freyr Freyja. Schlug es nicht fehl aus Perkunas einen berggott Faírguneis zu folgern, so kennt die litthauische mythologie auch eine göttin Perkunatele.
Hlôđyn hat dieselbe ableitung wie Fiörgyn, es darf also ein goth. Hlôþunja, ahd. Hluodunia gefolgert werden. Völuspâ 56 wird Thôr genannt: mögr Hlôđynjar, das ist wieder der erde sohn und fornald. 1, 469 heißt es: î Hlôđynjar skaut. hlôđ in der altn. sprache bedeutet einen heerd [Fußnote], der name der göttin also schirmerin der feuerstätte, und jenes ahd. herd (s. 207) sagt außer solum, terra auch geradezu focus, arula, fornacula aus, der heerd ist uns grund und boden der wohnung, gleichsam ein väterlicher Lar, wie die erde mutter. auch die Römer verehrten eine göttin der erde und des feuers unter dem gemeinschaftlichen namen Fornax, dea fornacalis [Fußnote]. Was aber für uns noch mehr bedeutet, in niederrheinischem boden wurde ein anfänglich zu Cleve, hernach zu Xanten aufbewahrter stein gefunden mit der merkwürdigen inschrift: DEAE HLUDANAE SACRVM C. TIBERIVS VERVS. Hludana ist weder eine römische noch celtische göttin; ihr name begegnet vollkommen dem der altnordischen, Sk. Thorlacius hat das verdienst die identität beider anerkannt und gelehrt erwiesen zu haben [Fußnote]. ich sehe in dieser inschrift ein schlagendes zeugnis für das zusammentreffen nord. und deutscher götterlehre. Thorlacius vergleicht nicht uneben Λητώ und Latona. Sollte nicht Hlôrriđi, ein beiname Thôrs, des sohns der Hlôđyn aus Hlôđriđi gedeutet werden können?
In dichteres dunkel gehüllt steht eine andere göttin, die von Tacitus und in einer steinschrift genannte Tanfana, Tamfana (TAMFANAE SACRUM, oben s. 64). ihr name ist gesichert, und der ausgang -ana wie bei Hludana und andern weiblichen eigennamen, z. b. Bertana, Rapana, Madana. der sinn des worts und damit nähere einsicht in die bedeutung des wesens der göttin ist uns verschlossen. [Fußnote]
Auch der belgischen oder friesischen dea Nehalennia sei hier kurz gedacht, über deren benennung mehrere gleichlautende inschriften [Fußnote] keinen zweifel zulassen, ihr name gestattet nur gezwungene, unbefriedigende anknüpfungen. in andern am Niederrhein gefundnen inscri-ptionen kommen zusammensetzungen vor, deren ausgang (-nehis oder -nehabus sind dat. pl. fem.) das nemliche wort zu verkünden scheint, das in Nehalennia die erste hälfte bildet, die mehrzahl scheint eher auf nymphen als eine göttin zu deuten, doch findet sich auch die vorstellung von mater dabei. s. cap. XVI. die Walachuriun.
Viel weiter führt, weil sie sich mit lebendiger überlieferung eines im mittelalter fortdauernden cultus verbinden läßt, Tacitus nachricht von der Isis. unmittelbar nachdem er die verehrung des Mercurius, Hercules und Mars gemeldet hat, fügt er (cap. 9) hinzu: pars Suevorum et Isidi sacrificat. unde causa et origo peregrino sacro, parum comperi, nisi quod signum ipsum, in modum liburnae figuratum, docet advectam religionem. das aus der fremde her eingeführte liegt kaum in dem namen Isis, da bei Mercur, Mars, Hercules, deren benennung gleich ungermanisch aussehn muste, nichts auffiel; fremdartig schien zeichen und bild des schiffes, weil ihn dies an das römische navigium Isidis erinnerte.
Griechen und Römer pflegten beim anbruch des frühlings, wenn das im winter unbefahrne meer wieder schiffbar wurde, feierlichen umgang zu halten und der Isis ein schif darzubringen. es geschah den 5 merz (III. non. Mart.) und dieser tag wird im kalendarium rusticum durch Isidis navigium bezeichnet [Fußnote]. die hauptzeugnisse stehen bei Apulejus und Lactantius [Fußnote], zwei schriftstellern, die jünger sind als Tacitus, aber die sitte muß in ein höheres alter hinaufreichen. Isis erscheint auf alexandrinischen münzen neben dem Pharus wandelnd, ein segel ausbreitend.
War der Isisdienst aus Aegypten nach Griechenland, nach Rom gedrungen, wie ließe sich annehmen, daß er, im ersten jh. oder vorher, einem das herz von Deutschland bewohnenden einzelnen volksstamm zugeführt worden sei? es mag nur ein ähnlicher cultus, nicht derselbe, und vielleicht noch unter andern Deutschen hergebracht gewesen sein.
Ich will einen seltsamen gebrauch, der mir damit zusammenzuhängen scheint, aus viel späterer zeit nachweisen. etwa um das j. 1133 wurde in einem wald bei Inda (in Ripuarien) ein schif gezimmert, unten mit rädern versehn und durch vorgespannte menschen zuerst nach Aachen, dann nach Mastricht (wo mastbaum und segel hinzukam), hinauf nach Tungern, Looz und so weiter im land herumgezogen, überall unter großem zulauf und geleite des volks. wo es anhielt war freudengeschrei, jubelsang und tanz um das schiff herum bis in die späte nacht. die ankunft des schiffes sagte man den städten an, welche ihre thore öfneten und ihm entgegen giengen.
Wir haben darüber eine zwar ausführliche aber nicht vollständige nachricht in Rodulfi chronicon abbatiae s. Trudonis lib. XI, welche ich aus Pertz 12, 309 ff. ihrer wichtigkeit halben, hier einrücke:
Est genus mercenariorum, quorum officium est ex lino et lana texere telas, hoc procax et superbum super alios mercenarios vulgo reputatur, ad quorum procacitatem et superbiam humiliandam et propriam injuriam de eis ulciscendam pauper quidam rusticus ex villa nomine Inda [Fußnote] hanc diabolicam excogitavit technam. Accepta a judicibus fiducia et a levibus hominibus auxilio, qui gaudent jocis et novitatibus, in proxima silva navem composuit, et eam rotis suppositis affigens vehibilem super terram effecit, obtinuit quoque a potestatibus, ut injectis funibus textorum humeris ex Inda Aquisgranum traheretur [Fußnote]. Aquis suscepta cum utriusque sexus grandi hominum processione: nihilominus a textoribus Trajectum [Fußnote] est provecta, ibi emendata, malo veloque insignita Tungris est inducta, de Tungris Los [Fußnote]. Audiens abbas (sancti Trudonis) [Fußnote] Rodulfus navim illam infausto omine compactam malaque solutam alite cum hujusmodi gentilitatis studio nostro oppido adventare, praesago spiritu hominibus praedicabat, ut ejus susceptione abstinerent, quia maligni spiritus sub hac ludificatione in ea traherentur, in proximoque seditio per eam moveretur, unde caedes, incendia rapinaeque fierent, et humanus sanguis multus funderetur. Quem ista declamantem omnibus diebus, quibus malignorum spirituum illud simulacrum loci morabatur, oppidani nostri audire noluerunt, sed eo studio et gaudio excipientes, quo perituri Trojani fatalem equum in medio fori sui dedicaverunt, statimque proscri-ptionis sententiam accipiunt villae textores, qui ad profanas hujus simulacri excubias venirent tardiores. Pape! Quis vidit unquam tantam (ut ita liceat latinisare) in rationalibus animalibus brutitatem? quis tantam in renatis in Christo gentilitatem? Cogebant sententia proscri-ptionis textores, nocte et die navim stipare omni armaturae genere, sollicitasque ei excubias nocte et die continuare. mirumque fuit, quod non cogebant eos ante navim Neptuno hostias immolare, de cujus naves esse solent regione, sed Neptunus eas Marti reservabat, quod postea multipliciter factum est.
Textores interim occulto sed praecordiali gemitu deum justum judicem super eos vindicem invocabant, qui ad hanc ignominiam eos detrudebant, cum juxta rectam vitam antiquorum Christianorum et apostolicorum virorum manuum suarum laboribus viverent, nocte et die operantes, unde alerentur et vestirentur, liberisque suis idipsum providerent. quaerebant et conquerebantur, ad invicem lacrymabiliter unde illis magis quam aliis mercenariis haec ignominia et vis contumeliosa, cum inter Christianos alia plura essent officia suo multum aspernabiliora, cum tamen nullum dicerent aspernabile, de quo Christianus posset se sine peccato conducere, illudque solum esset vitabile et ignobile quod immunditiam peccati contraheret animae, meliorque sit rusticus textor et pauper, quam exactor orphanorum et spoliator viduarum urbanus et nobilis judex. Cumque haec et eorum similia secum, ut dixi, lacrymabiliter conquererentur, concrepabant ante illud nescio cujus potius dicam Bacchi an Veneris, Neptuni sive Martis, sed ut verius dicam ante omnium malignorum spirituum execrabile domicilium genera diversorum musicorum, turpia cantica et religioni Christianae indigna concinentium. Sancitum quoque erat a judicibus, ut praeter textores, quicumque ad tactum navi appropinquarent, pignus de collo eorum ereptum textoribus relinquerent, nisi se ad libitum redimerent. Sed quid faciam? loquarne an sileam? utinam spiritus mendacii stillaret de labiis meis: sub fugitiva adhuc luce diei imminente luna matronarum catervae abjecto femineo pudore audientes strepitum hujus vanitatis, passis capillis de stratis suis exiliebant, aliae seminudae, aliae simplice tantum clamide circumdatae, chorosque ducentibus circa navim impudenter irrumpendo se admiscebant. Videres ibi aliquando mille hominum animas sexus utriusque prodigiosum et infaustum celeusma usque ad noctis medium celebrare. Quando vero execrabilis illa chorea rumpebatur, emisso ingenti clamore vocum inconditarum sexus uterque hac illacque bacchando ferebatur; quae tunc videres agere, nostrum est tacere et deflere, quibus modo contingit graviter luere. Istis tam nefandis factis plus quam duodecim diebus supradicto ritu celebratis conferebant simul oppidani quid agerent amodo de deducenda a se navi.
Qui sanioris erant consilii, et qui eam susceptam fuisse dolebant, timentes deum pro his quae facta viderant et audierant, et sibi pro his futura conjiciebant, hortabantur ut comburatur (combureretur) aut isto vel illo modo de medio tolleretur; sed stulta quorundam coecitas huic salubri consilio contumeliose renitebatur. Nam maligni spiritus, qui in illa ferebantur, disseminaverant in populo, quod locus ille et inhabitantes probroso nomine amplius notarentur, apud quos remansisse inveniretur. Deducendam igitur eam ad villam, quae juxta nos est, Leugues decreverunt. Interea Lovaniensis dominus audiens de daemonioso navis illius ridiculo, instructusque a religiosis viris terrae suae de illo vitando et terrae suae arcendo monstro, gratiam suam et amicitiam mandat oppidanis nostris, commonefaciens eos humiliter, ut pacem illam quae inter illos et se erat reformata et sacramentis confirmata non infringerent, et inde praecipue illud diaboli ludibrium viciniae suae inferrent; quod si ludum esse dicerent, quaererent alium cum quo inde luderent. Quod si ultra hoc mandatum committerent, pacem praedictam in eum infringerent et ipse vindictam in eos ferro et igne exsequeretur. Id ipsum mandaverat Durachiensibus dominis, qui et homines ejus fuerant manuatim, et interpositis sacramentis, et obsidibus datis sibi confoederati. Hoc cum jam tertio fecisset, spretus est tam ab oppidanis nostris quam Durachiensibus dominis. nam propter peccata inhabitantium volebat dominus mittere super locum nostrum ignem et arma Lovaniensium. Ad hanc igitur plebeiam fatuitatem adjunxit se dominus Gislebertus (advocatus abbatiae S.  Trudonis) contra generis sui nobilitatem, trahendamque decrevit navem illam terream usque Leugues ultra Durachiensem villam, quod et fecit malo nostro omine cum omni oppidanorum nostrorum multitudine et ingenti debacchantium vociferatione. Leuguenses oppidanis nostris prudentiores et Lovaniensis domini mandatis obsequentes portas suas clauserunt et infausti ominis monstrum intrare non permiserunt.
Lovaniensis autem dominus precum suarum et mandatorum contemptum nolens esse inultum, diem constituit comitibus tanquam suis hominibus, qui neque ad primum, neque ad secundum, sed nec ad tertium venire voluerunt. Eduxit ergo contra eos et contra nos multorum multitudinis exercitum armatorum tam peditum quam militum. Nostro igitur oppido seposito, tanquam firmius munito et bellicosorum hominum pleno, primum impetum in Durachienses fecit, quibus viriliter resistentibus castellum nescio quare cum posset non obsedit, sed inter Leugues et Durachium pernoctavit. Cumque sequenti die exercitum applicare disponeret et ex quatuor partibus assultum faceret, habebat enim ingentem multitudinem, supervenit Adelbero Metensium primicerius filiorum Lovaniensis domini avunculus, cujus interventu, quia comitissa Durachiensis erat soror ejus, et Durachiense erat castellum sancti Lamberti, Lovaniensis dominus ab impugnatione cessavit et ab obsidione se amovit, promisso ei quod Durachienses paulo post ei ad justitiam suam educerentur. Et cum ista et alia de dominis et inter dominos tractarentur, pedites et milites per omnia nostra circumjacentia se diffuderunt, villas nostras, ecclesias, molendina et quaecunque occurrebant combustioni et perditioni tradentes, recedentes vero quae longe a nobis fuerant prout cuique adjacebant inter se diviserunt.
Sichtbar ist in der ganzen erzählung alles in gehässigem licht aufgefaßt; es verleiht aber dem hergang gerade erst volle bedeutung, daß er den geistlichen entschieden zuwider war, und sie ihn auf alle weise als ein sündhaftes heidnisches werk zu hintertreiben dachten. allein die weltliche obrigkeit hatte den umzug gestattet und schützte ihn, es hieng von den einzelnen ortschaften ab, dem heranfahrenden schif einlaß zu gewähren; wie es scheint galt in der volksmeinung für schimpflich, es nicht weiter gefördert zu haben.
Bloßer tanz und gesang, wie sie damals bei vielfacher gelegenheit unter dem volk üblich sein musten, konnte der geistlichkeit keinen solchen ärger verursachen. sie benennt das schif ›malignorum spirituum simulacrum‹, ›diaboli ludibrium‹, nimmt an, daß es ›infausto omine‹ und ›gentilitatis studio‹ aufgeschlagen sei, daß in ihm ›maligni spiritus‹ herumziehen, ja daß es ein schif des Neptun oder Mars, des Bacchus oder der Venus heißen könne; man solle es verbrennen oder sonst wegschaffen.
Wahrscheinlich lebten unter dem gemeinen volk jener gegend damals noch erinnerungen an einen uralten heidnischen cultus, der jahrhunderte lang gehindert und eingeschränkt nicht vollends hatte ausgerottet werden können. ich halte dieses im land umziehende, von der zuströmenden menschenmenge empfangne, durch festlichen gesang und tanz gefeierte schif für den wagen des gottes, oder lieber jener göttin, welche Tacitus der Isis vergleicht, die den sterblichen (gleich Nerthus) friede und fruchtbarkeit zuführte. wie der wagen verhüllt war, so mochte auch der eingang in das innere schif den menschen verwehrt sein, ein bild der gottheit brauchte nicht darin zu stehen. ihren namen hatte das volk längst vergessen, nur die gelehrten mönche ahnten noch etwas von Neptun oder Mars, Bacchus oder Venus; auf das äußerliche der alten feier kam die lust des volks von zeit zu zeit wieder zurück. wie wäre der bauer im walde zu Inden darauf verfallen ein schif zu bauen, wenn ihm nicht erinnerungen an frühere processionen, vielleicht auch in benachbarten gegenden vorgeschwebt hätten?
Beachtenswerth ist, daß die weber, in den Niederlanden ein zahlreiches, übermütiges, aber dem gemeinen haufen verhaßtes handwerk, gezwungen wurden, das schif mit seilen auf ihren schultern zu ziehen und zu bewachen; dafür durften sie dem übrigen volk näheren zutritt wehren und pfänder nehmen.
Rodulf meldet nicht, was zuletzt aus der damals umgeführten ›terrea navis‹ wurde; es genügt ihm zu erzählen, daß über die verlangte und geweigerte aufnahme zwietracht und händel ausbrachen, die in offnem kampf gekühlt werden musten. das bezeugt uns die lebhafte theilnahme der zeitgenossen, wie sie für oder wider das fest von der weltlichen oder geistlichen partei angefacht worden war.
Es sind spuren vorhanden, daß auch anderwärts in Deutschland zur zeit des beginnenden frühjahrs solche schiffe umher gezogen wurden, namentlich in Schwaben, also dem späteren sitze jener Sueven [Fußnote]. ein Ulmer rathsprotocoll vom Nicolausabend 1530 enthält das verbot: ›item es sol sich nieman mer weder tags noch nachts verbuzen, verkleiden, noch einig faßnachtkleider anziehen, ouch sich des herumfarens des pflugs und mit den schiffen enthalten, bei straf 1 gulden‹ [Fußnote]. Noch ausgebreiteter scheint die gewohnheit des pflugumziehens, die ursprünglich, ohne zweifel, zu ehren der gottheit geschah, von welcher man fruchtbares jahr und gedeihen der aussaat erwartete. wie beim umzuge des schifs fanden tänze und freudenfeuer statt. Sebast. Frank s. 51a seines weltbuchs: ›an dem Rhein, Frankenland vnd etlichen andern orten samlen die jungen gesellen all dantzjunckfrauwen vnd setzen sy in ein pflůg, vnd ziehen yhren spilman, der auff dem pflůg sitzt vnd pfeifft, in das wasser; an andern orten ziehen sy ein feürinen pflůg mit einem meisterlichen darauff gemachten feür angezündet, biß er zů trimmern felt‹. Enoch Wiedemanns chronik von Hof meldet: ›fastnacht führten böse buben einen pflug herum, und spannten die mägdlein darein, welche sich nicht mit geld lösten; andere folgten nach, säeten heckerling und sägespäne‹ [Fußnote]. Pfeiffer chron. lips. lib. 2. § 53: ›mos erat antiquitus Lipsiae, ut liberalibus (am Bacchusfest d. i. fastnachts) personati juvenes per vicos oppidi aratrum circum ducerent, puellas obvias per lasciviam ad illius jugum accedere etiam repugnantes cogerent, hoc veluti ludicro poenam expetentes ab iis, quae innuptae ad eum usque diem mansissent‹ [Fußnote]. Von diesen und ähnlichen umzügen wird im verfolg noch einiges nähere mitgetheilt werden, hier wollte ich bloß zeigen, wie das fahren des pflugs mit dem des schifs durch die landschaft auf einer und derselben altheidnischen idee zu beruhen scheine, die sich seit verdrängung der götter durch das christenthum nur in unverständlichen volksgebräuchen forterhalten und allmälich verflüchtigen konnte: auf der sichtbarwerdung einer wolthätigen, gütigen gottheit unter den menschen, die sich ihr allenthalben mit freudenbezeugungen nahten, wann im lenz die erde wieder weich geworden und das eis von den strömen gelöst war, daß ackerbau und schiffahrt neu beginnen konnten [Fußnote]. So müssen die Sueven zu Tacitus zeit ihre göttin durch umtragung des schifs gefeiert haben. Die nöthigung der unverheirateten jungfrauen zur theilnahme am fest gleicht dem zwang, der in Ripuarien den webern angethan wurde, und scheint anzudeuten, daß die umziehende göttermutter zugleich dem band der liebe und ehe hold war und versäumnisse strafte; in diesem sinn konnte sie mit recht für frau Venus, Holda und Frecke gelten.
Nicht allein der Isis war bei den Griechen das schif geweiht, auch der Athene. in den Panathenäen wurde ihr heiliger peplos zu schif auf die Akropolis geführt: das schif an dessen mast er als segel hieng, im Keramikos erbaut, bewegte sich zu lande durch ein unterirdisches triebwerk, erst zum tempel der Demeter, um diesen herum, am pelasgischen vorüber zum pythischen, zuletzt nach der burg. das volk folgte in feierlich geordnetem zug [Fußnote].
Nicht unerwähnt bleiben darf, daß Aventin, welcher die taciteische Isis in eine frau Eisen umwandelt und nach ihr das eisen benannt werden läßt (wie ferrum auch Mars bedeutet, s. 169), die nachricht von ihrem cultus erweitert, und außer dem schiflein noch angibt, nach ihres vaters (Hercules) tod sei sie durch alle länder gezogen, zu dem deutschen könige Schwab gekommen und eine weile bei ihm geblieben; da habe sie ihn eisen schmieden, getraide säen, mähen, malen, kneten und backen, flachs und hanf bauen, spinnen, nähen und weben gelehrt, und das volk sie für eine heilige frau gehalten [Fußnote]. Wir werden im verfolg eine göttin Zisa untersuchen, die auf Isis bezogen zu werden anspruch hätte.
Sollte der name, unter welchem die Sueven die von Römern der Isis gleichgesetzte göttin verehrten, sollte nicht wenigstens eine ihrer nebenbenennungen gewesen sein Holda?
Dieser name hat reindeutsche bedeutung und noch heute in lebendiger volksüberlieferung festen grund.
Holdâ ist die freundliche, milde, gnädige göttin und frau, von hold (propitius) goth. hulps (Luc. 18, 13) altn. hollr; die goth. form würde Hulþô lauten. Ulfilas verwendet für den entgegengesetzten begrif feindseliger, teuflischer wesen sowol das fem. unhulþô als das masc. unhulþa, woraus ich ein hulþa neben hulþô folgere; neue bestätigung des doppelgeschlechts, das in der vorstellung dieser götter waltet. gewis aber konnten mehrere götter oder geister des beinamens theilhaftig werden. Notker im Capella 81 überträgt verus genius durch ›mîn wâre holdo‹ auch in der mhd. sprache muß holde (fem. und masc.) für geisterhafte wesen bekannt und gebräuchlich gewesen sein. Albrecht von Halberstadt in seiner bearbeitung der ovidischen me-tamorphosen hat wazzerholde (gen. -en) für nymphe, der reim schützte diese ausdrücke in Wikrams umdichtung [Fußnote]. in der niederdeutschen vielfach erweiternden übertragung des narrenschifs (Narragonia, Rostock 1519. 96a) findet sich folgende dem hochd. text mangelnde stelle: ›mannich narre lövet an vogelgeschrei und an der guden hollen (bonorum geniorum) gunst‹. Häufiger begegnet das mhd. unholde (fem.) nhd. unhold (masc.) im sinn eines bösartigen, finsteren, jedoch gewaltigen wesens.
Das älteste zeugnis für den bestimmteren gebrauch des namens Holda gewährt mir Burchard von Worms p. 194a [Fußnote]: credidisti ut aliqua femina sit, quae hoc facere possit, quod quaedam a diabolo deceptae se affirmant necessario et ex praecepto facere debere, id est cum daemonum turba in similitudinem mulierum transformata, quam vulgaris stultitia Holdam (al. unholdam) vocat, certis noctibus equitare debere super quasdam bestias, et in eorum se consortio annumeratam esse; die merkwürdige variante unholda ist aus dem cod. vidob. univ. 633 geschöpft. Burchard hat hier das deutsche wort an die stelle der Diana, Paganorum dea, gesetzt, die sonst gewöhnlich in gleichem sinn und in der nemlichen verbindung genannt wird.
Volkssagen und märchen lassen frau Holda (Hulda, Holle [Fußnote], Hulle, frau Holl) als ein höheres wesen auftreten, das den menschen freundliche, hilfreiche gesinnung beweist, und nur dann zürnt, wenn es unordnung im haushalt wahrnimmt. diese überlieferungen scheinen unter keinem deutschen stamm so verbreitet wie unter Hessen und Thüringern (auch der Wormser bischof war gebürtig aus Hessen). indessen kommt frau Holle vor bis ins Voigtland [Fußnote], über die Rhön hinaus im nördlichen Franken [Fußnote], in der Wetterau bis zum Westerwald [Fußnote] und reicht aus Thüringen her in das angrenzende Niedersachsen. Schwaben, Schweiz, Baiern, Östreich, Nordsachsen, Friesland kennen sie nicht unter diesem namen.
Aus dem, was uns die tradition noch bewahrt hat [Fußnote], ergeben sich folgende züge.
Frau Holle wird als ein himmlisches, die erde umspannendes wesen vorgestellt: wenn es schneit, so macht sie ihr bett, dessen federn fliegen [Fußnote]. Sie erregt den schnee wie Donar den regen; die Griechen legten ihrem Zeus die hervorbringung des schnees und regens bei, Διὸς όμβρος Il. 5, 91. 11, 493 wie νιφάδες Διός Il. 19. 357, Holda erscheint darum als hehre göttin [Fußnote]. die vergleichung der schneeflocken und federn ist uralt, die Scythen erklärten die nördliche weltgegend, weil sie mit federn angefüllt sei, für unnahbar (Herod. 4, 7. vgl. 31). Holda muß sich also durch die lüfte bewegen können, wie frau Herke.
Sie liebt den aufenthalt in see und brunnen; zur mittagsstunde sieht man sie, als schöne weiße frau, in der flut baden und verschwinden, dieser zug stimmt zu Nerthus. sterbliche gelangen durch den brunnen in ihre wohnung, vgl. die benennung wazzerholde [Fußnote].
Auch das stimmt, daß sie auf einem wagen einherfährt. sie ließ ihn von einem bauer, der ihr begegnete, verkeilen, die aufgeraften späne waren gold [Fußnote]. ihr jährlicher umzug, der wie bei Herke und Berhta auf weihnachten in die sogenannten zwölften verlegt wird, wo es nicht recht geheuer ist, und thiere wie der wolf nicht bei namen genannt werden, bringt dem lande fruchtbarkeit. nicht anders scheint Derk mit dem eber, jener niederländische Freyr (s. 177) umzuziehen und nach den pflügen zu schauen. Gleich Wuotan fährt Holda aber auch schreckenhaft durch die lüfte und gehört, wie der gott, zu dem wütenden heer. daraus folgt die einbildung, daß hexen in Hollas gesellschaft fahren (s. cap. XXXIV die schneefrauen), schon Burchard wuste es, und noch ist Hollefahren, mit der Holle fahren in Oberhessen und im Westerwald gleichbedeutig mit hexenfahrt [Fußnote]. in das wütende heer wurden aber nach dem weit verbreiteten volksglauben die seelen der ungetauft sterbenden kinder aufgenommen, da sie keine Christen wurden, blieben sie heidnisch und fielen heidnischen göttern zu, Wuotan oder Hulda.
Hieran knüpft sich, daß Hulda statt der göttlichen gestalt das aussehen einer häßlichen, langnasigen, großzahnigen alten, mit struppigem, engverworrenem haar annimmt. ›er ist mit der Holle gefahren‹ heißt es von einem, dessen haare sich unordentlich wirren und sträuben, und so werden die kinder mit ihr oder mit ihrem nicht weniger greulichen gefolge geschreckt [Fußnote]: ›still, der Hullebetz, der Hullepöpel kommt‹. Hollepeter (sonst auch Hersche, Harsche, Hescheklas, Ruprecht, Rupper s. cap. XVII Hausgeister) heißt der zur zeit der winterwende, in Holles geleit, umziehende vermummte knecht. In einem märchen (no. 24) wird sie als alte hexe mit langen zähnen geschildert; nach verschiedenheit der erzählung geht ihr freundliches holdes aussehn über in ein finsteres, schreckhaftes.
Holla wird wiederum als spinnende frau dargestellt, der flachsbau ist ihr angelegen. fleißigen dirnen schenkt sie spindeln und spinnt ihnen nachts die spule voll; faulen spinnerinnen zündet sie den rocken an oder besudelt ihn [Fußnote]. dem mädchen, dessen spindel in ihren brunnen fiel, lohnte sie durch begabung. wenn sie weihnachten im land einzieht, werden alle spinnrocken reichlich angelegt und für sie stehen gelassen; fastnachts aber, wenn sie heimkehrt, muß alles abgesponnen sein, die rocken stehen dann vor ihr versteckt (abergl. 683); trift sie alles an, wie es sich gehört, so spricht sie ihren segen aus, im gegentheil ihren fluch, die formeln ›so manches haar, so manches gute jahr!‹ ›so manches haar, so manches böse jahr!‹ klingen alterthümlich. verwechselung scheint, wenn auch erzählt wird, in den zwölfnächten dürfe kein flachs auf der dieße bleiben, sonst komme frau Holla [Fußnote]. das verstecken des arbeitsgeräthes deutet zugleich auf die heiligkeit ihres feiertages, an dem gerastet werden soll [Fußnote]. den ›samstag der Hulla‹ wird auf der Rhön keine ländliche arbeit verrichtet, weder gekehrt; noch gemistet, noch zu acker gefahren. auch im Norden soll sich von jultag bis zu neujahr weder rad noch winde drehen (dän. abergl. no. 134) [Fußnote]
Das älteste zeugniss für die Holda gewährt übrigens nicht Burchard von Worms, sondern Walafrid Strabo, indem er Judith, Ludwig des frommen gemahlin besingt:
organa dulcisono percussit pectine Judith,
o si Sappho loquax vel nos inviseret Holda etc.
 
Wenn nebel auf dem berge hängt, heißt es: frau Holle hat feuer im berge. im Elsaß heißt es beim schneefall: d'engele hans bed gemacht, d'fedre fliege runder, bei Gegenbach 427: die himelfedern fliegen, in Nassau: frau Holle schüttelt ihr bett. Kehrein Nassau s. 280. Neugeborne kinder holen die hebammen aus frau Hollenteich. Frauholdagraben ist ein flurname in Siebenbürgen. progr. über todaustragen 1861 s. 3. sie wäscht ihren schleier. Pröhle 198. Holle ist wie Berthe königin, führerin der elben und holden (s. 425) vgl. Titania und frau Venus. (fraue Bercht oder fraue Holt heißt es in Landskranna (?) himelstrasz. gedr. 1484. Gefken beil. 112.) frau Holle soll einen felsen in der gegend des Meisners auf ihrem daumen dahin getragen haben. hess. zeitschr. 4, 108. hier heißt eine höle kitzkammer, vielleicht weil ihr wie der Freya katzen heilig waren (s. 253). am Main zwischen Hassloch und Grünenwörth zeigt sich fra Hulle, ihre locken kämmend, auf dem Fra Hullenstein. wer sie sieht, verliert das augenlicht oder gar den verstand. frau Holle fährt in der kutsche, macht wirbelwind und verfolgt den jäger. Pröhle 156. 278. 173, sie gleicht der Pharaildis, Verild (s. anm. 890). andere sagen von frau Hulle in Herrleins Spessartsagen 179–184. in Thüringen gibt es noch ein frau Hollenspiel, hess. zeitschr. 4, 109. die Haulemutter (mutter Holle) am harz erscheint als altes mütterchen, macht sich klein und groß. Harrys 2 no. 6. Pröhle 278. vgl. Haulemännerchen = zwerge. KM. no. 13. ein bucklichtes mütterchen ist sie auch bei Sommer s. 9. sie geht an der krücke in Westfalen bei Haxthausen. auch kommt königin Holle als haushälterin und botin des Friedrich Rothbart im Kifhäuser vor, ganz wie Frau Venus im geleite Wuotans zieht. Sommer s. 6. oberhess. bedeutet ›meätt der Holle färn‹ verworrnes haar oder verworrnen rocken haben, auch wol nachtwandeln. einer hexe gleicht die Holle zu Warburg. Woeste mitth. s. 289 no. 24. vgl. verheuletes haar. Corrodi professer 59. einer mit struppichtem haar heißt hollekopf. zu ihrem stroharnß halte man den ströwenars anm. 665. Schlechten spinnerinnen droht man mit der verwunschenen frau s. Panzer beitr. 1, 84: wer samstags nicht abspinnt, dem fährt die Holle in den rocken und verwirrt ihn. vgl. die Kuga (s. 994).
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Diese oberaufsicht über den feldbau und die strenge ordnung im haushalt bezeichnet ganz das amt einer mütterlichen gottheit, wie wir sie in der Nerthus und Isis kennen gelernt haben. Ihre besondere sorge für flachs und spinnen (das wesentliche geschäft deutscher hausfrauen, die nach spindel und kunkel benannt werden [Fußnote], wie nach speer und schwert die männer) führt aber unmittelbar auf die altn. Frigg, Ođins gemahlin, deren wesen in den begrif einer erdgöttin übergeht und nach der ein gestirn des himmels, Orions gürtel: Friggjar rockr (Friggae colus) benannt ist. zwar gewähren isländische denkmäler diesen namen nicht, unter dem schwedischen landvolk ist er im gebrauch geblieben (Ihre s. v. Friggerock). das gestirn heißt aber Mariärock, dän. Marirock (Magnusen gloss. 361. 376), weil die Christen den alten namen auf Maria, die himmlische mutter, anwandten. Bei den Griechen wurde spindel und rocken mehreren göttinnen beigelegt, vorzüglich der Artemis (χρυσηλάκατος Il. 20, 70) und ihrer mutter Leto, dann aber auch der Athene, Amphitrite und den Nereiden. alles stimmt zu Holda, die eine göttin der jagd (des wilden heers) und der brunnen ist.
Man könnte versucht sein, frau Holda aus einer gestalt des alten testaments herzuleiten. II Reg. 22, 14 und II Paralip. 34, 22 ist die rede von einer wahrsagerin חדלה Chuledda, Chulda, wofür Luther Hulda setzt; die LXX haben ’Ολδά, die vulg. Olda, die lat. bibel Viteb. 1529 und wahrscheinlich andere spätere Hulda, mit rücksicht auf Luthern, der die deutsche ›frau‹ Holda im sinn habend die jüdische prophetin popularisiert. mehrmals in seinen schriften gedenkt er des heidnischen wesens, eine stelle ist s. 223 angezogen. Ich weiß nicht, ob schon andere vor ihm beide namen verglichen haben, sicher aber ist die vorstellung von frau Holda nicht erst aus der ganz unbedeutsam auftretenden Olda der vulgata geschöpft, wie die tiefere wurzelung jenes namens in unserer sprache, seine allgemeine beziehung auf verschiedenartige geister und die uralte negation unholda zeigen.
Auch um der verwandtschaft nordischer überlieferungen willen würde man jenen gedanken fahren lassen. zwar kennt die eddische götterlehre keine, unserer Holda entsprechende, Holla; allein Snorri (Yngl. saga c. 16. 17) gedenkt einer zauberin (völva, seiđkona) namens Huldr, und eine spätere im 14 jh. abgefaßte isl. sage erzählt umständlich von dem zauberweib Hulda, Ođins geliebten, und der bekannten halbgöttinnen Thorgerđr und Irpa mutter [Fußnote]. Noch wichtiger scheinen norwegische und dänische volkssagen von einer berg oder waldfrau Hulla, Huldra, Huldre, die sie bald jung und schön, bald alt und finster darstellen. in blauem kleid und weißem schleier naht sie sich den weideplätzen der hirten und dem tanz der menschen, an dem sie theil nimmt, ihre gestalt wird aber durch einen schwanz entstellt, den sie sorgsam zu verbergen trachtet. nach einigen ist sie von vornen schön, von hinten häßlich. sie liebt musik und gesang, ihr lied hat traurige weise und heißt huldreslaat. in den wäldern sieht man Huldra als graugekleidete alte frau, an der spitze ihrer heerde, den melkeimer in der hand, einherziehen. sie soll den menschen ungetaufte kinder forttragen. oft erscheint sie nicht allein, sondern als herrin oder königin der berggeister, welche huldrefolk genannt werden [Fußnote]. auch auf Island weiß man von diesem Huldufôlk, von den Huldumenn, und hier zeigt sich von neuem die berührung mit dem deutschen volksglauben, der neben der frau Holde zugleich holden, d. h. freundliche geister, ein stilles unterirdisches volk annimmt, dessen fürstin gleichsam frau Holde ist [Fußnote]. Aus diesem grund schon wird es richtiger sein, die nord. benennung Hulla, Huldra aus dem altn. adj. hollr (fidus, fidelis, propitius), das dän. und schwed. huld lautet, zu erklären, nicht aus dem altn. hulda (obscuritas) mit beziehung auf die wohnung der berggeister unter der erde. in schwed. volksliedern finde ich huldmoder, hulda moder gleichbedeutend mit kära moder von der natürlichen mutter gesagt (sv. vis. 1, 2. 9), wonach also huld ganz den sinn unsers deutschen worts haben muß. wahrscheinlich kam der ausdruck huldufôlk erst aus der dänischen oder norwegischen sprache in die isländische. Schwerer zu deuten ist das in den formen Huldra, Huldre eingeschaltete R; sollte es aus der pluralform hulder (boni genii, hollar vættir) herrühren? oder aus einer zusammensetzung?
Die deutsche Holda steht dem spinnen und ackerbau vor, die nordische Hulle der viehweide und dem melken.
Ein ähnliches wesen, wie Holda, oder ganz dasselbe, unter verschiedner benennung, erscheint gerade in den oberdeutschen gegenden, wo jene aufhört, in Schwaben, im Elsas, in der Schweiz, in Baiern und Österreich [Fußnote]. es heißt frau Berchte, d. i. ahd. Perahta, die leuchtende, glänzende [Fußnote], hehre, wie Holda den glänzenden schnee erzeugt; schon dem sinn des wortes nach eine gütige, freudebringende, aber selten wird sie noch so vorgestellt, gewöhnlich ist die grauenhafte seite hervorgehoben, sie tritt als ein fürchterliches, kinderschreckendes scheusal auf. in den erzählungen von frau Berchta herscht die böse bedeutung vor, wie in denen von frau Holda die gute, d. h. durch die christliche volksansicht ist Berchta tiefer als Holda herabgewürdigt. aber sie fällt auch zusammen mit frau Herke, Freke und andern [Fußnote].
Ihre identität ergibt sich am deutlichsten daraus, daß alle zu gleicher zeit, in den zwölften, zwischen weihnachten und neujahr, ihren umgang halten. doch ist für Berchta ein eigenthümlicher tag am schluß dieser periode bestimmt worden, den ich nie nach frau Holda benannt finde. nicht weniger gleichen sich ihre verrichtungen.
Berchta führt, wie Holda, aufsicht über die spinnerinnen, was sie am letzten tag des jahrs unabgesponnen findet, verdirbt sie (abergl. 512). ihr fest muß durch eine althergebrachte speise begangen werden, brei und fische. Thôrr sagt (Sæm. 75a), daß er ›sîldr ok hafra‹ (heringe und haber) zu nacht gegessen habe; die weiße frau hat dem landvolk auf ewige zeiten ein gericht fische und habergrütze verordnet, sie zürnt, wenn es einmal unterbleibt (deutsche sagen no. 267). den letzten tag im jahr beschließen die Thüringer im Saalfeldischen mit knödel und heringen. fische und mehlspeise galt den Christen geziemend für die faste [Fußnote].
Seltsam und alterthümlich klingt die rache der zürnenden Berchta, wenn fische und klöße fehlen: sie schneidet dem der andere speise an ihrem tag zu sich genommen hat, den leib auf, füllt ihn mit heckerling, und näht mit einer pflugschar statt der nadel, mit einer eisenkette statt des zwirns den schnitt am bauch zu (abergl. 525) [Fußnote]. damit wird auch in andern gegenden gedroht [Fußnote].
Börners volkssagen aus dem Orlagau (zwischen der Saale und Orle) erzählen reichlich s. 153: jedesmal nachts vor dem h. dreikönigstag untersucht Perchtha die rockenstuben der ganzen umgegend, bringt den spinnerinnen leere spulen unter der weisung, daß dieselben in einer bestimmten sehr kurzen frist vollgesponnen sein müssen, und bestraft, wenn das geforderte nicht geliefert werden kann, mit verwirrung und verunreinigung des flachses. bei dieser gelegenheit schneidet sie auch allen, die an diesem tage nicht zemmede [Fußnote] gegessen haben, den leib auf, nimmt die genossene anderartige speise heraus und füllt den leeren raum mit wirrbüscheln und backsteinen an, zuletzt näht sie den leib wieder zu, wobei sie sich statt der nadel einer pflugschar, statt des zwirns einer röhmkette bedient. s. 159: zu Oppurg, als Perchtha in jener nacht die spinnstube voll schäkernder gäste antraf, reichte sie hocherzürnt zwölf leere spindel durch das fenster, die in einer stunde, wann sie wiederkehre, bis zum rande vollgesponnen sein sollten; eine viertelstunde verstrich nach der andern in banger erwartung, da sprang ein keckes mädchen auf den dachboden, langte einen wickel werrig und umwickelte die leeren spulen. dann überspannen sie das werrig zu ein, zwei bis dreimalen, so daß die spulen voll schienen. Perchtha kam, man überreichte ihr die gefertigte arbeit und kopfschüttelnd zog sie damit ab. (vgl. die ähnliche sage vom weißen männlein bei Bader s. 369). s. 167: zu Langendembach war eine alte spinnfrau, die im ganzen winter den faden f1ink drehte und sogar am dreikönigsabend nicht aussetzte; sohn und schnur warnten: wenn Perchtha kommt, es wird euch übel gehn. ›ei was‹, war ihre antwort, ›Perchtha bringt mir keine hemden, ich muß sie selbst spinnen!‹ nach einer weile wird das fenster aufgeschoben, Perchtha schaut in die stube und wirft leere spulen zu, die sie in einer stunde voll gesponnen wieder abholen werde. da faßte sich die spinnerin ein herz, spann in aller eile einige reifen auf jedwede spule und warf die spulen insgesammt in den bach, der an dem hause vorüber floß (dadurch schien Perchtha versöhnt). s. 173: einem bergmann, der in der Perchthennacht von Bucha zurück nach Könitz kehrte, trat sie auf dem kreuzweg drohend entgegen und verlangte, daß er ihren wagen verkeilen solle. er nahm sein messer, schnitzte den keil so gut es gehen wollte, und paßte ihn in Perchthas wagen ein, die ihm die abgefallenen späne schenkte. er las sie auf, und zog zu hause aus allen taschen gold in Perchthas gabe. s. 182: zwei bauern aus Jüdewein, die sich im Köstrizer bierkrug auf Perchthenabend verspätet hatten, waren noch nicht weit gegangen, als Perchtha auf einem wagen gefahren kam und sie anrief, sie sollten ihr einen pflock in die wagendeichsel machen. der eine bauer hatte ein messer und mit holz half Perchtha aus, der pflock wurde eingepaßt und der hilffertige mann trug einige geldstücke im schuh als lohn nach hause. s. 113: in dem fruchtbaren Saalthal zwischen Bucha und Wilhelmsdorf hatte Perchtha, die königin der heimchen, ihren alten sitz, und auf ihr gebot musten die heimchen die felder und fluren der menschen bewässern, während sie unter der erde mit ihrem pfluge ackerte; zuletzt aber veruneinigten sich die leute mit ihr und sie beschloß das land zu verlassen, auf Perchthenabend wurde der fährmann im dorfe Altar für spät in der nacht bestellt, und als er zum Saalufer kam erblickten seine augen eine große, hehre frau umgeben von weinenden kindern, die von ihm überfahrt forderte. sie betrat das fahrzeug, die kleinen schleppten einen ackerpflug und eine menge andern geräthes hinein, unter lautem wehklagen, daß sie aus der schönen gegend weichen müsten. am andern ufer der Saale angelangt hieß Perchtha den schiffer nochmals fahren und die zurückgebliebnen heimchen holen, welches nothgedrungen geschah. unterdessen hatte sie am ackerpfluge gezimmert, deutete auf die späne und sprach zum fährmann: ›da nimm, das sei der lohn für deine mühe!‹ mürrisch steckte er drei von den spänen ein, warf sie zu hause auf das fensterbrett und sich geängstigt ins bette. am morgen lagen drei goldstücke da wohin er die späne gelegt hatte. die kunde von Perchthas überfahrt hat sich auch bei Kaulsdorf an der Saale, so wie an der Elster zu Köstriz unweit Gera erhalten. s. 126: spät in der nacht gieng der wagnermeister aus Colba von Oppurg, wo er auf arbeit gewesen war, nach hause, es war am vorabend des h. dreikönigfestes und an des Orlaflüßchens ufer stieß er auf Perchtha, deren zerbrochnen pflug klagende heimchen umringten. ›hast du ein beil bei dir, so hilf und zimmere!‹ rief sie den erschrocknen mann an. er half so gut als möglich war, doch von den gefallnen spänen, dem ihm zugewiesnen lohne, nimmt er nichts: ›dergleichen habe ich selbst genug zu hause‹. daheim erzählte er was ihm begegnet war und als die leute ungläubig den kopf schüttelten, zog er den schuh vom fuß, worin ihn etwas hineingefallnes gedrückt hatte, da rollte ein blankes goldstück heraus. Jahr und tag vergiengen, ein knecht, der jene erzählung mit angehört hatte, machte sich in der Perchthennacht auf den weg und harrte an der Orla, da wo sein meister auf Perchtha getroffen war, nicht lange so kam sie an mit ihren kinderzug: ›was suchst du hier um diese zeit?‹ rief sie zürnend, er antwortete stotternd. ›diesmal bin ich mit werkzeug besser versehen‹, fuhr sie fort, ›du aber nimm was dir gebührt!‹ bei diesen worten hieb sie mit ihrem beil dem burschen in die schulter. Das ähnliche wiederholt sich bei Kaulsdorf an der stelle eines bachs, die das wasser über den weg genannt wird, in Preßwitz bei dem Saalhause und auf dem sandberge zwischen Pößneck und dem forsthause Reichenbach. Unter dem Gleitsch, einem auffallend gebildeten felsen bei Tischdorf, weicht die sage darin ab, daß dort Perchtha mit den heimchen auf einem wagen fuhr und so eben die achse gebrochen hatte, als ihr ein landmann begegnete, der eine nothachse bildete und mit den spänen bezahlt wurde, die er verschmähte, und von denen er nur ein stück im schuh nach hause trug. s. 133: eine spinnerin kam in dieser nacht vom Neidenberge her gegangen, sie hatte rein abgesponnen und war wolgemut, da schritt Perchtha mit dem großen zuge des heimchenvolks den berg heran ihr entgegen, alle kinder von gleicher art und größe, mühsam schob eine schaar der kleinen an einem schweren ackerpflug, ein anderer haufe war mit wirtschaftsgeräthe beladen, sie klagten laut, daß sie keine heimat mehr hätten. über diesen wunderlichen zug begann die spinnerin laut auf zu lachen, da erzürnte Perchtha, trat vor die leichtfertige hin und blies sie an, daß sie auf der stelle erblindete. das arme mädchen fand mit mühe den weg ins dorf, sie war nun unglücklich, konnte nicht mehr arbeiten und saß traurig am weg und bettelte. als das jahr verstrich und Perchtha wieder in Altar einkehrte, bettelte die blinde, weil sie niemand kannte, auch die vorüberziehende hohe frau an, da sprach Perchtha gütig: ›voriges jahr blies ich hier ein paar lichtlein aus, so will ich heuer sie wieder anblasen‹, und bei diesen worten blies sie der magd in die augen, welche alsbald wieder sehend wurden. dieselbe sage findet sich in der sogenannten Sorge bei Neustadt an der Orla. Rührende sagen von den weinenden kindern, die in Perchthas großem haufen einherziehen, sollen mitgetheilt werden, wann von dem wütenden heer ausführlich zu handeln ist [Fußnote].
An diese bedeutsamen thüringischen überlieferungen reihen sich andere aus Baiern und Österreich. im gebirge um Traunstein (in Oberbaiern gegen Salzburg) sagt man den kindern am vorabend epiphaniae, wenn sie bös seien, werde die Berche kommen und ihnen den bauch aufschneiden. an diesem tage werden fette kuchen gebacken und bei den knechten heißt es, damit müsse man sich den bauch schmieren, dann werde frau Berche mit dem messer abglitschen (Schm. 1, 194). Vielleicht führt sie darum den namen der wilden oder eisernen Bertha? Grusius ann. suev. p. 2. lib. 8. cap. 7. p. 266 erzählt als seine vermutung über des namens ursprung, Heinrich 4 habe der stadt Padua freiheiten verliehen: inde in signa libertatis armato carrocio uti coeperunt in bello Bertha nominato. hinc dictum hoc ortum puto, quo terrentur inquieti pueri: ›schweig, oder die eiserne Bertha kommt!‹ [Fußnote] an andern fränkischen und schwäbischen orten heißt sie Hildaberta (etwa verbindung der beiden namen Holda und Berta?) oder Bildaberta; in zottigem haar geht sie nachts um die häuser und zerreißt böse buben [Fußnote] [Fußnote].
Frau Precht mit der langen nas wird sie von Vintler genannt, und schon ein mhd. gedicht, das in einer hs. überschrieben ist ›daz mære von der Stempen‹, heißt in einer andern ›von Berchten mit der langen nas‹ [Fußnote]. was daraus hierher gehört vermag ich nur nach jener (in berichtigter schreibung) mitzutheilen.
nu merket reht waz iu sage:
nâch wîhennaht am zwelften tage
nâch dem heilgen ebenwîhe [Fußnote]
(gotgeb, daz er uns gedîhe)
dô man ezzen solt ze nahte,
und man ze tische brâhte
allez daz man ezzen solde,
swaz der wirt geben wolde,
dô sprach er zem gesinde
und zuo sîn selbes kinde:
›ezzet hînte fast durch mîn bete,
daz iuch diu Stempe niht entrete‹.
daz kintlîn dô von forhten az,
er sprach ›veterlîn, waz ist daz,
daz du die Stempen nennest?
sag mir, ob dus erkennest‹.
der vater sprach: ›daz sag ich dir,
du solt ez wol gelouben mir,
ez ist so griuwelîch getân,
daz ich dirz niht gesagen kan:
wan swer des vergizzet,
daz er nicht fast izzet,
ûf den kumt ez und trit in‹.
 
auch hier werden kinder und knechte vom hauswirt ermahnt, die aufgetragnen gerichte rein zu verzehren und mit der Stempe tritten bedroht. von dem stampfen (drücken, treten, stapfen, tappen) muß dieser beiname der Berchte entsprungen sein, vielleicht ist Stempfe zu lesen? doch findet sich in Baiern der eigenname Stempo (MB. 2, 280 a. 1130), nicht Stempho, und beide formen stampen und stampfen für treten und drücken scheint gerecht, ital. stampare, es ist die ängstigende nachtfrau, dem alp und schrat vergleichbar. Dazu kommt, daß in Franken, im Nordgau, frau Holda genannt wird die Trempe (Döderlein antiq. nordg. 41), d. h. die trampelnde, polternde; Stalder deutet trämpeln: mit kleinen, abgemeßnen schritten gehn (trippeln) und die Drut naht mit leisen schritten (Höfer 3, 242), sonst ist auch trampel, trampelthier ein plumpes weib. Da nun S dem T zuweilen vorgeschlagen wird, so wäre bei Stempe ein gedanke an die ältere Tamfana, Tanfana (s. 213) doch nicht überkühn [Fußnote].
Martin von Amberg [Fußnote] nennt sie Percht mit der eisnen nasen und erwähnt, daß ihr die leute an der Perchtnacht essen oder trinken stehn lassen, d. h. förmlich speise opfern.
Im salzburgischen gebirg wird noch bis auf heute der fürchterlichen Perchtel zu ehren das sogenannte Perchtenlaufen, Perchtenspringen zur zeit der rauchnächte gehalten [Fußnote]. im Pinzgau ziehen dann 100–300 bursche (sie heißen die Berchten) bei hellem tag in seltsamster vermummung mit kuhglocken und knallenden peitschen bewafnet umher [Fußnote]. im Gasteinerthal geht der zug, den rüstige bursche zu 50, 100 bis 300 anführen, von ort zu ort, von haus zu haus, durch das ganze thal, hüpfend und springend [Fußnote] [Fußnote]. In der nördlichen Schweiz, wo neben Berchtli auch die weichere form Bechtli, Bechteli vorkommt, ist Bechtelistag der zweite, oder wenn neujahr auf sonnabend fällt, der dritte jan., und er wird von den jungen leuten durchgehends in gesellschaftlicher lustbarkeit gefeiert. man nennt es berchteln, bechteln. noch im 16 jh. herschte in Zürich der gebrauch, neujahrs einander aufzufangen und zum weingehen zu nöthigen: das hieß ›zum Berchtold führen‹ [Fußnote]. man dachte sich auch einen männlichen Bercht oder Berchtolt, der sich mit Wuotan berührt, wie Berhta mit Freke, woraus dann in Schwaben wieder eine Brechtölterin, Prechtölterin wurde [Fußnote]. Im Elsaß galt das bechten: knaben und handwerksgesellen liefen zur weihnachtszeit aus einem haus, aus einer stube in die andere und lermten [Fußnote]. Cunrat von Dankrozheim, in seinem 1435 verfaßten namenbuch [Fußnote]:
darnauch so komet die milde Behte,
die noch hat gar ein groß geslehte.
 
er nennt sie die milde, den menschen gütige, nicht die schreckliche. Berchtolt aber ist nach schwäbischer sage das weiße männchen, welches spulen zum bespinnen bringt (Mones anz. 8, 179) gerade wie Berchta (s. 227) [Fußnote].
Als ein gutes, günstiges wesen erscheint sie noch in manchen andern, gewis hoch in das mittelalter hinaufreichenden vorstellungen. die weiße frau ist ihr schon dem namen nach völlig gleichbedeutig, denn peraht, berht drückt aus glänzend, leuchtend, weiß. diese weiße frau pflegt zwar an bestimmte geschlechter geknüpft zu werden, aber den namen Berta fortzuführen, z. b. Berta von Rosenberg. schneeweiß gekleidet zeigt sie sich nachts in fürstlichen häusern, wiegt und trägt die kinder, wenn die ammen schlafen: sie tritt auf als alte ahnmutter des geschlechts [Fußnote].
Es hat vieles für sich, daß einige in unsern überlieferungen berühmte frauen dieses namens mit der geisterhaften Berhta zusammenhängen: sie sind aus der göttersage in die heldensage aufgenommen worden. Eine weit zurückliegende vergangenheit pflegt man in Italien und Frankreich durch die redensart zu bezeichnen: ›nel tempo ove Berta filava‹. Pentamerone. Liebrecht 2, 259. ›au tems que la reine Berthe filait‹; es ist wieder die vorstellung der spinnenden hausmutter [Fußnote]. Berta, des königs Blume und der Weißblume tochter, hernach gemahlin Pippins, und mutter des großen helden Carl, in dem mnd. gedicht von Flos Vredeling und Brehte (1555. 7825) geheißen, verleugnet ihren mythischen ursprung nicht [Fußnote]. sie heißt ›Berhte mit dem fuoze‹ Flore 309; franz. Berthe au grand pied; nach den Reali di Franza 6, 1: ›Berta del gran pie, perche ella aveva un pie un poco maggior dell altro, e quello era il pie destro‹. Adenez, der franz. dichter, scheint diese misgestalt absichtlich zu mildern, indem er ihr beide füße größer beilegt, sie ist ihm ›Berte as grans pies‹ (Paris ausg. LII. 78. 104) und ebenso mnl. ›Baerte metten breden voeten‹ Florîs 3966. aber der eine großfuß ist echter und geht aus weit älterer überlieferung hervor von einer ›reine Pédauque‹, ›regina pede aucae‹, deren bild an alten kirchen in stein gehauen steht [Fußnote]. es scheint der fuß einer schwanjungfrau, den sie (wie Huldra den schwanz, der teufel den pferdfuß) zum zeichen ihrer höheren natur nicht ablegen kann, zugleich der platschfuß der auftretenden spinnerin und der stampfenden frau Stempe oder Trempe. Hätten wir in Deutschland ältere, genauere beschreibungen von ›frau Berhta‹, vielleicht würde dann auch dieses fußes erwähnt [Fußnote].
Es ist jetzt noch übrig ihr näheres verhältnis zu einem bestimmten jahrstag auseinander zu setzen. Die christliche kirche feiert entweder am 25 dec. (dies natalis) oder dreizehn tage nach weihnachten, also am 6 jan., an welchem der stern den drei königen erschien, das fest der erscheinung Christi unter dem namen epiphania (s. Ducange s. v.), bethphania, oder theophania (altfranz. tiephaine, tiphagne). in einer ahd. glosse (emm. 394) wird theophania gegeben giperahta naht, die leuchtende nacht von der himmlischen erscheinung, die den hirten auf dem felde widerfuhr [Fußnote]. urkunden des MA. datieren mit der dativform: perchtentag, perhtennaht (zi demo perahtin taga, zi deru Perahtûn naht); an der berechtnaht. M. Beham (Mone anz. 4, 451) ze perhnahten. MB. 8, 540 (a. 1302). ›unze an den ahtodin tac nâh der Perhtage‹ fundgr. 110, 22; ›von dem nehsten Berhtag‹ MB. 9, 138 (a. 1317); ›an dem Prehentag‹ MB. 7, 256 (a. 1349); diese und andere verkürzte formen belegt Scheffers Haltaus p. 75 und Schm. 1, 194 [Fußnote]. hieraus konnte sich nun ganz leicht die personification Perchtentac, Perchtennaht, d. h. der tag, die nacht der frau Perchte entwickeln. Conrad von Dankrotsheim p. 123 setzt die milte Behte auf den 30 dec. [Fußnote], acht tage früher.
Zwei annahmen bieten sich dar. entw. hat sich das fabelhafte wesen einer Perhta überhaupt erst zufällig und durch misverstand aus dieser personification ergeben, oder die analogie des leuchtenden tages ist an die früher vorhandne Perhta geknüpft worden. Frau Perhta läßt sich freilich erst aus dem 15 oder 14, höchstens dem 13 jh., nachweisen; aber jene vermutung würde selbst dann nicht zu weichen brauchen, wenn es gelänge, den persönlichen namen in noch ältern denkmälern aufzuspüren. auch im 9 jh. könnte aus der formel perahtûn naht geworden sein Perahtûn naht. Indessen scheinen mir die beigebrachten eigenheiten einer mythischen Berta, noch mehr ihre identität mit Holda für den andern fall zu entscheiden. gab es, unabhängig vom christlichen calender, eine Holda, so wird auch Perahta nicht erst aus ihm hervorgegangen sein; vielmehr führen beide adjectivische benennungen auf eine heidnische gottheit, die gerade auch in der julzeit ihren umgang hielt, daher von den Christen gern mit der heiligkeit von weihnachten und neujahr in verbindung gesetzt wurde.
Ich will hier die züge zusammenstellen, die unverkennbar Holda und Bertha in diesem lichte erscheinen lassen. sie ziehen auf wagen einher, gleich der mutter Erde, und begünstigen ackerbau und schiffahrt unter den menschen, ein pflug, von dem goldspäne abfallen, ist ihr heiliges geräth. auch das ist göttlich, daß sie plötzlich erscheinen und zumal Berhta ihre gaben zum fenster herein reicht. beiden liegt spinnen und weben an, sie fordern fleiß und heiligung der feiertage, an dem frevler werden grausame strafen vollzogen. In ihrem heer finden sich die seelen kleiner kinder, wie sie über elben und zwergen herschen, aber auch nachtfrauen und zauberinnen folgen in ihrem geleite, das alles schmekt nach dem heidenthum.
Sehr merkwürdig, daß auch den Italienern eine ungestalte, kinderschreckende fee Befana aus epiphania (befania) entsprang: an diesem tage setzen frauen und kinder eine von alten lumpen gemachte puppe ans fenster: sie ist schwarz und häßlich und bringt geschenke. nach einigen ist sie des Herodes tochter [Fußnote]. la Befania (Pulcis Morg. 5, 42). Berni sagt: ›il di di Befania vo porla per Befana alla fenestra, perche qualcun le dia d'una ballestra‹ [Fußnote], es wäre doch seltsam, wenn zweimal, unter verschiednen völkern, ein name des calenders die erfindung eines übernatürlichen wesens veranlaßt hätte; wahrscheinlicher ist, daß sich in Italien wie bei uns ältere volksüberlieferungen mit jener christlichen benennung zu verschmelzen suchten.
Herodias, an die uns eben Befana gemahnte, soll das noch mehr erläutern. die erzählung von Herodes tochter, durch deren tanz Johannes des täufers enthauptung herbeigeführt wurde, muß in der früheren zeit des MA. einen besonders tiefen eindruck erzeugt, und sich auf mehr als eine weise mit fabeln gemischt haben. geistliche dichter behandeln diesen gegenstand ausführlich und mit vorliebe (Hel. 83–85), Otfried scheint ihn absichtlich auszulassen. Man wähnte, ihrer mehr leichtsinnigen als boshaften handlung wegen (denn der gedanke gieng von der rachsüchtigen mutter aus), sei Herodias (die tochter) verwünscht worden, in gesellschaft der bösen und teuflischen geister umzuwandern. sie wird an die spitze des wütenden heers oder der nächtlichen hexenfahrten gestellt, neben die heidnische. Diana, neben Holda und Perahta, oder an deren platz. Bei Burcard von Worms heißt es 10, 1: illud etiam non omittendum, quod quaedam sceleratae mulieres retro post satanam conversae, daemonum illusionibus et phantasmatibus seductae credunt se et profitentur nocturnis horis cum Diana Paganorum dea, vel cum Herodiade et innumera multitudine mulierum equitare super quasdam bestias, et multa terrarum spatia intempestae noctis silentio pertransire, ejusque jussionibus velut dominae obedire et certis noctibus ad ejus servitium evocari. Johannes salisberiensis († 1182) im polycr. 2, 17: quale est, quod noctilucam quandam, vel Herodiadem, vel praesidem noctis dominam concilia et conventus de nocte asserunt convocare, varia celebrari convivia etc. Angerius, episcopus conseranus (a. 1280): nulla mulier de nocturnis equitare cum Diana, dea paganorum, vel cum Herodiade seu Bensozia [Fußnote], et innumera mulierum multitudine profiteatur. Ähnliche äußerungen sind in spätere schriften, z. b. Martins von Amberg und Vintlers übergegangen. Nicht zu übersehen ist daß dem cultus dieser Herodias ein drittel der ganzen welt eingeräumt, also die ansehnlichste ausbreitung zugestanden wird. Ratherius (bischof zu Verona, aber ein Franke, aus Lobi bei Cambrai gebürtig, † 974) in seinen praeloquiis (Martene und Durand 9, 798. opp. edit. Ballerini p. 20. 21): quis enim eorum, qui hodie in talibus usque ad perditionem animae in tantum decipiuntur, ut etiam eis, quas (Ball. de quibus) ait Gen. [Fußnote], Herodiam illam baptistae Christi interfectricem, quasi reginam imo deam proponant; asserentes, tertiam totius mundi partem illi traditam: quasi haec merces fuerit prophetae occisi, cum potius sint daemones, talibus praestigiis infelices mulierculas, hisque multum vituperabiliores viros, quia perditissimos, decipientes. Merkwürdige ausführlichere nachrichten von der tradition des MA., die an Herodias geknüpft wurde, enthält Reinardus 1, 1139–1164:
praecipue sidus celebrant, ope cujus, ubi omnes
    defuerant testes, est data Roma Petro
traditaque injusto Pharaildis virgo labori,
    sed sanctifaciunt qualiacunque volunt.
Hac famosus erat felixque fuisset Herodes
    prole, sed infelix hanc quoque laesit amor:
haec virgo thalamos Baptistae solius ardens
    voverat hoc demto nullius esse viri.
offensus genitor, comperto prolis amore,
    insontem sanctum decapitavit atrox. 
postulat afferri virgo sibi tristis, et affert
    regius in disco tempora trunca cliens.
mollibus allatum stringens caput illa lacertis
    perfundit lacrimis, osculaque addere avet;
oscula captantem caput aufugit atque resufflat,
    illa per impluvium turbine fiantis abit.
Ex illo nimium memor ira Johannis eandem
    per vacuum coeli flabilis urget iter:
mortuus infestat miseram, nec vivus amarat,
    non tamen hanc penitus fata perisse sinunt.
lenit honor luctum, minuit reverentia poenam,
    pars hominum moestae tertia servit herae.
quercubus et corylis a noctis parte secunda
    usque nigri ad galli carmina prima sedet.
nunc ea nomen habet Pharaildis, Herodias ante
    saltria, nec subiens nec subeunda pari.
 
vgl. Aelfrici homiliae 1, 486. hier wird Herodias geschildert, als die moesta hera, cui pars tertia hominum servit, der ehrenvolle cultus, dessen sie theilhaft geworden ist, mindert ihr herbes geschick, von mitternacht bis zum ersten hankrat sitzt sie auf eichen und haselstauden, die übrige zeit schwebt sie durch den leeren luftraum. sie war von liebe gegen Johannes entzündet, die er nicht erwiederte; als sie das auf dem teller getragene haupt mit thränen und küssen bedecken will, weicht es zurück und hebt heftig zu blasen an; die unselige wird in den leeren raum getrieben und schwebt ohn unterlaß [Fußnote]. Warum sie späterhin (im 12 jh.) Pharaildis hieß, erklärt uns nicht das leben einer flandrischen heiligen dieses namens (acta sanct. 4 jan.), noch was die kirche von Johannes dem täufer und Herodias berichtet (acta sanct. 24 jun.), rührt an den inhalt jener überlieferung. Herodias ist des Herodes frau, die tochter wird genannt Salome. Pharaildis aber, mnl. Verelde [Fußnote] führt auf ver Elde = frau Hilde oder frau Hulde, wie in einer urk. von 1213 (in Bodmanns rheing. alterth. s. 94) ein miles dictus Verhildeburg, in einer fries. urk. des 14 jh. Ferhildema begegnet, was sicher die mythische Hildburg meint. Noch merkwürdiger scheint, daß für die milchstraße die mnl. benennung Vroneldenstraet (frauen Hilde oder Hulde straße) vorkommt, der dichter des Reinardus war also in gutem fug, wenn ihn Herodias auf Pharaildis brachte und auf diese die milchstraße, das sidus.
Es leidet keinen zweifel, daß der christliche mythus von Herodias schon im frühen mittelalter mit einheimischen heidnischen fabeln versetzt wurde; die vorstellungen von frau Holda, dem wütenden heer, und den nachtfahrten der zauberinnen griffen ein, der jüdischen königstochter fiel die rolle einer heidnischen göttin zu, wie Ratherius ausdrücklich sagt; ihr cultus fand zahlreiche anhänger. auch Diana, die nächtliche mondgottheit, die wilde jägerin, bewegt sich in diesem kreise; Diana, Herodias, Holda stehen für oder nebeneinander. Diana wird von Eligius (anhang abergl. A) aufgeführt, die stelle aus den concilienschlüssen (abergl. C) ist hernach in manche schriften übergegangen (abergl. D. G) gleich der Herodias erscheint Diana als domina und hera. das leben des heil. Caesarius arelatensis erwähnt ein ›daemonium, quod rustici Dianam vocant‹ die benennung muß ganz volksmäßig gewesen sein; jener bildseule der Diana aus Gregor. tur. 8, 15 habe ich s. 91 gedacht. vorzüglich wichtig für die ausbreitung des Dianacultus scheint aber eine stelle aus dem leben des heil. Kilian, des bekehrers der Ostfranken († 689); Gozbertus, dux Franciae – ›volens crebra apud se tractare inquisitione, utrum ejus, quem (Kilianus) praedicabat, vel Dianae potius cultus praeferendus esset. Diana namque apud illum in summa veneratione habebatur‹. (Surius 4, 133 und acta sanct. Bolland. 8 jul. p. 616). Da frau Holda in Thüringen, Franken und Hessen vorzugsweise fortlebt, so ist nicht unglaublich, daß schon im 7 jh. unter Diana in der gegend von Würzburg keine andere als sie gemeint wurde.
Der Herodias oder Diana zurückbeziehung auf gestalten des einheimischen heidenthums, sei es celtischen oder germanischen, wird endlich noch willkommen bestätigt durch die sage von einer domina Abundia oder dame Habonde aus franz. quellen des MA. Ein Pariser bischof Guilielmus alvernus (Guillaume d'Auvergne), der 1248 starb, redet (opera, Par. 1674 fol. I, 1036) von nymphen und lamien: ›sic et daemon, qui praetextu mulieris, cum aliis de nocte domos et cellaria dicitur frequentare, et vocant eam Satiam a satietate, et dominam Abundiam pro abundantia [Fußnote], quam eam praestare dicunt domibus, quas frequentaverit; hujusmodi etiam daemones, quas dominas vocant vetulae, penes quas error iste remansit, et a quibus solis creditur et somniatur. dicunt has dominas edere et bibere de escis et potibus, quos in domibus inveniunt, nec tamen consumptionem aut imminutionem eas facere escarum et potuum, maxime si vasa escarum sint discooperta et vasa poculorum non obstructa eis in nocte relinquantur. si vero operta vel clausa inveniunt seu obstructa, inde nec comedunt nec bibunt, propter quod infaustas et infortunatas relinquunt, nec satietatem nec abundantiam eis praestantes‹. ähnliches wird p. 1068 wiederholt, p. 1066 aber heißt es: ›sunt et aliae ludificationes malignorum spirituum, quas faciunt interdum in nemoribus et locis amoenis et frondosis arboribus, ubi apparent in similitudine puellarum aut matronarum ornatu muliebri et candido, interdum etiam in stabulis, cum luminaribus cereis, ex quibus apparent distillationes in comis et collis equorum, et comae ipsorum diligenter tricatae, et audies eos, qui talia se vidisse fatentur, dicentes veram ceram esse, quae de luminaribus hujusmodi stillaverat [Fußnote]. De illis vero substantiis, quae apparent in domibus, quas dominas nocturnas, et principem earum vocant dominam Abundiam, pro eo quod domibus, quas frequentant, abundantiam bonorum temporalium praestare putantur, non aliter tibi sentiendum est neque aliter, quam quemadmodum de illis audivisti. Quapropter eo usque invaluit stultitia hominum et insania vetularum, ut vasa vini et receptacula ciborum discooperta relinquant, et omnino nec obstruant neque claudant eis noctibus, quibus ad domos suas eas credunt adventuras, ea de causa videlicet, ut cibos et potus quasi paratos inveniant et eos absque difficultate apparitionis pro beneplacito sumant.‹
Der roman de la rose (Méon 18622 ff.) erzählt:
qui les cinc sens ainsinc deçoit
par les fantosmes, quil reçoit,
dont maintes gens par lor folie
cuident estre par nuit estries
errans auecques dame Habonde,
et dient, que par tout le monde
li tiers enfant de nacion
sunt de ceste condicion.
qu'il vont trois fois en la semaine,
si cum destinee les maine,
et par tous ces ostex se boutent,
ne cles ne barres ne redoutent,
ains sen entrent par les fendaces,
par chatieres et par crevaces,
et se partent des cors les ames
et vont avec les bonnes dames
par leus forains et par maisons,
et le pruevent par tiex raisons:
que les diversités veues
ne sunt pas en lor liz venues,
ains sunt lor ames qui laborent
et par le monde ainsinc sen corent etc.
 
18686.
Dautre part, que li tiers du monde
aille ainsinc avec dame Habonde,
si cum voles vielles le pruevent 
par les visions que truevent,
dont convient il sans nule faille
que trestous li mondes i aille.
 
Wie von Ratherius und dem dichter des Reinardus ein dritter theil der ganzen welt dem dienste der Herodias ergeben vorgestellt wird, so ist hier das nemliche auf dame Habonde angewandt, Herodias und Abundia sind also einerlei. eine beziehung der Abundia auf die einheimische Folla, Fulla soll sich bald ergeben. der ausdruck enfans scheint auf jene ungetauften kinder bezüglich, oder auf die große menge der Heiden, die von gemeinschaft der Christen ausgeschlossen blieben. man pflegte längst die bekannte welt in drei theile abzusondern [Fußnote]. die weißgekleidete domina erinnert an Perahta, die bona domina, bona socia [Fußnote] an Holda, die nachts auf eichen hausende Herodias an den altdeutschen baumcultus. Es sind ursprünglich lauter gütige wesen, deren erscheinung den menschen gedeihen bringt und überfluß; daher ihnen, wie befreundeten geistern, wie göttern zum opfer, speise und trank bei nächtlicher weile aufgestellt werden. Holda, Berhta, Werra scheinen bestimmte speise zu lieben und an ihrem festtag zu gewarten.
Wir haben bisher die namen und den cultus mehrerer göttinnen kennen lernen, die von gewissen völkerschaften Deutschlands unter verschiednen namen gefeiert wurden (Nerdu, Hluodana, Tanfana, Holda, Berhta), einige ihnen ähnliche sind uns nur in ausländischer benennung bekannt geworden (Isis, Diana, Herodias, Abundia); von allen (so lange ich jene anwendung der Erce auf Herke noch für unsicher halte) erscheint keine einzige bei den Angelsachsen.
Der angelsächsische geschichtsschreiber hat uns dagegen die namen zweier von ihm ausdrücklich für alte göttinnen seines volks ausgegebner wesen gemeldet, deren dasein umgekehrt bei den übrigen Deutschen verschwindet. zum klaren beweis, daß hier wie dort das heidenthum erfüllt war von vielgestaltigen, vielnamigen gottheiten, deren eigenschaften und verehrung sich dennoch begegnete. warum bei den weiblichen göttern diese mannigfaltigkeit der form noch mehr überwiegt als bei den männlichen, scheint aus dem größern ansehn der männlichen hauptgottheiten gut erklärlich: sie waren zu berühmt und zu hoch gehalten, als daß nicht ihre vorzüglichsten benennungen alle stämme des volks durchdrungen haben sollten.
Die beiden göttinnen, welche Beda (de temporum ratione cap. 13) ganz kurz, ohne nähere schilderung, bloß zur erklärung der nach ihnen benannten monate anführt, sind Eástre und Hrede, von dieser hat merz, von jener april seinen sächsischen namen. ›Rhedmonath a dea illorum Rheda, cui in illo sacrificabant, nominatur.‹ ›antiqui Anglorum populi – gens mea – apud eos Aprilis Esturmonath, qui nunc paschalis mensis interpretatur, quondam a dea illorum, quae Eostra vocabatur, et cui in illo festa celebrantur, nomen habuit; a cujus nomine nunc paschale tempus cognominant, consueto antiquae observationis vocabulo gaudia novae solennitatis vocantes‹ [Fußnote].
Es wäre uncritisch, dem kirchenvater, der sich das heidenthum überall abhält und weniger als er weiß davon mittheilt, die erfindung dieser göttinnen aufzubürden. sie haben nichts unwahrscheinliches, ja die zweite derselben wird durch eine deutliche spur in dem wortvorrath der übrigen stämme gerechtfertigt. der merz heißt ahd. lenzinmânôt, vom beginn des frühlings (lenzo, lengizo) [Fußnote]; er könnte aber noch andere namen geführt haben. Oberlin bringt aus Chorions ehrenkranz der teutschen sprach, Straßb. 1644 p. 91, Retmonat für merz bei, und eine urk. von 1404 (weisth. 1, 175) giebt Redtmonet, man ersieht nicht für welchen monat. wenn es in der Appenzeller reimchronik p. 174 heißt:
in dem Redimonet
die puren kamen donet,
do der merzenmonet gieng herzu
an ainem morgen fru
do zundentz Rorschach an,
 
so scheint hier Redimonet, nach einer in monatsnamen gewöhnlichen verschiebung, der dem merz vorausgehende februar, wie Chorion retmonat auch für februar gebraucht; von Arx hat das wort ganz anders, wie mich dünkt unpassend, aus einem berg erklärt. Von diesem schweizerischen ausdruck ganz abgesehn glaube ich, daß der ags. name Hrêđ oder Hrêđe = ahd. Hruod oder Hruodâ lautete, und wie schon s. 170 gesagt wurde, von hruod gloria, fama abzuleiten ist, so daß wir die bedeutung einer leuchtenden, ruhmvollen göttin erhalten. die trad. fuld. 2, 196 bieten den weiblichen namen Hruadâ, gen. Hruadûn, und 1, 42. 2, 26 den nom. Hruadun dar, welcher letztere wie altn. Fiörgyn und Hlôdyn gebildet scheint. das ags. adj. hrêđ oder hrêđe drückt crudelis aus (Cædm. 136, 21. 198, 2) vielleicht victoriosus? zweifelhaft sind mir hrêđ, sigehrêđ und guđhrêđ Beov. 5146. 974. 1631, mit einem zwischen adj. und subst. schwankenden sinn, in der letzten stelle ›Beovulfe vearđ guđhrêđ gifeđe‹ wird offenbar victoria gemeint. Wenn es in ags. menolog z. 70 heißt Martius ređe, so könnte hrêđe gemeint sein.
Den april benennen wir noch heute ostermonat, und schon bei Eginhart findet sich ôstarmânoth. das heilige fest der Christen, dessen tag gewöhnlich in den april oder den schluß des merz fällt, trägt in den frühsten ahd. sprachdenkmälern den namen ôstarâ (gen. ûn) [Fußnote], meistentheils steht die pluralform, weil zwei ostertage (ôstartagâ, aostortagâ, Diut. 1, 266a) gefeiert werden. Dieses Ostarâ muß gleich dem ags. Eástre ein höheres wesen des heidenthums bezeichnet haben, dessen dienst so feste wurzel geschlagen hatte, daß die bekehrer den namen duldeten und auf eins der höchsten christlichen jahrsfeste anwandten [Fußnote]. alle uns benachbarten völker haben die benennung pascha beibehalten, selbst Ulfilas setzt paska, kein áustrô, obwol ihm der ausdruck bekannt sein muste [Fußnote], gerade wie die nord. sprache pâskir (schwed. påsk, dän. paaske) einführt. das ahd. adv. ôstar bedeutet die richtung gegen morgen (gramm. 3, 205), ebenso das altn. austr, vermutlich ags. eástor, goth. áustr? die lat. sprache hat das ganz identische auster auf die mittagsseite (den süd) verschoben. In der edda führt ein männliches wesen, ein lichtgeist den namen Austri, ebenso könnte ein weibliches Austra heißen; der hochd. und sächs. stamm scheint umgekehrt nur eine Ostara, Eástre, keinen Ostaro, Eástra gebildet zu haben [Fußnote]. hierin liegt vielleicht der grund, weshalb die Nordländer pâskir und nicht austrur sagen: sie hatten keine göttin Austra verehrt, oder ihr cultus war früher untergegangen.
Ostara, Eástre mag also gottheit des strahlenden morgens, des aufsteigenden lichts gewesen sein, eine freudige, heilbringende erscheinung [Fußnote], deren begrif für das auferstehungsfest des christlichen gottes verwandt werden konnte. freudenfeuer wurden zu ostern angezündet, und, nach dem lange fortdauernden volksglauben, thut die sonne in des ersten ostertages frühe, so wie sie aufgeht, drei freudensprünge, sie hält einen freudentanz (abergl. 813). wasser, das am ostermorgen geschöpft wird, ist gleich dem weihnächtlichen, heilig und heilkräftig (abergl. 775. 804); auch hier scheinen heidnische vorstellungen auf christliche hauptfeste übergegangen. weißgekleidete jungfrauen, die sich auf ostern, zur zeit des einkehrenden frühlings, in felsklüften oder auf bergen sehen lassen, gemahnen an die alte göttin [Fußnote]
Der gegensatz ost und west scheint neben der Ostara auch eine Westara, eine göttin des abends oder sonnenuntergangs zu fordern, worauf auch Mone anz. 5, 493 geräth. man erwäge westergibel, westermâne, vielleicht westerhemde, westerbarn und die slav. Vesna, selbst das lat. Vespera, Vesperugo.
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Auf Bedas nachrichten von Hrede und Eástre [Fußnote] soll ( die bis in das 11 jh. hinauf reichende und schon dieses hohen alters wegen beachtenswerthe meldung von einer im heidenthum zu Augsburg verehrten göttin Zisa folgen.
Der cod. monac. lat. 2 (vom j. 1135) und cod. emmeran. F. IX fol. 4a (aus dem 12/13 jh.) enthalten einstimmig: ›excerpta ex gallica historia‹ [Fußnote].
›dum hec circa renum geruntur in noricorum (übergeschr. bawariorum, cod. vind. CII. pauwariorum) finibus grave vulnus romanus populus accepit. quippe germanorum gentes (übergeschr. suevi), que retias occupaverant, non longe ab alpibus tractu pari patentibus campis, ubi duo rapidissimi amnes (übergeschr. licus et werthaha (CII vuerdaha)) inter se confluunt, in ipsis noricis finibus (übergeschr. terminis bawariorum et suevorum) civitatem non quidem muro sed vallo fossaque cinxerant, quam appellabant zizarim (CII. cizarim) ex nomine deę cizę [Fußnote], quam religiosissime colebant. cujus templum quoque ex lignis barbarico ritu constrictum, postquam eo [Fußnote] colonia romana deducta est, inviolatum permansit, ac vetustate collapsum nomen [Fußnote] colli servavit. hanc urbem titus annius pretor ad arcendas barbarorum excursiones kal. sextilibus (übergeschr. exacta jam estate) exercitu circumvenit. ad meridianam oppidi partem, que sola a continenti (übergeschr. littoribus) erat, pretor ipse cum legione martia castra operosissime communivit. ad occidentem vero, qua barbarorum adventus erat, ávar, bôgudis regis filius, cum equitatu omni et auxiliaribus macedonum copiis inter flumen et vallum loco castris parum amplo infelici temeritate extra flumen (überg. werthaha) consedit. pulchra indoles, non minus romanis quam grecis disciplinis instructa. igitur quinquagesimo nono die, qua eo ventum est, cum is dies dee cize (CII. deę cizę) apud barbaros celeberrimus, ludum et lasciviam magis quam formidinem ostentaret, immanis barbarorum (überg. suevorum, CII. svivorum) multitudo, ex proximis silvis repente erumpens ex improviso castra irrupit, equitatum omnem, et quod miserius erat, auxilia sociorum delevit. avar [Fußnote], cum in hostium potestatem regio habitu vivus venisset, [sed que apud barbaros reverentia?] more pecudis ibidem mactatur [Fußnote]. oppidani vero non minori fortuna sed maiori virtute pretorem in auxilium sociis properantem adoriuntur. romani haud segniter resistunt duo principes oppidanorum habino [Fußnote] et caccus [Fußnote] in primis pugnantes cadunt. et inclinata jam res oppidanorum esset, ni maturassent auxilium ferre socii in altera ripa jam victoria potiti. denique coadunatis viribus castra irrumpunt, pretorem, qui paulo altiorem tumulum (überg. perleih) frustra ceperat, romana vi resistentem obtruncant. legionem [Fußnote] divinam (überg. martiam), ut ne nuncius cladis superesset, funditus delent. Verres solus tribunus militum amne transmisso in proximis paludibus se occultans [Fußnote] honestam mortem subterfugit. nec multo post sicilie proconsul immani avaricia turpem mortem promeruit. nam cum se magistratu abdicaret judicio civium damnatus est.‹
Das selbe bruchstück, nur ohne die übergeschriebenen worte und ohne das am rand hinzugefügte, findet sich in Goldasts rerum suev. scri-pt. aliquot veteres (Ulm 1727 fol.) p. 3 unter der rubrik: ›Velleii Galli fragmentum de victoria Suevorum contra Romanos‹. (vgl. Haupts zeitschr. 10, 291.) auch wird ›dea Cisa‹ und ›Cisara‹ geschrieben; statt Caccus ›Cacus‹, die übrigen namen stimmen. noch finde ich für loco parum amplo die bessere lesart ›apto‹. die parenthese ›sed quae apud barb. reverentia‹ fehlt, und am schluß der satz: ›nam – damnatus est‹. Ich würde glauben, daß Goldast alles aus Wolfg. Lazius reip. rom. libr. XII. Francof. 1598 p. 52 hergenommen habe, wenn nicht in diesem abdruck wieder einige abweichungen vorkämen; die überschrift lautet: ›Velleii excerpta ex gallica historia‹, es wird gelesen ›Cisara‹ aber ›Cizę‹; ›Habbino, Caccus, amplo‹, geschlossen mit promeruit. Lazius sagt: ›quam nos historiam in pervetusto codice membran. literis antiquissimis scri-ptam reperimus‹, es wäre der sechste bisher bekannt gewordne, und die abschriften musten sich im 11. 12 jh. ziemlich verbreiten. die dem Goldast vorgelegene mag unter ihnen die älteste gewesen sein.
Eine oder die andere scheint dem Otto von Freisingen und dem verfasser der fortsetzer der Auersberger chronik vorgelegen zu haben. Jener versucht aber die sage an den Quintil. Varus (statt an Verres) zu knüpfen, er fügt, nachdem er dessen niederlage erzählt hat, (chron. 3, 4) hinzu: ›tradunt Augustenses hanc caedem ibi factam, ostenduntque in argumentum collem ex ossibus mortuorum compactum, quem in vulgari perleich (Mone anz. 7, 526), eo quod legio ibi perierit, usque hodie vocant, vicumque ex nomine Vari appellatum monstrant.‹ Den bericht des auersberger chronisten, obgleich er das ältere bruchstück beinahe wörtlich aufnimmt, achte ich hier zu wiederholen darum für nöthig, weil die randglossen eigenthümlich in den text verwebt und auf gefundene steininschriften bezogen werden [Fußnote].
De Augusta Vindelicorum vel Rhetiae. sicut ex scri-ptis veterum colligitur haec civitas tria nomina accepit. Germanorum quippe gentes primum considentes in partibus Rhetiae, quae nunc est pars Sueviae, non longe ab alpibus in planitie loco tamen munito propter concursum duorum rapidorum fluminum hanc urbem construxerunt, et non muris sed fossatis eam firmaverunt, et ex nomine deae Zizae, quam religiosissime colebant, Zizerim eam nominabant. hujus quoque deae templum ex lignis barbarico ritu constructum, etiam postquam Romani eam incolere coeperunt, inviolatum permansit. at vetustate collapsum nomen colli servavit, in quo postmodum in lapide exsculpti hi versus sunt reperti:
quem maie polluerat cultura nefaria dudum
gallus monticulum hunc tibi Ziza tulit.
 
unde usque in praesens ab incolis idem monticulus Zizenberg nominatur. apud hanc urbem Romani deleti sunt magna caede. nam Titus Annius praetor ad arcendas barbarorum excursiones cum exercitu in kal. Augusti eam circundedit, ipseque ad meridianam oppidi partem, quae sola patebat, castra sua cum legione Martia operosissime communivit. ad occidentem vero ultra fluvium, ubi Suevis aut barbaris aditus patebat, Avar Bogudis regis filius cum omni equitatu et auxilio macedonico consedit. igitur quinquagesimo nono die, quam eo ventum est, cum is dies deae Zizę apud barboros celeberrimus esset, ludum et lasciviam magis quam formidinem cives ostentarunt. tunc etiam immanis barbarorum multitudo, quae de partibus Sueviae illuc convenerat, de proximis silvis repente erumpens ex improviso castra irrupit et Avaris exercitum delevit. ipsum quoque Avar regio habitu indutum vivum comprehendentes crudeliter in modum pecoris mactaverunt. a quo in loco, ubi mactatus est, vicus usque hodie appellatus est Criechesaveron, in quo hi versus reperti sunt:
his nomen terris Bogudis dat regia proles
Graecus Avar, pecudis de Suevis more litatus.
 
oppidani vero non minori fortuna sed majori virtute praetorem in auxilium sociis properantem invadunt, quibus Romani haud segniter resistunt. in quo conflictu duo principes oppidanorum Habino et Caccus in primis pugnantes cadunt, et inclinata jam res esset oppidanorum, ni maturassent auxilium ferre Suevi in altera ripa victoria jam potiti. de nominibus autem illorum principum interfectorum exstant adhuc loca denominata, nam rustici de Habinone vocant monticulum Habinoberg, in quo hi versus reperti sunt:
praefectus Habino se victum atque sepultum
    perpetuo montis nomine notificat.
 
a Cacco vero dicunt Gegginen denominari. denique coadunatis Suevis et oppidanis castra irrumpunt, et praetorem, qui paulo altiorem tumulum frustra ceperat, romana vi resistentem obtruncant, legionemque divinam, ut nec nuncius cladis superesset, funditus delent. de hac perdita legione adhuc perlaich, quasi perdita legio, nominatur, ubi postmodum hi versus sunt reperti:
indicat hic collis romanam nomine cladem,
martia quo legio tota simul periit.
 
solus Verres tribunus militum amne transmisso in proximis paludibus se occultans honestam mortem subterfugit, lacui Vernse hucusque nomen dedit. versus:
das nomen lacui Verres quo tu latuisti.
 
hic tamen non multo post Siciliae proconsul effectus turpem mortem promeruit. nam cum se magistratu abdicaret judicio civium damnatus est. propter hunc Verrem tradunt Augustenses hanc caedem fuisse eandem, quam sub Augusto factam quidam describunt, sed Varum illum nominant his verbis: ea tempestate Varus, romano more, superbe et avare erga subditos se gerens a Germanis deletus est.
Auch einzelne spätere schriftsteller gedenken der überlieferung. Küchlin, ein geistlicher, dichtete um 1373–1391 für Peter Egen den jungen, bürgermeister zu Augsburg, der sein haus mit vorstellungen daraus bemalen lassen wollte, eine geschichte der stadt [Fußnote]. darin heißt es cap. 2. fol 99 von den schwaben:
sie bawten einen tempel groß darein
zu eren Zise der abgöttin,
die sie nach heidnischen sitten
anbetten zu denselben zeiten.
die stat ward genennt auch Zisaris
nach der abgöttin, das war der pris.
der tempel als lang stůnd unversert,
bis im von alter was der val beschert,
und da er von alter abgieng
der berg namen von im empfieng,
daruf gestanden was das werck,
und haist noch hüt der Zisenberck.
 
vgl. Kellers fastn. sp. s. 1361. Sigism. Meisterlin in seiner vom achten cap. des ersten buchs an gedruckten Augsburger chronik [Fußnote] handelt cap. 5. 6 des zweiten buchs von dieser Cisa. im ungedruckten cap. 4 des ersten bezieht er sich unverkennbar auf Küchlin, und cap. 7 am ende wiederum: ›das er auch melt von der göttin Cisa, die auch genent wird Cizais, das sy geert habend nach jrem sitten, die doch aus Asia warend; dawider seind die andern, die von Cysa schreibent, die sprechent, das sy die Vindelici habend nach schwebischen sitten angebettet. von der göttin wirst du hernach mer haben ob got wil (buch 2. cap. 5. 6)‹. [Fußnote]
Unheilbare widersprüche jenes fragments liegen am tage. Bogud, ein punischer schiffshauptmann, der im j. 494 Roms, also 260 vor Chr. lebte [Fußnote], ist hier in einen macedonischen könig umgewandelt, und Avar sein sohn soll dem 200 jahre später auftretenden (ciceronischen) Verres, oder gar dem noch jüngeren Varus gleichzeitig sein. doch kommen Bogudes und Varus auch als zeitgenossen des Pompejus vor bei Dio Cassius 41, 42. welcher Titus Annius unter dem praetor gemeint wird, errathe ich nicht; ein gleichnamiger consul findet sich im j. 601 und 626 der stadt, 123, 158 j. vor Chr. Vellejus Paterculus kann dergleichen nicht verfaßt haben [Fußnote].
Aber all der unsinn, den sie enthält, hebt den werth der merkwürdigen überlieferung für uns nicht auf. schon der reinere, lateinische stil thut dar, daß sie nicht erst im zwölften jh. niedergeschrieben sein kann; Lazius und Velser [Fußnote] sind geneigt, sie in das carolingische zeitalter zu setzen, zugleich scheint sie von einem ausländer, dem die Deutschen heiden und barbaren waren, abgefaßt. durch die glossen wird die örtliche anknüpfung der ganzen tradition an Augsburg und die umgegend befestigt, und nicht bloß die lateinischen verse, auch die deutschen formen werthaha, cizûnberc, habino, habinonberc scheinen über das 12 jh. hinaus zu reichen. Habino (Hepino), Habinolf ist urkundlicher ahd. mannsname; ein Cacus kenne ich nicht, sprachgemäßer schiene Cagan, Cacan, worauf der verglichene ortsnamen Geginen leitet. einzelne der angeführten benennungen haben sich bis heute erhalten. Perlach heißt fortwährend die anhöhe mitten in der stadt, nächst dem rathhaus, auf welcher im j. 1064 das stift und die kirche s. Peter gegründet wurde; die verse: subdidit hunc (collem) Romae praepes victoria Petro sind also später gedichtet? der name perleih, den die sage auf periens oder perdita legio zieht, gemahnt an das ahd. eikileihi, aigilaihi (phalanx) gl. ker. 124. Diut. 1, 223; leih ist auch in andern zusammensetzungen vieldeutig [Fußnote]. Zisenberg und Havenenberg sind heute verschollen, die dörfer Pfersen (Verisse) MB. 33b 108 a. 1343 und Kriegshaber desto bekannter. auf welche weise die richtigere alte form Criechesaveron immerhin zu erklären sei, es leuchtet hervor, daß die benennung des ortes Criahhes (graeci) avarâ (imago, vgl. oben s. 86. 95, sonst auch avaro proles) den Graecus Avar erst erzeugt hat, wie Habinonberc den helden Habino. des Auersberger chronisten angabe, die lateinischen verse seien an allen diesen orten eingehauen gewesen, ist zu verwerfen.
Es ergibt sich, daß die überlieferung, nach ihrer weise, gegründetes und erdichtetes mengte; das merkwürdigste was sie enthält ist aber die nachricht von einer suevischen göttin. Cisa scheint ältere, bessere schreibung, Ciza weniger deutbar. aus der göttin namen läßt sich indessen Cisara, als benennung der stadt, schwerlich herleiten, wenn es rein deutsche formation sein soll, denn nie werden ortsnamen auf solche weise aus weiblichen oder männlichen eigennamen gebildet. annehmlicher schiene Cisara = Cisae ara, nach dem altar und tempel der gottheit; die späteren schreiber entstellten Cisaram in Zizarim, Zizerim? Cisa wird von den Sueven aufs eifrigste (religiosissime) verehrt, ihr jahrestag ist ein hauptfest, dem spiel und der freude geweiht; dieser tag wird genau als der neunundfünfzigste vom ersten august an beschrieben: er fiel also auf den 28. sept. zu dieser zeit konnte ein fest der gottheit begangen werden, die das gedeihen der eben eingebrachten ernte verliehen hatte. den 29 sept. feierten die Christen einen ihrer hehrsten tage, des heil. Michael, der oft einen heidnischen gott des kriegs und siegs vertreten muste. bemerkenswerth scheint, daß die Sachsen ihr großes siegsfest etwa in die nemliche zeit, den beginn des october legten (Widukind p. 423. 424). von dem nächsten sonntag nach Michaelistag rechnete man im mittelalter die heilige gemeinwoche an (Scheffers Haltaus s. 141. 142). na der hilligen meinweken weisth. 3, 240. in der überlieferten, sicher echten zeitbestimmung finde ich die glaubwürdigkeit der sage bestätigt.
Wer ist nun Cisa? man wird zunächst an des Tacitus suevische Isis (s. 213) denken, deren name nicht einmal fern von Cisa, Zisa zu liegen scheint, wenn man den bloßen abgang des anlauts erwägt, den bei dem Römer die ähnlichkeit der bekannten Isis verursachen konnte. Wäre aber auch Zisa grundverschieden von Isis, so läßt sie sich mit desto größerm recht unserm Zio an die seite stellen, in welchem wiederum ein echt schwäbischer gott hervorleuchtete (s. 160), ja neben dem behaupteten fem. Ziu (s. 168) galt vielleicht die nebenform Zisâ, so daß sich ihr Zisûnberg dem Ziewesberg, Zisberg des gottes genau vergliche [Fußnote]. soll ich für diese vermutung einen grund anführen, der gar nicht ohne schein ist? die mnl. benennung des dritten wochentags lautete seltsam Disendach (s. 104), das offenbar aus Tisendach verderbt unmittelbar auf Tise = Zisa führt. es wird darauf ankommen sie durch künftige forschungen zu bestätigen [Fußnote], doch daß drei gottheiten den Sueven überwiesen sind, Zio, Zisa und Isis, steht schon jetzt fest.
Die untersuchung wendet sich endlich zu den göttinnen der nordischen glaubenslehre, von denen auch im übrigen Deutschland unzweideutige spuren vorhanden sind.
Zuerst treten uns Frigg, Ođins gemahlin, und Freyja, Freys schwester entgegen, beide nach ihren ähnlichen namen verwechselbar und oft verwechselt. ich will sehen, ob eine strengere etymologie sie scheiden und auseinander halten kann.
Leichter scheint der name Freyja: er ist ohne zweifel moviert aus dem männlichen Freyr (gramm. 3, 335). da nun Freyr in dem goth. fráuja erkannt wurde (s. 173), läßt Freyja ein goth. fráujô, gen. fráujôns erwarten, sowol mit der allgemeinen bedeutung von domina, herrin, als in der besonderen eines eigennamens Fráujô. der begrif von herrin geht uns bei Ulfilas ab. desto häufiger drücken ihn die ahd. denkmäler aus durch fruwâ, frôwâ und mhd. haben sich frouwe, frou, nhd. frau allgemein erhalten, während das männliche frô völlig erloschen ist. ihrem sinn nach stehen frouwe und frau vollkommen dem herre, herr zur seite und werden gleich diesem in der anrede und sonst verwendet [Fußnote]. unsere minnesänger streiten über den vorzug der namen frouwe (domina) und wîp (femina) [Fußnote]
als ein vrou ir werden lîp
tiuret sô, daz sie ein wîp
geheizen mac mit reinen siten,
der mac ein man vil gerne biten.   Kolocz. 129.
 
, wîp bezieht sich mehr auf das geschlecht, frau auf die würde; noch heute ist uns frau edler als weib, doch bezeichnet auch das franz. femme manches, was in unserm frau liegt. bemerkenswerth scheint, daß die dichter den zusammenhang des wortes frau mit froh und freude (s. 174) hervorheben, vgl. Frîdank 106, 5–8. Tit. 15, 35.
Gerade umgekehrt haben die ags. und alts. sprache, welchen beiden das masc. freá, fraho ungleich geläufiger war, als der ahd. frouwo, kein fem. daneben entwickelt. die mnl. mundart kennt vrauwe, vrouwe als anrede und titel (Huyd. op St. 1, 52. 356. Rein. 297. 731. 803. 1365. 1655. 2129. 2288. 2510. 2532. 2557. 2564 u. s. w.) seltner in andern fällen (Rein. 2291); das nnl. vrouw hat seine bedeutung ausgedehnt noch über die grenze des nhd. frau.
Allein diesen dialecten scheint der weibliche eigenname zu gebrechen, im gegensatz zum altn., welcher Freyja fast nur als namen der göttin besitzt und kein freyja = hera. doch steht hûsfreyja (hausfrau) Sæm. 212b und Snorri weiß noch, daß freyja ein tignarnafn und von der göttin abgeleitet ist [Fußnote], vornehme frauen, rîkiskonur sind freyjur. Sn. 29. Yngl. saga. c. 13. die lesarten frûr, fruvor sind hier verwerflich, denn die isl. form frû ist offenbar aus dem dän. frue, schwed. fru, und dieses aus Deutschland eingedrungen. die göttin würde schwed. Fröa, dän. Fröe heißen, ich bin ihnen nirgends begegnet, das schwed. volkslied von Thors hammer nennt Freyja Froijenborg (das dän. Fridlefsborg), ein anderes dän. hat schon Fru. Saxo geschweigt der göttin, wie ihres vaters, überall, er würde sie wol auch Fröa nennen. In dem Merseburger gedicht hat sich nunmehr auch Frûâ = Frôwâ, im eigennamen, als göttin dargeboten [Fußnote].
Von Freyja, gen. Freyju wird Frigg, gen. Friggjar, genau gesondert, tochter des Fiörgvin, gattin des Ođinn; in Vafþrudnismâl und dem eingang von Grimnismâl treten Ođinn und Frigg deutlich als ehleute auf, da auch Hroptr und Svâfnir namen Ođins sind, so drücken Hroptr ok Frigg, Svâfnir ok Frigg Sæm. 91b 93a dasselbe verhältnis aus. Saxo gramm. p. 13 hat richtig Frigga, Othini conjux. in formeln erscheinen beide göttinnen nebeneinander: ›svâ hialpi ther hollar vættir, Frigg ok Freyja, ok fleiri gođ, sem þû feldir mer fâr af höndom!‹ Sæm. 240b. bei Baldrs leichenbrand erscheinen Frigg und Freyja nebeneinander Sn. 66. vgl. Sn. 37. jenes dän. volkslied (4, 295) hat ebenso ›Frigge, Fru og Thor‹.
Die altn. sprache pflegt GG zu haben wo die ags. CG, die ahd. CC oder KK, d. h. wenn nach G oder K ableitendes I im spiel ist, z. b. altn. egg (acies) ags. ecg, ahd. ekki; altn. bryggja (pons) ags. brycge, ahd. prukkâ; altn. hryggr (dorsum), ags. hrycg, ahd. hrukki. folglich ags. Fricg, ahd. Frikka, Frikkia, abstehend von Frouwâ, noch mehr als Frigg von Freyja.
Aus verwechselung beider wesen erklärt sich, wie Adam von Bremen, oder seine quelle, dazu gelangte den Freyr statt Frô zu nennen Fricco (oben s. 176); für Freyja würde er gesagt haben Fricca. Fricco, Friccho, Friccolf sind gangbare ahd. eigennamen.
Ferner scheint jetzt erklärbar, was sonst unerklärlich wäre, warum der sechste wochentag, dies Veneris, altn. genannt wird nicht bloß Freyjudagr, sondern auch Frîadagr, ahd. niemals Frouwûntac, sondern Frîatac, Frîgetac, nhd. Freitag, ags. Frigedäg (f. Friegedäg)? vgl. oben s. 102. 104. faröisch Frujggjadeâ (Lyngbye 532).
Unter den angeführten formen hat die ags. keinen anstoß, in dem ahd. und altn. namen befremdet die abwesenheit der gutturale.
Aufschluß gewährt, wie ich glaube, die wichtigste stelle des Paulus Diac. 1, 8, worin Wodans gemahlin Frea heißt, womit nur Frigg, nicht Freyja kann gemeint sein, wie denn auch Saxo gramm., mit ausdrücklicher beziehung auf Paulus, sich der form Frig bedient (Paulo teste auctore Frig dea) [Fußnote].
Dies langob. Frea stimmt zu dem ahd. Frîa, ich halte es für identisch mit Frigg, ja für die urform des namens; mit Freyja und dem ags. masc. freá hat es weniger zu schaffen. wie sich ein altn. brû (pons) zu bryggia verhält, wird sich frî verhalten zu frigg. das langob. Frea ist = Frëa, Fria, Frija, Frîa. zu seiner wurzel leiten die wörter goth. freis, frijis (liber), ahd. frî, goth. frijôn (amare) ahd. frîôn, und vorzüglich darf das alts. neutr. frî (mulier) Hel. 9, 21. 13, 16. 171, 21. 172, 1., das ags. freo (mulier) Cædm. 29, 28 freolíc cven (pulchra femina) Beov. 1275. freolîcu meovle cod. exon. 479. 2. freolîc vîf Beov. 1222. freolîc fæmne Cædm. 12, 12. 54, 28 [Fußnote] angeschlagen werden. da nun frî (liber) und frech, altn. frekr (protervus, impudens), frî (liber) frî (mulier formosa) und altn. fridr (formosus) fridr (pax) verwandt scheinen, so zeigen schon die adj. formen den übergang der substantivischen [Fußnote].
Was ich auseinandergesetzt habe lehrt, daß formen und sogar bedeutungen beider namen nahe zusammenstoßen. Freyja sagt aus die frohe, erfreuende, liebe, gnädige göttin, Frigg die freie, schöne, liebenswürdige; an jene schließt sich der allgemeine begrif von frau (herrin), an diese der von frî (weib). Holda von hold (lieb), Berhta von berht (leuchtend schön) gleichen beiden. jenes schwed. lied nennt Froyenborg: die schöne sonne (den väna solen).
Desto begreiflicher wird die mischung der mythen sein. Saxo p. 13 erzählt, wie Frigga, um gold für ihren schmuck zu erlangen, ehliche treue verletzt habe; ausführlicher und mit sehr abweichenden umständen scheint die sage von Freyja (Sn. 356) dasselbe abenteuer. indessen haftet auch bei anderm anlaß auf Frigg schuld des ehbruchs (Sæm. 63. Yngl. saga cap. 3). Sn. 81 ist vom valshamr der Freyja, Sn. 113. 119 von dem der Frigg die rede, für jenen streitet Sæm. 70.
Darum schwankt die benennung des wochentags. der ahd. Frîatac ist deutlich ein altn. Friggjardagr, der altn. Freyjudagr wäre ein ahd. Frouwûntac. darum schwanken die benennungen eines gestirns und einiger pflanzen. Orions gürtel, sonst auch Jacobsstab und spindel (colus ηλακάτη) genannt, heißt unter dem schwed. volk Friggerock (colus Friggae) [Fußnote] oder Frejerock [Fußnote], wie schon s. 224 angemerkt wurde, oder Fröjas rock Wieselgren. 383. orchis odoratissima, satyrium albidum, eine pflanze aus welcher liebestränke gekocht werden, ist Friggjargras, sonst auch hionagras (herba conjugalis). Die spätere christliche ansicht ersetzt die heidnische göttin durch Maria. der gemeine mann auf Seeland benennt jenes gestirn Mariärok, Marirok. mehrere arten des farrenkrauts, adiantum, polypodium, asplenium heißen frauenhaar, jungfrauenhaar, Mariengras, capillus Veneris, isl. Freyjuhâr, dän. Fruehaar, Venusstraa, Venusgräs, norweg. Murigras u. s. w. sollten auch hier nord. namen aus lateinischen entsprungen sein, sie zeigen, wie man Venus durch Frigg, Freyja und Maria übersetzte. Und auf Maria gieng nicht nur der begrif höchster schönheit über (frîo scôniôsta, idiso scôniôst. Hel. 61, 13. 62, 1), sie hieß auch in vorragendem sinn frau, domina, donna. vgl. unten frauachüeli engl. ladycow Marienkälblein. sie läßt in den kindermärchen nähen und spinnen wie Holda und Berhta, und Holdas schnee scheint mit Marien schnee gleichviel (s. 222).
Bei so naher berührung beider namen stehe ich an, auf welchen die wichtige und unablehnbare übereinkunft einiger götternamen in den urverwandten sprachen zu beziehen sei. vorerst gewährt eine altböhm. glosse Prije für Afrodite, und hinzugehalten jenes goth. frijôn amare, das ahd. friudil, mhd. vriedel, slav. prijatel, böhm. přjtel, poln. przyiaciel, muß entweder Freyja die göttin der liebe und fruchtbarkeit, oder Frigg die göttliche mutter und vorsteherin der ehe gemeint sein. auch im sanskrit ist prî amare, prijas ein freund, Ramâprija der Lakschmi lieb = lotus, Jamaprija dem Jama lieb = ficus indica, prija in götternamen gatte und gattin Pott forsch. 2, 424–427. prithivî aber die erde, und mâtâ Prithvî Terra mater, von der frucht und gedeihen abhängt (vgl. auch welsch pridd terra Bopp gloss. 223b); das wort, zunächst dem adj. prithus (πλατύς, latus) verwandt, wie die erde die breite und weite genannt wird, scheint mir dennoch anzuklingen an Fria, Frigg und fridu.
Frigg, Fiörgins tochter (s. 143), als des höchsten gottes gemahlin [Fußnote], hat den rang vor allen übrigen göttinnen, sie weiß der menschen schicksal (Sæm. 63b. Sn. 23. 64), wird von Ođinn um rath gefragt Sæm. 31a, nimmt eide ab, dienerinnen vollziehen ihr geheiß, sie steht den ehen vor und wird von kinderlosen angefleht (fornald. sög. 1, 117). daher jenes hionagras = Friggjargras. Man erinnere sich der ledigen mädchen, die vor den pflug der göttin gespannt wurden (s. 218), deren gebote sie noch getrotzt hatten. In einigen theilen des nördlichen Englands, in Yorkshire, zumal Hallamshire zeigen gebräuche des volks überreste des Fricgcultus. in der gegend von Dent halten zu gewissen jahrszeiten, vorzüglich im herbst die landleute einen umgang und führen vermummt alte tänze auf, was sie den riesentanz heißen: den vornehmsten riesen nennen sie Woden und seine frau Frigga, die haupthandlung des schauspiels besteht darin, daß zwei schwerter um den hals eines knaben geschwungen und geschlagen werden, ohne ihn zu verletzen [Fußnote]. Noch bemerkenswerther ist aber die deutliche spur der göttin in Niedersachsen, wo sie unter dem volk fru Freke heißt [Fußnote], und in den rollen auftritt, die wir s. 221. 222. der frau Holle überwiesen: zugleich die triftigste bestätigung der göttlichen natur dieser letzteren. Den namen des altwestphälischen stiftes Freckenhorst, Frickenhorst leitet zwar die legende von einem hirten Frickio ab, dem nachts ein licht an der stelle erschien (wie zu Hildesheim nächtlicher schnee fiel, vgl. oben s. 222), wo die kirche erbaut werden sollte; jener name weist auf einen heiligen hain der Frecka oder des Fricko, dessen stätte das christenthum vielleicht suchte sich anzueignen. vgl. Fræcinghyrst Kemble urk. 1, 248. 2, 265. Ein Vrekeleve, Fricksleben liegt unweit Magdeburg [Fußnote].
Freyja ist nach oder neben Frigg die geehrteste göttin, ja ihr cultus scheint noch verbreiteter und bedeutender gewesen zu sein, sie heißt ›agætuz af Asynjum‹ Sn. 28, und ›blôtgyđja‹ Yngl. saga cap. 4, der häufige opfer gebracht werden. Heiđrekr opfert ihr einen eber, wie sonst dem Freyr, und ehrte sie vor allen göttern [Fußnote]. Sie war einem manne (keinem gott, keinem As wenigstens) namens Ođr vermählt, der sie aber verließ und den sie, thränen vergießend, in der weiten welt, unter fremden völkern, aufsuchte. ihren namen Sŷr (Sn. 37), der etwa goth. Saúrs lautete, weist uns Wilh. Müller eben in des Saxo gramm. (s. 125) Syritha, die den Othar sucht, auf. Freyjas thränen waren golden, das gold heißt nach ihnen, sie selbst grâtfagr (schön im weinen) Sn. 37. 119. 133; in den kindermärchen werden perlen und blumen geweint oder gelacht und frau Holla begabt mit solchen thränen. Nach den ältesten zeugnissen erscheint sie aber auch kriegerisch, auf einem mit zwei katzen bespannten wagen (wie Thôrr mit zwei böcken fährt) [Fußnote] zieht sie zur kampfstätte, ›rîđr til vîgs‹ und theilt sich mit Ođinn in die erschlagnen (oben s. 111, vgl. Sæm. 42a Sn. 28. 57). sie wird genannt ›eigandi valfalls‹ (quae sortitur caesos in pugna) Sn. 119, valfreyja Nialssaga p. 118. und oberhaupt aller valkyrien; damit scheint merkwürdig einerlei, daß außer Wuotan auch Holda oder Berhta die ungetauften sterbenden kinder d. h. als heidnische göttinnen die heidnischen seelen in ihr heer aufnehmen. Freyjas wohnung heißt Fôlkvângr oder Fôlkvângar, das gefilde, auf dem sich schaaren des (gestorbnen?) volks versammeln; hierdurch gewinnt die beziehung der heiligen Gertrud, deren minne getrunken wird, auf Frowa neuen schein, bei Gertrud sollen die seelen der abgeschiednen die erste nacht geherbergt werden (oben s. 50). Der Freyja saal ist Sessrymnir, der sitzräumige, die menge des volks aufnehmende: sterbende frauen glauben nach dem tod in ihre gesellschaft zu gelangen. Thôrgerđr (Egilssaga p. 603) weigert sich irdischer nahrung, sie denkt bald bei Freyja zu speisen; ›ok engan (nâttverđ) mun ek fyrr enn at Freyju‹. Ihr behagen aber auch liebeslieder und liebende sollen sie anrufen: ›henni lîkađi vel mansöngr, â hana er gott at heita til âsta‹. Sn. 29. Daß ihr die katze, wie dem Wuotan der wolf, heilig war, erklärt uns vielleicht, warum diese für das thier der nachtfrauen und hexen gilt, und donneraas, wetteraas genannt wird. geht eine braut bei gutem wetter zur trauung, so heißt es, ›die hat die katze gut gefüttert‹, das thier der liebesgöttin nicht beleidigt. dunkel ist mir der sinn einer redensart bei Walther 82, 17; weder rîtest gerner eine guldîn katze, ald einen wunderlîchen Gêrhart Atzen? In Westfalen aber wurde die wiesel froie genannt (Reinh. clxxii), das wol frau, fräulein (froiken) bedeutet, wie dies geisterhafte thier anderwärts mühmlein, fräulein, donna, donnola hieß, was sicher mit mythen zusammenhängt, die doch zunächst auf unsere göttin und ihren cultus weisen. den Griechen war Galinthias in wiesel oder katze (γαλέη) gewandelt (Ovid. me-tam. 9, 306) [Fußnote].
In so weit solche vergleichungen zulässig sind, würde Frigg mit Here oder Juno, zumal der pronuba, Jupiters gemahlin, Freyja mit Venus [Fußnote], aber auch der nach Osiris suchenden Isis, auf einer linie stehen. Freyr und Freyja gemahnen an Liber und Libera (Dionysus und Proserpina oder auch Demeter, an sonne und mond). Maria konnte die göttermutter ersetzen und die göttin der schönheit, wörtlich stimmt Frigg mehr zu Libera, Adams von Bremen Fricco, als gott der liebe, dem namen nach zu Liber, im begrif zu Freyr.
Die angeführte stelle des Paulus Diac. ist eins der glänzendsten, unablehnbarsten zeugnisse für die einstimmung nordischer und deutscher mythologie. ein schriftsteller aus Carl des großen zeit meldet uns, daß die Langobarden Wodans gemahlin Frea nennen, wie sie in der edda Frigg heißt. weder hat er dies geschöpft aus nordischer überlieferung, noch viel weniger ist seine nachricht, durch Saxos vermittelung, quelle des nord. glaubens geworden.
Aber auch für Freyja besitzen wir ein wichtiges äußeres zeugnis. nach der edda war ihr ein kostbares halsband eigen, Brîsînga men (Brisingorum monile) genannt, sie heißt ›eigandi Brîsîngamens‹ Sn. 37. 119. wie sie das geschmeide von zwergen erworben, wie es ihr von Loki hinterlistig geraubt wurde, führt eine eigne erzählung aus. Sn. 354–357. Loki heißt darum den dichtern Brîsîngs þiofr (Thorl. obs. 6, 41. 63); ein verlornes eddalied enthielt, wie Heimdallr mit Loki um diesen schmuck gestritten. Sn. 105. Als Freyja in wut schnaubt, springt ihr das halsband von der brust (stauk þat it micla men Brîsînga) Sæm. 71b. Thôrr, der zur wiedererlangung des hammers in Freyjas gewand gekleidet wird, unterläßt nicht, ihr berühmtes halsband anzulegen: ›hafi hann it mikla men Brîsîngar!‹ Sæm. 72. Von diesem schmuck weiß nun offenbar auch der ags. dichter des Beovulf 2399, er nennt ihn Brosinga mene, ohne bezug auf die göttin, ich möchte Brîsînga mene lesen und das wort überhaupt aus der wurzel mhd. brîsen, breis (nodare, nodis constringere, gr. κεντει̃ν, durchstechen) herleiten: die halskette war aus durchbohrten gelenken geschlungen. doch vgl. cap. XX. brising Johannisfeuer. vielleicht hießen die schmiedenden zwerge Brîsîngar? Das geschmeide hängt so genau mit der mythe von Freyja zusammen, daß seine erwähnung in der ags. poesie mit sicherheit auf die verbreitung der sage selbst unter dem sächsischen volksstamm schließen läßt; und wenn die Gothen Fráujô göttlich verehrten, werden sie auch ein Breisiggê mani gekannt haben [Fußnote]. vgl. cap. XX Iarđar men das rasenstück der altn. rechtssprache.
Man muß es bedeutend finden, daß an einer stelle des evangeliums, wo bloß das άγιον, sacrum genannt wird (Matth. 7, 6), der alts. dichter ein hêlag halsmeni setzt, Hel. 52, 7; ihn beschlich (wie schon ein andermal oben. s. 122) der gedanke an das heidnische alterthum, hier des halsbandes. indessen nennt er bloß die schweine, nicht die hunde, und es ist möglich, daß er sich halsmeni als erweiterung zu merigrioton dachte.
Die wichtigkeit dieser sage von der göttin halsschmuck steigt aber noch, wenn wir griechische mythen hinzuhalten. Brîsînga men ist nichts anders als Afrodites όρμος (hymn. in Ven. 88) und die kette wiederum ihr gürtel, der κεστὸς ιμὰς ποικίλος, den sie am busen trägt, dessen zauber alle götter und sterbliche bewältigt. von ihrem hals (απὸ στήθεσφιν) löst und leiht sie ihn der Here, die den Zeus damit reizen will, das wird in einem uralter göttersage vollen liede (Il. 14, 214–218) erzählt. wie den ιμάς Here und Afrodite wechselsweise tragen, schreibt die nordische fabel das geschmeide bald der Frigg, bald der Freyja zu, denn jenes gold der Frigga bei Saxo fällt mit Brîsînga men zusammen. Dazu tritt eine andere ähnlichkeit. Freyja besitzt nach derselben erzählung ein schönes und so starkes gemach, daß, wenn die thür verschlossen war, niemand ohne ihren willen hineinkommen konnte (hun âtti ser eina skemmu, er var bæđi fögr ok sterk, svâ at þat segja menn, ef hurđin var læst, at eingi mâtti komast î skemmuna ân vilja Freyja. Sn. 354). mit welcher list Loki dennoch eindrang, und ihr das halsband raubte, wird berichtet [Fußnote]. Homer meldet es nicht, wol aber weiß er Il. 14, 165–168 von Heres θάλαμος,
                              τόν οι φίλος υιὸς έτευξεν
‛Ήφαιστος, πυκινὰς δὲ θύρας σταθμοι̃σιν επη̃ρσε
κληι̃δι κρυπτη̃, τὴν δ'ου θεὸς άλλος ανω̃γεν
 
was stimmt genauer zu jenem unnahbaren gemach der Freyja, zumal des ιμάς gleich darauf gedacht wird? Hefäst, der seiner mutter das kunstreiche zimmer baute, halte ich zu den zwergen, die der Freyja das halsband schmiedeten. Die identität der Frigg und Freyja mit Here und Afrodite muß nach diesem mythus wirklich einleuchten.
Auch darin zeigt sich wieder vermengung der Frigg und Freyja, daß eine göttin Follâ, die das Merseburger denkmal unsrer deutschen mythologie vindiciert, ihm zu folge schwester der Frûâ, die altn. Fulla hingegen dienerin der Frigg, obgleich in rang und reihe unter den Asinnen selbst aufgezählt ist (Sn. 36. 37) [Fußnote]. was ihr amt, ihr geschäft sei, drückt schon der name aus, sie rechtfertigt die aufnahme jener Abundia und dame Habonde in die deutsche mythologie, und entspricht dem männlichen gott der fülle Pilnitis, Pilnitus, den Letten und Preußen verehrten. Wie frau Herke (s. A210) verlieh sie den sterblichen segen und überfluß, ihr war der göttermutter kiste (eski) anvertraut, aus der ihnen gaben gespendet wurden.
Vielleicht, daß man sich Fullâ und Follâ zugleich als vollmond (goth. fulliþs, litth. Pilnatis masc.) dachte, wie Orion auf Freyja oder Frigg bezogen wurde, und im Merseburger gedicht folgen gleich nachher Sunnâ mit einer schwester Sindgund, deren name wiederum an den lauf eines gestirns erinnert. Sôl steht in der reihe der Asinnen, Sindgund = altn. Sinngunnr? ist der edda unbekannt. Im cap. XXII von den gestirnen werde ich auf diese gottheiten zurückkommen [Fußnote].
Aus haftenden eigennamen, selbst abstracten wörtern, seltner aus zurückgebliebnen mythen läßt sich entnehmen, daß noch andere göttinnen des Nordens früher auch in den übrigen theilen Deutschlands verbreitet waren.
Freys geliebte und nachherige gattin hieß Gerđr, sie stammte aus riesischem geschlecht, wird aber doch Sn. 79 den Asinnen beigezählt; ihre schönheit schildert die edda durch einen höchst anmuthigen zug: als Freyr vom himmel schaute, sah er sie in ein haus gehn und die thür schließen, da leuchtete von ihren armen luft und wasser (Sæm. 81. Sn. 39); die werbung um sie wurde ihm erschwert und nur durch geschicklichkeit seines treuen dieners Skirnir zu stand gebracht. die namensform Gerđr, gen. Gerđar, acc. Gerđi (Sæm. 117b) weist auf ein goth. Gardi oder Gardja, gen. Gardjôs, acc. Gardja und ahd. Gart oder Garta, das in den zusammensetzungen Hildigart, Irmingart, Liutkart u. a. oft vorkommt, nicht mehr einfach. die lat. formen Hildegardis, Liudgardis wahren das i der endung besser, auf welchem auch der altn. umlaut in Gerđr, Thôrgerđr, Valgerđr, Hrîmgerđr beruht. die bedeutung scheint cingens, muniens, lat. Ginxia, wie Juno hieß [Fußnote]
ir schoene gap sô liehten schîn
und alsô wunneclichen glast,
daz derselbe pallast
von ir libe erliuhtet wart.
 
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Das goth. sibja, ahd. sippia, sippa, ags. sib, gen. sibbe bedeuten friede, freundschaft, verwandtschaft; ich folgere daraus eine gottheit Sibja, Sippia, Sib, der altn. Sif, gen. Sifjar, Thôrs gemahlin entsprechend, denn auch der altn. pl. sifjar drückt aus cognatio, sifi amicus (ahd. sippio, sippo), sift genus, cognatio. diesem wortsinn nach scheint Sif, gleich Frigg und Freyja, göttin der schönheit und liebe; wie eigenschaften des Ođinn und Thôrr zusammenstimmen, haben auch ihre frauen Frigg und Sif gemeinsame bedeutung. Sif heißt in der edda die schönhaarige it hârfagra gođ, und das gold Sifjar haddr (Sifae peplum), weil ihr Loki das haar abschnitt und hernach ein neues, schöneres aus gold geschmiedet wurde (Sn. 119. 130). auch ein kraut, polytrichum aureum, führt den namen haddr Sifjar. Die erklärer sehen hierin die vom feuer verbrannte wieder aufwachsende goldne frucht der erde und halten Sif zu Ceres, zu der ξανθὴ Δημήτηρ (Il. 5, 500), womit überein käme, daß die altslav. Siva Ceres, dea frumenti glossiert (Hankas glossen 5a 6a. b); allein S scheint in dem wort das slav. shivjete = SH und V = W, was von dem deutschen F, B, P abführt. Thôrs mutter, nicht seine frau ist die erde, doch Sn. 220 findet sich das bloße Sif für erde. entscheiden müsten nähere sagen von Sif, die unsrer mythologie gänzlich abgehn. nirgend wird bei uns das geheimnisvolle verhältnis des saatkorns zu Demeter, durch deren tiefe trauer um die tochter hungersnoth unter den menschen auszubrechen droht (hymn. in Cer. 305–315), noch ähnliches erzählt.
Die goth. sprache unterscheidet fein zwischen sunja (veritas) und sunjô (defensio, probatio veritatis), im ahd. recht bedeutet sunna, sunnis excusatio und impedimentum. auch das altn. recht hat dieses syn, gen. synjar für excusatio, defensio, negatio, impedimentum, aber die edda stellt zugleich eine personificierte Syn auf, sie war den Heiden göttin der gerechtigkeit und wahrheit, sie schützte den angeklagten (Sn. 38). Mit ihr in gleicher reihe steht Vör, gen. Varar, göttin der treue und des abgeschlossenen vertrags, eine dea foederis (Sn. 37. 38), wie auch die Römer Tutela heiligten. der ausdruck ›vigja saman Varar hendi‹, consecrare Tutelae manu (Sæm. 74b) stimmt zu den stellen über des Wunsches hände (s. 118). so gut neben der abstraction wunsch ein lebendig erhöhter Wunsch, konnte auch neben ahd. wara foedus eine göttin Wara statt finden, neben sunia eine Suniâ [Fußnote].
Auf solche weise steigert sich unsere sage zu einer heidnischen Sagâ, Wuotans tochter; gleich der Muse, Zeus tochter, unterrichtet sie die menschen in jener göttlichen kunst, die Wuotan selbst erfunden hatte. ich habe in einer eignen abhandlung (kl. schr. 1, 83–112) aufgestellt, daß frou Aventiure des mittelalters davon übrig sei.
Nanna Baldrs gemahlin würde goth. Nanþô, ahd. Nandâ, ags. Nôđe, die kühne, mutige heißen (s. 183), aber die weiblichen einfachen namen sind verschollen, Procop 1, 8 hat das goth. Θευδενάνθα (altn. Thiođnanna) [Fußnote].
Solche schlüsse von ersterbenden wörtern auf erstorbene gottheiten lassen sich noch vermehren; es ist nicht unnütz sie zu versuchen, weil sie den blick für neue forschungen schärfen. zu beweisen erheben kann sie, daß aus der sage oder sonsther übereinstimmung der mythen aufgedeckt wird [Fußnote]
sô hete des meisters sin
geprüevet ditz gereite
mit grôzer wîsheite;
er gap dem helfenbeine
und dâ bî dem gesteine
sîn gevellige stat,
als in diu Gevuoge bat.
 
(vgl. Er. 1246: als in mîn wâre schulde bat). Parz. 121, 11
wer in den zwein landen wirt (gut geräth),
Gefuoge ein wunder an im birt,
 
den hat Gefuoge wunderbar geboren, er ist ihr kind, schoßkind. Und umgekehrt Walth. 64, 38:
frô Unfuoge, ir habt gesiget.   65, 25;
swer Ungefuoge swîgen hieze
und sie abe den bürgen stieze!
 
wiewol die partikeln ge-, un- schon auf jüngere, kältere allegorie deuten. auch wäre die schwache form besser, ahd. Fuogâ, gen. Fuogûn, wie N. Cap. 135 hîfuogûn, sotigenam [Fußnote].
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Bei den göttern habe ich mit Oegir und Loki geschlossen, ihnen verwandte göttinnen sollen auch hier zuletzt erscheinen.
Der altn. Gefjon entsprach, so viel wir wissen, kein weibliches, sondern ein männliches wesen der alten Sachsen Geban, Geofon (s. 198). Nach Sn. 1 pflügt sie mit vier riesenochsen Seeland aus dem schwedischen boden heraus, so daß ein see entspringt, dessen einbiegung genau zu dem vorragenden ufer Seeland sich fügt. Sie wird als jungfrau dargestellt, der alle jungfräulich sterbenden mädchen dienen. Sn. 36. unter anrufung ihres namens wurden eide abgelegt: sver ek viđ Gefjon (F. Magnusen lex. 386) [Fußnote]. Gefn, ein name der Freyja (Sn. 37 u. Vigaglum s. cap. 27) gemahnt an Gefjon.
Gattin des meergottes Oegir war Rân, beide erzeugten neun töchter, die in der edda namentlich aufgeführt und Rânar oder Oegis dætr genannt werden [Fußnote]. ertrinkende menschen fallen der Rân anheim, und schon daraus folgt ihre göttlichkeit, fara til Rânar heißt zur see ertrinken (fornald. sög. 2, 78). sitja at Rânar (fornm. sög. 6, 376) ertrunken sein. die ertrunknen zog sie in einem netz an sich, raubte sie, und daher erklärt sich ihr name: rân (neutr.) ist rapina, ræna rapere, spoliare [Fußnote]
ez ist ein geloub der alten wîp,
swer in dem wazzer verliust den lîp,
daz der sî von got vertriben.   Karajan über Teichner 41.
 
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Auf die nachweisung dieses sonst seltnen wortes rahanen (spoliare) Hildebr. lied 57 stütze ich, daß es auch in andern gegenden Deutschlands ein subst. rahan (rapina, spolium) und eine göttin Rahana (vgl. Tanfana, Hluodana) gegeben haben könne, wie einen Uogi = Oegir [Fußnote].
Wie von Oegir (durch Forniot und Logi) auf Loki, darf von Rân auf Hel übergegangen werden, die geradezu tochter des Loki und gleich ihm graunvolle gottheit ist. Rân empfängt die zu wasser, Hel die auf dem lande gestorbnen seelen, Freyja die in der schlacht gefallnen.
Noch unzweifelhafter als Frigg und Freyja oder irgend eine der andern nachgewiesenen göttinnen erscheint unter den übrigen Deutschen die altn. Hel, gen. Heljar: goth. Halja, gen. Haljôs, ahd. Hellia, Hella, gen. Hellia, Hella, ags. Hell, gen. Helle, nur daß der persönliche begrif schwand und sich in den localen von halja, hellia, hell, unterwelt und ort der strafe auflöste. ursprünglich ist Hellia weder tod noch ein böses wesen, sie tödtet und verfolgt nicht, sie nimmt die seelen der abgeschiednen in empfang und hält sie unerbittlich fest. die räumliche vorstellung entfaltete sich wie aus Oegir die von œgir oceanus, aus Geban die von geban mare entsprungen war; die bekehrten Heiden wandten sie ungestört an auf die christliche unterwelt, den aufenthalt der verdammten, alle deutschen völker thaten es, von den zuerst getauften Gothen an bis auf die Nordmannen, weil jener raumbegrif schon im heidenthum vorhanden, vielleicht auch, weil der kirche die gemeinschaft der unseligen mit einer heidnischen, teuflischen gottheit unaufstößig war [Fußnote]. so erklärt sich hellia aus Hellia noch leichter als ôstara aus Ostara.
Nach der edda war Hel Lokis und einer riesin tochter, schwester des wolfes Fenrir und einer ungeheuren schlange. Sie ist halb schwarz und halb menschenfarbig (blâ hâlf en hâlf međ hörundar lit) Sn. 33, nach art der elsterfarbigen leute des mittelalters; in andern stellen wird bloß ihre schwarze farbe verglichen: blâr sem Hel. Nialss. cap. 117. fornm. sög. 3, 188. vgl. Heljarskinn von der leichenfarbe der haut. Landnâmab. 2, 19. Nialss. cap. 96. fornald. sög. 2, 59. 60 [Fußnote]. der tod ist schwarz und finster. Ihre wohnung ist tief im dunkel der erde, abwärts unter einer wurzel des Yggdrasill, in Niflheim, das innerste heißt darum Niflhel, da liegt ihr hof (rann) und ihre säle. Sæm. 6b 44a 94a Sn. 4. Ihre schüssel heißt hûngr, ihr messer sultr, gleichbedeutige namen, ihre unersättliche gier auszudrücken. Die todten fahren zu ihr nieder, fara til Heljar, eigentlich nur die in krankheiten und vor alter gestorbnen, nicht die im kampf gefallnen, Valhalla einnehmenden. abgezogner sind schon die redensarten î hel slâ, drepa, berja î hel, in die hölle schlagen, zur unterwelt senden, tödten; î helju vera, in der unterwelt, todt sein. fornald. sög. 1, 233. hieraus ist den neunord. dialecten ein ganz abstractes und entstelltes, schwed. ihjäl, dän. ihiel, d. h. zu tod entsprungen [Fußnote]. den begrif der unterwelt geben diese neueren sprachen nur durch eine zusammensetzung, schwed. helvete, dän. helvede, d. i. altn. helvîti (supplicium infernale), ahd. hellawîzi, mhd. hellewîze. von einem der in den letzten zügen liegt heißt es altn. liggja milli heims oc heljar, er befindet sich schon auf dem wege von der welt zur hölle. Die unbarmherzigkeit der eddischen Hel wird ausdrücklich hervorgehoben, was sie einmal hat, gibt sie nie zurück: haldi Hel þvî er hefir. Sn. 68; hefir nu Hel. Sæm. 257a; gleich dem wolf der thierfabel (Reinhart xxxvi), wie sie wölfischer natur und herkunft ist; umgekehrt wird dem wolf ein höllischer rachen (guttur infernale) beigelegt [Fußnote].
Zwei eddische lieder schildern den weg zur unterwelt, Helreid Brynhildar und Vegtamsqviđa, in dieser scheint Ođins ritt auf Sleipnir wegen Baldr den voraus darzustellen, welchen Sn. 65. 67 Hermôđr hernach auf demselben rosse unternimmt. die züge des gedichts sind aber ergreifender, und das gespräch zwischen Vegtamr [Fußnote] und der vala, die von sich sagt:
var ek snifin sniofi, ok slegin regni,
ok drifin döggo, daud var ek leingi,
 
gehört zu dem erhabensten, was die edda darbietet. diese vala muß in genauem verhältnis zu Hel selbst stehn.
Saxo gramm. p. 43 gebraucht für Hel ganz passend das lat. Proserpina, er läßt sie Balders tod ansagen. Nach dän. volksglauben soll Hel, als dreibeiniges pferd umgehend, pest und seuche verkündigen; ich werde im verfolg davon handeln. ursprünglich war es nichts als das pferd, auf welchem die göttin durchs land zog, die ihr heimgefallnen todten in empfang zu nehmen; es wird ihr auch ein wagen beigelegt, mit dem sie einher fuhr.
Eine stelle in Beovulf zeigt, wie noch die Angelsachsen ganz den alten begrif des wortes kannten. von dem verscheidenden Grendel heisst es 1698: feorh âlegde, hæđene sâvle (vitam deposuit, animam gentilem), þær hine Hel onfêng, die altheidnische göttin nahm ihn in empfang.
Auch das deutsche mittelalter hegte noch vorstellungen von einer gefräßigen, hungrigen, unersättlichen Hölle, von einem Orcus esuriens, d. h. dem menschenfressenden ogre. ›diu Helle ferslindet al daz ter lebet. sine wirdet niomer sat‹. N. Cap. 72. ›diu Helle und der arge wân werdent niemer sat‹. welsch. gast. und noch persönlicher lautet, daß ihr ein gaffender, gähnender rachen zugeschrieben wird, gleich dem wolf: bilder in der hs. des Cædmon stellen sie durch einen bloßen aufgesperrten mund dar.
der tobende wuoterîch
der was der Hellen gelîch,
diu daz abgrunde
begenit mit ir munde
unde den himel zuo der erden.
unde ir doch niht ne mac werden.
daz si imer werde vol;
si ist das ungesatlîche hol,
daz weder nu noch nie ne sprah:
›diz ist des ih niht ne mac‹.
 
Lampr. Alex. 6671–80. Häufig ist in den alten gedichten von dem abgrund und den thüren der hölle die rede, vgl. helligruoba, hellagrunt, helliporta u. s. w. gramm. 2, 458. der abgrunde tunc, der tiefen helle tunc. Mart. 88b 99c.
Zunächst liegen hierbei zwar biblische stellen unter, namentlich von unersättlichkeit der hölle, prov. Salom. 27, 20. 30, 16 (vgl. Freidank lxxiv), vom aufgethan sein, Hiob 26, 6 und vom öfnen ihres mundes, Esaias 5, 14. inzwischen haben alle diese das masc. άδης oder infernus, wozu auch die vorstellung des lat. orcus stimmt, es ist schon zu beachten, daß die deutsche sprache, ihrer eigenthümlichkeit nach, ein weibliches wort gebrauchen muste. die ideen von thüre, abgrund, öfnen des gähnenden schlundes, stärke und unbezwinglichkeit (fortis tanquam orcus. Petron. cap. 62) scheinen aber bei dem begrif einer unterwelt so natürlich und nothwendig, daß sie bei verschiednen völkern immer auf ähnliche weise wiederkehren werden [Fußnote]
davon sô ist diu helle vol.
 
O. V. 23, 265.
then tôd then habet funtan
thiu hella ioh firsluntan.
 
hat Otfrid dies 1 Cor. 15, 55 nachgebildet: der tod ist verschlungen in den sieg; tod, wo ist dein stachel, helle, wo ist dein sieg? bemerkenswerth ist hier die gothische übersetzung der stelle: ufsaggqiþs varþ dauþus in sigis, hvar ist gazds þeins dauþu? hvar ist sigis þeins, halja? auch nach christlicher vorstellung erscheint der tod verschlungen, aber die meisten handschriften des griech. textes haben hier beidemal θάνατος, die vulgata beidemal mors, wo Ulfilas zwischen dauþus und halja scheidet und Otfrid die hölle den tod finden und verschlingen läßt. den heiden war halja oder hel aufnehmerin, aufenthalt der todten, also die todten verschlingend, aber den tod verschlang sie nicht. doch ist nicht zu vergessen, daß eine griech. hs. άδη für θάνατε hat. Massmann 63bb, wie Matth. 11, 23. Luc. 10, 15. 16, 23 άδης, infernus im ags. durch helle übersetzt wird. so wird auch im irischen das erste mors jener Corintherstelle durch bais, das zweite durch uaimh, höle, grab gegeben, gal. durch bais und uaigh, grab. das serb. smrti und pakle, wie das litt. smertie und pékla schmeckt nach dem deutschen tod und hölle. vgl. auch Höfers ztschr. 1, 122. Westerg. bei Bouterwek Cædmon 2, 160 s. v. hel. (vgl. unten s. 668) stellt skr. kâla zeit, tod, todesgöttin und kâlî todesgöttin mit hel zusammen.
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Das wesentliche ist die vorstellung einer weiblichen, hungrigen, nie zurückgebenden gottheit [Fußnote].
Je höher in unser alterthum hinaufzudringen aber vergönnt sein wird, desto weniger höllisch und desto göttlicher kann Halja erscheinen. Dafür bürgt ganz besonders ihre gemeinschaft mit der indischen Bhavani, die gleich Nerthus und Holda herumfährt und badet (s. 234) und daneben Kâlî oder Mahakâlî, die große schwarze göttin heißt. in der unterwelt soll sie über die seelen gericht halten, dies amt, der eintreffende name und die schwarze farbe (kâla niger, vgl. auch câligo und κελαινός) machen sie der Halja äußerst ähnlich. Halja ist eine der ältesten und geläufigsten vorstellungen des heidenthums. 

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11/24 23:08