Außer den bisher abgehandelten göttern, die sich mit völliger bestimmtheit bei allen oder den meisten deutschen volksstämmen nachweisen ließen, zählt die nordische mythologie noch eine reihe anderer auf, deren spur schwerer zu verfolgen sein wird, oder gänzlich ausgeht. es sind großentheils solche, von denen auch der Norden selbst an jüngeren nachrichten arm oder verlassen ist.
Heimđallr, nach jüngerer schreibung Heimdallr, bei Saxo nirgends mehr genannt, gleich Baldr ein gütiger, lichter gott (hvîtastr âsa Sæm. 72a [Fußnote], sverđâs hvîta Sæm. 90a, hvîti âs Sn. 104), der himmlischen brücke (des regenbogens) hütend und in Himinbiörg (den himmelsbergen) wohnhaft. an himinn klingt auch das heim in dem ersten theil seines namens; þallr scheint verwandt mit þöll, gen. þallar (pinus) schwed. tall, schweiz. däle (Stald. 1, 259, vgl. Schm. 2, 603. 604 über mantala), doch heißt þöll auch ein fluß (Sn. 43) und Freyja führt den beinamen Mardöll (gen. Mardallar) Sn. 37. 154; dies alles bleibt noch dunkel. kein eigenname in den übrigen deutschen mundarten entspricht dem Heimdallr, zu Himinbiörg (Sæm. 41b 92b) oder dem abstracten himinfiöll (Sæm. 148a Yngl. saga cap. 39) lassen sich andere ortsnamen halten: ein Himilînberg (mons coelius) auf dem geister hausen, in der vita s. Galli (Pertz 2, 10); Himelberc in Lichtensteins frauend. 199, 10, ein Himilesberg im Fuldischen (Schannat Buchon. vet. 336), mehrere in Hessen (Kuchenb. anal. 11, 137) unweit Iba und Waldkappel (niederh. wochenbl. 1834 s. 106 und 2183), in Vestgötland ein Himmelsberg und (angeblich der heimdallische) in Halland. aber auch Himinvângar (Sæm. 150a), alts. hebanwang, hebeneswang, paradies (s. cap. XXV.) ags. Heofenfeld (coelestis campus) Beda p. 158 und ähnliche bald bestimmte bald allgemeinere namen sind zu erwägen und gestatten keinen sicheren schluß auf diesen gott.
Andere züge sind fast märchenhaft: er soll sohn von neun müttern, riesinnen, gewesen sein (Sæm. 118a. b. Sn. 106. Laxd. s. 392), bedarf weniger schlaf als ein vogel, sieht bei nacht wie bei tag hundert meilen weit und hört das gras auf der erde, die wolle auf den schafen wachsen (Sn. 30) [Fußnote]. Sein pferd heißt Gulltoppr (goldzopf) und er selbst hat goldne zähne [Fußnote], daher die beinamen Gullintanni und Hallinskîđi (tennur Hallinskîđa. fornm. sög. 1, 52). es ist bemerkenswerth, daß unter den namen des widders Hallinskîđi und Heimdali angeführt werden (Sn. 221b).
Als wächter und wärter der götter (vörđr gođa, Sæm. 41) läßt Heimdall ein lautes horn (Giallarhorn) erschallen, das unter heiligem baume bewahrt wird (Sæm. 5b 8a Sn. 72. 73). Was Völuspâ bezeugt muß hohem alterthum angehören [Fußnote].
Gleich zu eingang dieses gedichts werden aber alle erschaffnen wesen, die größeren und kleineren, megir Heimđallar, des gottes söhne oder kinder genannt, er scheint also bei schöpfung der welt und der menschen gewaltet und eine erhabnere rolle gespielt zu haben, als ihm hernach beigelegt wird. Wie neben Wuotan dem krieg Zio, der fruchtbarkeit Frô vorstand, mag auch die schöpferische gewalt zwischen Ođinn und Heimđallr getheilt gewesen sein.
Die erste anordnung der menschlichen stände läßt ein bedeutsam angelegtes eddisches lied eben aus Heimđallr hervorgehn, der unter dem namen Rîgr die welt durchwandert [Fußnote]. ich habe gewagt eine zwar viel jüngere, noch in den letzten jahrhunderten tief wurzelnde deutsche überlieferung, deren ursprung sonst schwer zu erklären wäre, bis auf die heidnische zurück zu leiten [Fußnote]. Was den namen Rîgr betrift, so scheint er mir durch aphaeresis, wie dis aus idis, aus einer älteren form entsprungen, die ich nicht genau bestimme, doch dem mhd. Irinc vergleiche, da altn. n vor g und k öfter ausfällt (vgl. stînga, stack; þacka, þânki) und wie später gezeigt werden soll, Iringes strâza, Iringes wec mit einer schwed. Eriksgata übereinkommt [Fußnote]. Dem vom himmel zur erde niedersteigenden gott, dessen behausung an Bifröst grenzt, war die glänzende milchstrasse höchst angemessen.
Von seinem cultus zeugen norwegische ortsnamen Heimdallarvattn, ein see in Guldbrandsdalen (Guđbrandsdalir), und Heimdallshoug; ein berg in Nummedalen (Naumudalr); beider geschieht in den altn. sagen keine meldung.
Vor andern göttern möchte man eine allgemeinere verehrung des altn. Bragi wieder erkennen, auf den die gabe der dichtkunst und beredsamkeit bezogen wird. er heißt der beste aller skalde (Sæm. 46a Sn. 45) frumsmiđr bragar (auctor poeseos) und die poesie selbst bragr [Fußnote]; ihm zu ehren wurde Bragafull oder bragarfull (s. 49) gebracht, es scheint daß die formen bragi gen. braga und bragr, gen. bragar schwankten, wenigstens steht jenes in der redensart bragr karla = vir facundus, praestans, und in âsa bragr (deorum princeps) = Thôrr (Sæem. 85b Sn. 211b), Bragi (Sn. 21b.) ja bragr qvenna bedeutet (Sæm. 218a) femina praestantissima. Ein altberühmter dichter und könig, verschieden von dem gott, führte aber selbst den namen Bragi hinn gamli, seine nachkommen hießen Bragnîngar. der sänger wurde alt und langbärtig gedacht; sîđskeggi und skeggbragi (Sn. 105), was an Ođinn mit langem bart, den erfinder der dichtkunst (s. 121) gemahnt, ja Bragi soll Ođins sohn sein (Sn. 105) [Fußnote].
In den ältesten ags. gedichten begegnet, überall nur im nom. sg., ein ausdruck brego oder breogo, mit dem sinn von rex oder princeps, bregostôl Beov. 4387. Andr. 209 ist thronus regius, bregoveard Cædm. 140, 26. 166, 13 princeps [Fußnote]. da ihm aber genitive pl. beigefügt werden: brego engla Cædm. 12, 7. 60, 4. 62, 3. brego Dena Beov. 848. häleđa brego Beov. 3905. gumena brego Andr. 61. beorna breogo Andr. 305 (vgl. brego moncynnes cod. exon. 457, 3): so erwächst eine bedeutsame analogie zu dem eben angeführten bragr karla, und den mit den götternamen Tŷr, Freá und Bealdor gerade so verbundnen genitiven (s. 162. 175. 182). Auch das ags. brego scheint auf einen verdunkelten gott zu weisen, obgleich formen und vocalverhältnisse nicht genau zutreffen [Fußnote].
Ihre abweichung ladet sogar ein, die wurzel aufzusuchen, unter welcher sie vereinbart werden könnten: ein briga, brag wäre dazu geschickt. bloß den sächs. und friesischen sprachen, weder den nord. noch hochdeutschen ist ein unaufgehelltes wort eigen für cerebrum: ags. brëgen (wie rëgen pluvia, daher minder gut geschrieben brägen), engl. brain, fries. brein, niedersächs. bregen; ich meine darin berührung mit den begriffen verstand, klugheit, beredsamkeit, nachahmung wahrzunehmen und vergleiche φρήν, φρένος, -φρων, -φρονος. altn. bedeutet bragr außer poesis auch mos, gestus und braga eftir einum, referre aliquem gestu, imitari. im ahd. ist nichts was sich anschlösse und ein eigenname Prako, Brago, Brëgo unerhört.
Trat aber bei den Sachsen noch eine leise spur des gottes oder göttersohnes ans licht, so darf hervorgehoben werden, daß in einer alts. urkunde von 1006 ein ortsname Burnacker (Lünzels Hildesheim s. 124 vgl. vorrede V) vorkommt [Fußnote]. Bragi und seine gemahlin Idunn wohnten in Brunnakr (Sn. 121a), und sie heißt Brunnakrs beckjar gerđr, brunnakerinae sedis ornatrix, nach Sk. Thorlacius auslegung (spec. 6 p. 65. 66). quell und brunne eignen sich, aus mehr als einer ursache, für einen gott der dichtkunst, aber freilich ist die benennung brunnacker so natürlich, daß sie auch ohne allen bezug auf götter entstehen konnte.
In irgend einem näheren verhältnis scheint Bragi mit Oegir gestanden zu haben, und ließe sich analogie zwischen beiden behaupten, der es aber noch an weiteren gründen gebricht, so würde sich neben jenem briga, brag die wurzel braga, brôg darbieten, und das ags. brôga (terror) ahd. pruoko, bruogo verwandt sein. beziehung des Bragi zu Oegir erhellt daraus, daß in dem gedicht Oegisdrecka Bragi besonders vortritt, und nach Sn. 80 dem Oegir zunächst saß; weshalb er auch in vertraulichem gespräche mit ihm göttersagen vorträgt, die davon Bragaræđur (reden des Bragi) heißen. sehr schicklich, ohne zweifel, wurden diese erzählungen, wobei ihn Oegir oft mit fragen unterbricht (Sn. 93), wie im ersten theil der edda Gângleri den vortragenden Hâr, dem vorstand der poesie in den mund gelegt.
Oegir nun ein älterer, nicht in die reihe der Asen tretender, aber friedlich mit ihnen verkehrender riesischer gott führt den namen des grausenden, schauerlichen. aus der wurzel aga, ôg sind genug ableitungen in unsrer ältesten sprache entsprossen, goth. agis φόβος, ög φοβέομαι, ahd. akiso, egiso, ags. egesa horror, ahd. akî, ekî, ags. ege (oder êge?) terror, altn. œgja terrori esse, man darf hier nur œ, nicht æ schreiben. dem eigennamen Oegir entspräche ein goth. Ôgeis, ags. Êge, ahd. Uogi, wofür ich nur die schwache form Uogo, Oago nachweisen kann. œgir bezeichnet aber auch das meer selbst, sôl gengr î œginn, die sonne sinkt ins meer, geht unter; œgisior pelagus gleicht dem goth. marisáivs, das ags. eagor und êgor (mare) verhalten sich zu êge wie sigor zu sige. wichtig ist die einstimmung des griech. ωκεανός, ’Ωκεανός und ’Ωγήν, woher das lat. oceanus, Oceanus entlehnt wurde, unverwandt scheint lat. aequor (mare placidum), das nicht zu aqua (goth. ahva) sondern aequus gehört [Fußnote] [Fußnote].
Das rauschende element erregte schauer und den gedanken an eines gottes unmittelbare nähe; wie Vôden auch Vôma hieß (s. 119. 120), Ođinn Omi und Yggr, so werden von ags. dichtern die ausdrücke vôma, svêg, brôga und egesa beinahe gleichbedeutend für geisterhafte, göttliche erscheinungen verwendet (Andr. und El. s. xxx – xxxii). Oegir war also ein höchst passender name und berührt sich mit den s. 172 entwickelten begriffen der furcht und des grauns.
Diese deutung bestätigen andere mythische vorstellungen überraschend.
In der edda ist von einem grausenerweckenden helm die rede, welcher Oegishialmr heißt: er öll qvikvendi brœđast at siâ (Sn. 137), einen solchen trug Hreiđmar, dann Fafnir, während er auf dem golde lag, und erschien allen, die ihn erblickten, desto fürchterlicher (Sæm. 188a); vera undir Oegishialmi, bera Oegishialm yfir einum bedeutet furcht, ehrfurcht einflößen (Laxd. saga s. 130. Islend. sög. 2, 155); ek bar Oegishialm yfir alla folki (fornald. sög. 1, 162); hafa Oegishialm î augum (fornald. sög. 1, 406) bezeichnet jenen fürchterlichen, scharfen blick der augen, den andere nicht aushalten, der bekannte schlangenblick, ormr î auga war etwas ähnliches [Fußnote]. Deutliche spur dieses nordischen helms finde ich nun in dem ahd. mannsnamen Egihelm (trad. fuld. 1, 97; bei Schannat no. 126 p. 286 Eggihelm) d. h. Agihelm, identisch mit der ablautenden form Uogihelm, die ich nicht aufweisen kann. aber in dem Eckenliede selbst wird Eckens kostbarer und zauberkräftiger helm, ja anderwärts Ortnits und Dietrichs helm genannt Hildegrîm, Hildegrîn, und grîma altn. larve, helm (Sæm. 51a name der nacht) hat sich jetzt auch in der fuldischen glosse bei Dronke s. 15 dargeboten, scenici crîmûn setzt einen sg. krîmâ larva, persona, galea voraus, so verstehen wir Krîmhilt (gramm. 1, 188) den namen einer mit dem schreckenshelm gerüsteten Walkurie, und warum in einer andern glosse daemon durch egisgrîmolt verdeutscht wird. nicht anders bedeutet das ags. egesgrîme larve und El. 260 wird der durch sein eberbild erschreckende helm grîmhelm genannt. ich darf mutmaßen daß auch dem wolf in der alten thierfabel solch ein furchtbarer helm und davon selbst der name Isangrîm beigelegt wurde (Reinh. ccxlii) [Fußnote]. Damit sind vielfach in einander greifende vorstellungen noch nicht erschöpft: wie der helm des gottes oder helden schrecken erregte, muste es auch sein schild und schwert, und es scheint bedeutend, daß ein von zwergen geschmiedetes grauenvolles schwert, wieder nach beiden formen, in der Vilkinasaga Eckisax, in Veldeks Eneit Uokesahs (man darf nichts ändern) heißt, in dem Eckenlied Ecken sahs, wie Hildegrîn Ecken helm, Eckes helm. In der griech. αιγίς suche ich keine wörtliche verwandtschaft, aber dieser schild des Zeus αιγίοχος (Il. 15, 310. 17, 593), den zuweilen Athene (2, 447. 5, 738) und Apollo (15, 229. 318. 361. 24, 20) schütteln, verbreitet grausen, wie Oegishialmr, Hildegrîm und Eckisahs; auch an des Pluto unsichtbarmachenden helm darf gedacht werden. Jener alte meergott, Oceanus und Oegir [Fußnote], in dessen halle gold leuchtete (Sæm. 59) [Fußnote], wird vor allen den leuchtenden helm getragen haben, der von ihm den namen führt. Sein ahd. name muß, nach allen diesen ausführungen Aki oder Uoki lauten, und es gehört keine kühnheit mehr zu der annahme, daß in dem völlig riesenhaft gehaltnen Ecke unsrer heldensage ein niederschlag des heidnischen gottes erscheine. Eckes mythisches wesen wird durch das seiner brüder Fasolt und Abentrôt, auf die ich später zu sprechen kommen werde, bestätigt. Wie dem griech. Okeanos flüsse als söhne und töchter beigelegt werden, zeugt der nord. Oegir mit Rân neun töchter, deren namen die edda (Sn. 185) auf gewässer und wellen anwendet. es ist zu erwarten, daß auch in unserm alterthum den strömen und flüssen, die meist weiblich gedacht waren, ähnliche bezüge auf den meergott zustanden.
Gerade in einem solchen örtlichen namen ist er deutlich zu erkennen. die Eider, ein fluß welcher die Sachsen von den Normannen scheidet, hieß im achten neunten jh. bei den fränk. annalisten Egidora, Agadora, Aegidora (Pertz 1, 355. 370. 386. 2, 620. 631); Helmold I, 12. 50 schreibt Egdora. die altn. denkmäler setzen deutlicher Oegisdyr (fornm. sög. 11, 28. 31, vgl. die von Werlauff herausg. geographie eines Nordmanns p. 15) d. h. thüre des meers, ausgang in das meer, ostium, vielleicht auch hier mit dem nebenbegriff des schreckhaften. ein zweiter ort des namens Oegisdyr wird Landn. 5, 2 in Island genannt, woselbst sich auch 3, 1 ein Oegissîđa (latus oceani) findet. Es ergibt sich weiter, daß unter der ags. benennung Fîfeldor im cod exon. 321, 8 und unter Wieglesdor bei Dietmar von Merseb. ad. a. 975 p. 760 wiederum die Eider, also jenes Oegisdyr zu verstehen ist, eine variante bei Dietmar und der annal. Saxo ad a. 975 geben Heggedor = Eggedor, Egidor. da nun anderwärts in ags. gedichten Fifelstreám (Boeth. 26, 51) und Fifelvæg (El. 237) den ocean bezeichnen, Fifelcynnes eard (Beov. 208) das land der meergeister, so könnte in Fîfel und dem daraus entstellten Wiegel eine andere veraltete benennung des Oegir gemutmaßt werden.
Für eine solche darf ferner das ags. Geofon, alts. Geban gelten, ein wesen dessen göttlichkeit schon aus der altn. Gefjun erhellt, die den Asinnen beigezählt wird, aber mit einem riesen söhne zeugte. der sächsische Gëban hingegen war ein gott, im Hel. erscheint bloß die zusammensetzung Gebenesstrôm 90, 7, 131, 22, bei ags. dichtern außer Geofenes begang Beov. 721, Geofenes stađ Cædm. 215, 8 und dem abstracteren geofonhûs (navis) Cædm. 79, 34, geofonflôd cod. exon. 193, 21 auch noch allein stehend im nom. Geofon Cædm. 206, 6. gifen geotende Beov. 3378. kein ahd. Këpan, nicht einmal in eigennamen, jedoch verzeichnet Stälin 1, 598 ein Gebeneswîlare. ich weiß nicht, ob die wurzel giban zu vergleichen ist, in welchem fall Gibika (s. 114) und Wuotans verhältnis zu Neptun (s. 101. 123) anschlüge, oder darf hiervon abseits an das gr. χιών (fem.) gedacht werden, an die vorstellung von schnee und eisriesen?
Selbst im Norden bieten sich mehr namen dar, die mit Oegir synonym sind. in dem fundinn Noregr (Sn. 369. fornald. sög. 2, 17) lesen wir: Forniotr âtti 3 syni, hêtt einn Hlêr, er ver köllum Oegi, annarr Logi, þridji Kari (Rask afh. 1, 95: Kâri). Hlêr (gen. Hlês) scheint hiernach der alte, unter den riesen gangbare name, wie er auch Sn. 79 zu Oegir gefügt wird, und wonach sein wohnort Hlêsey (Sæm. 78b 159b 243a) hieß, das heutige Lässöe im Kattegat.
Von diesem Hlêr weiß ich sonst keinen bescheid [Fußnote], wol aber gewährt uns sein vater Forniotr eine merkwürdige spur; zwar gehört er noch weniger als Oegir in die reihe der Asen, sondern zu den älteren dämonischen riesen, und beweist, daß auch diese halbgötter oder naturwesen über Scandinavien hinaus unter andern deutschen stämmen gewaltet haben müssen. Forniotr ist nicht zu deuten for-niotr primus occupans, vielmehr forn-iotr, der alte Iotr (Rask afhand. 1, 78), ein für jene riesen zumal treffender ausdruck und, wie später dargethan werden soll, genau zusammenhängend mit iötunn, ags. eoton selbst. Nun findet sich in dem ags. liber medicinalis, aus welchem Wanley p. 176–180 ungenügende excerpte gibt, nach Lyes wb. eine heilkräftige pflanze des namens Forneotes folme, Fornetes folme (d. h. Forneoti manus), wie die variante lehrt, zweimal angeführt. da keins der altn. denkmäler dieses krauts gedenkt, so muß seine benennung aus der eignen mythologie des sächsischen volkes übrig sein. ahd. könnte der riese Firnëz, die pflanze Firnëzes folma geheißen haben. man erinnert sich aus dem ags. Beovulf, daß einem wassergeiste Grendel die hand abgerissen und als siegeszeichen (tâcen) vorgelegt wird (1662) gerade wie dem riesen Urgan Tristan die hand abgehaut und wiederum zur bewærde der that mitnimmt (16055. 16075. 16085). das abhauen der plumpen riesenhand scheint also altmythisch, und passend in dem namen eines breitblättrigen gewächses festgehalten; es gibt auch eine pflanze, die teufelshand heißt, und der böse feind läßt in mehr als einer sage den abdruck seiner hand in stein und mauer zurück.
Sind wir durch diese letzteren beziehungen von den gütigen göttern ab mehr auf schadende dämone und bösartige geister geleitet worden: so findet sich hier ein unmittelbarer übergang zu dem einzigen gott, den die eddische lehre als schlimm und übelgesinnt darstellt, gleichwol noch unter die Asen rechnet.
Logi, wie wir sahen, hieß ein andrer sohn Forniots, und die drei brüder Hlêr, Logi, Kari überhaupt scheinen wasser, feuer, luft elementarisch darzustellen. nun stehen in einer merkwürdigen erzählung (Sn. 54. 60) Logi und Loki sich zur seite, ein wesen aus dem kreise der riesen dem genoß und gesellschafter der götter. das ist gewis nicht bloßes wortspiel, beide bezeichnen ein und dasselbe nach verschiedner auffassung; Logi die naturkraft des feuers, das im laut fortgeschobne Loki zugleich eine verschiebung des begrifs: aus dem plumpen riesen ist ein schlauer, verführerischer bösewicht geworden; man darf beide dem Prometheus und Hefäst der Griechen an die seite setzen, Oceanus war jenem verwandt und befreundet. doch beide mengen sich. in Loki, sâ er fiestu illu ræđr (Sn. 46), von dem das übel ausgeht, erscheint auch der riesische teufel, der die götter, wie Hefäst zum lachen aufregt, dessen hinken an Hefäst und die lahme flamme (N. Cap. 76), dessen fesselung an Prometheus gemahnt. Loki wird gleich seinem sohne Fenrir in fesseln gelegt. wie Hefäst das netz für Ares und Afrodite schmiedet, bereitet auch Loki ein netz Sn. 69, worin er selbst gefangen wird. zumal vorstechend ist die analogie, daß Hefäst durch Zeus vom Olymp herabgestürzt wird (Il. 1, 591–93), wie der böse feind durch gott aus dem himmel in die hölle (s. cap. XXXIII Teufel), obgleich die edda von Loki weder einen solchen sturz berichtet, noch ihn als künstlichen schmied und meister der zwerge darstellt; wahrscheinlich gab es von Loki und Logi viel reichere sagen. Lokis frühere gemeinschaft mit Ođinn erhellt deutlich sowohl aus Sæm. 61b, als als aus dem nebeneinanderstellen dreier wandernder schöpferischer gottheiten Ođinn, Hœnir, Lođr (Sæm. 3a), wofür Sæm. 180 Ođinn, Hœnir, Loki oder mit veränderter ordnung Sn. 80. 135 Ođinn, Loki, Hœnir genannt sind (vgl. oben s. 135). sie jener trilogie Hlêr, Logi, Kari gleich zu stellen wage ich nicht, so treffend Ođinn der ὶς ανέμοιο entspricht, und von dem schaffenden Ođinn geht athem und geist (önd) aus, von Lođr, dem lodernden feuer, blut und farbe (lâ ok litr), dunkler würde ein bezug des sinn (ôđ) verleihenden Hœnir auf das wasser bleiben; dieser Hœnir gehört zu den schwierigsten erscheinungen der nordischen mythologie und er ist bei uns in Deutschland spurlos verschollen. Aber auch der feuergott, der nach jener abstufung entweder goth. Laúha, ahd. Loho oder goth. Luka, ahd. Locho heißen müste, scheint mit verlust des namens ganz in dem wesen des späteren teufels aufgegangen. Länger hat er noch in Scandinavien gehaftet und allenthalben zeigen uns mythen, wie nahe der asische Loki an den riesen Logi reicht. Thorlacius (spec. 7, 43) hat gewiesen, daß in der redensart ›Loki fer yfir akra‹ (L. fährt über die äcker), in der dänischen: ›Locke dricker vand‹ (L. trinkt wasser) feuer und brennende sonne gemeint werde, wir sagen in gleicher meinung: die sonne zieht wasser, wenn sie in hellem streifen zwischen zwei wolken durchscheint. Loka daun (Lokii odor) heißt auf Island der feurige schwefel dunstende irwisch (das. 44); Lokabrenna (Lokii incendium) der Sirius; Loka spænir sind brennspäne; ein böses dem vieh schädliches unkraut (polytrichum comm.) wird in Nordjütland Lokkens havre genannt, und sprichwörtlich sagt man: ›nu saaer Lokken sin havre‹ (nun säet Locke seinen haber, der teufel sein unkraut, seinen scheidelsamen), das dän. wb. übersetzt Lokeshavre avena fatua, nach andern ist es rhinanthus crista galli. knistert das feuer, so heißt es ›Lokje gibt seinen kindern schläge‹. Faye s. 6. nach Molbechs dial. lex. s. 330 gilt jenes jütländische ›Lokke saaer havre idag‹ und gleichbedeutig damit: ›Lokke driver idag med sine geder‹ (L. treibt heute seine geiße aus) von dünsten, die in der sonnenhitze auf der erde schweben. verlieren die vögel in der mausezeit ihre federn, so sagt man, daß sie ›gaae i Lokkis arri‹ (unter Lokkes egge gehn?) ›at höre paa Lockens eventyr‹ bedeutet auf lügen, fabeln hören (P. Syvs gamle danske ordsprog 2, 72). nach Sjöborgs nomenklatur s. 151 findet sich in Vestergötland ein riesengrab, Lokehall genannt. Lauter beachtenswerthe, unter dem gemeinen volk bis auf heute fortdauernde vorstellungen, in welchen Loki bald als wohlthätiges, bald als schadendes wesen, für sonne, feuer, riese oder teufel genommen ist, ganz ähnliches böse wird in Deutschland dem teufel beigelegt, die gütige lichtgottheit als verheerende flamme gedacht [Fußnote].
Auf solcher identität zwischen Logi und Loki beruht eine andere noch nachzuweisende spur des nordischen dämons bei den übrigen deutschen stämmen. wenn Logi von liuhan (lucere) stammt, wäre Loki scheinbar zu der wurzel lukan (claudere, vgl. claudus lahm) übergetreten, lok bedeutet altn. finis, consummatio, loka repagulum, weil der riegel schließt. Im Beovulf tritt ein feindseliger, teuflischer geist auf, ein thyrs Beov. 846, namens Grendel und seine mutter (Grendeles môdor, Beov. 4232. 4274) als wahrhafte teufelsmutter und riesenmutter. eine ags. urkunde von 931 bei Kemble 2, 172 führt den ort Grendles mêre (Grendeli palus) auf. nun heißt das ags. grindel, ahd. krintil, mhd. grintel gerade repagulum, pessulus, und jener name Grendel (kein ahd. Krentil kenne ich) scheint mit grindel obex verwandt wie Loki mit loka, das altn. grind bedeutet ein gitter, das gleich dem riegel einschließt [Fußnote]. Gervasius tilberiensis (bei Leibn. 1, 980) erzählt von einem englischen feuerdämon namens Grant. das ist sehr auffallend, daß wir noch heute einen dritten synonymen ausdruck zur bezeichnung eines teuflischen wesens, freilich in der verstärkenden zusammensetzung mit hölle verwenden: höllriegel, vectis infernalis, höllenbrand, teufel und dem teufel verfallen; eine häßliche zänkische alte wird höllriegel oder teufels großmutter gescholten. dies hellerigel gebraucht schon Hugo von Langenstein (Martina 4b) als schelte, man stellte sich aber auch die hölle als verriegelt und mit riegeln gesperrt vor, als Christus, heißt es fundgr. 1, 178, mit löwenkraft zur unterwelt fuhr, musten ›die grintel brechen‹. Endlich darf selbst das ahd. dremil (pessulus) Graff 5, 531 zu dem altn. trami oder tremill gehalten werden, die cacodaemon und, scheint es, daneben clathri, cancelli bedeuten: tramar gneypa þik skulo! Sæm 85a und trolltram wird im schwed. lied von Torkar der teufel genannt, von welchem der hammer geraubt wurde. da dies der eddische Thrymr ist, möchte man auch für trami þrami vermuten, wozu das ahd. dremill genauer stimmte. Von mehrern seiten sehen wir also die hier obwaltenden mythischen begriffe in einander greifen und der übergang von Logi in Loki muß ein hohes alter für sich haben. Foersom (über den jütländ. abergl. s. 32) führt an, der teufel werde in gestalt eines lässeträ, d. h. eines windelbaumes, mit dem man lasten festigt, gedacht.
Außer dem asischen Loki stellt uns Snorri in der edda noch einen andern Utgarđaloki als könig auf, dessen künste und macht sogar den göttlichen Thôrr teuschen, und dessen hausgenoß es eben war, der sich selbst jenem Loki überlegen zeigte (Sn. 54 ff.) [Fußnote]. Von diesem Ugarthilocus berichtet Saxo, der in seinem ganzen werk des eddischen Loki mit keinem worte erwähnt, s. 163–166 wunderbare dinge: er schildert ihn als riesenhaftes in entlegnem lande wohnendes, halbgöttliches ungeheuer, das im sturm gleich andern göttern angerufen werde und hilfe leiste. ein mutiger held, namens Thorkill, besteht die abenteuerliche fahrt zu Ugarthilocus, das alles ist nichts als fabelhafte veränderung des besuchs, den nach Snorri Thôrr bei Utgardaloki abstattet. hervorzuheben bleibt, daß Thorkill dem Ugarthilocus eins seiner großen speerähnlichen haare rauft und mit nach haus bringt (Saxo 165. 166). ûtgarđar sind die äußersten grenzen der bewohnten welt, wohin das alterthum die stätte der riesen und ungeheuer, die hölle versetzte; auch dabei könnte an den begrif des riegels gedacht werden, der gleichsam den eingang jener unnahbaren region der geister und dämonen absperrt.
Mag es nun in früher vorzeit auch einen sächsischen Loko, einen alamannischen Lohho, oder bloß einen Grendil, Krentil gegeben haben; von entscheidender bedeutsamkeit ist die übereinkunft der mythen selbst. Dem schon angeführten sei hier noch andres zugefügt. durch unsre kindermärchen ist der zug verbreitet von dem haar, das dem teufel gerauft wird, als er auf dem schoß seiner großmutter schläft (KM. 29). das einstimmige norwegische märchen (folkeeventyr no. 5 s. 38) läßt nicht dem schlafenden drachen, sondern erst dem getödteten drei federn aus dem schwanz ziehen.
Loki, zur strafe seiner unthaten, wird gleich dem gütigen Prometheus, der den menschen die flamme zugeführt hatte, in fesseln gelegt, aus denen er aber am weltende wieder frei werden soll; eins seiner kinder Fenrir [Fußnote], d. h. er selbst in der wiedergeburt, verfolgt in wolfsgestalt den mond und droht ihn zu verschlingen. Nach Sn. 12. 13 hat eine alte riesin im wald diese riesen in wolfsgürteln gezeugt, der mächtigste heißt Mânagarmr (lunae canis) und soll den mond schlingen, anderemal aber wird Sköll genannt, der die sonne, Hati, Hrôđvitnis sonr (Sæm. 45a), der den mond verfolgt. wahrscheinlich gab es von ihnen allen ausführlichere sagen, die nicht aufgezeichnet worden sind, einer altschottischen von dem wolf und dem weltende (the tayl of the wolfe and the warldis end) geschieht noch erwähnung [Fußnote]. Der volksglaube scheint sich aber allgemein und schon in der ältesten zeit durch ganz Deutschland und weiter zu erstrecken. noch jetzt sagen wir, wenn unheilvolle gefahrdrohende verwirrung eintritt: ›der teufel ist los, der teufel ist freigelassen‹, wie es im Norden hieß: ›Loki er or böndum‹ (s. cap. XXIII). in Göz von Berlichingen leben s. 201: ›der teufel war überall ledig‹, in Detmars chronik 1, 298 ›do was de duvel los geworden‹, da herschte unruhe und gewaltthat. Von einem aus weiter ferne drohenden pflegte man in Burgund spöttisch die redensart: ›dieu garde la lune des loups‹ zu gebrauchen [Fußnote], d. h. solche drohungen treffen erst am ende der welt ein, und nicht anders wird in dem franz. volkslied auf Heinrich IV das äußerste ende der zukunft durch eine zeit ausgedrückt, wo die zähne des wolfs den mond erreichen werden: ›jusqu'à ce que l'on prenne la lune avec les dents‹ [Fußnote]. Von diesem ›wolf des mons‹ redet Fischart an mehrern stellen, ausführlich in aller practik großmutter: ›derhalben dörft ihr nicht mehr für ihn (den mond) betten, daß ihn gott vor den wölfen wölle behüten, denn sie werden ihn diß jahr nicht erhaschen‹ [Fußnote]. an mehreren orten gehn noch jetzt unter dem volk reime von den zwölf stunden, und die beiden letzten werden so bezeichnet: ›um elfe kommen die wölfe, um zwölfe bricht das gewölbe (bricht der tod aus dem gewölbe)‹. sollte darin ein alter glaube an das erscheinen des wolfs oder der wölfe beim weltuntergang, dem brechen der himmelswölbung nachhallen? Wenn am brennenden licht ein stück des dochtes sich ablöst und neben haftet, so daß die kerze nun schneller verzehrt wird, heißt es: ›ein wolf (räuber, dieb) ist am licht‹; auch das gleicht dem sonne oder mond verschlingenden wolf. Sonnen oder mondfinsternisse waren vielen heidnischen völkern schauerlich; die eintretende und wachsende verdunkelung der leuchtenden kugel schien ihnen der zeitpunct, wo sie der gaffende rachen des wolfs zu verschlingen drohe, und man glaubte durch lautes geschrei dem monde hilfe zu leisten (s. cap. XXII Finsternisse). Dieses losbrechen des wolfs und die dereinstige erledigung Lokis aus seinen banden, der zur zeit des ragnaröckurs die götter bekämpfen und überwinden wird, stimmt auffallend zu der lösung des gefesselten Prometheus, durch welchen alsdann Zeus gestürzt werden soll. die formel unz Loki verđr lauss = unz riufaz regin begegnet ganz der griechischen πρὶν ὰν εκ δεσμω̃ν χαλάσθη Προμηθεύς (Aeschyl. Prom. 176. 770. 991) und durch die zuckungen des gefesselten Loki entsteht erdbeben (Sæm. 69. Sn. 70) gerade wie bei Prometheus (χθών σεσάλευται·, Aeschyl. 1081). aber der griechische titan erregt unser edelstes mitgefühl, während die edda den Loki als ein hassenswerthes ungeheuer darstellt.
Loki war schön von gestalt, böse von sinnesart, sein vater ein riese hieß Farbauti, seine mutter Laufey und Nâl (acus, die schmale, schmiegsame), miô ok auđþreiflig Sn. 355, lauter wörter, die sich leicht ins ahd. übertragen lassen: Farpôzo (remex), Loupouwa und Nâdala, ohne daß sie irgend begegnen. nie wird er Farbauta sonr, immer nach der mutter Loki Laufeyjar sonr (Sæm. 67a 72b 73a) genannt, was in der alliteration begründet ist, aber noch in der prosa (Sn. 64) und in dem Locke Löje, Loke Lovmand, Loke Lejemand der jüngeren volkslieder vorhält; in diesem Laufey (schwed. Löfö) liegt personification eines ursprünglichen örtlichen namens, also wol wieder elementarischer bezug. Mit seiner frau Sigyn zeugte Loki den Nari oder Narvi, mit einer riesin Angrbođa drei kinder, jenen Fenrir, die schlange Iörmungandr und eine tochter Hel. merkwürdig heißt er selbst auch Loptr (aereus) und einer seiner brüder Helblindi, was zugleich ein name Ođins ist. ich hebe diese der deutschen mythologie größtentheils fremden namen aus, um künftige forschung auf sie lenken.
Noch einmal zurückwenden muß sich die betrachtung auf einen namen, der schon s. 104. 105 unter den gottheiten der woche angeführt wurde, und dem seltsames zusammentreffen einzelner umstände fast eine stelle in unserm einheimischen alterthum zu verschaffen scheint. die hochdeutsche woche läßt zwei tage, gerade in der mitte und am schluß, nicht nach göttern benannt werden. wie aber mittwoch für Wuotanstag ist auch sambaztag baare neuerung, welche die kirche wenigstens bei diesen tagen durchsetzte oder gern annahm. Die sechs ersten tage heißen nach sonne, mond, Zio, Wuotan, Donar und Frîa; welchem gott hätte den namen des siebenten herzugeben gebührt? für Mars, Mercur, Jupiter, Venus standen jene deutschen gottheiten zu gebot, wie ließ sich Saturn verdeutschen? das mittelalter fuhr fort den siebenten tag aus dem römischen gott zu erklären, unsre kaiserchronik, die auch beim dritten, vierten, fünften, sechsten der deutschen götter geschweigt und nur von Mars, Mercur, Jupiter, Venus redet, drückt sich unbeholfen aus:
an dem sameztage sâ
einez heizet rotundâ,
daz was ein hêrez betehûs,
der got hiez Saturnûs,
darnâch was iz aller tiuvel êre,
hier ist Saturns cultus mit dem zu aller götter oder teufel ehre errichteten, von Bonifacius in eine Marienkirche umgewandelten pantheon verbunden. Angelsachsen, Engländer, Friesen, Niederländer und Niedersachsen haben dem dies Saturni seinen namen selbst gelassen: Sæteresdäg, Sæternesdäg, Saturday, Saterdei, Saterdach, Satersdag, auch Irländer dia Satuirn, Satarn angenommen, während das franz. samedi (sabdedi), span. sabado, ital. sabato zum hochd. samstag stimmt. hier ist nicht nur ein begrif, wie bei den übrigen göttern, sondern im namen gleichheit, und der unverschobne laut scheint unmittelbare entlehnung zu verrathen; oder sollte die berührung zufällig und ein deutscher name nach dem fremden verderbt sein? weder ein ahd. Sâtarnes noch Sâzarnestac läßt sich aufweisen, merkwürdig aber bedeutet ags. sætere insidiator (ahd. sâzari, vgl. sâza, mhd. sâze insidiae = lâga, lâge), was noch wichtiger ist, eine ags. urk. von Eduard dem bekenner (chart. antiq. rot. M. no. 1. Kemble 4, 157) liefert den ortsnamen Sæteresbyrig, ganz dem Vôdnesbyrig vergleichbar, und die pflanze gallicrus, nhd. hahnenfuß, engl. crowfoot, wurde ags. sâtorlâđe benannt, gleichsam Saturni taedium (altn. leiđi, ahd. leidi) [Fußnote]. ich erinnere daran, daß schon die alten Franken von Saturnus (s. 88) als heidnischem gott, und von Saturni dolium (s. 105) redeten, was freilich auf den bloßen planetarischen gott bezogen werden darf [Fußnote].
Dieser letzte name des sabbats führt auf das altn. laugardagr, schwed. lögerdag, dän. löverdag, worunter man späterhin sicher den wasch oder badetag meinte, wie der gleichbedeutende þvottdagr lehrt; aber früher könnte ein Lokadagr, Logadagr gegolten haben [Fußnote] und Logi, Loki dem lat. Saturnus entsprechen, wie das volk die in Loki nachgewiesne idee des teufels auf den jüdischen satan und heidnischen Saturn überträgt und Locki altn. zugleich verführer, verlocker, nachsteller ist. Sogar ein nebenname Ođins aus Sæm. 46a Sađr oder etwa Sâđr käme in betracht, obschon ich es vorziehe, die erste form für Sannr, und Sanngetall gleichbedeutend zu nehmen.
Unabweisbar mahnt aber jene ags. Sæteresbyrig aus der mitte des 11 jh. an die burg, welche unsere bisher verachteten meldungen des 15 jh. in Bothes Sachsenchronik auf dem Harz dem abgott Saturn errichten lassen, und diesen Saturn, wie beigefügt wird, hieß das gemeine volk Krodo, wozu wir den s. 170 berührten namen, für welchen ein älteres Hruodo, Chrôdo gemutmaßt wurde, herholen dürfen [Fußnote]. von Saturn oder Krodo ist zugleich ein bild überliefert, das den götzen als mann darstellt, der auf einem großen fische steht, in der rechten ein gefäß mit blumen und in der 1inken ein emporgerichtetes rad hält; dem römischen Saturn wurde die sichel, kein rad beigelegt [Fußnote]
Jornandes de regn. succ. p. m. 2 hat den stamm Saturnus, Picus, Faunus, Latinus vgl. 561. GDS. 120. der dem Saturn entsprechende slav. Sitivrat ist der indische Satjavrata d. h. nach Kuhn der wahrhafte (erfüllte) gelübde hat, so auch Dhritavrata, der erhaltene gelübde hat = Varunas.
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Hier scheinen slavische vorstellungen einzugreifen. Widukind (Pertz 5, 463) nennt ein ehernes simulacrum Saturni bei den Slaven des 10 jh., ohne es irgend zu beschreiben; nun führen altböhmische glossen bei Hanka 14a und 17a weiter. in der ersten wird Mercurius Radihost wnuk kirtow (Radigast enkel des Kirt), in der andern Picus Saturni filius, ztracec sitivratow zin (specht sohn des Sitivrat) genannt, und in einer dritten 20a heißt Saturn nochmals Sitivrat. wer sieht nicht, daß Sitivrat Saturns slavischer name ist, der zunächst auf sit = satur leitet? Radigast = Mercur (s. 108) ist des Stračec = Picus sohn, wie griechische mythen Picus (Πι̃κος) dem Zeus gleichstellen, und ihn das reich seinem sohne Hermes abtreten lassen. Picus ist Jupiter, Saturns sohn; außer Sitivrat vernehmen wir noch einen andern namen Saturns, nemlich Kirt, der offenbar unser Krodo und Hruodo scheint. Sitivrat und Kirt bestätigen Saturn und Krodo, ich weiß nicht, ob bei dem slavischen wort an das böhm. krt, poln. kret, russ. krot d. i. maulwurf gedacht werden mag [Fußnote]. größere lust hätte ich dem namen Sitivrat den nebensinn von sitovrat (siebdreher) einzulegen, so daß er beinahe gleichviel mit kolovrat (raddreher) wäre, und aufschluß über jenes rad des Krodo gäbe; beide rad (kolo) und sieb (sito) laufen um und ein alter zauber lag in dem siebdrehen. Slavische mythologen haben Sitivrat mit dem indischen Satjavrata, der aus einer großen wasserflut in fischgestalt durch Vischnu errettet wird, zusammengehalten. Krodo steht auf einem fisch, und Vischnu wird blumenkränze um den hals, in seiner vierten hand ein rad (tschakra) tragend vorgestellt [Fußnote]. Alle diese bezüge sind noch kahl und unsicher, aber sie reichen hin das hohe alter einer deutschslavischen göttersage, die an mehrern ecken hervorbricht, zu bewähren.