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CAP. I. EINLEITUNG
日期:2014-04-21 09:54  点击:260
Von Asiens westlichster Küste hatte sich das christenthum gleich herüber nach Europa gewandt; der breite boden des welttheils, in dem es entsprungen war, konnte ihm nicht lange nahrung geben, und auch im Norden Africas schlug es nur flache wurzel. bald wurde und blieb Europa sein eigentlicher sitz und heerd.
Es ist beachtenswerth, daß die richtung, in welcher der neue glaube von Süden nach Norden um sich grif, dem strome der wanderung gerade entgegensteht, die von Osten und Norden nach Westen und Süden damals die völker hintrieb. wie dorther geistiges licht eindrang, sollte von hieraus das leben selbst erfrischt werden.
Das ermattete weltreich der Römer war zugleich in seinem innersten aufgeregt und an seiner grenze überschritten. aber mit derselben gewaltigen lehre, die ihm eben erst seine alten götter gestürzt hatte, konnte das unterwürfige Rom sich von neuem seine sieger unterwerfen. dadurch geschah der flut jener bewegung allmälich einhalt, die neubekehrten länder begannen sich zu festigen und ihre waffen umzukehren gegen die im rücken gebliebenen Heiden.
Langsam, schritt vor schritt, wich die heidenschaft der christenheit.
Fünfhundert jahre nach Christus glaubten an ihn noch die wenigsten völker Europas; nach tausend jahren die meisten und bedeutendsten, aber nicht alle. [Fußnote]
Die Nialssage cap. 101–106 berichtet über den einzug des christenthums nach Island a. 995–1000 (kl. schr. 2, 272). doch opferte man in Nerike bei Orebro noch im 17. jh. auf gewissen felsen dem Thor gegen zahnschmerz. Dybeck runa 1848 s. 26 (kl. schr. 2, 115) und alte frauen opfern noch heutzutage an flüsse und werfen den zweig auf den stein. Dybeck runa 2, 3, 15. vit erum heiđin in Olafs des heiligen zeit 1015–1030 (in Gautland) heißt es fornm. sög. 4, 187. 12, 84. in den norwegischen bezirken Serna und Idre (an der grenze von Dalarne) lebten Heiden noch 1644. samling. Christiania 1839. 6, 470. 471. þa kunni enge madr pater noster i Straumi. Werlauff. grenzbest. 20. 37. Odens diener kommen noch 1578, 1580, 1601 in Schweden vor. Geyer Svea rikes häfder 2, 329 und in einem volksliede fürchtet eine Christin die nah im wald hausenden Heiden: locka till Thor i fjäll Arvidsson 3, 504 der donnerstag war in Schweden noch vor 100, 150 jahren heilig (s. 173). in Schweden zumal waren rückfälle ins heidenthum häufig Hervarars. cap. 20 (fornald. sög. 1, 512). das heimliche heidenthum hieß launblôt. fornm. sög. 2, 243.
Unter den Slaven in Pommern galt noch zu eingang des 12. jh. heidenthum. gefeiert wird ein heidenfest bei Pyritz. Barthold gesch. v. Pommern 2, 34. Giesebrecht wend. gesch. 2, 265 und ein fest des Gerovit in Havelberg. Barthold 2, 76. Giesebrecht 2, 309. heidnische Ranen erwähnt Barthold 2, 100. 101. Pribizlaus von Meklenburg wird 1164 getauft. Lisch meklenb. jahrb. 11,10, Svantevits tempel 1168 zerstört a. o. 11, 97. Die Slaven zwischen Elbe und Oder waren 70 jahre Christen und fielen dann wieder ab um 1013. Helmold 1, 16. adhuc enim (a. 1147) Slavi immolabant daemoniis et non deo. Helm. 1, 68. als die Russen schon bekehrt waren, waren die Preußen noch Heiden Helm. 1, 1. Christen in Ungarn kommen schon in der zweiten hälfte des 10. jh. vor. s. Dümmlers Pilgrim von Passau 36 ff. noch heute leben in Ehstland einzelne Heiden. verhandl. 2, 36. die Lappen waren noch 1750 Heiden. Castréns reise s. 69.
Verbindungen zwischen Heiden und Christen waren nicht unerlaubt, wie Chlodowigs beispiel beweist. auch Kriemhilts ehe mit dem Heiden Etzel war eine gemischte, doch bewirkt sie, daß ihr sohn Ortliep getauft wird. Nibel 1328.
Aus Griechenland und Italien gieng die christliche lehre zunächst über nach Gallien im zweiten und dritten jahrhundert. einzelne Christen kommen gegen das jahr 300 oder bald nachher vor unter den rheinischen Deutschen, zumal Alamannen, um gleiche zeit oder etwas früher [Fußnote] unter den Gothen. Die Gothen sind das erste deutsche volk, bei dem das christenthum im laufe des vierten jh. sichern fuß faßte, Westgothen giengen voran, Ostgothen folgten: nach ihnen bekehrten sich Vandalen, Gepiden und Rugen. diese stämme hielten es mit der arianischen lehre. Die Burgunden in Gallien wurden catholisch zu anfang des fünften jh., hernach unter westgothischen herschern arianisch, im beginn des sechsten jh. wiederum catholisch. Die Sueven in Spanien waren anfangs catholisch, dann arianisch (um 469), bis sie mit allen Westgothen im 6. jh. gleichfalls zur catholischen kirche übertraten. Erst gegen den schluß des fünften und zu anfang des sechsten gewann das christenthum die Franken, bald darauf die Alamannen, nachher die Langobarden. Die Baiern wurden im siebenten und achten, Friesen, Hessen und Thüringer im achten, die Sachsen gegen das neunte jh. bekehrt.
Nach Britannien hatte schon frühe das christenthum eingang gefunden; einbruch der heidnischen Angelsachsen störte es. gegen den schluß des sechsten und im beginn des siebenten jh. giengen auch sie zum neuen glauben über.
Im zehnten jh. wurden die Dänen Christen, zu anfang des eilften die Norweger, in der andern hälfte des eilften gänzlich die Schweden. um gleiche zeit drang das christenthum nach Island.
Von den slavischen völkern nahmen zuerst die Südslaven, die Carentaner, und seit Heraclius († 640) die Croaten, 150 jahre nach jenen die Mähren im achten und neunten jh. christlichen glauben an, unter den Nordslaven Obotriten im neunten, dann Böhmen [Fußnote] und Polen im zehnten, Sorben im eilften, Russen zu Ende des zehnten.
Ungern im beginn des eilften, Lieven und Letten im zwölften, Ehsten und Finnen im zwölften und dreizehnten, Litthauer sogar erst im anfang des funfzehnten.
Alle diese angaben sind bloß allgemein gefaßt; weder frühere bekehrungen, noch späteres, längeres haften am heidenthum im einzelnen schließen sie aus. Abgelegenheit und unabhängigkeit des volksstammes schützte hergebrachten glauben. oft versuchten auch die abtrünnigen wenigstens theilweise rückkehr. Das christenthum äußerte bald seine wirkung auf die gemüter der vornehmen und reichen, durch deren beispiel das gemeine volk hingerissen wurde, bald zuerst auf die armen und geringen.
Als Chlodowig taufe empfieng und die salischen Franken ihm nachfolgten, waren schon einzelne menschen aus allen fränkischen stämmen vorausgegangen. der verkehr mit Burgunden und Westgothen hatte sie der arianischen lehre geneigt gemacht, während in andern theilen Galliens die catholische anhänger fand. hier stießen beide lehren aufeinander. Lanthild, Chlodowigs eine schwester, war vor ihm arianische Christin geworden, Albofled, die andere, Heidin geblieben: jetzt ließ sich diese mit ihm taufen, jene zum catholischen bekenntnis überführen [Fußnote]. aber noch im sechsten und siebenten jh. war das heidenthum in einzelnen gegenden des fränkischen reichs unausgerottet. Neustrien hatte an der Loire und Seine heidnische bewohner, Burgund in den Vogesen, Austrasien in den Ardennen; zumal scheinen nordwärts gegen Friesland hin im heutigen Flandern Heiden fortzudauern [Fußnote]. Spuren des heidenthums hafteten unter den Friesen bis ins neunte, unter den Sachsen bis ins zehnte jh., auf gleiche weise unter Normannen und Schweden bis ins eilfte und zwölfte [Fußnote]. Bei den nördlichen Slaven war der götzendienst hin und wieder im zwölften jh. nicht ausgetilgt, ja bei den Finnen und Litthauern im sechzehnten und siebzehnten nicht durchgängig [Fußnote]; die äussersten Lappländer hängen ihm noch heutzutage an.
Das christenthum war nicht volksmäßig. es kam aus der fremde, und wollte althergebrachte einheimische götter verdrängen, die das land ehrte und liebte. Diese götter und ihr dienst hiengen zusammen mit überlieferungen, verfassung und gebräuchen des volks. ihre namen waren in der landessprache entsprungen und alterthümlich geheiligt, könige und fürsten führten stamm und abkunft auf einzelne götter zurück; wälder, berge, seen hatten durch ihre nähe lebendige weihe empfangen. Allem dem sollte das volk entsagen [Fußnote], und was sonst als treue und anhänglichkeit gepriesen wird, wurde von verkündigern des neuen glaubens als sünde und verbrechen dargestellt und verfolgt. Ursprung und sitz der heiligen lehre waren für immer in ferne gegenden entrückt und nur eine abgeleitete, schwächere ehre konnte auf heimatliche stätten übertragen werden.
Der neue glaube erschien im geleit einer fremden sprache, welche die bekehrer ihren zöglingen überlieferten und dadurch zu einer die herabgewürdigte vaterländische zunge in den meisten gottesdienstlichen verrichtungen ausschließenden priestersprache erhoben. zwar gilt dies nicht von den griechischredenden ländern, die der ursprünglichen abfassung der christlichen offenbarung folgen konnten, aber doch von der viel weiteren strecke, auf welcher sich die lateinische kirchensprache ausbreitete, selbst unter romanischen völkerschaften, deren gemeine mundart sich bald von der altrömischen regel losmachte. härter war der gegensatz in den übrigen reichen.
Die heidenbekehrer strengfromm, enthaltsam, das fleisch tödtend, nicht selten kleinlich, störrisch und in knechtischer abhängigkeit von dem entlegnen Rom musten das nationalgefühl vielfach verletzen. Nicht bloß die rohen, blutigen opfer, auch die sinnliche, lebensfrohe seite des heidenthums war ihnen ein greuel [Fußnote]. Was aber ihr wort und ihre wunderthätigkeit nicht bewirkten, sollte oft durch feuer und schwert von neubekehrten Christen gegen verstockte Heiden ausgerichtet werden.
Der sieg des christenthums war der einer milden, einfachen, geistigen lehre über das sinnliche, grausame, verwildernde heidenthum. für die gewonnene ruhe der seele, für den verheißenen himmel gab der mensch seine irdischen freuden und die erinnerung an seine vorfahren. Viele folgten innerer eingebung des gemüts, andere dem beispiel der menge, nicht wenige dem eindruck unvermeidlicher gewalt.
Obschon das untergehende heidenthum von den berichterstattern geflissentlich in schatten gesetzt wird, bricht doch zuweilen rührende klage über den verlust der alten götter, oder ehrenwerther widerstand aus gegen die äußerlich aufgedrungene neuerung [Fußnote] [Fußnote]
Eyvindr hält, gleich einem christlichen märtyrer, die größte pein aus, die ihm Olaf Tryggvason anthut, und wird nicht abtrünnig. fornm. sög. 2, 167. (kl. schr. 5, 93). in der historia sancti Cuthberti heißt es: quadam die cum Onalaf cum furore intrasset ecclesiam Cuthberti, astante episcopo Cuthheardo et tota congregatione. ›quid, inquit, in me potest homo iste mortuus Cuthbertus, cujus in me quotidie minare opponuntur? juro per deos meos potentes Thor et Othan, quod ab hae hac inimicissimus ero omnibus vobis.‹ Twysden s. 73. 74. das noch in vielen herzen glimmende heidenthum ist sogar noch in lateinischen urkunden von 1270 bei Seibertz no. 351 erkennbar.
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Die bekehrer verschmähten es nicht auf die sinne der Heiden zu wirken durch alles was dem christlichen cultus ein höheres ansehen gegenüber dem heidnischen gewähren konnte: durch weißes gewand der täuflinge, vorhänge, glockengeläute [Fußnote], kerzen anzünden und weihrauchbrennen [Fußnote]. Es war auch weise oder kluge maßregel, viele heidnische plätze und tempel beizubehalten, indem man sie, wo es angieng, nur in christliche verwandelte, und ihnen andere, gleichheilige bedeutung überwies. Die heidnischen götter selbst wurden zwar als unmächtige im gegensatz zu dem wahren gott dargestellt, doch nicht überall als machtlose an sich selbst, sondern in feindliche, böse gewalten, in teufel, zauberer und riesen, verkehrt, die unterliegen müssen, denen aber noch eine gewisse schädliche thätigkeit und einwirkung beigelegt werden konnte. Einzelne heidnische überlieferungen und abergläubische gebräuche dauerten fort, indem sie bloß namen änderten, und auf Christus, Maria und die heiligen anwendeten, was vorher von den götzen erzählt und geglaubt wurde [Fußnote]
die Littouwen vuoren über sê,
daz ist genant daz Ôsterhap,
als ez Perkune ir abgot gap,
daz nimmer sô harte gevrôs.
 
man ließ es daher auch oft im streit zwischen altem und neuem glauben auf ein gottesurtheil oder wunder ankommen. ›probemus miraculis, quis sit majoris potentiae, vestri multi, quos dicitis, dii an meus solus omnipotens dominus Jesus Christus‹ ruft der Christenpriester in der vita Ansgarii cap. (Pertz 2, 702) und der regen stürzt gewaltig auf die heidnischen Schweden trotz ihres gebetes herab, während ihn kein tropfen trifft. (vgl. kl. schr. 5, 94). nach Greg. tur. mirac. 1. cap. 81 entscheidet der kesselfang, ob der arianische oder der katholische glaube der richtige sei. in der Silvesterlegende tödtet erst der jüdische zauberer durch den namen seines gottes einen stier, den Silvester darauf durch anrufung Christi wieder lebendig macht. vgl. Silvester v. W. Grimm XV–XX.
. Anderntheils zerstörte und unterdrückte die frömmigkeit christlicher priester eine menge heidnischer denkmale, gedichte und meinungen, deren vernichtung historisch schwer zu verschmerzen ist; allein die gesinnung ist tadellos, welche uns ihrer beraubt hat. an der reinen übung des christenthums, an der tilgung aller heidnischen spuren war unendlich mehr gelegen, als an dem vortheil, der später einmal, wären sie länger stehen geblieben, für die geschichte hätte aus ihnen hervorgehen können. Bonifacius und Willebrord, indem sie die heilige eiche fällten, die heilige quelle antasteten, und lange nachher die bilderstürmenden Reformierten, dachten nur an die abgötterei, die damit getrieben wurde [Fußnote]. Wie jene ihre erste tenne fegten, ist anzuerkennen, daß die reformation nachwüchse des heidenthums ausrottete und die last des römischen bannes lösend unseren glauben zugleich freier, innerlicher und heimischer werden ließ. gott stehen wir allenthalben nah und er weiht uns jedes vaterland, von dem der starre blick über die Alpen abzieht.
Wahrscheinlich kam auch unter den Heiden selbst hin und wieder parteiung und secte, ja in einzelnen gemütern herangereifte veredlung der denkungsart und sitte dem eingang des christenthums, wie späterhin seiner läuterung, auf halbem weg entgegen [Fußnote]. Merkwürdig erwähnt die altnordische sage verschiedentlich einiger männer, die aus innerem überdruß und zweifel dem heidnischen glauben sich abwendend, ihre zuversicht auf eigne kraft und tugend stellten. so heißt es im Sôlar liođ 17 von Vêbogi und Râdey ›â sik þau trûđu‹; von könig Hâkon (fornm. sög. 1, 35) ›konûngr gerir sem allir ađrir, þeir sem trûa â mâtt sinn ok megin‹; von Barđr (das. 2, 151) ›ek trûi ekki â skurđgođ eđr fiandr, hefi ek þvî lengi trûat â mâtt minn ok megin‹; von Hiörleifr ›vildi aldri blôta‹ Landn. 1, 5. 7; von Hallr und Thôrir gođlaufs ›vildu eigi blôta ok trûđu â mâtt sinn‹ (Landn. 1, 11); von könig Hrôlfr (fornald. sög. 1, 98) ›ekki er þess getit at Hrôlfr konûngr ok kappar hans hafi nokkurn tîma blôtat gođ, heldr trûđu â mâtt sinn ok megin‹; von Örvaroddr (fornald. sög. 2, 165. vgl. 505) ›ekki vandist blôtum, þvî hann trûđi â mâtt sinn ok megin‹; von Finnbogi (p. 272) ›ek trûi â sialfan mik‹. [Fußnote] das ist die gesinnung, welche noch in einem dänischen volkslied (D. V. 4, 27), wiewol ohne bezug auf gottesdienst, ausgesprochen wird:
först troer jeg mit gode svärd,
og saa min gode hest,
dernäst troer jeg mine dannesvenne,
jeg troer mig self allerbedst;
 
es ist auch noch christlicher sinn, der auf erhebung und weihe des innern menschen dringt [Fußnote]
ich hân got und die minneclichen Minne
gebeten flêlîche nu vil manic jâr,
daz ich schier nâch unser drîer sinne
vinde ein reine wîp.   MS. 1, 1841
 
oder
Venus, vil edeliu künegin,
iuch hât got, vrowe, her gesant
ze freuden uns in ditze lant.   Frauend. 233, 26.
 
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Wir dürfen annehmen, wenn schon das heidenthum noch eine zeitlang lebendig hätte wuchern, gewisse eigenthümlichkeiten der völker, die ihm ergeben waren, schärfer und ungestörter ausprägen können, daß doch ein keim des verderbens und der verwirrung in ihm selbst lag [Fußnote], welcher es ohne dazwischentritt der christlichen lehre zerrüttet und aufgelöst haben würde. ich vergleiche das heidenthum einer seltsamen pflanze, deren farbige, duftende blüte wir mit verwunderung betrachten, das christenthum der weite strecken einnehmenden aussaat des nährenden getraides. Auch den Heiden keimte der wahre gott, der den Christen zur frucht erwuchs.
In jener zeit, wo das christenthum vorzudringen begann, mag mehrern Heiden der gedanke, den die bekehrer auf alle weise zu hintertreiben suchten, nah gelegen haben, die neue lehre mit ihrem alten glauben zu vereinbaren, ja beide zu verschmelzen. Von Nordmännern sowol als von Angelsachsen wird berichtet, daß einzelne an Christus und heidnische götter zugleich glaubten, oder mindestens in einzelnen fällen die letztern anzurufen fortfuhren, wo sie ihnen früher hilfreich gewesen waren. So mögen noch spät von den Christen die alten götter bei zaubereien und besprechungen genannt und zugezogen worden sein. Landnâmabôk 3, 12 meldet von Helgi: hann trûđi â Krist, en þô het hann â Thôr til sæfara ok harđræđa ok alls þess, er honum þôtti mestu varđa. daher auch die dichter heidnische epitheta auf Christus übertrugen. Beda 1, 15 erzählt von Reduald, einem ostanglischen könige im beginn des 7. jh., rediens domum ab uxore sua a quibusdam perversis doctoribus seductus est atque a sinceritate fidei depravatus habuit posteriora pejora prioribus, ita ut in morem antiquorum Samaritanorum et Christo servire videretur et diis, quibus antea serviebat, atque in eodem fano et altare haberet ad sacrificium Christi et arulam ad victimas daemoniorum [Fußnote]. Daraus erklären sich auch die rücktritte zum heidenthum.
Die geschichte der heidnischen lehren und vorstellungen wird sich je leichter schreiben lassen, je länger einzelne volksstämme von der bekehrung ausgeschlossen blieben. unsere vertrautere bekanntschaft mit der griechischen und römischen religion gründet sich auf quellen, die schon vor dem entstehen des christenthums entsprungen waren; desto geringere kunde wohnt uns aber oft bei von der veränderten gestalt, welche die ältere lehre unter dem gemeinen volk in Griechenland und Italien während den ersten jahrhunderten unserer zeitrechnung angenommen hatte. In den altceltischen glauben hat die forschung doch noch tiefer einzudringen, als bisher geschehn ist, es darf nicht vermieden werden celtische denkmale und gebräuche auf dem später deutschen boden zu erkennen und zu untersuchen, Leos wichtige entdeckung über das verhältnis der malbergischen glosse kann weit greifen. Viel genauer würde uns die religion der Slaven und Litthauer bekannt sein, hätten diese völker in den jahrhunderten, die zunächst auf ihre bekehrung folgten, erinnerungen an ihr alterthum besser gesichert; gleichwol ist manches einzelne nur noch ungesammelt und die fortlebende überlieferung gewährt hier in manchen gegenden reichhaltigen stof. Etwas mehr bescheid weiß man um die finnische mythologie.
Deutschland befindet sich in einer besonderen nicht ungünstigen mitte. Während der übertritt Galliens und Slavenlands überhaupt doch im verlauf einiger jahrhunderte entschieden und abgethan wurde, sind die deutschen stämme ganz stufenweise und langsam vom vierten bis zum eilften jh. dem glauben ihrer vorfahren abtrünnig geworden. ihre sprachdenkmäler haben sich reichlicher und aus den verschiedenen zeiten erhalten. außerdem besitzen wir in den werken römischer schriftsteller, zumal des Tacitus, zwar beschränkte und ausländische, immer aber sehr bedeutende, ja unschätzbare nachrichten über die ältere, ungestörte zeit des deutschen heidenthums.
Die religion der zuerst bekehrten ost- und süddeutschen stämme ist uns dunkler als die der Sachsen [Fußnote]; wiederum wissen wir von den Sachsen ungleich weniger als von den Scandinaven. Welche ganz andere einsicht in den gehalt und in das material der unterdrückten lehre besäßen wir, wie sehr wachsen würde die deutlichkeit der vorstellung, die wir uns davon zu bilden vermögen, wenn ein geistlicher zu Fulda, Regensburg, Reichenau, S. Gallen, oder zu Bremen, Corvei und Magdeburg im achten, neunten, zehnten jh. darauf verfallen wäre, die noch vorräthige tradition des volks von dem glauben und aberglauben der vorfahren, in der weise des Saxo grammaticus, zu sammeln und aufzustellen. man sage nicht, damals schon sei nichts mehr zu haben gewesen; einzelne spuren legen dar, daß solche erinnerungen wirklich noch nicht ausgestorben sein konnten [Fußnote]. Und wer zeigt uns in Schweden, das länger und treuer am heidenthum haftete, eine aufzeichnung, wie sie in Dänemark während dem zwölften jh. wirklich erfolgte? würden ohne das die zweifler nicht sie in Schweden für unmöglich erklären? in der that, Saxos acht erste bücher sind mit das erwünschteste denkmal der nordischen mythologie, nicht allein ihres gehalts wegen, sondern weil sie zeigen, in welches veränderte licht unter den neuen Christen der alte volksglaube gestellt werden muste. hervor hebe ich, daß Saxo wichtiger götter ganz geschweigt; um so weniger darf aus der nichterwähnung vieler gottheiten in weit dürftigeren schriften des inneren Deutschlands gefolgert werden, daß sie hier immer fremd gewesen seien.
Außer diesem Saxo hat sich nun aber die reinere quelle altnordischer religion in dem abgelegensten ende des Nordens, wohin sie, gleichsam zu vollständigerer sicherung, geflüchtet war, auf Island geborgen. Nicht bloß in den beiden edden, auch in einer menge vielgestaltiger sagen, die ohne jene rettende auswanderung wahrscheinlich in Norwegen, Schweden und Dänemark untergegangen wären.
Die echtheit der nordischen mythologie anfechten wäre eben so viel als die echtheit oder selbständigkeit der nordischen sprache in zweifel ziehen. daß sie uns in reinerer und getrübter auffassung, in älteren und jüngeren quellen überliefert worden ist, erleichtert eben, sie desto vielseitiger und historischer kennen zu lernen.
Ebensowenig läßt sich gemeinschaft und nahe berührung der nordischen mythologie mit der übrigen deutschen verkennen. ich habe unternommen alles, was von dem deutschen heidenthum jetzt noch zu wissen ist, und zwar mit ausschließung des vollständigen systems der nordischen mythologie selbst, zu sammeln und darzustellen. Durch diese einschränkung hoffe ich licht und raum zu gewinnen und den blick zu schärfen für die critik des altdeutschen glaubens, insofern er dem nordischen entgegen oder zur seite steht; nur da wird es uns also auf den letzteren ankommen, wo er seinem inhalt oder seiner richtung nach mit dem des inneren Deutschlands zusammentrift.
Alter, ursprünglichkeit und zusammenhang der deutschen und nordischen mythologie beruhen
1. auf der nie verkannten ganz nahen verwandtschaft der sprache beider stämme, so wie der jetzt auch unwiderleglich dargethanen einerleiheit der formen ihrer ältesten poesie. unmöglich können völker, die eine aus gleichem grund und boden entsprossene sprache redeten, deren lieder die eigenthümlichkeit der den nachbarn fremden oder völlig anders gestalteten alliteration an sich trugen, in ihrem götterglauben bedeutend von einander gewichen sein. die alliteration scheint zuerst in Hochdeutschland, dann auch in Sachsen, gerade darum dem christlichen reim zu erliegen, weil sie in heidnischen damals noch nicht verhallten gesängen geherscht hatte. Jener urverwandtschaft unbeschadet, haben sich deutsche und nordische mundart und dichtkunst allerdings in manchem besonders gestaltet und ausgebildet; unglaublich aber schiene, daß der eine stamm götter, der andere keine gehabt haben sollte, oder daß die hauptgottheiten beider eigentlich von einander verschieden gewesen wären. Sicher fanden merkbare unterschiede statt, allein nicht anders als in der sprache, und wie der gothischen, angelsächsischen, althochdeutschen mundart eigenthümliche vorzüge vor der altnordischen zustanden, wird auch an manchen stellen der glaube des innern Deutschlands auf auszeichnung und besonderheit anspruch haben.
2. auf der nachweislichen gemeinschaft vieler ausdrücke des cultus durch alle deutschen sprachen. vermögen wir bei Gothen des vierten jh., Alamannen des achten ein wort in der form und bedeutung aufzuzeigen, die es genau noch in der nordischen quelle des 12. oder 13. jh. behauptet, so wird dadurch die verwandtschaft der deutschen lehre mit der nordischen, und das alter der letzten gerechtfertigt.
3. auf der hin und wieder durchbrechenden identität mythischer begriffe und benennungen: so gewährt die einstimmung des ahd. muspilli, alts. mudspelli mit dem eddischen muspell, des ahd. itis, ags. ides mit dem eddischen dîs, oder des ags. brosinga mene mit dem eddischen brîsînga men vollkommen schlagende zeugnisse.
4. auf der ganz ähnlichen weise wie sich hier und dort der mythus an die heldensage zu knüpfen pflegt; weil gothische, fränkische, nordische genealogien in einander greifen, läßt sich auch berührung im hintergrund stehender verhüllter mythen schwerlich ablehnen.
5. auf der eingetretenen mischung des mythischen elements mit namen von pflanzen und gestirnen. das ist eine unvertilgte spur des uralten, innigen bandes zwischen gottesdienst und natur.
6. auf der allmälich erfolgten verwandlung der götter in teufel, der weisen frauen in hexen, des gottesdienstes in abergläubische gebräuche. zuletzt flüchten sich die götternamen in verdunkelte ausrufungen, schwüre, flüche, betheuerungen [Fußnote]. Eine gewisse analogie damit hat die übertragung der heidnischen mythe von göttinnen und göttern auf Maria und heilige, von elben auf engel. Heidnische feste und gebräuche wurden in christliche umgewandelt, für kirchen und gerichtsplätze zuweilen die stätten beibehalten, welche schon das heidenthum geweiht hatte. der catholische volksglaube, zumal in der verehrung der heiligen, hat nicht wenige, oft anmuthige und liebliche überreste des heidenthums. [Fußnote]
7. auf dem deutlichen niederschlag der göttermythen in einzelne, heut zu tage noch lebendige volkssagen und kindermärchen, spiele, sprüche, flüche, unverstandene tag- und monatsnamen und redensarten.
8. auf dem unleugbaren ineinandergreifen der alten götterlehre und rechtsverfassung, da sich die letztere auch nach der annahme des neuen glaubens einzelne bräuche und gewohnheiten nicht entreißen ließ. [Fußnote]
Unumgänglich scheint es, bei erörterung dieser mannigfalten verhältnisse die mythologie benachbarter völker, vorzüglich der Celten, Slaven, Litthauer und Finnen, wo sie bestätigung und erläuterung gewähren, nicht zu übersehen. dieses weiter gesteckte ziel hat schon seinen grund und vollgültige entschuldigung in der mehrfach einwirkenden berührung der sprachen dieser völkerschaften mit der deutschen, namentlich der celtischen mit der alten fränkischen, der finnischen und litthauischen mit der gothischen, der slavischen mit der hochdeutschen. Dann aber sind göttersage und aberglaube gerade dieser völker besonders geeignet uns über den gang zu verständigen, den das einheimische heidenthum in seinem bestehen und verfall genommen hat.
Vor der verirrung, die so häufig dem studium der nordischen und griechischen mythologie eintrag gethan hat, ich meine die sucht, über halbaufgedeckte historische daten philosophische oder astronomische deutungen zu ergießen, schützt mich schon die unvollständigkeit und der lose zusammenhang des rettbaren. ich gehe darauf aus getreu und einfach zu sammeln, was die frühe verwilderung der völker selbst, dann der hohn und die scheu der Christen von dem heidenthum übrig gelassen haben, und mitarbeiter zu gewinnen für das langsame herbeischaffen eines festeren vorraths, ohne den keine übersicht des gehalts und werths unserer mythologie zu erlangen sein wird. [Fußnote] 

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