Napoleon.
An Voß. 1800.
Ganz in deiner Gestalt, dir gleich an Geberd' und an Stimme,
Deutschlands Maro, mein Voß! (traun, nicht Verfängliches meld' ich?)
Ist mir erschienen ein Gott, ein begeisternder. Müde des Schmiedens,
Täglichen Werkelgeräths der niedrigsten Nöthe, gemüdet
Vom stets treibenden Treiben des Rads, das immer nur sich treibt,
Mein ungöttliches Leben im Kreis umrollend, entschlief ich.
Sieh', mir gab, was geraubet des Tags begleitender Unhold,
Hold in vergütender Nacht der erquickende Bruder des Todes.
Zwar ich hatt' ihm ein Opfer gebracht; denn, suchend ein Buch mir,
Fand ich ein eigenes Werk. Nie sonst, was selbst ich gedichtet,
Las ich gedruckt; und das Opfer gefiel dem versöhneten Schlafgott.
Ach! es versenkte mich tief in die eigene Seele die Lesung,
Und ich gedachte der seligen Zeit entflohener Jugend,
Da mich die ganze Natur, ein Heer heilbringender Götter,
Tausendstimmigen Rufs aufforderte: Singe, Beruf'ner!
Da mir der Ewigen Blick aus dem strahlenden Auge des Weltalls,
Und aus dem sanfteren Auge des holdanlächelnden Mädchens,
Und aus dem blinkenden Thau zuredete: Folge dem Gottruf!
Sieh', ich folgt' auf tanzendem Fuß, und es klang in der Hand mir
Wie von selbst die begleitende Laut', und es tönte die Stimme
Kühn in die Lenzharmonie der rings lobsingenden Schöpfung.
So nun gaukelten hold der Erinnerung rosige Bilder
Andr' um andre vorüber mir hin, und schwanden in Nebel.
Gleich wie die goldenen Wolken der Abende, wechselnder Anmuth,
Sinken entglüht, nun bräunlicher gelb, nun dunkleren Purpurs,
Bald abdämmernd in's Grau; umher nun schweigen die Haine,
Und es verhallet der Vögel Gesang und der sterbende Nachhall.
Also zerflossen gesammt die Bilder in dunklere Schatten,
Und es verstummten zugleich die leis' hinhallenden Töne.
Nichts empfand ich nunmehr, und nirgends war ich, und war doch,
Gänzlich verborgen im ewigen Seyn mein zeitliches Daseyn,
Als mir jener erschien, der Begeisternde, weckend die Seele.
Auf nun schauert' ich ängstlich, und sah', und staunte dem Anblick,
Froh dich zu sehn, doch bebend annoch, er, freundlichen Lächelns,
Faßte die zitternde Hand mir Staunendem, also beginnend!
»Trauter, mich rief aus Elysion jüngst zur erneueten Erde
Gallia's Ruhm, um die Wunder zu schau'n, von welchen die Schaaren
Täglich gelandeter Schatten dem Dis Unglaubliches melden.
Bald so lange nun währt als einst die Belagerung Troja's,
Daß in Haufen auf Haufen gedrängt herunter zum Aïs
Stürzt das Menschengeschlecht; Dis staunt; mit jeglichem Monde
Sinkt ein Ilion, ruft der Pelid', und zürnt, daß nur Harfnern
Kehrender Gang ist vergönnt aus dem Orkos hinauf in die Luftwelt.
Ihm, dem Zürnenden, wehret die Styx, wie jeglichem Heros
Blutigen Ruhms, Rückkehr; denn wann irgend versucht ein Erob'rer
Durchzubrechen die Well', anbraust wildwogend der Todstrom,
Aufgeschwollen vom Blut der Erschlagnen, und brandet empor ihm.
Nur Unblutigbelorbeerten bahnt, sanftgleitender Ebbe,
Durchgang selber der Fluß; auch nimmt oft Charon gesangfroh
Solch' in den Kahn, wenn er kehrt, anwinkende Schatten zu holen.«
Immer noch glaubt' ich, mir rede mein Voß, und wähnte, bildlich
Sey zu verstehen das Wort, anspielend auf jen' Entrückung,
Als du im drohenden Schlaf einschlummertest, allen ein Todter,
Aber vorüber dir Atropos ging mir der blinkenden Scheere,
Durch Ernestinens Erblassen gerührt; (ich sang es ja selber)
Und vertraulicher drückt' ich die Hand, die deinige, meint' ich;
Als unsäglicher Milde, den Blick voll himmlischer Anmuth,
Sanfter denn je dir ein Ton entperlte der wirbelnden Harfe,
Oder ein Wort dir entfloß den rosigen Lippen, o Fanny!
Aus dem ambrosischen Munde mir klang sein: Drücke nur, drücke!«
Himmlisches fühlt' ich sogleich, mich umweht' Elysions Dufthauch.
»Zwar bin,« lächelt' er fort, »ich nicht (wenn gleich die Gestalt täuscht)
Lebend dein Voß, doch aber dein Freund, drück' immer die Hand mir!
Auch du kennst mich, und liebst den Entkörperten, huldigst dem Vater,
Und dir waltet der Gott des Gesangs: Virgilius bin ich.«
Nicht vermocht' ich ein Ach, nicht Ausruf; strömende Thränen
Badeten plötzlich die heilige Hand, indem zu den Füßen
Jenem Erhab'nen ich sank. Doch er hub mich sanft, und begann so:
»Wie dir jetzt ich erscheine, zurück aus der unteren Vorwelt
In der geliebten Gestalt des Eutinischen Freundes, erschien mir
Einst, da noch oben ich sang in Parthenopes heiligen Hainen,
Meinem Horatius gleich, der unsterbliche Vater Homeros.
Auf rief ihn die Posaune des Ruhms der siegenden Roma,
Und er gebot mir Gesang, den heroischen. Selber, so tönt' er,
Lebt' ich annoch in der Sterblichen Mitt' ein wandernder Seher,
Sang' ich zur goldenen Leier Kalliopes Ilions Aufstehn
Und die Verjüngung der Welt: du empfahe sie tönender Jüngling,
Rein von mir selber gestimmt, die begleitende! singe der Nachwelt
Roma; nicht fehlet der Held. Es erklang von selber die Leier,
Und er legte sie mir in den Arm; und verschwunden aus einmal
War mir die Schau, doch nimmer der Stimm' unsterblicher Rachklang.
Also mahn' ich dich nun, Glückseliger, welchem das Loos ward,
Größ're Verwandlung zu schauen der Erd', und größerer Thaten
Zeuge zu seyn, als je weissageten kundige Seher,
Oder Deiphobe selbst, die Priesterin Foibos Apollons.
Auf! vertraue dich muthig dem Aar entzückter Begeist'rung,
Töne, der Sonne genaht, wagrecht, in schwebender Ruhe,
Was ich gehört, und du selber gesehn, beneideter Wand'rer:
Wie das Urjahrhundert genaht des rollenden Weltjahrs,
Da sich erneuet im Glanz die benebelte Folge der Zeiten,
Und hellstrahlend erscheint was ist, was war, und was seyn wird.
Schon ja kehrt Asträa zurück und gesetzliche Herrschaft;
Schon entsteigt dem Olymp ein neues Geschlecht, und die Erde
Freut sich verjüngt der gereinigten Lust, und der edleren Pflanzung.
Singe dem Tilger der Brut, dem erst das eiserne Alter
Schwindet, und rings aufblüht das goldene sittlicher Freiheit.
O! sein Leben beschütze du, Zeus! verlängr' es, Apollon!
Daß vollendet er seh', als ältester Consul, des ersten
Eigenes Werk, und genieße der Frucht des gepflanzeten Weltbaums!«
Also strömte die Red' aus dem Munde des seligen Dichters.
Als er gemerkt, wie mir pochte das schwellende Herz, wie die Hand mir
Bebt' und glühte die Wang', und im Aug' entbrannte die Seele,
Sprach er begeisterter fort, nicht mehr ein Sterblicher, nicht Voß,
Nicht Virgilius mehr, ein Gott nun völlig erschien er:
»Ihm wird göttliches Leben zu Theil,« weissagt' er, »mit Göttern
Waltet er selber ein Gott, und es huldigen Helden dem Heros
Aller Heroen, es beugen sich ihm, dem Stern, die Gestirne.
And're nach and'ren verschwanden sie schon die älteren Monde,
Und es nahen gereiht auf den Wink des Führers die neuen.
Sind noch Wolken, und murmeln annoch fernrollende Donner,
Werden sie fliehn und befrei'n vom spätesten Schrecken die Länder.
Tilgen wird er das Otterngezücht, entwurzeln des Giftbaums
Wurzel, und ringsum streu'n die Saat des ewigen Friedens.
Sieh', wie noch weiter sich wölbt das rings aufschauernde Weltall,
Höh'ren Gebirgs, und tieferen Meers, und erhab'neren Himmels
Jetzt wird tiefer gestürzt, o Wunder! die größ're Carthago;
Jetzt steigt herrlicher, hehrer empor die gethürmtere Roma,
Weiseren Raths, freistolzeren Volks, weltweiterer Obmacht;
Und hoch oben im Kreise der erdobwaltenden Götter
Strahlt noch glänzend'ren Ruhms, noch größerer Thaten Vollender,
Ohne des Julius Flecken ein weltgebietender Cäsar.
Was sind gegen den Einzigen all' Achaja's und Troja's
Führer gesammt? wie neigen sich ihm die Plejaden Cadmeias,
Ilions Heldenhyad', und Pharsalias Castor und Pollux!
Er nur vereint, ein Triumph der Natur, mit dem Rath des Odysseus
Peleuonischen Muth und Aeneische Milde der Sitten.
Nenn' ich den heiligen Namen? verkünd' ihn, Zunge, mit Ehrfurcht,
Einst den getöntesten weit: Napoleon Bonaparte!
Sing' ihn du der bewundernden Welt, und der staunenden Nachwelt,
Wie er, kämpfend für Gallias Heil und der Völker Erlösung,
Bald durch Tilgung der Brut einheimischer Räuber des Freilands,
Bald durch Besiegung verbündeter Mächt', unzähliger Schaaren
Aller Tyrannen umher, in drei Welttheilen triumphfroh,
Freiheit gründet', und Frieden errang, und Veredlung der Menschheit.
Nicht wird fehlen die Muse dem Ruf; anflehend die jüngste,
Welche des Kühnen sich freut, Eleutheria, horche der Antwort:
Nie zum Gesang aufforderte so vorstrahlend ein Gottmensch,
Nie so mächtigen Rufs Weltwandelung; lyrisches Epos
Wird die Geschichte von selbst, und der Thaten gewöhnlichste Dichtung.«
Also tönt' er. Mir brannte das Herz, und der Flammenbegeistrung
Voll, die mit jeglichem Ton sein Gesang, ein elektrischer Wirbel,
Mir in die Seele geblitzt, erwiedert' ich, bebender Kühnheit:
»Wie doch, Fürst des Gesangs, Tonzauberer, waget mein Athem
Laut dir zu nahn? barbarischer Zung', ein Kimmerier, stamml' ich.
Nicht ward Fülle der Laut' im ionischen runderen Munde,
Nicht das Ohr und der feinere Sinn südathmender Griechen,
Weniger noch theokritische Kunst, und Virgilius Allmacht
Ueber die Sprache geschenkt dem hyperboreischen Barbar.
Ach! zwar glüht in der innersten Brust unduldige Sehnsucht,
Und nicht weniger birgt des Feuers im nordischen Busen
Hekla's umnachteter Fels, als Vesuvius sonnige Berghöh';
Aber es deckt den Brennenden Eis, erstickend den Aufhauch.
Bricht durch die drückende Last einmal die göttliche Schwungkraft
Klopstocks, oder die kühne Gewalt des erhabenen Milton,
Nicht dann steiget als Säul' empor, wie aus runderer Oeffnung
Deinem Vesuvius steigt, und dem Aetna des tönenden Vaters,
Wirbelnder Flammengesang in die bläuliche Wölbung des Aethers;
Sondern wild, wutschnaubend, gebäumt, ein neptunisches Erdroß,
Springt aus dem berstenden Fels seitwärts nun hierhin, nun dorthin,
Sprühend im Dampf, und wiehernd im Sturm, die erlöste Begeistrung.
Unser heroischer Vers lag reimgekettet im Eisberg
Gothischer Musen zu lang', um leicht, wie Latiums Klangfuß,
Nachzufliegen den Flug des beflügelten Renners der Griechen.
Ach! wir tönen nicht mehr, wir Neueren; geigen und pfeifen,
Laut posaunen, auch brausen wie Sturm, und rollender donnern,
Als der Olympier selbst, das können wir, aber nicht tönen.
Und nun ich, o, der Neueren Schaar (wenn anders ein Stand mir
In der parnassischen Reihe gebührt) Ruhmlosester, Letzter!
Ich, der boreischen Barden Entferntester, dem nur ein Eiland
Halbverloren im äußersten Meer am Rande der Welt horcht,
Wenn ein Liedchen gelingt, ein gereimetes, oder ein Wortspiel!
Ich, deß heimische Sprache so fremde der übrigen Erd' ist,
Daß sie der Freund nicht kennt, und niemals hörte die Freundin;
Ich, der nie noch gewagt, vom untersten Fuße des Bergleins,
Dessen in friedlicher Heimath sich freun verborgene Musen,
Höheren Schwung als der schwirrenden Lerch' im regnigten Frühling.
Ach! denn es hemmte den kühneren Flug tiefdrückender Kummer,
Weil, noch ein Jüngling, ich sang am verödeten Ufer des Weltmeers;
Später, als schon war vorüber der Lenz, lähmt' anderer Sorgen
Schwere die strebende Kraft, und im engeren Kreise herum flog,
Körnchen und Spreu zu dem pipenden Nest heimbringend, das Männlein.
Zwar oft wagt' ich, verscheucht, zu milderen Zonen den Ausflug,
Selbst bis über der Alpen Gebirg' ein ziehender Vogel,
Und auf den streifenden Zügen begegnete manche Begeistrung.
Viele besah ich der wimmelnden Städt' und der einsamen Hütten;
Auch viel' kämpfende Heer' und viel' vorstrahlende Führer
Schaute mein Aug', und Schrecken des Kriegs, und Greuel des Aufruhrs,
Ach! und, mehr als ich wollte, des Spiels der weinenden Menschheit.
Aber es blühte mir nirgends ein Baum sanftschirmender Obhut,
Dessen der singende Vogel bedarf, wenn höheren Wohlklang
Schmettern soll durch die Haine der Kehl' aufwirbelnder Tonflug.
Dennoch trug ich sie tief in dem Busen bewahrt die Versuchung,
Welche gebar, und im Rollen genährt das heroische Jahrzehnt:
Albions Sturz zu verkünden (es stürzt!) und Gallias Aufschwung;
Und in der Seele mir wuchs schon lange der Held, noch bevor ihm
Huldigte staunend die Welt; noch bevor er zurück von Aigyptos
Kehrete, rief mein Gesang den Rettenden; und mit dem Auszug
Jener erwähleten Wach', an der Spitz' er, noch nur im Anmarsch,
War schon der Muse gesiegt die entscheidende Schlacht bei Marengo.
O, daß mir Armen vergönnte, gefernt vom städtischen Taumel,
Irgend im Schooße der stillen Natur, ein Hüttchen Apollon,
Wo von ermüdenden Sorgen befreit, abhängig von Niemand,
Niemand gebietend, ich weihen mich dürft' unsterblicher Mühe! –
Sieh', dann wagt' ich zu folgen dem Ruf, Elysäischer, wagt' es.
Aus der unendlichen Fülle des altteutonischen Sprachborns
Töne zu schöpfen zum epischen Strom Homerischer Hoheit
Und Virgilischer Schöne, so weit der Mustervollendung
Immer vermochte zu nahn die Kunst des strebenden Schülers.
Und ihn trüge der Strom, der einzige, dessen Gesangfluth
Seinen Namen nur hebt, Napoleon Bonaparte,
Auf den heroischen Wellen, vorüber den staunenden Ufern
Schwindender Zeit, in den Ruhmocean unendlicher Zukunft.«
Also sprach ich und schwieg. Doch der göttliche Sänger Elissas
Blickte mich feuriger an; mit dem Blick durchdrang mir den Busen
Jen' unsterbliche Flamme, die stets, trotz allen des Trübsals
Stürmen, in Sündfluth selbst unlöschbar, brennet und aufglänzt
Jegliches Mal, wenn nur fachet ein Hauch; oft zündet der Sturm selbst,
Und es verwandelt die Fluth in Feuer sich, Nebel in Nordlicht,
Regen in Strahlenerguß, daß von fern erscheinet der Umwelt
Ein' ätherische Feste die Schicksalshölle des Dichters.
Sieh', wie, vom Himmel geschwungen, der Strahl ein moosiges Strohdach
Schmettert, im Nu entbrennet, ein Docht, das entzündbare Landhaus,
Welches im oberen Stocke nur Halm und im unteren Flachs birgt;
Also durchflammte die selige Schau das empfängliche Herz mir.
Und ganz wallende Gluth, heißbrennend, im Fieber Apollons,
Wie von der Erde gerafft, im Blitz aufflammend, erwacht' ich.
Lang' ohnmächtig, Entzückungbetäubt, ein sterbender Sieger,
Lag ich, nichts mir bewußt, als der himmlischen Hell' und der Wonne
Jener auf immer verschwundenen Schau; rings hüllte mich Nachtgraun.
Ach! und ich fand mich darin, wie zuvor, ein entschimmertes Gleimchen.
Du, den Geheimnissen Foibos Geweihtester, Musenvertrauter,
Deute mir, Priester, den Traum; denn es sendete wahrlich der Gott ihn.