An Alpina.
Auf ihren Geburtstag.
O du, die wallend an der Hand
Der höheren Natur, in Jungfrauspuren
Der Grazien, auf Thuna's Tempefluren,
Verlassen, weinend, zitternd, auf dem Rand
Des Abgrunds dir Verzweifelung, mich Armen
De« wilden Schicksals Beute fand;
Und bald mit göttlichem Erbarmen
Genaht, in meine schwermuthsvolle Brust
Den ersten Funken froher Lebenslust
Mit einem einz'gen holden Blick, gelächelt;
AIs auf der Wiese dort, im seligen Genuß
Des Alpenzaubers, von Zephyren angefächelt,
Von Grazien umtanzt, mit leichtem Fuß,
Auf Blumen du mir schnell vorüberschwebtest!
Du hemmtest deinen Flug, und wandtest dich,
Und stand'st erröthend, und erblicktest mich –
Holdselige! mit diesem Blicke webtest
Du Licht in meine Seele, Himmelslust
In meine schmerzerfüllte Brust,
Zufriedenheit in mein verhaßtes Leben,
Unk namenlose Seligkeit
In meines Wesens leere Ewigkeit!
Du webtest dich in mich! Mit wonnevollem Beben
Fand meine Seele sich in diesem Blick
Ergänzt, erwacht, zum zweiten Mal geboren;
Durch diesen neuen Schöpferblick
Fand ich mich zur Unsterblichkeit erkoren.
O Göttin meines Glücks! wie dank' ich dir
Am heiligsten der Tage, da die Sonne
Zum ersten Mal dich sah! da mir Beneidenswerthen, mir
Geboren ward, Geliebteste! mit dir
Ein zweites Ich, und diese Wonne!
Verstumm', o Zunge! schweige, Feder! Rinn
Nur du, o Wollustthräne meiner Liebe!
Und nimm, du holde Schöpferin,
Den vollen Dank in dieser Thräne hin,
Der stumm in jeder andern Sprache bliebe!