Song wusste nicht, warum seine Frau so bewegt war. Lächelnd versuchte er, sich aus ihrer Umarmung freizumachen, und fragte, was das solle. Li Lan schüttelte nur stumm den Kopf und hielt ihn weiter fest umklammert, bis die Söhne im vorderen Zimmer laut und vernehmlich »Wir haben Hunger! Hunger! Hunger!« riefen. Da erst ließ sie ihren Mann los. Als er noch einmal nach dem Grund ihrer Tränen fragte, wandte sie sich verlegen ab, öffnete die Zimmertür und ging rasch hinaus.
Am nächsten Tag fuhr Li Lan mit dem Nachmittagsbus nach Schanghai. Schon mittags gingen alle vier von zu Hause los. Song Fanping trug eine graue Reisetasche mit den aufgedruckten dunkelroten Schriftzeichen shang und hai auf einer Seite, die er in Schanghai anlässlich seiner ersten Hochzeit gekauft hatte. Sowohl die Erwachsenen als auch die Kinder hatten saubere Kleidung angezogen, denn sie wollten erst noch zum Fotografen gehen. Nachdem Song Fanping am Tag nach der Hochzeit die Absicht, ein Familienfoto machen zu lassen, wegen seines verschwollenen Gesichts nicht hatte verwirklichen können und später überhaupt nicht mehr daran gedacht hatte, war ihm anlässlich von Li Lans Abreise jetzt wieder eingefallen, dass sie das endlich nachholen müssten.
1m Fotoatelier setzte Song seine Frau abermals in Erstaunen, denn dieser anscheinend allwissende Mann wies doch tatsächlich den Fotografen an, die Anordnung der Scheinwerfer zu verändern! Und zwar so, dass keinerlei Schatten auf den Gesichtern der vier Personen lag. Der Fotograf folgte bereitwillig seinen Anweisungen und gab ihm in allen Punkten kopfnickend recht, während er die Stativscheinwerfer verrückte. Anschließend schaute sich Song im Spiegel das Arrangement noch einmal an und ließ den Fotografen ein paar letzte Korrekturen vornehmen. Zum Schluss zeigte er den Kindern, wie sie die Köpfe halten und lächeln sollten. Glatzkopf-Li und Song Gang mussten in der Mitte und Li Lan neben Song Gang Platz nehmen. Er selbst setzte sich neben Glatzkopf-Li. Alle mussten den Blick auf die erhobene Hand des Fotografen richten, und dann gab er - nicht der Fotograf - das Zeichen: »Eins, zwei, drei -lächeln!«