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德语长篇小说(安徒生):O. Z. 奥·特-41
日期:2013-04-13 12:31  点击:1
Das Schicksal reißt oft Blätter an uns ab, wie beim
Weinstock geschieht, damit die Früchte früher reifen.
Jean Paul.
 
Erst gegen Morgen vermochte Otto einzuschlafen.
Man ließ ihn und Wilhelm ungestört fortschlafen. Daher stand die Sonne schon hoch am Himmel, als die beiden Herren endlich am Kaffeetische erschienen. Der Kammerjunker hatte sich bereits eingefunden und auf seinen Anzug größere Sorgfalt verwandt als gewöhnlich.
»Herr Zostrup soll zu den Eingeweihten gehören!« sagte die Mutter. »Die Fremden werden es erst heut' Abend erfahren. Der Kammerjunker und meine Tochter Sophie haben sich verlobt.«
»Sehen Sie, Herr Zostrup, bei hellem Mondenschein bin ich ein glücklicher Mann geworden!« erzählte der Kammerjunker und küßte Sophie die Fingerspitzen. Er reichte Otto die andere Hand.
Auf Otto's Antlitz ging keine Veränderung vor sich, nur ein leichtes Lächeln spielte um seine Lippen. Er vermochte es über sich, seine Gratulation auszusprechen. »Das ist ja also ein Freudentag!« sagte er. »Wäre ich ein Dichter, würde ich Ihnen ein Lied widmen!«
Mit einem wunderbar schmerzlichen Ausdruck sah ihn Louise an.
Wilhelm redete den Kammerjunker Schwager an, und schüttelte ihm lachend beide Hände.
Otto war ungewöhnlich aufgeräumt, scherzte und lachte. Die Damen begaben sich auf ihre Ankleidezimmer, Otto ging in den Garten.
Wie überzeugt war er doch von Sophiens Gegenliebe gewesen! Wie gern hörte sie ihn erzählen; mit welchem Ausdruck ruhte dann ihr Auge auf ihm. In ihren kleinen Neckereien hatte er die Bestätigung gesehen, daß die Hoffnung, die er nährte, nicht auf Selbsttäuschung beruhte. Sophie war der Lichtpunkt gewesen, um den sich alle seine Gedanken gedreht hatten. Die Liebe zu ihr war sein guter Engel, der ihn in seinen trüben Augenblicken tröstete und ihm ein späteres Lebensglück verkündigte.
Nun – war plötzlich alles vorbei; es war, als ob ihn der Engel verlassen hätte. Die Liebesflamme, die seine Seele bis dahin völlig durchglüht hatte, war in einem einzigen Moment bis auf den letzten Funken erloschen. Er fühlte keinen Schmerz, kein Leiden, aber eine unendliche Leere. Ihm kam es so vor, als wäre der Geist von seiner Seele gewichen. Sophie war ihm fremd geworden; ihr geistvolles Auge, welches jetzt dem Kammerjunker Liebe zulächelte, hatte für ihn allen Ausdruck verloren; er las in demselben nur den seelenlosen Blick des Automaten. Eine erschlaffende Gleichartigkeit bemächtigte sich seiner, todtbringend wie das Gift, das in das Blut des Menschen übergeht. »Das eitle Mädchen! Es glaubt, indem es ein treues Herz von sich stößt, das Mächtigere von uns zu sein! Wenn es nur gewahren könnte, wie verwandelt sein Bild in meiner Brust steht. Alle seine Schwächen, die vorher meine Liebe übersah, treten jetzt mit scharfen Zügen hervor! Nicht ein Wort ist meinem Gedächtniß entfallen. Der Diamant hat seinen Glanz verloren, ich fühle nur seine scharfen Ecken!«
Sophie hatte einen Mann vorgezogen, der in geistiger Beziehung tief unter Otto stand. Sophie, die für Kunst und Schönheit, für alles Herrliche im Reiche des Geistes schwärmerisch eingenommen schien, hatte ihn so zu täuschen vermocht!
Wir wollen die Unterredung der Schwestern auf ihrem Zimmer mit anhören.
Louise schien sich in wehmüthiger Stimmung zu befinden, still blickte sie vor sich hin.
Sinnend, mit einem Lächeln um die Lippen, stand Sophie da.
»Der Kammerjunker ist doch sehr schön!« rief sie nach einiger Zeit. »Er sieht so männlich aus!«
»Du mußt ihn liebenswürdig finden!« entgegnete Louise.
»Ja,« erwiderte die Schwester, »solche kräftige Gesichter haben mir stets gefallen! Er ist ein ganzer Axel, ein nordischer schwarzbärtiger Wilder. Zarte Gesichter, wie das Wilhelms, kommen mir zu weibisch vor. – Und er ist so gut! Unmittelbar nach der Hochzeit, hat er gesagt, wollen wir nach Hamburg reisen. – Was meinst du, welches Kleid soll ich anziehen?«
»Zur Reise nach Hamburg?« fragte Louise.
»Aber, Mädchen, was schwatzest du? Heute, meine ich. Zostrup hat sich ja recht hübsch benommen! Er gratulirte. Uebrigens war es mir doch ein wenig wunderlich um das Herz, als es ihm mitgetheilt wurde. Ich hatte mich schon auf eine Scene gefaßt gemacht! Ich hatte nicht übel Lust, dich zu bitten, es ihm vorher zu sagen. Er hätte vorbereitet werden sollen. Aber er betrug sich ja im Ganzen recht vernünftig! Ich hätte es ihm gar nicht zugetraut. Ich wünsche ihm wirklich alles Gute, allein er ist ein sonderbarer Charakter, so melancholisch! Glaubst du, daß ihm meine Verlobung nahe gehen wird? Ich habe recht wohl bemerkt, wie er sich, als mich mein Bräutigam küßte, plötzlich nach dem Fenster umdrehte und mit den Blumen spielte. Ich würde mich freuen, wenn er uns recht bald verließe. Die Reise in das Ausland wird ihm gut thun! In der Fremde wird er auch wol seinen Herzenskummer vergessen. Morgen denke ich an Vetter Joachim zu schreiben, der ebenfalls sehr überrascht sein wird.«
Spät am Nachmittage kamen Jakoba, die Mamsell, der Pfarrer nebst einigen andern Gästen.
Abends war der Tisch festlich gedeckt. Die Verlobten saßen neben einander, und Otto war der Ehrenplatz an Sophiens Seite eingeräumt worden. Der Pfarrer hatte nach einer bekannten Melodie ein Lied gedichtet, welches gesungen wurde. Otto fiel mit seiner hübschen und kräftigen Stimme in den Gesang ein und stieß mit dem Brautpaare an. Der Kammerjunker bemerkte, Herr Zostrup müßte sich nun auch bald eine Braut aussuchen.
»Sie ist bereits gefunden!« erwiderte Otto, »aber für jetzt muß es noch ein Geheimniß bleiben!«
»Auf das Wohl Ihrer Braut!« sagte Sophie und stieß mit ihm an; aber bald ruhte wieder ihr geistvoller Blick nur auf dem Kammerjunker, der sich weitläufig über die Vortheile der Stallfütterung mit Klee erging; doch diese ihre Blicke brachten ihn wieder zu seinem Liebesglücke zurück.
Es war ein sehr munterer Abend. Erst spät in der Nacht brach die Gesellschaft auf. Die Freunde gingen auf ihr Zimmer.
»Mein lieber treuer Otto!« sagte Wilhelm und legte den Arm um seine Schulter. »Sie waren heut' Abend sehr heiter und unterhaltend. Bewahren Sie sich diese gute Laune!«
»Das hoffe ich!« versetzte Otto; »hätten wir nur immer so fröhliche Abende, wie dieser war.«
»Seltsamer Mensch!« sagte Wilhelm und schüttelte den Kopf. »Nun werden wir bald unsere Reise antreten, und dann wollen wir die Freude, den herrlichen Goldvogel erhaschen!«
»Und ihn uns nicht wieder entschlüpfen lassen!« fiel ihm Otto ins Wort. »Früher sagte ich: morgen, morgen! Jetzt aber sage ich: heute und alle Tage! Fort mit den Grillen und Sorgen! Jetzt begreife ich, was Sie einst zu mir sagten, man kann glücklich sein, wenn man nur will!«
Wilhelm ergriff ihn bei der Hand und schaute ihn halb wehmüthig an.
»Werden Sie sentimental?« fragte Otto.
»Ich affectire nur, was ich nicht bin!« entgegnete Wilhelm, indem er plötzlich von dem natürlichen Ernste des Augenblicks zu seiner gewöhnlichen Munterkeit überging. –
Die nächsten Tage verstrichen unter Besuchen und Gegenbesuchen. Jeden Posttag durchsuchte Otto vergebens die Ledertasche des Postboten, fand indeß nie einen Brief vom deutschen Heinrich und hörte auch nichts von ihm. »Ich bin hintergangen, und darüber fühle ich mich froh und glücklich! Sie, die Schreckliche, ist nicht meine Schwester!«
Es war für ihn ein Bedürfniß, fortzukommen, weit, weit von der Heimat, und trotzdem fühlte er keine Sehnsucht nach den Bergen der Schweiz oder der Ueppigkeit des Südens.
»Die Natur macht weichmüthig; sie will ich deshalb nicht aufsuchen! Mir sind Menschen nöthig, diese egoistischen falschen Geschöpfe, diese Herren der Welt! Wie sanft treten wir doch unseren Schwachheiten gegenüber auf, wie sehr bewundern wir unsere Tugenden! Was mit dem Ziele unserer Wünsche übereinstimmt, das finden wir vortrefflich. Nur denen, die uns lieben, schenken wir unsere Liebe! Wen liebe ich, im Grunde genommen, anders als mich selbst? Wilhelm? Meine Freundschaft mit ihm ist auf dem Grundsteine seiner Unentbehrlichkeit für mich erbaut! Die Freundschaft ist mir ein Bedürfniß. War ich nicht einst überzeugt, daß ich Sophie anbetete, daß ich ihren Verlust nicht würde ertragen können? Und trotzdem war nur die Gewißheit, daß sie mich nicht liebte, nöthig, um mein leidenschaftliches Gefühl sofort erlöschen zu lassen. Sophie selbst erschien mir weniger schön, ich bemerkte Fehler, wo ich früher nur Liebenswürdigkeit wahrnahm. Nun ist sie mir beinahe schon ganz fremd. Darin gleichen wir uns Alle. Wer fühlte recht lebendig, recht treu für mich, ohne sich von seinem eigenen Interesse leiten zu lassen? Rosalie? Meine alte ehrliche Rosalie? Ich bin unter ihren Augen aufgewachsen wie die Pflanzen, die sie zog! Ich bin ihr eben so lieb wie diese! Als ihr Kanarienvogel eines Tages todt in seinem Bauer lag, weinte sie bitterlich; sie sollte ihn nicht mehr singen hören, sollte nicht mehr für sein Bauer und sein Futter sorgen können! Der Verlust brachte sie zum Weinen; sie verlor, was ihr ganzes Interesse in Anspruch genommen hatte. Auch an mich knüpft sich ihr Interesse. Interesse ist der Name für das, was die Welt Liebe nennt. Louise – –!« fast laut sprach er den Namen aus, und seine Gedanken verweilten mit sonderbaren Verknüpfungen bei demselben. »Sie zeigte sich freilich treu und aufopfernd, allein ist sie nicht ebenfalls von allen Uebrigen verschieden? Wie oft hörte ich nicht, daß Sophie sie deshalb verspottete und höhnisch auf sie hinabblickte!« Otto's bitteres Gefühl suchte vergebens nach einem Schatten von Eigenliebe bei Louisen, nach einem einzigen eigennützigen Grunde für ihr wahrhaft edeles Betragen. »Fort von Dänemark, zu fremden Menschen! Glücklich, wer unstät umherflattern, Bekanntschaften anknüpfen und sofort wieder von dannen eilen kann! Bei der ersten Begegnung erscheinen die Menschen in ihrem geistigen Sonntagskleide, alle Lichtpunkte treten hervor. Allein der Festtag ist bald vorüber, und die Glanzpunkte sind verschwunden!«
»In der nächsten Woche reisen wir ab!« sagte Wilhelm. »Dann soll es gehen
Ueber die blaue schäumende Flut,
Fort von der Heimat, von Haus und Gut!
 

soll gehen über die Haide, den Rhein hinauf, durch die liebliche Champagne nach der Stadt der Städte, dem lebhaften fröhlichen Paris. 


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