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德语长篇小说(安徒生):O. Z. 奥·特-40
日期:2013-04-05 15:55  点击:0

 Was er gesucht, blieb unerreicht;

Der Abend trüb' und trüber.
Rudolf Schley.
 
Siehst du das Vögelein
Nisten im Wald?
Willst du mein Weibchen sein?
Werd' es doch bald! –
– Bräutigam bin ich!
Arion. 2. Band.
 
Dicht neben der St. Knuds-Kirche, wo einst das alte Mönchskloster stand, liegt jetzt das Haus eines Privatmannes. Die vortreffliche Wirthin, welche einst auf der Bühne alle Herzen als Ida Mynster [Fußnote] bezauberte, erwartete die Familie zu Mittag.
Nach Tische machte man einen Spaziergang durch den Garten, der sich bis zum Bache Odense erstreckte.
In der Abenddämmerung beabsichtigte Otto, wie er Louisen mitgetheilt hatte, den deutschen Heinrich aufzusuchen, und sie hatte ihm das Versprechen abgelegt, die Aufmerksamkeit während seiner Abwesenheit von ihm abzulenken.
Die Gesellschaft trank in der Laube Kaffee. Still grübelnd wandelte Otto in der Allee den Bach entlang auf und ab. Die hübsche Partie vor ihm fesselte sein Auge. In nächster Nachbarschaft lag eine Wassermühle; milchweiß brauste der Bach über die beiden großen Räder. Hinter der Mühle befand sich eine Brücke, auf welcher ein lebhafter Verkehr stattfand. Wagen und Fußgänger zogen fortwährend über dieselbe. Auf dem Altane der Müllerwohnung stand der Mühlenknappe und pfiff sich ein Lied. Es war ein Gemälde, wie es uns Christian Winter und Uhland in ihren farbenreichen Gesängen vorführen. Jenseits der Mühle erhoben sich hohe Pappeln, welche zur Hälfte die grüne Wiese, in der der »Nonnenhügel« liegt, verbargen. Da, wo jetzt der wilde Thymian wächst, soll sich eine Nonne ertränkt haben.
Im hellen Sonnenglanze lag die Gegend vor ihm. Alles war Ruhe und Sommerwärme. Plötzlich drangen zu Otto's Ohren tiefe mächtige Orgeltöne; er drehte sich um. Die Töne, die einen Wiederhall in seinem Herzen fanden, kamen aus der St. Knuds-Kirche, die dicht hinter dem Garten lag. Der Sonnenschein der Landschaft und die Kraft der Töne hauchten auch ihm Licht und Kraft ein, um nun getrost der Finsterniß entgegengehen zu können.
Die Sonne neigte sich zum Untergange, als Otto allein über den Marktplatz auf das alte Eckhaus zuschritt, in welchem der deutsche Heinrich seine Taschenspielerkünste zeigte. Hier stand einst die St. Albani-Kirche, in welcher der heilige Knud, den sein Diener Blake [Fußnote] verrathen hatte, von den Aufrührern getödtet wurde. Nach allgemeinem Volksglauben soll dort von dem tiefen Keller unter dem Hause aus ein unterirdischer Gang nach dem sogenannten »Nonnenhügel« führen. In den Nachbarhäusern will man noch jede Nacht ein eigentümliches Geräusch unter dem Marktplatze vernehmen, wie wenn plötzlich ein Wasserfall hinabstürze. Die Gebildeteren suchen die Ursache in einem unterirdischen, aber ganz natürlichen Wasserlaufe, der mit dem nahe gelegenen Bache in Verbindung stehe. In der letzten Zeit ist das alte Haus in eine Fabrik umgewandelt worden; die zerbrochenen Fensterscheiben, deren Oeffnungen hier und da mit Holzspänen verstopft oder mit Papier verklebt sind, so wie die massenhaften Menschenknochen, die noch von jener Zeit herrühren, in welcher hier ein Gottesacker war, erfüllten die Einwohner Odense's mit einem ganz besonderen Interesse für dieses Haus.
Wenn man in das Haus hineintritt, befindet man sich mit dem Marktplatz in vollkommen gleicher Höhe; vom Hinterhause nach dem Garten zu geht es dagegen plötzlich tief hinab, und hier steigen dicke alte Mauern aus dem Fundamente empor. Die Lage ist mithin romantisch: dicht daneben das alte Fräuleinstift mit den zackigen Giebeln, und in geringer Entfernung der Bach, in dessen Tiefe nach dem Volksglauben ein dämonisches Wesen, »der Flußmann,« lebt, der jährlich sein Menschenopfer verlangt, aber es in der voraufgehenden Nacht ankündigt. Den Hintergrund bilden Wiesen, Dörfer und grüne Wälder.
Ueber den Hof hinweg unter einer nach der Seitenstraße führenden Einfahrt hatte der deutsche Heinrich seinen Schauplatz aufgeschlagen. Der Eintritt kostete acht Schilling; Standespersonen bezahlten jedoch nach Belieben.
Otto langte während einer Vorstellung an. Das ganze scenische Arrangement bestand aus einem Laken. Mitten auf dem Pflaster saß ein schreckliches Ungethüm, mit einem offenbar gefärbten Mohrengesicht und einem furchtbaren Kopfwulst aus Roßhaaren. Obgleich eine alte Bettdecke die Figur verhüllte, konnte man sehen, daß es eine weibliche war.
Landleute und Straßenjungen bildeten das Publikum. Da sich Otto im Hintergrunde hielt, wurde er von Heinrich nicht bemerkt.
Die Vorstellung hatte bald ihr Ende erreicht, und der Haufe verlief sich. Da erst trat Otto hervor.
»Wir müssen noch etwas mit einander besprechen,« begann Otto. »Heinrich, Er ist nicht ehrlich gegen mich gewesen! Das Mädchen ist keinesfalls die Person, für welche Er es ausgab; Er hat mich hintergangen, ich verlange eine Erklärung!«
Der deutsche Heinrich hörte schweigend zu, aber jede Miene verrieth seine innere Erregung; erst malte sich auf seinem Antlitz Verwunderung, dann Schlauheit und List. Sein tückischer, boshafter Blick maß Otto von Kopf bis zu den Füßen.
»So leben Sie ja also in der vollkommenen Ueberzeugung, daß ich Sie hinter das Licht geführt habe!« entgegnete er. »Weshalb kommen Sie denn aber zu mir? Dann bedarf es ja keiner weitern Erklärung. Fragen Sie sie doch selbst!« Mit diesen Worten zeigte er auf die Schwarzgefärbte.
»Was soll dieses hochmüthige Wesen, Otto!« sagte dieselbe lachend. »Du solltest deine Schwester immerhin anerkennen, wenn sie sich auch das Gesicht ein wenig geschwärzt hat.«
Otto richtete einen finstern unwilligen Blick auf sie, preßte seine Lippen zusammen und suchte sich zu sammeln. »Es ist mein fester Entschluß, die Sache untersuchen zu lassen!« sagte er mit erzwungener Ruhe.
»Wenn Sie sich nur keine Unannehmlichkeiten dadurch zuziehen!« versetzte Heinrich halblachend.
»Was hat Er da zu lachen, wenn ich mit Ihm rede!« rief Otto mit glühenden Wangen.
Otto lehnte sich ruhig an die Thür, die in den Garten führte.
»Ich kenne den Polizeimeister,« fuhr Otto fort, »ihm könnte ich unbesorgt alles Weitere überlassen. Ich habe jedoch einen milderen Weg eingeschlagen und bin selbst gekommen. In Kurzem verlasse ich Dänemark, reise mehrere hundert Meilen fort und kehre möglicherweise nie wieder zurück. Daraus kann Er ersehen, daß der Hauptgrund meines Kommens eine reine Grille ist. Ich wünschte zu wissen, weshalb Er mich täuschte, wünschte zu wissen, in welchem Verhältnisse Er zu diesem Frauenzimmer steht!«
»Ei, also nur das ist es, was Sie wünschen?« erwiderte Heinrich mit einem boshaften Blick. »Meinetwegen können Sie es erfahren! Vernehmen Sie denn, daß Sidsel meine Liebste ist und auch meine Frau werden soll –! Aber Ihre Schwester ist sie trotzdem! So ist es und dabei bleibt es!«
»Du könntest mir wol etwas schenken, ehe du abreisest!« sagte Sidsel, die bei Heinrichs Rede mehr und mehr aufzuleben schien, und verzog ihr geschwärztes Gesicht.
Otto sah sie stirnrunzelnd an.
»Ja, ich rede dich mit du an,« fuhr sie fort, »darein mußt du dich schon finden! Dieses kleine Vergnügen muß eine Schwester doch haben!«
»Sie sollten ihr doch wenigstens das Patschhändchen reichen!« sagte Heinrich laut lachend.
»Elender Bube!« schrie Otto. »Sie hat keine Berechtigung, sich mir als Schwester aufzudrängen. Ich will meine wirkliche Schwester aufsuchen, will Beweise für die Wahrheit in Händen haben, und dann werde ich mich als Bruder beweisen, werde für ihre Zukunft Sorge tragen. Bringe Er mir ihren Taufschein, bringe Er mir nur ein einziges amtliches Zeugniß – aber noch vor Ablauf von acht Tagen! Hier ist meine Adresse, es ist ein Briefcouvert, lege Er die Papiere hinein, die Er aufzutreiben vermag, und übersende Er sie mir unverzüglich! Aber Beweise, oder er ist ein größerer Schuft, als ich glauben möchte.«
»Laßt uns nur ein paar vernünftige Worte mit einander reden!« entgegnete Heinrich mit gedämpfter einschmeichelnder Stimme. »Sie geben mir fünfzehn Thaler und sollen dann nie wieder eine Ungelegenheit von uns zu befürchten haben. Sehen Sie, das ist doch weit einfacher!«
»Ich habe mich deutlich genug über das ausgesprochen, was ich Ihm zu sagen hatte!« erwiderte Otto. »Weiter haben wir nichts mit einander zu schaffen!« Mit diesen Worten drehte er ihnen den Rücken zu, um sich fort zu begeben.
Heinrich hielt ihn am Rocke fest.
»Was will Er?« fragte Otto.
»Ich meinte nur,« versetzte Heinrich, »Sie hätten sich vielleicht wegen der fünfzehn Thaler bedacht, die – –!«
»Schurke!« schrie Otto im höchsten Zorne. Die Stirnadern schwollen ihm an, und er stieß Heinrich mit einer solchen Kraft von sich, daß dieser mit dem Rücken gegen die wurmstichige Gartenthür stürzte. Die Füllung derselben fiel heraus. Hätte sich Heinrich nicht mit beiden Händen angeklammert, so wäre es ihm nicht besser gegangen. Flammenden Blickes stand Otto einen Augenblick schweigend da, dann warf er das Briefcouvert, auf welchem seine Adresse stand, Heinrich vor die Füße und ging.
Bei Otto's Eintreffen im Gasthofe stand der Hausknecht gerade im Begriff anzuspannen.
»Haben Sie gute Nachrichten?« flüsterte Louise.
»Im Grunde genommen, bin ich nicht weiter als vorher!« erwiderte er, »nur daß mir mein eigenes Gefühl überzeugender als je sagt, daß ich von ihm hintergangen bin!« Darauf erzählte er ihr kurz das ganze Gespräch.
Der Wagen des Kammerjunkers war ebenfalls bereits vorgefahren. Auf diesem gab es mehr als hinreichenden Platz für zwei, während auf dem andern zu Viele saßen. Der Kammerjunker bat deshalb, daß man von den bequemen Sitzen auf seinem Wagen Gebrauch machen möchte, und Otto mußte mit ansehen, wie die Mutter und Sophie das freundliche Anerbieten dankbar annahmen. Würde ihn dieser Tausch vorher in hohem Grade verstimmt haben, so hatte er jetzt doch weniger dagegen einzuwenden. Seine Gedanken waren noch fortwährend mit dem Besuche bei dem deutschen Heinrich beschäftigt, und seine Seele war mit einer Bitterkeit erfüllt, die seine unwiderstehliche Sehnsucht, Sophie seine heiße Liebe zu gestehen, für einen Augenblick zurückhielt.
»Heinrichs Spielball, sein Werkzeug bin ich gewesen!« dachte er. »Jetzt macht er sich über mich lustig, und ich muß es dulden! Die Schreckliche kann nicht meine Schwester sein! Es ist unmöglich!«
Auf den Straßen war nun Ruhe eingekehrt. Sie stiegen in die Wagen. Im gegenüberliegenden Eckhause war große Gesellschaft. Das Licht strömte durch die langen Fenstervorhänge; ein biegsamer Tenor und ein hoher klangvoller Sopran schmolzen zusammen in Mozart's »audiam, audiam, mio bene!«
»Der Vogel darf nicht von meinem Herzen fortflattern!« seufzte Otto und setzte sich an Louisens Seite. Der Wagen setzte sich in Bewegung.
Der Vollmond schien, aus den Gräben stieg der Duft wilder Blumen empor, die Moorgründe dampften, über den Wiesen lagerte sich weißer Nebel, als ob Erlkönigs Töchter den nächtlichen Reigen eröffnet hätten.
Louise saß still und verstimmt. Ein geheimer Kummer bedrückte ihr Herz. Auch Otto verhielt sich schweigend.
Der Kammerjunker fuhr voran, knallte mit der Peitsche und stieß hin und wieder ein wildes Hallo aus.
Wilhelm begann das Lied: »Schweigende Nacht,« und der Kammerjunker stimmte ein.
»Singe doch mit, Menschenkind!« rief Wilhelm dem schweigenden Otto zu, und bald bildeten beide Gesellschaften eine einzige singende Karavane.
Erst in später Nacht erreichten sie das Gut.

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