Während der hünenhafte Mann, beladen mit Li Lans Reissack und ihrem Sohn, sich einen Weg durch das Gedränge auf der Straße bahnte, redete er munter auf die Frau ein. Li Lan dagegen lief mit gesenktem Kopf neben ihm her, in kalten Schweiß gebadet, das Gesicht kreideweiß. Am liebsten hätte sie sich in eine Erdspalte verkrochen, hatte sie doch das Gefühl, alle Menschen der Welt machten sich in diesem Moment über sie lustig. Unterwegs fragte Song Fanping nach diesem und jenem, doch von ihr kam außer Kopfnicken und ihrem gewohnheitsmäßigen Zischeln keine andere Reaktion.
Als sie endlich an Li Lans Haus ankamen, setzte Song den Jungen ab und schüttete den Reis aus dem Sack in die Vorratskruke. Mit einem flüchtigen Blick auf das Bett stellte er fest, dass das eingestickte Schriftzeichen »doppeltes Glück« auf Laken und Bezug verblasst und ausgefranst war. Beim Hinausgehen sagte er zu Li Lan, er heiße Song Fanping und sei Lehrer an der Mittelschule. Sie könne sich in Zukunft an ihn wenden, wenn körperlich schwere Arbeiten anstünden, zum Beispiel Reis oder Kohle kaufen. Als er weg war, ließ sie zum ersten Mal ihren Sohn allein vor dem Haus spielen. Sie selbst schloss sich drinnen ein - wer weiß, was sie dort trieb. Erst nach Einbruch der Dunkelheit machte sie die Haustür wieder auf. Da saß der Junge auf der Erde und war, an die Tür gelehnt, eingeschlafen.
Glatzkopf-Li entsann sich später, dass Song Fanpings Frau in dem Jahr ihrer Krankheit erlag, als er fünf wurde. Nachdem Li Lan davon erfahren hatte, stand sie lange am Fenster, zog wie gewohnt Luft durch die Zähne und sah zu, wie die Sonne unterging und der Mond am Himmel erschien. Dann ergriff sie die Hand ihres Sohnes und ging mit ihm still und leise durch die helle Nacht zu dem Haus, in dem Song Fanping wohnte. Sie hatte aber nicht den Mut hineinzugehen, sondern beobachtete, hinter einem Baum versteckt, die Leute, die drinnen im trüben Lampenlicht um den Sarg herumsaßen oder hin und her gingen. Glatzkopf-Li, der sich an der Jacke der Mutter festhielt, hörte sie wie gewohnt zischeln. Als er den Kopf hob, um den Mond und die Sterne zu sehen, kam es ihm vor, als weine seine Mutter, denn sie wischte sich ständig die Augen.