Eines Nachts schlug Li Lan ganz in Gedanken verloren den Weg ins Freie ein. Als sie durch das Südtor trat und die mondbeschienenen Felder sah, die sich bis zum Horizont erstreckten, unterdrückte sie mit Mühe einen Aufschrei der Freude. Die geheimnisvolle Stille der Häuser und Straßen im Mondlicht war ihr vertraut, jetzt aber entdeckte sie plötzlich für sich auch die mystische Schönheit der nächtlichen Flur. Glatzkopf-Li an ihrer Brust wurde ebenfalls ganz aufgeregt, streckte beide Ärmchen zu den unendlich weiten Feldern aus und gab piepsende Geräusche von sich wie ein Mäuschen.
Viele Jahre später, als Glatzkopf-Li, inzwischen der Super-Multimillionär unserer kleinen Stadt Liuzhen, beschloss, einen Weltraumtrip zu machen, und sich mit geschlossenen Augen ausmalte, wie er aus dem Weltraum auf die Erde herabblicken würde, kehrten die im Säuglingsalter empfangenen Eindrücke wundersamerweise wieder zurück. Denn die Schönheit des Erdballs, wie er sie in seiner Vorstellung an Bord des russischen »Sojus«-Raumschiffes erlebte, entsprach genau dem Anblick, der sich damals dem Säugling auf dem Arm der Mutter geboten hatte, als diese zum ersten Mal mit ihm vor das Südtor gegangen war und sich die mondbeschienenen Felder endlos vor seinen Augen erstreckt hatten.
So lernte Glatzkopf-Li in der Stille heller Mondnächte von seiner Mutter, was das ist - eine Straße, Häuser, Felder, der Himmel ... Noch keine zwei Jahre alt, blickte er mit staunenden Augen in diese lautlose, helle Welt.
Einmal begegnete Li Lan beim Spaziergang im Mondschein Song Fanping. Sie ging gerade mit dem Kind auf dem Arm eine stille Straße entlang, da kam ihr auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Familie entgegen, die sich laut unterhielt - Song Fanpings Familie. Der hochgewachsene Vater führte einen Jungen an der Hand - Song Gang, ein Jahr älter als Glatzkopf-Li -, und seine Frau trug einen Korb. Ihre hellen Stimmen störten die nächtliche Stille wie lautes Klopfen an eine Tür. Li Lan horchte auf - die Stimme des Mannes, die kannte sie doch! Das war doch der Mann, der gottserbärmlich stinkend mit ihrem ebenso gottserbärmlich stinkenden Ehemann auf dem Rücken plötzlich vor ihr gestanden hatte, als sie damals wie benommen an ihrer Haustür lehnte! Sie hatte gar nicht so richtig mitbekommen, was um sie herum geschah, aber die Stimme des Mannes, die würde sie ihren Lebtag nicht vergessen. Und auch nicht, wie er erst sich selbst und dann ihren toten Gatten gesäubert hatte.