Die Kunst und die Stadt aus dem Blickwinkel einer neugierigen Flaneurin: US-Independent-Regisseur Jem Cohen hat einen schönen Film über (Wien-)Bilder gedreht, die über das Museum hinaus wirksam sind
Wien - Museen werden in Spielfilmen oft einseitig eingesetzt. Entweder dienen sie als Schauplatz eines Verbrechens, oder sie formen eine Parallelwelt, in der ihr eigentlicher Zweck keine große Rolle spielt. Der US-Amerikaner Jem Cohen hat in Österreich nun einen Film realisiert, der zu weiten Teilen im Kunsthistorischen Museum spielt und dieses auch als das benutzt, was es eben ist: eine Institution, in der Kunstwerke für Besucher ausgestellt werden - ein Ort, an dem Bilder mithin in Umlauf geraten.
Als locker strukturierte Rahmenhandlung von Museum Hours dient die Begegnung einer Frau aus Übersee mit einem hiesigen Museumswärter. Bobby Sommer, ein Viennale-Mitarbeiter, den Cohen durch seine Festivalaufenthalte kannte, spielt diesen Johann mit nonchalantem Charme, einen Mann, der zur seltenen Spezies eines hilfsbereiten Wieners gehört. Er bietet der von der kanadischen Singer/Songwriterin Mary Margaret O'Hara verkörperten Anne seine Hilfe an. Nicht nur über seinen Arbeitsbereich, auch über die Stadt hat er so einiges zu erzählen. Diese Gewandtheit kommt Anne, die in der Stadt ist, um ihre schwer erkrankte Cousine zu besuchen, sehr gelegen. Durch Johanns Unterstützung gelangt sie an bekannte, aber auch entlegenere Orte Wiens und erweist sich dabei als neugierige Flaneurin, die ihre Eindrücke im Vorübergehen aufsammelt.
Cohen, ein genuin unabhängiger Filmemacher mit hoher Affinität zu Musikern - er hat mit Patti Smith oder Vic Chesnutt zusammengearbeitet -, wirft in Museum Hours einen ungleich poetischeren Blick auf die Donaustadt, als man es vom österreichischen Kino gewohnt ist. Zwischen den Bildern des Museums und der Außenwelt finden sich immer wieder visuelle Analogien. Cohen geht es dabei allerdings um keine einseitigen Entsprechungen als vielmehr um freie Assoziationen, um eine Erweiterung der Kunst in die veränderliche Realität der Stadt. Besonders augenfällig erscheint sein Blick auf Paraphernalia, auf Dinge, die nicht mehr von Nutzen sind. Mehrmals taucht das Bild des Flohmarkts am Naschmarkt auf, wo die Kamera Schönheit in vergessenen Objekten entdeckt.
Museum Hours entwickelt sich so in einem umfassenderen Sinn zu einem Film über Wahrnehmung und Repräsentation. Das Museum selbst wird zum Gegenstand von Reflexionen über Kunstbetrachtung. Einmal sind die Besucher ihrer Kleider entledigt und damit ihrer sozialen Codes beraubt; in einer längeren, etwas pädagogisch anmutenden Szene werden Gemälde von Pieter Bruegel kontrovers diskutiert - den abschließenden Blick auf ein Kunstwerk, will Cohen sagen, einen, der es seiner Geschichtlichkeit beraubt, gibt es nicht.
Einem am Underground, an Randformen interessierten Filmemacher wie Cohen geht es um eine offenere Auffassung von Kultur, die über institutionelle Rahmungen hinausreicht. Nicht umsonst finden sich in den entspannten Unterhaltungen von Johann und Anne zahlreiche Verweise auf populäre Formen, sei es, dass sie auf die Geschichte des Bänkelsängers Marx Augustin zu sprechen kommen oder ein geteiltes Faible für Heavy Metal entdecken.
So dürfen als wahre Museumsstunden in diesem Film letztlich nur jene gelten, die eine Neugierde auf etwas wecken, das noch über das Museum hinauswirkt. Museum Hours funktioniert ja selbst ein wenig so: Jem Cohen blickt mit den Augen eines Außenseiters auf Dinge, die man gerne allzu starr betrachtet, sodass man Wesentliches gerne einmal übersieht. Die Meisterwerke des Kunsthistorischen Museums und das urbane Wien, in dem sich viele Spuren widersprüchlicher Vergangenheiten finden, werden hier so präsentiert, dass sie schöne Nachbilder erzeugen.