Den ganzen Nachmittag musste Glatzkopf-Li auf dem Revier ausharren wie eine Fundsache, die darauf wartet, dass sie vom Besitzer abgeholt wird. Während er auf der Besucherbank saß, beobachtete er das durch das Portal einfallende Sonnenlicht. Zuerst war die Lichtfläche auf dem Zementestrich so groß wie das Türblatt, aber dann wurde sie immer schmaler, bis sie nur noch so breit wie ein Bambusrohr war und schließlich ganz verschwand.
Er ahnte nicht, dass er inzwischen eine Berühmtheit war. Jeder, der am Polizeirevier vorbeikam, ging schnell mal hinein, um einen Blick auf diesen Kerl zu werfen, der da in der öffentlichen Toilette Frauenärsche ausspionierte. Wenn gerade kein Neugieriger anwesend war, kam der eine oder andere Vopo, der die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben hatte, zu Glatzkopf-Li hinüber, schlug auf den Tisch und schrie ihn an: »Hast du wirklich nichts mehr zu gestehen? Überleg's dir gut!«
Glatzkopf-Lis Mutter erschien erst nach Einbruch der Dunkelheit auf dem Revier. Sie hatte extra so lange gewartet, weil sie Angst hatte, die Leute auf der Straße würden mit Fingern auf sie zeigen. Fünfzehn Jahre zuvor hatte schon Glatzkopf-Lis Vater auf dieselbe unsägliche Art Schande über sie gebracht, und jetzt goss auch noch der Sohn Öl ins Feuer!
Als sie am Abend, mit Kopftuch und Mundschutz maskiert, so unauffällig wie möglich das Polizeirevier betrat und ihren Sohn dort sitzen sah, wandte sie die Augen vor Schreck gleich wieder ab. Dann stand sie völlig verschüchtert vor dem Vopo, der eigentlich schon längst Dienstschluss hatte, und sagte ihm mit zitternder Stimme, wer sie sei. Der Polizist schnauzte sie wutentbrannt an, was sie sich eigentlich dabei gedacht habe, so spät zu erscheinen. »Es ist acht Uhr, verdammt noch mal! Ich hab noch keinen einzigen Bissen im Bauch! Und ich wollte ins Kino gehen! Da stürz ich mich ins Getümmel an der Kasse, schiebe, stoße, trete, schimpfe, bloß um dieses Scheißticket zu ergattern - und jetzt? Jetzt könnte ich ein Flugzeug chartern und würde es trotzdem nur noch zum Abspann schaffen. >Auf Wiedersehen in Ihrem Filmtheater!< - Scheiße auch!«