Für die Verfilmung seiner "Dreigroschenoper" schwebte Brecht eine kompromisslose und radikale Version vor. Rauskam eine Art "Jack the Ripper im La-La-Land" und ein Riesenprozess ums Urheberrecht. Autorin: Isabella Arcucci
Die Elisabeth war eine Fleißige, die konnte man brauchen. Und Bert Brecht brauchte sie dringend. Als Dichter ist man immer auf Ideen angewiesen…Herrgott, Ideen! Und die lieferte Elisabeth Hauptmann, auch weil sie gut Englisch konnte und deshalb vergessene Juwelen zu übersetzen verstand, wie die "Beggar`s Opera" von John Gay aus dem Jahr 1728. Die perfekte Vorlage für einen ganz großen Theatercoup! Also machten Bert Brecht und Komponist Kurt Weill sich ans Werk. Die Proben waren eine Katastrophe, mit streitenden, tobenden und kollabierenden Schauspielern.
Das naive Publikum
Das Stück wurde dennoch ein riesen Erfolg und für Brecht und Weill ein Kassenschlager. Nur hatte Brecht den Verdacht, dass überhaupt niemand im Publikum seine Intention richtig verstanden hatte. Alle waren einfach vom Spektakel ergötzt. Dabei ging es ihm doch um was ganz anderes. Er wollte den Bürger als Gangster entlarven. Der Kriminelle Mackie Messer, der nach bürgerlichem Schein strebende Bettlerkönig Peachum, der Polizeichef Brown – im Grunde sind sie alle gleichermaßen Ganoven, im Dienste des Kapitalismus, die das einfache Volk ausbluten lassen für ihren Profit.
Nicht genug, dass das Publikum naiv war, nach der rauschenden Premiere gab es auch noch einen Presseskandal. Kollege Alfred Kerr pingelte öffentlich am Text herum. Das wäre alles nur geklaut, geiferte er und zwar unter anderem bei Villon und Kipling! Mei, was für ein Spießer dieser Kerr… Brecht arbeitete im Kollektiv, Ideen gehörten der Allgemeinheit. Urheberechtsgemoser - das war was für Erbsenzähler, nicht für Brecht. Vermutlich stammt ca. 80% des Dreigroschenopern-Textes nicht von Brecht, sondern aus der Beggar`s Opera-Übersetzung der fleißigen Elisabeth Hauptmann. Brecht konterte cool seinen erbosten Kritikern, dass er das mit dem Urheberrecht eben ein bisschen laxer handhabe, lässig halt. So mit Schiebermütze schräg und Zigarre im Mundwinkel.
Brechts Dreigroschenprozess
Ganz anders sah die Sache aus, als es um sein eigenes Urheberrecht ging! Eine Filmproduktionsfirma wollte die Dreigroschenoper auf Leinwand bringen und Brecht und Weill sollten an der Umsetzung mitarbeiten. Doch die Filmleute waren unempfänglich für politisch-gesellschaftskritische Ideen. Brecht fühlte sich um sein Urheberrecht betrogen. Dieser Filmkitsch war nicht das, was er mit "seinem" Stück aussagen wollte. Er und Weill klagten. Für Brecht ging es auch darum, ein Exempel zu statuieren. Er inszenierte seinen "Dreigroschenprozess" regelrecht, um die Vereinnahmung der Kunst durch die kapitalistische Filmindustrie aufzudecken und das Rechtssystem an sich zu hinterfragen. Am Ende gab es einen, für alle Seiten, annehmbaren Vergleich und die Uraufführung des Films am 19. Februar 1931. Darin flackern im Vorspann die Worte: frei nach Brecht. Von Elisabeth Hauptmann, ohne die es Stück und Film nie gegeben hätte und die einen Großteil der Autorschaft leistete, kein Wort. Ihre Urheberschaft hatte Brecht von Anfang an, irgendwie, ganz vergessen…Aber, man soll das mit dem Urheberrecht ja auch wirklich nicht so spießig sehen!