Martin Brendel und Otto Baschin machten sich im Winter 1891/92 auf, um am norwegischen Altafjord magnetische Messungen und Polarlichtbeobachtungen zu machen. Herausgekommen sind die ersten Fotografien des Nordlichts überhaupt. Autor: Hellmuth Nordwig
Schon klar, was ein Nordlicht ist, oder? Wer es nicht weiß, dem sei "Meyers Neues Lexikon" ans Herz gelegt - Zitat: "abschätzig verwendete Bezeichnung (vor allem aus süddeutscher, besonders bayrischer Sicht) für eine aus Norddeutschland stammende (die (...) eigenen Fähigkeiten überschätzende) Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, besonders der Politik, die sich (überflüssigerweise (...)) in Süddeutschland oder auf nationaler Ebene betätigt." Passt! Franz Josef Strauß hätte es nicht besser sagen können.
Polarfieber
Und damit zu zwei etwas rätselhaften Nordlichtern: Martin Brendel aus Niederschönhausen und Otto Baschin aus Berlin. Der eine Mathematiker und Astronom, der andere Geograf und Meteorologe. Wahrscheinlich haben sich die zwei an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin kennen gelernt, wo sie beide studiert haben. In den 1880er-Jahren war das, einer Zeit des Aufbruchs von Wissenschaft und Technik, und nicht zuletzt des Polarfiebers. Mehrere Expeditionen hatten sich bereits ganz weit nach Norden aufgemacht, darunter sogar eine von der österreichisch-ungarischen Marine. Und Fridtjof Nansen durchquerte als erster Mensch Grönland von Ost nach West auf Skiern.
Wie Martin Brendel und Otto Baschin auf die Idee kamen, gemeinsam im Winter 1891 ganz in den Norden von Norwegen zu reisen, bleibt für uns aber genauso im Dunkeln wie der Himmel dort zwischen dem 26. November und dem 16. Januar. Bossekop heißt die Ortschaft, die sie aufsuchen, auf dem 70. Breitengrad in der Finnmark. Eine alte Postkarte zeigt, dass die Bezeichnung "Ort" stark übertrieben ist: Zwei Häuser, zwei Hütten, ein Jägerstand, ein Elch - das ist Bossekop. Ob die beiden sich das so vorgestellt haben, ist auch nicht überliefert. Immerhin liegt der Weiler geschützt: Selbst im Januar klettert das Thermometer manchmal auf minus fünf Grad. Und das, obwohl der Himmel fast immer klar ist.
Rätselhafte Nordlichter
In der winterlichen Wildnis des hohen Nordens wollen Martin Brendel und Otto Baschin vor allem zwei Dinge erkunden: Das Magnetfeld der Erde vermessen, fernab von allen Störeinflüssen. Und eine Lichterscheinung beobachten, von der die Samen, die Ureinwohner Skandinaviens, sagen: Wenn der Himmel leuchtet, sind die Toten unterwegs und die Kinder müssen im Haus bleiben. Die beiden jungen Männer tun das nicht. Sie können sich kaum sattsehen an den grünen, manchmal auch roten, pulsierenden Bändern und Bögen. Das Polarlicht ist Anfang 1892 besonders aktiv, so wie alle elf Jahre. Am 1. Februar gelingt es den beiden sogar, es zum ersten Mal auf einer Fotoplatte festzuhalten. Schwarzweiß natürlich, aber immerhin.