Telefonieren war einst eine aufreibende Sache, eine Verbindung kostete Zeit und Nerven. Doch dank der Erfindung einer Vermittlungszentrale ließ sich erstmals jeder beliebige Telefonanschluss erreichen. Autorin: Christiane Neukirch
"Bitte Amt!" Das war einst die Zauberformel, das "Sesam-öffne-Dich!" ins Reich der Kommunikation. Einst, das heißt: um 1890. Das moderne Kommunikationsgerät hieß Telefon. Mit seiner Hilfe konnten erstmals zwei Menschen über eine weite Entfernung miteinander sprechen. Doch bis ein Gespräch beginnen konnte, mussten sie einige Hürden nehmen – und vor allem: Nerven bewahren.
Nachdem um 1875 die ersten "Apparate zur Sprachübermittlung" in Gebrauch gekommen waren, gab es etliche Probleme zu lösen. Der technische Zauber lockte viele Käufer; und schnell stieß das Prinzip einer Kabelverbindung zwischen zwei Menschen an seine Grenzen. Was, wenn man auch mal jemand anderen sprechen wollte als den immer gleichen Partner? Ein Kabelnetz musste her, und damit auch eine Vermittlungsstelle, die alle möglichen Anschlüsse miteinander verband. Am 25. Januar 1878 eröffnete im US-amerikanischen New Haven das erste kommerzielle Fernsprechvermittlungsamt. Dessen technische Ausstattung war handgebastelt aus Kutschenbauteilen, Griffen von Teekannendeckeln und Haushaltsdraht.
Hallo, Vermittlung?!
Bald schon gab es mehr Vermittlungsstellen, und immer größere. Vor einer Reihe so genannter Klappenschränke voller Steckbuchsen saßen Telefonistinnen, die in Windeseile die Anschlüsse zusammenstöpselten. Dass es Frauen waren, hatte mehrere Gründe. Einmal hatten die Telefongesellschaften Männer für diesen Dienst als untauglich befunden: sie neigten zu Ungeduld und Ruppigkeit. Außerdem verstand man die höheren Frauenstimmen einfach besser. Drittens bescheinigte man den Frauen eine "befriedende Wirkung" auf männliche Kunden. Denn nicht alle Anrufer behielten die Nerven, bis sie den aufreibenden Prozess der Vermittlung überstanden hatten.
Das Fräulein vom Amt
Der ging so: aus der Seite des Telefons ragte eine Kurbel. Telefonieren hieß zunächst kräftig kurbeln, "Bitte Amt!" ins Mikrofon rufen und auf die Telefonistin lauschen, die zurückfragte: "Hier Amt, was beliebt?"
Es beliebte so manches, nicht immer nur technische Hilfestellung. Fantasien blühten, und die eine oder andere Telefonistin musste streng werden, um den Anrufer auf seine Aufgabe zurückzulenken, nämlich ihr die gewünschte Anschlussnummer mitzuteilen.
Je nachdem, wohin man telefonieren wollte, brauchte man nun Geduld. Ortsgespräche waren schnell hergestellt, zumindest wenn die Steckbuchse des Empfängers im gleichen Schrank beherbergt war. Für einen Anschluss im Nebenschrank musste die Vermittlerin ihrer Nachbarin die Nummer zurufen. Ferngespräche nahmen oft sogar den Weg über mehrere Ämter. Noch 1918 dauerte es im Schnitt eine Viertelstunde, bis ein Anrufer sein Gegenüber am Telefon hatte. Zu Stoßzeiten kam es im Chaos von Zurufen und übereilter Stöpselei oft genug zu falschen Verbindungen. Wer weiß, wie viele interessante Beziehungen dadurch zustande kamen!