Manchmal ist es zu schön, um wahr zu sein. Deswegen fehlt das Happy End. Obwohl es vielleicht auch so ein ganz schönes Ende ist. Jedenfalls beschließen Kilius und Bäumler sehr einmütig ihr Eiskunstmärchen. Autorin: Regina Fanderl
Es ist ein ungeschriebenes Gesetz: wenn schon der Papa immer Fußball und sogar bei der Nacht Boxen anschaut, dann gehört der Fernseher gefälligst immer dann der Mama, wenn Eiskunstlauf auf dem Programm steht. Sie mag am liebsten die Damen-Wettbewerbe und natürlich den Paarlauf. Männer-Einzel weniger. Für die Mama passen die Männer in ihren langweiligen Anzügen einfach nicht auf’s glitzernde Eisparkett, wo schöne, melodische Musik gespielt wird und am Rand streng-dreinschauende, hochtoupierte Damen mit auf der Preisrichterbank sitzen.
Schon schön!
Fast wie beim Opernball fühlen sich diese Stunden vor dem Leih-Apparat an, der nur dann munter-flackernd Bilder samt Ton liefert, wenn man in den Schlitz auf der Rückseite Geld einwirft. Doch da reut die ansonsten sparsame Mama kein Pfennig! Eiskunstlauf ist Frauensache! Die Gatten müssen sich ganz allein ein Wurstbrot machen, Kinder bleiben sich selbst überlassen, Herrenhemden ungebügelt. Die Frau des Hauses tät sich vielleicht sogar ein Glas Sekt gönnen, wenn’s einen gäb‘ – wenn, ja wenn SIE dran sind: die absoluten Glamour-Stars Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler! Blond sie, gschneckelt, wie die Mama sagt, er. Mit traumhafter Sicherheit und höchster Eleganz legen die beiden schönen, jungen Menschen Rittberger, Schleuderaxel oder Doppelsalchows hin, dass es den Zuschauern sogar in der Dortmunder Westfalenhalle richtig warm ums Herz wird.
Schon sehr schön!
15 und 16 Jahre jung sind die Hessin und der Bayer, als sie am 11. Januar 1959 in Berlin zum zweiten Mal den deutschen Meistertitel gewinnen und ihre sensationelle Sportkarriere in die Gänge kommt. Noch im gleichen Jahr werden sie Europameister in Davos und holen Silber bei den Olympischen Winterspielen in Colorado Springs.
Der Siegeszug des jugendlichen Traumpaars zieht sich hinein in die 60ger Jahre und wo immer sie einen Titel holten – in Squaw Valley, Innsbruck, Cortina, Berlin oder Vancouver – überall wartet schon die Fotografen.
Allerdings ist ihnen, auch zum Ärger der Mama, ständig ein sowjetrussisches Paar hart auf den Fersen: Ludmilla Belousova und Oleg Protopopov. Die Namen ihrer ärgsten Konkurrenten kommen Kommentatoren wie Zuschauern nicht nur schwer, sondern auch ungern über die Lippen. Die Duelle auf dem Eis haben Hamlet’sche Dimension. Als die Russen 1968 zum zweiten Mal olympisches Gold gewinnen, haben Marika und Hans-Jürgen längst ihren Rücktritt vom aktiven Sport erklärt. Es läuft einfach nicht mehr rund und die beiden wenden sich anderen Betätigungsfeldern zu. Sie versilbern ihren Erfolg in Eisrevuen und besingen Schallplatten mit Liedern wie "Wenn die Cowboys träumen", "Wunderschönes Mädchen" oder "Honeymoon in St. Tropez". Marika heiratet schließlich mit 21 Jahren einen Frankfurter Fabrikantensohn und Hans-Jürgen steigt ins Fernseh-und Theatergeschäft ein.