Manchmal muss man Dinge beim Namen nennen und nichts beschönigen, weil es nichts zu beschönigen gibt. Nicht alle wollten aus diesen Gründen den Roman "Im Westen nichts Neues" bei Erscheinen lesen. Autorin: Brigitte Kohn
Es gibt sie in den meisten Dörfern und Stadtteilen, die Gedenktafeln mit den Namen der toten Weltkriegssoldaten. Die meisten von ihnen sind keine dreißig geworden. In den Straßen, durch die wir heute laufen, haben auch sie als Kinder gespielt, damals, als die Welt noch ländlicher und der Sommer noch heißer und staubiger war.
Wie sie gestorben sind, das stellt man sich besser nicht vor. In den Memoiren der hohen Offiziere steht davon nichts. Aber der Schriftsteller Erich Maria Remarque, geboren 1898 in Osnabrück, hat den Leiden der einfachen Soldaten ein Denkmal gesetzt. Die Arbeit an dem Roman "Im Westen nichts Neues", erschienen am 31. Januar 1929, schuf ihm ein Ventil für die Depressionen, die er seinem kurzen Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg zu verdanken hatte. Das Buch handelt von einer Schulklasse, die sich, verführt von kriegsbegeisterten Lehrern, geschlossen und freiwillig an die Westfront meldet.
Mit anfänglicher Begeisterung
Dort lernen die jungen Männer schnell, dass das Überleben in den Schützengräben des industrialisierten Krieges nicht vom Patriotismus abhängt, sondern vom Zufall. Und dass auch die Davongekommenen für immer gezeichnet sein werden. "Wir waren 18 Jahre und begannen die Welt und das Dasein zu lieben. Wir mussten darauf schießen", so steht es im Roman. Das ist die Katastrophe dieser Generation, deren zerstörtes, korrumpiertes Gefühlsleben zum Untergang der Weimarer Republik beigetragen hat.
Der Roman war ein Welterfolg, ebenso wie seine Verfilmung, und machte den Autor reich. Remarque konnte das Geld gut gebrauchen, als er vor den Nationalsozialisten in die Schweiz fliehen musste. Später führte er ein mondänes Leben in den USA, an der Seite von Hollywood-Schönheiten wie Greta Garbo und Marlene Dietrich. Von seinen Depressionen, seinem Alkoholismus und seiner Herzkrankheit ließ er sich nicht unterkriegen.
Unermüdlich half er anderen Verfolgten, unermüdlich schrieb er weiter bis zu seinem Tod im Jahre 1970: über die Gefangenen der Konzentrationslager und ihre Henker, über entwurzelte Kriegsteilnehmer, über Opfer und Täter in einer Welt, die das Geschehene verdrängt und leugnet.
Einfach und deutlich
Remarque bietet keine sprachlichen Experimente und keine politische Programmatik. Er appelliert an das Einfühlungsvermögen, an die Humanität seiner Leserschaft. Die Nachkriegsgermanistik fand das zu banal, doch die Leser halten ihm bis heute die Treue, und das zu Recht: Von Remarque kann man lernen, wie es sich anfühlt, wenn Menschen von anderen Menschen in einen Abgrund der Lebensverachtung und Zerstörungswut gestoßen werden. So wie es bis heute, unter immer neuen Vorzeichen, immer wieder geschieht.