Eher etepetete oder mehr so lala? Alles eine Frage des Umfeldes, denn nach dem richten sich jeweilige gute Sitten – sagt Knigge. Autorin: Carola Zinner
Nur damit Sie es wissen: "Guter Appetit!" – das geht gar nicht!
Gehobene Kreise fangen bei Tisch nach einem kurzen prüfenden Blick in die Runde einfach an. Der Adel zeigt auch sprachlich gerne eine gewisse Deftigkeit und fragt deshalb nicht nach der Toilette, sondern bestenfalls nach dem Klo. An solchen Kleinigkeiten erkennt man sich – und weiß auch gleich, wer nicht dazu gehört.
Gute Manieren sind halt immer eine Sache des Umfeldes.
Bitte. Danke.
Diese Weisheit ist nicht neu. "Wer wird nicht schon mehrmals in seinem Leben die Erfahrung gemacht haben, in welche Verlegenheit man kommen kann, wenn wir in eine Gesellschaft gerathen, wo die Gebräuche weit außer unserm Systeme liegen", schrieb Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr Knigge in seinem berühmtesten Werk: "Über den Umgang mit Menschen", erschienen am 2. Januar 1788. Es waren muntere Zeiten damals; die Verkrustungen der Standesgesellschaft lösten sich langsam auf; man setzte auf Aufklärung und – damals top aktuell – auf deutsche Sprache und Lebensart, statt sich wie bisher an Frankreich zu orientieren. Das machte die Sache aber nicht unbedingt leichter: Der bayerische Bauer, schreibt Knigge, "ist verlegen, wenn er auf verbindliche artige Dinge antworten soll, die der feine Sachse ihm entgegenschickt."
Überall anders…
Jedes kleine Fürstentum hatte seinen eigenen Umgangston, jede Gruppe, ob es nun Adelige waren oder Handwerker, Kaufleute oder Priester – ihren Kodex. So kam man, sofern man nicht einfach unter seinesgleichen blieb, beim Umgang mit seinen Mitmenschen leicht mal in Schwierigkeiten. Doch Knigge wusste Rat. Der 35-jährige Schriftsteller, Spross einer verarmten Adelsfamilie, konnte zurückblicken auf ein, wie er schreibt, "ziemlich unruhiges Leben unter Menschen mancher Art". Dabei war der Freigeist durchaus auch selbst hin und wieder gewaltig ins Fettnäpfchen getreten:
Am Hof von Kassel etwa, den er später in Ungnade verlassen musste, klaute er im Scherz mal einer Hofdame den Schuh und kompromittierte sie damit derart, dass er sie anschließend heiraten musste. Ja, Knigge kannte die Tücken des Lebens aus eigener Erfahrung, und er tat alles, um seine Leser davor zu bewahren. Bereitete sie vor auf den Umgang mit Untergebenen (distanziert, aber freundlich) - und Höhergestellten (ehrerbietig, aber nicht schmeichlerisch), mit Künstlern (Vorsicht, nicht zu viel davon, sonst droht der Vergnügungs-Rausch), Journalisten (Ganz schwierig! Besser Abstand halten) und - mit Frauen, was deutlich verrät, für wen er sein zweibändiges Büchlein verfasst hatte, nämlich für die Männerwelt.