Eine sehr seltsame Mischung: Sklavenhalter und überzeugte Humanisten gründeten, die Amerikanische Kolonialisierungsgesellschaft. Ihr Engagement führte zur Gründung des Staates Liberia. Autorin: Brigitte Kohn
Liberia. Der Name klingt so leicht und frei. Ganz anders als das, was jahrelang in der Zeitung stand. Schlimmstes Land der Welt, Schandfleck unter den Nationen, Außenprovinz der Hölle, Land blutiger Bürgerkriege und drogensüchtiger Kindersoldaten. Erst seit Ellen Johnson-Sirleaf im Jahr 2005 die Wahlen gewonnen hat, scheint es aufwärts zu gehen. "Ma Ellen", wie die Präsidentin von allen genannt wird, bekämpft Korruption und Gewalt, fördert die Bildung und holt Investoren ins Land.
Profitables Recht der Schwarzen
Hoffnung also für das schöne Liberia, dessen Geschichte eigentlich auch recht hoffnungsfroh begonnen hatte. 1821 veränderte sich das Leben an der Pfefferküste dramatisch. Neuankömmlinge wanderten ein, Tausende wurden es im Laufe der Jahre. Sie kamen auf Schiffen aus Amerika, es waren freigelassene Sklaven. Menschen, die ins Land ihrer Väter zurückkehren wollten, statt sich in den USA weiterhin mit weißen Rassisten herumzuschlagen.
Finanziert und organisiert wurde ihre Auswanderung durch die Amerikanische Kolonialisierungsgesellschaft, die am 21. Dezember 1816 gegründet worden war. Die Mitgliederzusammensetzung mutet heute höchst merkwürdig an. Sklavenhalter traten Seite an Seite mit humanistisch und philanthropisch gesinnten Politikern und Intellektuellen für das Recht der Schwarzen auf Heimkehr nach Afrika ein. Die einen, weil sie die Rache der ehemaligen Sklaven fürchteten, die anderen, weil sie die Schwarzen vor dem weißen Rassismus schützen wollten. An eine versöhnte gemischte amerikanische Gesellschaft konnte keiner so recht glauben, stattdessen hatten alle, wie das oft so ist, auch wirtschaftliche Interessen. Ausgediente Sklaven als billige Arbeitskräfte an der rohstoffreichen westafrikanischen Küste anzusiedeln, das versprach Profit.
Nur nicht mehr Opfer sein
Aber die Schwarzen errichteten ihre eigenen Handelshäuser und ihr eigenes Regierungssystem und erklärten 1847 die Unabhängigkeit des Staates Liberia. Eine Befreiungsgeschichte also? Nicht für alle. Liberia war ja vor der Ankunft der Amerikaner nicht leer gewesen.
Die lokalen Stammeshäuptlinge mussten mit Waffengewalt dazu gezwungen werden, ihr Land an die Amerikanische Kolonialisierungsgesellschaft zu verkaufen. Die schwarzen Einwanderer, die noch vor kurzem als Parias auf den Baumwollplantagen der weißen Herren geschuftet hatten, fühlten sich nun ihrerseits als überlegene Spezies. Sie spazierten mit Frack und Melone, mit Krinolinenröcken und Perücken durch die Hauptstadt Monrovia, wohnten in Häusern, die genauso aussahen wie die Sklavenhalter-Paläste in den Südstaaten der USA, und verachteten die Leute aus dem Busch, die sie sich als Sklaven auf ihre Güter holten.