Prost-Mahlzeit, wird sich mancher gedacht haben. Da gönnt man sich gerne mal ein Schlückchen Britzelwasser zur Beruhigung der Nerven. Nun soll man sich das nicht mehr leisten können, weil teuer dank Steuer? Autor: Xaver Frühbeis
Wilhelm II. war deutscher Kaiser. Und neidisch auf die Engländer. Die hatten eine große Flotte, mit Schlachtschiffen und Kanonenbooten und allem, was man auf See braucht. Seine eigene Marine kam dem Kaiser ziemlich unscheinbar vor. Also - ließ er aufrüsten. Häfen wurden verbreitert, Werften ausgebaut, eine Wasserstraße zwischen der Nord- und der Ostsee gegraben, und natürlich: viele neue Schiffe und Waffensysteme angeschafft. Dummerweise war das alles nicht billig. Wilhelm fragte im Land herum, wo man am besten eine nette kleine neue Steuer einrichten könnte. Ein Vorschlag kam von dem Wiesbadener Sektfabrikanten Johann Jacob Söhnlein. Wie wäre es, meint Söhnlein, mit einer Abgabe auf "Werbeanzeigen in Zeitungen"? Nie und nimmer, rufen die Verleger. Wenn die Leute weniger Anzeigen schalten, wäre das der Ruin vieler kleiner Blätter. Okay, sagt Wilhelm, das leuchtet ein. Doch Moment mal ... was ist dieser Söhnlein gleich noch von Beruf? Ein Sektfabrikant? Das ist die Idee! Wir werden Schaumwein besteuern. Wer sich Sekt und Schampus leisten kann, der kann auch ein paar Schluck für die Kriegsschiffe des Kaisers trinken.
Am 1. Juli 1902 tritt das Gesetz über die Einführung der Schaumweinsteuer in Kraft. Was vorher zwei fünfzig gekostet hat, kostet jetzt drei Mark. Der Aufpreis ist happig, die Sektverkäufe gehen in den Keller, die deutschen Kellereien stöhnen. Leider ist das alles, was die Steuer zuwege bringt. Finanziell ist sie eher überflüssig, und als ein paar Jahre später Krieg ist und des Kaisers neue Flotte zum Einsatz kommt, stellt sich raus, daß die auch nicht viel nützt. Am Ende wird sie gar von den eigenen Matrosen ins Meer versenkt, damit sie nicht den Feinden in die Hände fällt.
Bloß die Schaumweinsteuer, die geht nicht zugrunde. Zu Beginn des Dritten Reichs wird der Finanzminister sie auf Null setzen. Abgeschafft ist sie damit noch lange nicht. Denn was nur beiläufig stillgelegt ist, läßt sich leicht wieder zum Leben erwecken. Gleich zu Anfang des Zweiten Weltkriegs: Eine Mark mehr pro Flasche. Dann, im Oktober 41: Drei Mark "Kriegszuschlag". Den Zusammenbruch im Mai 45 übersteht die Schaumweinsteuer ihn problemlos.
Fünf Jahre später startet das Wirtschaftswunder, nur die westdeutschen Sektkellereien stöhnen noch immer, daß kaum einer ihren Sekt kaufen will. "Ich bin sehr erstaunt," schreibt ein Interessent aus dem sozialistischen Osten, "über diese drei DM Kriegszuschlag pro Flasche und storniere deshalb meine Bestellung. Wir haben hier zwar Manöver, aber keinen Krieg. Ich bitte um Nachricht, wenn bei Ihnen der Krieg zu Ende ist, damit ich meine Bestellung erneuern kann."