Wer weiß schon genau, wo die Antillen liegen? Kolumbus wusste jedenfalls nicht, dass er es mit einer ganzen Inselgruppe zu tun hatte statt mit Indien, das er so dringend suchte, als er zufällig Jamaika entdeckte. Autor: Herbert Becker
Der Bub kommt aus der Schule heim und weint. Als der Opa fragt, was los ist, sagt die Mutter des Buben, der Lehrer hätte ihm eine Strafaufgabe gegeben, weil er nicht gewusst hat, wo die Antillen liegen. - "Geschieht ihm ganz recht", sagt da der Opa. "Der soll aufpassen, wo er sein Geraffel hinlegt!"
Oh je…
Aber mal ganz ehrlich: Wer kann schon gleich wie aus der Pistole geschossen sagen, wo die Antillen liegen? Also, nur für den Fall, dass man mal von den Enkeln gefragt wird, den Kindern, oder sonst wem, es ist so: Es gibt die Großen und die Kleinen Antillen. Zu den Großen gehören unter anderem Kuba, Jamaika und Hispaniola. Daran schließen sich dann die Kleinen Antillen an; dazu zählen zum Beispiel die Inseln Guadeloupe, Martinique, Grenada und Barbados; sie ziehen sich von den Großen Antillen aus in einem Bogen Richtung Süden, bis Trinidad und Tobago.
Geografische Verortung
Schön, soweit die Erdkunde, jetzt zur Geschichte der Antillen. Die fängt, genau genommen, schon mit einer ziemlichen Sucherei an. Entdeckt hat sie - wer wohl? Kolumbus. Und davon, wo die Antillen liegen, hatte der ungefähr eine so klare Vorstellung, wie der Opa in der Geschichte von vorhin. Kolumbus wusste nämlich auch nicht, wo sie liegen, nein, er glaubte noch nicht einmal, dass es überhaupt Inseln sind. Er wollte ja bekanntlich nach Indien, und bei Indien, so viel stand damals schon fest, handelt es sich um einen Subkontinent. Von dort wollte man Gewürze holen, Edelsteine, Elfenbein - und vor allem: Gold.
Typischer Fall von versegelt!
Gold! Das war es, wonach die spanischen Entdecker fieberten.
Wo immer sie auf indianische Ureinwohner stießen, wollten sie mit aller Gewalt von ihnen wissen, wo es Gold gibt. In welcher Sprache sie sich damals verständigten? Gute Frage. Wahrscheinlich mit Händen und Füßen und einem lächerlich kleinen Basiswortschatz. Ungefähr so, wie die ersten deutschen Italien-Touristen, die sich am Strand von Riccione an die Einheimischen wandten, um in Erfahrung zu bringen, wo sie ein deutsches Bier kaufen können. Und genau wie die Italiener werden die Indianer milde den Kopf geschüttelt und in irgendeine Richtung gedeutet haben.
Jedenfalls ist das der Eindruck, den man gewinnt, wenn man im Bericht von Kolumbus´ zweiter Amerikareise liest, wie der Admiral an der kubanischen Südküste immer wieder die ortsansässige Bevölkerung löcherte. Sie war herbeigeströmt, um sich die großen Schiffe anzuschauen und verstand vermutlich nicht viel mehr, als dass die fremden Männer nach irgendetwas suchten. Die Indianer machten freundliche Gesichter, zeigten nach Süden und sagten etwas, das wie "Jameque" klang. Dann schauten sie zu, wie sich die hübschen, weißen Segel blähten und am Horizont verschwanden.
Immerhin gelangten auf diese Weise am 5. Mai 1494 die ersten Europäer auf jene Insel, die seither den Namen Jamaika trägt. Sechs oder sieben Tage liefen und ruderten sie an ihrer Küste entlang und inspizierten die Ohren der Eingeborenen: Weil aber in diesen keine Spur von Goldschmuck zu finden war, segelten sie wieder davon. Was die Jamaikaner - sie sollen sehr schweigsam und zurückhaltend gewesen sein - über die Weißen dachten, können wir uns ungefähr ausmalen.